Dienstag, 23. März 2004


"Ich bin Gerichtsmediziner."

...
"Da kommen Sie zu früh. Aber die Spur ist richtig."

(Quincy, RTL)

Super 8 | von kid37 um 23:54h | 2 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 22. März 2004


Crevettes

Ach ja. Was wirklich geil ist: 1200 km fahren und dann in Les Rosaires aussteigen, hinunter zum Strand gehen, barfuß durch die Brandung laufen und den Geruch des Meeres aufsaugen. Da ist eine Menge Salz drin.


 



Fight Club

"You're talking to me?"


Einer meiner Chefs fragte mich vor ein paar Wochen, ob wir uns nicht in der Mittagspause treffen sollten. Ich hatte nämlich die Einrichtung eines Fight Clubs vorgeschlagen. Ich wartete dann aber allein im Regen vor dem Haus.

Ich frage mich, ob ich nicht wieder Musik machen sollte. Seit bestimmt sechs Jahren habe ich keine Gitarre mehr angefaßt. Das unbeschreibliche Gefühl, den Hals einer vom eigenen Feedback vibirierenden Stratocaster in einen Marshall-12-Zöller zu rammen. Talking 'bout orgasms in weblogs.
Einmal schleuderte ich im Zorn meinen Bass - eine Fender-Kopie - quer durch den Übungsraum. It was all about youth, energy and sound.

Rebellion in meinem Alter? Es gibt lächerlichere Dinge.
Schade, daß man in weblogs nicht SCHREIEN kann.
Es gibt in html keinen SCREAM-REAL-LOUD-tag.

Ich habe einen Lieblingscartoon von wahrhaft brutaler Größe, den ich aus Urheberrechtsgründen hier nicht zeigen kann. Ein Arzt, offensichtlich ein Psychiater, sitzt am Schreibtisch und telefoniert. Caption: "I can hardly understand a word that you're saying, Roger. Is that a gun in your mouth?"

Wenn man nur lange genug schluckt, kommt alles wieder heraus.
Und morgen ist ein neuer Tag.


 



Primitive Notion

"It doesn't take a lot to confuse me
I'm not aware of the passing of time
And I'd like to say to those who accuse me
Could you do it while you looked in my eye"
(New Order, "Primitive Notion")


Erde, Salz, Muschi, Blut. Das klingt poetisch.
Das klingt nach Anna Magnani, Bitterem Reis, nackter Wirklichkeit und italienischem Neo-Realismus.

Dahinter steckt aber nur der verzweifelte Hilfeschrei des Neo-Liberalismus. Das Alphamännchen möchte sich die Zigarre an einem uneingelösten Scheck anzünden. Freudianer verstehen die Symbolik dahinter.
Die Selbstentäußerungen klingen nach weiteren Hilfeschreien. Verbrämt hinter vermeintlichen Erfolgsgeschichten - success stories, natürlich. Natürlich. Er hat den Durchblick, alle Jobs der Welt und die Frauen dazu. Er verachtet die Blutleere in blogger-country.
Er ist der Junge, der in unserer Klasse immer auf der rechten Seite saß. Links waren nämlich die Fenster. An denen saßen wir. Sahen hinaus und träumten.

"Well I've been driving in the wrong gear
It's been a long and lonely ride
It's been winter for a whole year
But you couldn't hurt me if you tried"

Erde, Salz, Muschi, Blut. Seine dicke Zigarre würde im Regen naß.
Im Blut der Wiccas auch.
Und jede Wette: Er weiß gar nicht, wie Salz wirklich schmeckt.


 


Samstag, 20. März 2004


13

Ich neige ja zum oberflächlichen Schwadronieren. Nachschub für allerlei Nachtbetrachtungen liefert mir dabei die bunte Welt der Magazine. Ein gutes Magazin ist ein Fenster zur Welt und erspart so manche Reise. Oder weckt das Fernweh.

