Donnerstag, 19. Dezember 2013
Sie bildet Menschen um. Wer das,
was schön war, vergißt, wird böse.
Wer das, was schlimm war,
vergißt, wird dumm.
(Laotse)
Scharren in der Asche, verkohlte Erinnerungsstücke. Jeder Tag ein Kleinverrat, geschminkt mit einem abgehetzten Lächeln. Die Antwort, eine halbsatzgemurmelte Lüge. Ein Schweigen, drei Tage hängen wie Punkte in der Luft, knistern in der Leitung. Irgendwas mit... egal. Ich belasse es, ich ahne, was kommt, ernüchtert.
Wie man immer den schönen Lügen glaubt, sich selbst in kleine Münze wechselt. Das Murren des Körpers übertönt, der es besser weiß. Wie man trotzig weitersingt, wie in einem ratternden Zug, mit dem man nur zur letzten Haltestelle will. Wie schwer das zu Fuß gehen fällt. Wohin auch. Auf den Mond vielleicht. Immer nur ein karger Mond.
>>> Geräusch des Tages: Stina Nordenstam, People Are Strange
Sonntag, 1. Dezember 2013
Es rumpelt ein bißchen auf und ab durchs Gelände, man kommt sich ein bißchen vor wie ein berühmter Generalfeldmarschall und Afrikakämpfer. Fronten an allen Seiten des Wüstensands und dazu nicht so schöne Nachrichten aus der Heimat. Gut, das ließe sich sicher auch unverfänglicher verbildlichen. Oder mit einem lebensbejahendem Strindberg-Zitat aufhübschen. Aber warum.
Frau Sorge ruft mich auf diesem Mobilpiepser an, dafür sind die Dinger immerhin gut. Vom Rote-Hand-Brief hatte ich schon gehört, vorsichtshalber zählen wir die drei verbliebenen Leukolymphodingsdazellen durch. Sind aber jetzt schon wieder vier, ich sage: weitermachen. Aus dem pschyrembligen Füllhorn habe ich ja breit zugegriffen, ein Konsilbefund dazu ist ganz launig formuliert. Von der Enttäuschung über vorbehandelnde, nur "fragmentarisch" urteilende Kollegen ist die Rede. Ich - ganz Hiob - werde als "geplagt" bezeichnet, was mir ausgezeichnet gefällt. Die sieben und dreißig Plagen des Herrn Kid! Ein Lehr- und Erbauungsfilm für den Schulunterricht, demnächst bei Bibel.tv. Geplagt. So ein schönes Wort.
Wunsch für das neue Jahr: Lieber solch ein Füllhorn. Ich will auch nur gucken.
Donnerstag, 22. August 2013
Aaaah, das ist jetzt wie früher als die meisten Blogger nur schwer angeheitert und bacardibefeuert ein paar Sätze in ihr Textfeld kloppten. Eigentlich haben wir das alle über die Jahre verlernt, was auch mit dem Trink- und Berauschungsverhalten zu tun hat, seit alle nur noch von Ingwer, Hanföl und frischen Salaten leben.
Ich war heute mal wieder in Hamburg engsten und dunkelstem Club, dagegen ist diese Stahlkang-Party aus der Markthalle nix. Junge Frauen am Eingang boten mir gleich flüssige Drogen an: Diazepam? flüsterten sie, und ich sage da längst nicht mehr nein. Wieviel ich brauchte? Ich nehme alles, sage ich jovial, und die Ärztin lacht und meint, geben sie dem mal 30. War so einer dieser Abende. Wo für Stammgäste alles aufs Haus geht.
Und ich muß sagen, 30 sind der Knaller. Dreiviertelstunde später wanke ich auf die Straße und habe das dringende Bedürfnis, auf die Köhlbrandbrücke zu schleichen, mich dort nackt auszuziehen, die Arme auszubreiten und "Ich bin der König der Welt!" zu rufen.
Ich war heute der letzte Patient am Abend, die haben noch Termine bis nach 21.00 Uhr. Die Stimmung ist dann schon angenehm gelöst, es werden Witze gemacht, die Assistentin sagt ihre Sprüche auf, Faust ballen, das wird jetzt kalt, das piekst jetzt, ich fahr sie auf dem Wagen rein und raus, hier ist die Notklingel..., und ich sage, das ist ja wie im Flugzeug hier, beachten Sie bitte die Notausgänge, bei Druckabfall in der Kabine lösen sich die Sauerstoffmasken... Wir lachen als hätte ich einen Knallerwitz gemacht, ich summe still für mich Blondies alten Hit "I'm On E, I'm On E...", dann habe ich schon diese Lärmschutzkopfhörer auf und schwupps geht's in die Röhre.
Ich merke gleich, die Dosis ist aber wirklich reichlich, ich hatte die Dame beim Tropfenzählen aber auch ein wenig abgelenkt, ein koketter Spruch hier, eine launige Bemerkung da. Ich bin ein alter Mann, mir nimmt man das nicht mehr übel. Den Rest hat sie einfach gekippt. Glaube ich. Durch die Kopfhörer Schredder und Schrotter, schön rhythmisch bisweilen, man möchte Headbangen, aber die wollen ja in meinen Kopf gucken, die kleinen bösen Dinger zählen und schwärmen von meinem riesigen Empathiezentrum.
Dengdengdeng, dieser Maschinensound ist wirklich amtlich, man müßte so was mal leicht auf die Bühne bringen, denke ich beschwingt und zugleich, meine Fresse, die haben mir da heute aber echt was eingeflößt. Viel zu schnell ist alles vorbei, CD ist auch schon fertig, kaum habe ich mich notdürftig wieder angekleidet. Oder waren das andere Hände? Leider sind nur Bilder drauf, kein Sound, wegen der GEMA sicher wieder, das muß ich monieren. Wacklige Knie, das Gefühl, ihr könnt mich alle mal schön und auch kreuzweise und lustig ist das auch und ich will unbedingt jeden Morgen vom Arbeitgeber einen kleinen Löffel. Zur Verbesserung des Betriebsklimas. Morgen sage ich dem Chef die Meinung, aber so was von. Ich gehe jetzt Bett. Mir doch egal.
