
Sonntag, 14. März 2004
Man muß sich so sehr hüten, daß man nicht
Ohn jeden Anlaß aufbrüllt wie ein Tier.
Daß man der ganzen Kellnerschaft Gesicht
Nicht kurz und klein haut, übergießt mit Bier.
Daß man sich nicht die ekle Zeit verkürzt,
Indem man sich in einen Rinnstein legt.
Daß man sich nicht von einer Brücke stürzt.
Daß man dem Freund nicht in die Fresse schlägt.
Daß man nicht plötzlich unter Hundswauwau
Die Kleider sich vom feisten Leibe reißt.
Daß man nicht irgendeiner lieben Frau
Den finstern Schädel in die Schenkel schmeißt.
(Alfred Lichtenstein, "Der Angetrunkene". 1919.)

"... but I haven't got a stitch to wear." (The Smiths, "This Charming Man")
Die letzten wahren Herausforderungen werden im Fischlog abgehandelt. Zum Hamburg-Look gehört aber neben Hornbrille [check], Crumpler-Weenie oder LKW-Planen-Kuriertasche [check] unbedingt auch der Cöt aus halblangen, dünnen, halbfettigen Haupthaaren [nope]. So oute ich mich dann doch als zugezogene Quiddje.
Ich könnte noch zu einer gutvibrierenden Vernissage gehen. Aber mir hängt noch eine Freitag-Künstlerparty in den Knochen. Dortselbst gelernt: Polnische Fotografinnen können dangerously oversexed sein. Auf eine subtile Art. Polnische Kameramänner aber auch. Auf eher unsubtile Art. Hamburger Fotografinnen können ein latentes Interesse für deviante Sexualpraktiken offenbaren. Nörgelnde Säuglinge werden in meiner Gegenwart ganz ruhig (weil ich so unglaublich interessant bin, was sonst). Buffets lenken von Bildern an der Wand ab. Nicht jeder Kochlöffel hält jeder Art von Belastung stand (Ich hatte es vermutet). Es gibt Fotos, die so trashig sind, daß sie für eine Menge Gesprächsstoff sorgen. Es gibt Fotos, die so gut sind, daß sich keiner für sie interessiert. Ich kann um halb vier Uhr morgens noch erstaunlich belastbar sein.
Und? Du willst immer noch ausgehen? Denk an die Smiths:
There's a club, if you like to go
you could meet somebody who really loves you
so you go, and you stand on your own
and you leave on your own
and you go home, and you cry
and you want to die
("How Soon is Now?")

Freitag, 12. März 2004
A woman's work is never done, heißt es. Männer aber haben ab und an auch einiges zu tun. Diese Woche war das Eisenbiegen auf der Schiffswerft, auf der ich momentan arbeite, ganz schön schweißtreibend. Und muskelbildend. Feine Sache: Der Anker auf meinem Unterarm ist direkt was größer geworden.
Jedenfalls bin ich jetzt froh, daß es Freitag ist. Und hungrig. Seit langem schon warne ich aber vor richtigen Menüs. Mit Menüs kann man bei anderen Menschen viel erreichen, was hinterher aber häufig nur zu Verletzungen führt. Man kann sich den Umweg übers Essen natürlich auch sparen. But don't try this at home!. Gar nicht lustig, deshalb schalten wir kurz zurück zu dieser anderen Berufsgruppe, die bekanntlich nicht nur sinnlich, sondern auch gefährlich lebt.
Ich empfehle deshalb gerne das Käsebrot. Nach wie vor.

Donnerstag, 11. März 2004
Wer Belladonna nicht braucht, betreibt vielleicht nur Nabelschau. Das wußte jedenfalls Ilmaja zu berichten. Die schönste Nabelschau aber findet hier statt.
Vielleicht sollten Donnabella-Jäger und Brotspinnen einfach ein wenig gemeinsam Fussel suchen und sich vertragen?