Seit Jugendjahren betrachte ich die gutsortierte Bahnhofsbuchhandlung als eine Art extendiertes Wohnzimmer. Am Wochenende blätter ich mich gerne quer durch die Welt. Und es gibt immer was zu entdecken. Neulich war es das "Cheerleader"-Special-Interest-Magazin. Gefüllt mit Hinweisen auf Wettbewerbe und den neuesten Choreographien aus Übersee. Heute fand ich ein ganz großes Magazin, in dem japanische Mädchen in den Kostümen ihrer Lieblingsmangas durchfotografiert waren. Kommt auf die Begehrliste, der Preis ist allerdings exorbitant für 48 oder so Seiten.

Das neue "Quest" hingegen wartet mit einer angenehm düsteren Ausgabe auf. Die Nr. 13 macht sich sozusagen selbst zum numerologischen Thema. Gewohnt schöne Fotostrecken, Gothic-Culture, ein Interview mit Gottfried Helnwein ("Kunst ist für mich eine Waffe, mit der ich zurückschlagen kann."), Arnold Schönberg (12Töner! 13! Got it?), ein alter Vergnügungspark in der Ex-DDR. Daniel Josefsohn, in den 90ern der Shooting-Star in der deutschen Fotoszene und mit seiner MTV-Strecke berühmt geworden, darf auch wieder mal... und dazu das übliche Gutschi, Putschi und Mutschi. Ein paar Texte nerven. Nullsätze wie "In Deutschland flüchten immer mehr Menschen in paranormale Glaubenswelten, um der kalten Realität zu entkommen", darf man höchstens in blogs schreiben. Aussagen wie "Der Glaube an die real existierende Allmacht des Teufels und die Macht des Bösen fand im 18. Jahrhundert mit der Aufklärung ihr jähes Ende. Die dadurch entstandene Leere wurde von der damaligen Kunstwelt (Hieronymus Bosch u.v.a.) mit Genuss gefüllt", ist schon aus mehreren Gründen falsch. Bosch lebte von ca. 1450 - 1516 und hat weder was mit der Aufklärung noch mit dem 18. Jahrhundert zu tun.

Das Teil ist aber trotzdem ein Vergnügen auf dem coffee table. Zum Cappuccino.


 



Der Kaffee ist fertig

Herr Kid, fragt man mich. Sie haben doch dieses Hermetische Caféhaus, in dem sie nebst Absonderlichkeiten aller Art doch bestimmt auch einen hervorragenden Cappuccino ausschenken. Wie machen sie eigentlich den Schaum? Sie besitzen doch bestimmt auch so einen elektrischen Miniquirl?
Mais non, au contraire, Mademoiselle. Die Zeit als ich noch batteriebetriebene Hilfsmittel einsetzen mußte, um die Dinge zum Schäumen zu bringen, sind doch schon länger vorbei. Sicher, diese Gerätschaften machen Spaß und erfüllen vor allem ihren Zweck. Aber am Ende eines langen Tages zählt doch nichts mehr als ehrliche Handarbeit.

Rührfix mit Glas, ältere Version ohne MaßeinheitenSeit einem halben Jahr benutze ich nur noch diesen klassischen Rührfix. Unsere Mütter und wahrscheinlich schon Großmütter haben damit einst Wunderdinge in ihren Küchen anrichten können. Ja, und es gibt sie noch, die Guten Dinge. Mein Rührfix allerdings ist ein Original, kommt vom Flohmarkt und hat mich einen Euro gekostet. (Achtung: Bei den neuen ist der Deckel des Rührwerks leider nicht mehr aus Bakelit.)
Es gibt auch eine Luxusversion mit einem gläsernen Messbecher. Wer diese besitzt, ist der König der Schaumschläger!

Nun die quick'n'dirty-Methode: Wer Barfrauen kennt, erfährt auch die kleinen Tricks der Gastroszene.
Wer also die Milch nicht erhitzen will (weil es z.B. schnell gehen muss), kippt einen Schluck heißen Wassers zur Verdünnung in die Milch. (Denn am besten eignet sich - man mag das ja nicht wahrhaben - verdünnte H-Milch. Auch das wissen Barfrauen.)
Zehn Sekunden kräftig und gleichmäßig rühren, fertig. Schon hat man prima Schaum. Kakaobestreuselung, ein Glas Wasser und den Keks nicht vergessen.


 



Nox

Es ist die Nacht des 9. November 1989. Das Fernsehen der DDR überträgt eine Pressekonferenz. Günter Schabowski, Mitglied des SED-Politbüros, verliest stockend eine Mitteilung des DDR-Ministerrates. Es herrscht Verblüffung, dann Tumult. "Wann?" fragt ein Journalist.
"Nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich."

Eine junge Frau tötet einen Mann. Sucht die Ader in seinem Hals und schneidet ihm mit einem Messer die Kehle durch.
Den sterbenden Mann läßt sie zurück in ihrer Wohnung zurück und stürzt hinaus in das Dunkel einer Stadt, die am Morgen eine ganz andere sein wird.

Zwei Ereignisse, seltsam unverbunden zunächst, bedingen einander, werden eins. In der Nacht, als die Mauer fällt, streift die junge Mörderin durch Berlin. Verfolgt von einem ostdeutschen Schäferhund. Einem der berüchtigten, scharfgemachten Tiere, die den Todesstreifen bewachen.

Thomas Hettche ist einer der wenigen westdeutschen Autoren, die sich literarisch mit dem Fall der Mauer und dem Thema "1989" auseinandergesetzt haben. Sein Roman Nox (Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1995) nähert sich in einer merkwürdig kalten, dokumentarischen Sprache einem hochemotionalen Thema. Seine Figuren jagt er durch eine in mehrerer Hinsicht historischen deutschen Nacht, in der die Zeit aber stillzustehen scheint.

Das Personal ist bizarr. Ein Geräuschemacher, ein Pathologe, die Mörderin, eine pseudohedonistische Gruppe, die sich die Zeit mit Kokain, anonymen Sex und sadomasochistischen Ritualen vertreibt. Die Orte "erlesen": Die berühmte medizinhistorische Sammlung Virchow mit ihren "Monstren", ein Schiff, das auf dem Landwehrkanal Richtung Mauer fährt, Parties, Hinterzimmer von Kneipen, sterile Wohnungen.

Ähnlich gequält aber wirkt auf Dauer die betont sachliche Sprache, die konstruierten Bilder. Da ist viel von Schnitten die Rede. Die Mauer als Schnitt, die Öffnung als solcher. Ein zerschnittenes Land teilt sich die sprachlichen Bilder mit dem Messer, das die Kehle durchtrennt, mit den Sektionssälen der Charité, mit einem Mann, dessen Haut durch S/M-Praktiken zerschnitten und mit Zeichen übersäht ist.

Die symbolischen Handlungen folgen teilweise so platt aufeinander, daß der literarische Taschenspielertrick nicht mehr zu übersehen ist. Einmal folgt auf die Beschreibung einer schmerzhaften Penetration ("Die kühle Betäubung des Pulvers nahm den Schmerz nicht, als er in sie eindrang, sondern verstärkte ihn noch...") nur wenige Seiten später schon die symbolische Paralelle. Die Grenze öffnet sich, die DDR-Bürger strömen in die Stadt, "drängen" in den Westen: "Der Schmerz brannte im Körper der Stadt, und ihre Augen zuckten hinter den geschlossenen Lidern im Schlaf, während das Schiff langsam immer weiter in sie hineinglitt."

Derlei Konstrukt aus dem Writer's Workshop zerstört leider immer wieder den Eindruck, man hätte es hier mit tiefschürfender, ernsthafter Literatur zu tun. Angereichert mit ach-so-gewagten Sexpraktiken und den ebenso bemüht wirkenden Schauerbeschreibungen aus Virchows Pathologischer Präparatesammlung, heischt der Roman mit Oberflächenreizen um Aufmerksamkeit. Und gleichzeitig ist er geradezu krampfhaft bemüht, mit seiner gewählt schmucklosen Sprache den Eindruck eines feingewobenen Kunstwerks zu suggerieren.

Das Schauersujet als Kaltnadelradierung. Aber Hettche ist nicht Goya. Er bleibt artifiziell, kunstgewerblich. Merkwürdig, erst gegen Ende des Romans lebt der Autor auf. Dann nämlich, als er vom Leiden der Wachhunde am Grenzstreifen berichtet. Dann, als er vom poetischen Träumen, der Sehnsucht dieser gequälten Tiere schreibt. Der Autor liebt die Menschen nicht. Der Autor ist ein Tierfreund.