So, grad komme ich angenehm verhopft vom Hamburger Bloggertreffen aus der Marktstube.
Man weiß ja vorher nie, was einen da so erwartet. Junge Nerds oder nerdige Jungs, von Brotspinnen nicht zu reden.
Nun, am Ende, denke ich, haben sich die richtigen Grüppchen gefunden. Danke nochmal an die Initiatoren. Die Wahl der Location hatte mich im Vorfeld ja schon ermutigt. (Musik war übrigens super: New Order, Elvis Costello. Hätte auch ich bestellen können)
Das Thema war natürlich auch die sogenannte "Belle de Jour"-Affäre. Ach ja. Mindestens dreimal hörte ich den Witz, "Hi, ich bin Don." "Ach ja, und ich bin Belle de Jour." Allein dafür war das doch gut. Gut gemacht ist es auch. Aber dazu ist ja alles schon gesagt. Möglicherweise gab es ja heute bloggerbewegend neues, aber ich denke mal nicht.
Ein anderes Thema war "mitlesende Exfreundinnen" (was es alles gibt). Andere Blogger haben damit offensichtlich Erfahrung, so daß sich das Thema "Selbstzensur" unmittelbar aufdrängte. Mir lag da ein bissiger Kommentar auf der Zunge, aber während der U-Bahnfahrt habe ich den glatt vergessen. Ich selbst habe glücklicherweise nur wohlwollende Mitleser. Ich wünschte, ich könnte sagen, ich habe nur wohlwolende Exfreundinnen. Haha. Das war aber nicht der bissige Kommentar. Vielleicht fällt er mir noch ein.
Ein paar Hamburger Interna waren auch nett. Und überhaupt: Ich fand die, die jetzt wissen, wen ich meine, sehr sympathisch. Und danke auch für das Bier und die neuen Links.
Edit: Ich werde mal wieder steckbrieflich gesucht. Der Mann will aber keine Kommentarfunktion. Deshalb muß er nun dumm ins Bett gehen. Oder er findet einen referrer, wenn sich jemand erbarmt und den Link klickt.

Mittwoch, 10. März 2004
Sie leben harte Leben,
sie können viel verstehn.
Sie haben viel zu geben,
haben viel gesehn.
Sie müssen nicht mehr streben,
sie sind auch noch nicht bequem.
Doch ists wie ein Erdbeben,
wenn sie mit dir gehn.
(Fehlfarben, "Club der schönen Mütter")
"Juni 1980
Thomas Schwebel hört in seinem neuen Auto, daß er sich für die gesammelten Auftrittsgagen des Frühjahrs für 150 Mark gekauft hat, die Buzzcocks: I Hate Fast Cars. Riesenunfall in Wuppertal ist die Folge. Am Abend erste Aufnahme in den EMI-Studios: Paul ist tot."
Früher [tm] koordinierten sich DAF, Mittagspause, Fehlfarben, Der Plan eine zeitlang im Dunstkreis der Wuppertaler "Börse". Da saß ich auch oft und war jung und beeindruckbar. Da gab es diese Künstlerkneipen, Abhängbars und komischen Schuppen. Man kannte sich. Und es gab immer tolle Barfrauen. Zwei, drei kannte ich auch. Das ist, was mir in Hamburg fehlt.
I cannot relate anymore.
"Ab September 1983
Die Band baut sich ihr eigenes Studio in Wuppertal. "
"Wechsle die Liebe oder die Stadt
Oder mach einfach dein Konto platt.
Du musst nur wollen, dann geht's schon glatt
Das Leben bietet doch Chancen satt."
(ebd., "Sieh nie nach vorn")

Andererseits, wenn ich das alles so lese, bleibe ich morgen lieber daheim.
Vielleicht Frühjahrsputz machen und die Brotspinnen aus der Ecke fegen.

Die Liebe will immer zu weit gehen und über die Freiheit des anderen verfügen.
(Undine Gruenter)
Aha. Das steckte also dahinter.