Dennoch, das Buch ist lesenswert. Zumal man im Grunde immer noch nicht begriffen hat, was 1989 eigentlich passiert ist. Weil man manchmal noch stockt, wie weiland Schabowski. Vielleicht ist es auch bezeichnend, daß ein westdeutscher Autor einen solch düsteren Ton anschlägt, während Thomas Brussig, Reinhard Ulbrich und Co. das Thema so humorvoll angehen.
Ach, und Suhrkamp: Man schreibt nicht "Pobaken".

Ex Libris | von kid37 um 04:02h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 19. März 2004


Zeitsprünge

"I always say if I didn’t make art, I’d probably be dead." Tracey Emin

Ich wühle mich gerade ganz unschuldig durch den formidablen Soundtrack von Igby, einem der untergegangensten netten kleinen Filme mit großen Darstellerleistungen des letzten Jahres, und während also Coldplay mit ihrem "Don't Panic" anklopfen, erhalte ich eine eMail. So what, höre ich es schon. Ja ja, Moment: In dieser eMail meldet sich eine Person, die mich nach über 20 Jahren via Internet aufgespürt hat.

Also: Publish, don't perish! und "Wer schreibt, der bleibt". Ganz große Begeisterung. Ich bin so alt, ich habe sogar eine Vergangenheit.
"...and I don't care!" (Johnny Rotten. Der ist nämlich noch älter.)

Homestory | von kid37 um 00:20h | ein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Zeit für 'nen flick?

Durch eine mäandrierende Linkverkettung bin ich heute an einem Punkt in diesem Internetz gelandet, an dem ich die Zukunft des Films gesehen habe.

Um den Imagewechsel vom Experimentalfilmer weg hinzubekommen, sollte ich vielleicht überhaupt erst einmal ein paar solcher Filmchen im Giftschrank haben. Meine russische Normal-8-Kamera habe ich letztes Jahr entsorgt, weil hier ist ja kein Fotomuseum (braucht noch jemand günstig eine EXA?). Bei dem Format wäre es für einen störrischen Analogfotografen wie mich auch schwierig mit dem Verbrauchsmaterial geworden.

Also sollte ich mir auch so eine kaputte Digicam kaufen. Wenn ich mal wieder Geld habe, heißt das. Dann werde ich der Jan Svankmajer des unanimierten Films.

Super 8 | von kid37 um 14:59h | 7 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 17. März 2004


No sleep 'til bedtime!

Ja, Alter: Laß mal dein blaues Bändchen wehen. Du bist's? Ich hab' es gleich erkannt. Andere führen ihr Modern-Martyr T-Shirt aus, ich habe ein wenig im Jesus-Votiv-T-Shirt renoviert und die Sonne mein Zimmer aufheizen lassen. 20° Grad in Hamburg meldeten die Wetternachrichten. Auf dem Weg zum Greißler schaute ich kurz ins Büchercafé. Boris Vian Der Herzausreißer
für 1 €. Kühl. Darin eine Widmung: "Ganz herzlichen Glückwunsch zu Deinem 50. ... PS: Hoffentlich schockiert Dich dies Buch nicht zu sehr". Nein, sicher nicht, lieber P. Mich schockiert, daß C. dieses Buch nun zum Höker gegeben hat. Aber vielleicht hatte sie Gründe oder war doch schockiert. Vielleicht hättest Du ihr auch einfach was Hübsches bei "Blush Berlin" kaufen sollen? Wieviel Geld das gespart hätte!

Berlin ist heiß, das ist bekannt. Aber Blush-Berlin ist heißer. Keinen Faden zuviel für einen richtigen Frühling.

Homestory | von kid37 um 23:14h | ein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Schlaflosigkeit

... ist keine Schande.

"Wait they don't love you like i love you
Made off
don't stray
well my kind's your kind i'll stay the same
Pack up
don't stray
oh say say say..."

(Yeah Yeah Yeahs, "Maps")

[Edit] Und wenn man solche Musik Frauen vorspielt, dann sagen die, "was ist denn das für ein Gelusche. Hast Du nicht was härteres?" Hallo? Bei solcherart Sprüchen sind wir Männer aber auch empfindlich. Ich sag ja auch nicht, hm, hm also Deine "Monster Magnet"-Alben oder dieser Herr Manson oder meinetwegen frühe Neubauten, hast Du nicht mal was strafferes?