Dienstag, 9. März 2004
Oder sollte ich sagen, Püschologen? Ich bin ja nicht der einzige, der den Kopf schüttelt. Ja, genau, Ihr Campagneros für West. "Gleiches Recht für alle", headlined Ihr bundesweit. Egalité! Agit-Advertising. Dazu dann ein Foto, daß unglaublich witzig... sein soll. Eine, der man ansieht, daß sie sagte, "ha, das ist ja witziiiig!" darf sich in den Busch hückeln und dabei eine Zichte halten. Ehrlich: Das ist ja gewagt, ihr Kreativbombenleger!
Ehrlich: Man merkt, daß die Kreativtussen bei Euch so was im Leben noch nicht gemacht haben. Und die Kreativtypen von so was immer nur in ihren feuchten Bettchen träumen.
1. Gibt frau in aller Regel die Zigarette dem (!) Nächststehenden, wenn sie hinter den Busch will. Die ist nämlich einfach nur hinderlich und nicht "cool" oder ein Zeichen für Frauenpower.
2. Hockt sich eine nicht gerade komplett alkoholbedingt weggetretene Frau nicht so in den Busch, daß sie sich unweigerlich in den Rock pinkeln würde. Hallo?
Den zieht man hoooooch. Höschen runter, Rock hoch. So ist gut, braves Mädchen. Und nun entspannen.
Zum Entspannen eignet sich dann wohl dieses Spielzeug aus Vollgummi. Angeblich für den Hund gedacht, keimt in mir der Verdacht, dies ist, was der Rock verbergen soll. Jaja, bei Pedigree spielt da der Hund mit. Bei der West sitzt da jemand drauf. Gleiches Recht für alle eben. Das immerhin leuchtet mir ein.
Wer sich aber notorisch die Oberbekleidung einnäßt, der muß ab und an unter die Dusche. Und sollte aufpassen, ob er nach links oder nach rechts zum Shampoo greift.
Ich muß dazu sagen, daß Foto ist von Luise McKenzie, der schottischen Künstlerin. Von daher kann ich mich im Moment nicht dafür verbürgen, ob diese rechtsgerichtete Flasche echt ist. Wundern würde es mich aber nicht.
Wer weiß, daß in Kreativmeetings eben nicht nur feine Kekse gereicht werden, wundert sich sowieso über nichts mehr. Wer jemals durchgeknallte Art Directorinnen auf Fotosets erlebt hat, auch nicht.

Na, das ist ja gaaaaaaanz neu.

Montag, 8. März 2004
Aufgeräumt. Neue Unordnung geschaffen. Neue Chemie angesetzt. Fünf Filme entwickelt, neun warten noch. (Ans Vergrößern wollen wir nicht denken.) Jetzt hier sitzen, Fixierergeruch an den Fingern. Und ein wenig Musik hören.

Diese Woche war extrem abwechslungsreich und fand rechtzeitig die Kurve zum Guten.
Der Tag schrie: Zelebrier mich! Es traf sich daher gut, daß ich heute nach dem Flohmarkt noch in diese Galerie zur guten Kunst wollte, etwas gute Kunst kaufen. Statt Aktienfondssparen oder ähnlich gelagerter Scherze will ich nämlich lieber einen monatlichen Betrag in gute Kunst investieren. Während man bei sonstigen Rentenmodellen sein Geld für abstraktes Papier ausgibt, von dem man nicht weiß, ob es in 30 Jahren noch etwas wert ist, hat man von guter Kunst sofortigen Spaß. Im Nu. Und mit etwas Glück steigert sich die gute Kunst auch noch gehörig im Wert. Wenn nicht, nun, dann hat man immerhin einen ästhetischen Genuß.
Ein wenig mit dem Herrn Galeristen geplauscht. Es zeigte sich rasch, daß wir ähnliche Vorstellungen von unserem Rentnerdasein haben. Altherren-WG, exquisite Plattensammlung zusammenwerfen, guten Alkohol trinken, Jazz- und Punkscheiben hören und sich von blutjungen Pflegerinnen versorgen lassen. Meine Luxusversion sind ja diese japanischen Zwillinge, die sich als Krankenschwestern um mich kümmern. Mein Gegenüber träumt von gewissen bewußtseinserweiternden (oder -dämpfenden) Substanzen, die es dann legal auf Krankenschein in die Vene gibt.
Wie bereits erwähnt, übt dieser Laden eine extrem positive Vibration auf mich aus. Man fühlt sich gleich zu Hause. Man machte auch gleich noch Werbung für die "Weltbühne", die ab März mit ausgesuchtem Programm quer durch die Hamburger Schule aufwartet. Geplant ist dort auch eine Bar "für den kulturinteressierten Trinker". Man kann dort bestimmt ab und an gepflegt vor Anker gehen.
Dann bei Sautter & Lackmann reingeschaut, Begehrlichkeiten wecken. Im Westwerk gibt es eine nette, kleine Fotoausstellung. Schließlich bei Von der Höh einen deutlich preisreduzierten Ausstellungskatalog erstanden. Das nenne ich einen netten Hamburger Samstag. Und wenn der dann noch verabredungsgestärkt bis halb vier morgens dauert, kann man nicht meckern.
Soll's halt morgen schneien. Ich bleib im Bett.

Samstag, 6. März 2004
Bei Lady Death tanzen ältere Herren auf dem Tisch und verstecken das Feuer, wo wir es gar nicht so ganz genau wissen wollen. Ich tanze in aller Regel nicht auf Tischen, ich steh' einfach so in der Gegend rum. Hier ein Bild aus der Zeit "when I was semi-cool". Auch schon wieder fünf Jahre her. Heute sehe ich aus, als sei ein graufärbender Sturm über mich hergeweht. Nur, weil ich erst als Ersatzgitarrist mit Marilyn Manson auf Tour gewesen und dann zwei Jahre auf der Titanic mitgefahren bin. Matrosenliebe.
Mit dem Hemd hätte ich noch gut in meine Ex-ex-ex-Küche gepaßt. Oder französische Filme drehen können.
Rock de jeune. Exposition.

Komödie. Komödie. Ich hör' nur Komödie. Das ist keine Komödie. Das ist ein zarter, melancholischer Film über eine ungewöhnliche Männerfreundschaft. Einer der wenigen zarten Filme, in denen gar keine Frauen mitspielen. Doch. Eine bedient den Projektor. Eine andere pißt in den Schnee und steigt wieder betrunken in ein Flugzeug. Was sie dann mit dem Doktor Soundso (mein Namensgedächtnis!), dem Leiter dieser skurillen Forschungstruppe, treibt, können wir nur anhand ihrer gurrenden Lockrufe und ihres derangierten Lachens erahnen. Gezeigt bekommen wir es glücklicherweise nicht.
Also, merken: Frauen arbeiten nur an Illusionsmaschinen oder schweben in silberglänzenden Flugzeugen durch die Lüfte. Anwesend sind jedenfalls nur die Männer.
Eine schwedische Hausarbeitsforschungsgruppe macht sich in den späten 40er-Jahren mit einer Buckelvolvo-Kolonne (für Kenner: Baureihe 444) auf den verschneiten Weg nach Norwegen. Der alleinstehende Norweger soll am lebenden Objekt studiert, beobachtet werden. Dazu setzen sich die Schweden zu ihrem "Gastgeber" in die Küche auf eine Art Hochstuhl und zeichnen akribisch die zurückgelegten Wege und Art der Arbeiten auf. Jeglicher sozialer Kontakt hat zu unterbleiben aus Angst, die Forschungsergebnisse zu verfälschen.
So sitzt man stumm, beäugt sich gegenseitig mißtrauisch. Mahlzeiten nehmen die Schweden in ihren mitgebrachten kleinen Wohnwagen (Stichwort: Ei) zu sich, wo sie auch schlafen.
Der Film zeigt, wie sich schweigsame Männer in der nordischen Einöde doch annähern. Aus Beobachteten werden Beobachter, aus stummen Teilnehmern eines wissenschaftlichen Experiments beredte Komplizen, die sich heimlich Tabak und Alkohol teilen.
Ja, man darf viel Lachen in dieser kleinen, großartig fotografierten Geschichte. Darf staunen über die Ressentiments der Nordländer (die Enttäuschung der Norweger über die zaudernde, ewige Neutralität der Schweden im 2. Weltkrieg). Sarkastische Bemerkungen sind fällig, wenn diese uber-neutralen Schweden nun als uniformierte Invasionstruppe unter der Flagge der Wissenschaft ins Nachbarland einfallen.
Man darf aber auch ergriffen sein, wie sich diese skurrilen, ungleichen Männer, die vom Leben beide nicht belohnt wurden, langsam näher kommen. Wie ihre Freundschaft wächst, Eifersucht und Mißtrauen weckt. Und wie sich schließlich - wie in allen großen Geschichten - noch der Tod dazugesellt.
"Schöner Film über eine Männerfreundschaft", meinte meine Bekannte. "Den solltest du dir vielleicht mal mit Herrn maz anschauen." - "Nee, lieber nicht", antwortete ich. "Der will ja nur fummeln." Nein, zum Fummeln ist "Kitchen Stories" zu poetisch. Und schön. Monochrome Farbflächen in sehr skandinavischen Blau- und Grüntönen dominieren in den kargen Räumen. Innen und Außen. Und habe ich die Buckelvolvos schon erwähnt?

wird ein schöner Tag. Ehrlich.