[Edit-Edit] Meine Gewährsfrau aus Wien hat hier doch was Tolles entdeckt. Scheint als ginge Miss O doch. Yeah, yeah, yeah! Poison-Ivy rocks.

Radau | von kid37 um 02:35h | 7 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 15. März 2004


Ego-Shooter


Wenn der Brief einmal im Briefkasten liegt, kann nicht einmal Gott ihn wieder herausbringen. Ähnliches gilt für eMails.
Überhaupt, eine undo- oder wenigstens Savegame-Funktion wird im Leben immer wieder schmerzhaft vermißt.


 



Hit me with your Rhythm Stick

Wie feige.


 



Ausgerechnet!

Ella hat es aufgebracht, zuerst gesehen habe ich es im Terminal Pub, der heute reichlich derangiert aussah. Alle haben sie tolle Garcia Marquez Bücher. Und ich alter Irland-Degoutierer? Natürlich. war ja klar.



You're Ulysses!
by James Joyce
Most people are convinced that you don't make any sense, but compared
to what else you could say, what you're saying now makes tons of sense. What people do
understand about you is your vulgarity, which has convinced people that you are at once
brilliant and repugnant. Meanwhile you are content to wander around aimlessly, taking in
the sights and sounds of the city. What you see is vast, almost limitless, and brings you
additional fame. When no one is looking, you dream of being a Greek folk hero.


Take the Book Quiz
at the Blue Pyramid.


Und dann könnte die Beschreibung auch noch stimmen!
Bettzeit.


 


Sonntag, 14. März 2004


Schimmelreiter

Die milde Luft und die angenehm dezente Sonne lockten heute hinaus auf die Deichanlagen. Ein Hauch von Vorfrühling bei der Rothenburgsverortung. Billwerder Bucht, runter zum Holzhafen. Stichwort: Unterwegs morsches Holz und Schrottteile gesammelt. Öbszöne, anthropomorphe Formen wispern schon Frühlingserwachen ins Ohr. Die Erde weich und feucht. Fett. Lange kann es nicht mehr dauern. In der nächsten Vollmondnacht lungern sicher blutdürstige Wicca-Horden im Schilf und praktizieren sexual magick.
Der Wind aber weht alle düsteren Gedanken fort. Der Wind packt einen am Kopf und schüttelt alles Schlechte links und rechts aus den Ohren raus. Noch ist also Mützenwetter.

(Und wäre es nicht bizarr, beim nächsten Vollmond nackten, blut- und matschbeschmierten Hexen im Schilf zu begegnen, die alle noch ihr Strickmützchen tragen?)

Auf dem Deich von einem Spaziergänger gegrüßt werden. Ein Zugezogener, denke ich. Nein, der nächste Jogger schwenkt mir ein freundliches "Moin!" entgegen. Verblüffend. Das kenne ich nur aus meiner Heimat, dieses Grüßen im Gelände. Als ich vor Jahren mal in der Zone spazieren war, grüßten einen nicht einmal Spaziergänger, wenn man sich auf schmalen Kaninchenpfaden begegnete. Schlimmer, man starrte mich seltsam indigniert an, als ich es tat. Gut, dafür kann man dortzulande splitternackt durch den Busch laufen, ohne daß es merkwürdig auffällt.

Grüßen sei dort ungebräuchlich, wurde ich aufgeklärt. Aber ist es nicht merkwürdig, fragte ich. Man stolpert durch einsames Gelände und begegnet in dieser weiten Landschaft plötzlich einem anderen Menschen und geht dann schweigend aneinander vorüber?

Was sollte man sonst tun, wurde geantwortet.

Wie unheimlich. Wo man doch weiß, daß der Mensch des Menschen Wolf ist. Da sind Friedenszeichen doch lebenserhaltend. Aber der Osten ist rauher. Der Westen ist weichlich. Heute wehte der Wind, und ich hatte mein Mützchen vergessen. Aber ich habe "Hallo" gesagt.