Freitag, 31. Mai 2013
Heute dann zur nächsten Abteilung. Es treten auf: Herr Kid, ohne Kaffee, Blogger der Herzen, Ödlandgentrifizierer und Bausparvertragsbohèmian und Dr. Weißichjetztnichtmehr, junger Arzt mit bereits großem Geweih und auf dem Weg nach oben. Wir waren uns spontan unsympathisch.
Er so, Typ ZackZack, bemißt 20 Sekunden Anamnese, zwei Blicke auf den mitgebrachten Digest der Befunde, dann "Zeigen Sie mal, das haben wir gleich." Ich lege bloß, zeige her, er so Aha und HmHm, die Pupillen werden enger, und ich kann sehen, wie sich die Geweihspitzen langsam zu Fragezeichen aufrollen. Aus dem ZackZack wird auf einmal Grabenkampfposition der ziellosen Nachfragen. Was wann wer mit welcher Folge diagnostiziert oder vermutet oder angeordnet habe. "Gut", kommt er aus der Zeitschindemaschine heraus, "ich hole die Oberärztin. " Steht in der Tür, dreht sich noch mal um: "Die sagt Ihnen dann, was Sie haben. Die kennt sich aus."
Ich überlege im Stillen eine Wette, weiß aber nicht, was er anzubieten hat. Die Oberärztin kommt, ihr Telefon klingelt immerzu, sie ist so Typ Mother of fact. Dr. Weißichgradnichtmehr senkt Stimme und Geweih und erstattet ein klein wenig streberhaft, wie mir scheint, Bericht. Wenn zwei oder drei Ärzte in ihren leukozytoikonoklastischen Lingo fallen, wird man als Patient ja augenblicklich zum Objekt, über dessen Kopf hinweg munter gesprochen wird. So als sei man gar nicht da oder tot oder, schlimmer noch, bloß ein Fall. Oder wie früher, wenn beim Spaziergang mit Mütterchen Kid diese eine entfernte Bekannte traf und dann stolz in erwachsener Giraffenhöhe posaunte: "Der kleine Herr Kid kommt ja bald in die Schule!". Und man bei der Namensnennung hochschreckt, aus komplizierten (Pobleme von Diffusionstriebwerken, Weltformel et al.) Erwägungen und denkt, na ja, soooo aufregend wird das schon nicht sein. Schule. (Ich hatte recht.)
Die Oberärztin, freundlich, aber knapp, wirft selbst ein Auge, also auf die Misere, macht ihrer Ranghöhe gemäß noch größere Fragezeichen, hat dann aber wirklich eine Idee und ordert zur Differenzierung eine neue Biopsie an. So kommt es, daß ich mich unvermutet auf der Liege wiederfinde. Es schneidet mich ein netter graumelierter Herr, der die gleiche Brille wie ich trägt. Gastarzt aus Schweden, wie ich bald erfahre, und auf eine sympathische Weise gutaussehend. Allerdings, setzt euch wieder hin, bereits verheiratet. (Ich habe mich für die traurigen Seelen unter meinen Leserinnen gleich erkundigt.) Ich frage ihn, weil ich gerade betäubt bin und Zeit habe, nach seinem Beruf und den Einzelheiten seines Gastaufenthalts, er spricht ein paar Komplimente über meine Krankenakte aus und macht da irgendwas, was ich nicht so genau sehen möchte, zumal ich es ja genau im Kopf habe. Ich höre, wie er irgendwas in einen Plastikbehälter steckt, weil ich den Deckel knacksen höre. (Kleiner Tip nochmal, vor allem bei Urinproben: Deckel immer fest drauf! Bis man den Knacks hört!) Nähen kann er auch und möglicherweise schwedische Apfelkuchen backen. Absolute Empfehlung. Hausarzt. In Schweden. Zum Schluß gibt er noch ein paar Ratschläge, sagt, wann ich irgendwo die Fäden ziehen lassen soll. "Oder ich mache es selbst", schlage ich vor. Er lacht und meint, oder so.
Auf dem Weg durchs schöne Wetter lege ich mir Antworten für Dr. Istmirjetztauchgradgegal bereit, wenn er sagen wird, daß er keine Antworten hat. Aber vielleicht finden sie ja mal was. Denn wie heißt es neuerdings so schön? "Ich zahle acht Milliarden GEZ-Gebühren, da will ich aber auch Programm!" (Die Entgegnung lautet übrigens: "Ich bin bei der AOK, ich habe nur drei Sender.") Dann muß ich Abbitte leisten und sagen, großes Geweih! Und das zurecht! So. Betäubung läßt nach.
Mittwoch, 29. Mai 2013
In der Kidklinik einen Vortrag gehalten. Das haben Sie gut erklärt, meint die Ärztin anschließend, setzt aber nach: Wenn auch etwas laienhaft. Verständlich!, meine ich ganz doppeldeutig. Aber auch ein wenig gekränkt. Ich wollte halt nicht so schlau tun, wenn ich von Titern und Banden und der Frau namens ELISA berichte. Spreche den Studenten aber guten Mut zu und Durchhaltekraft. Medizinstudentinnen, so stelle ich beim Durchzählen erneut fest, sind oft vom Typ "höhere Tochter" (Vater Arzt. Mutter womöglich auch). Ein anderes Bild zeichnen Fächer wie, nehmen wir mal Sozialwi die Geisteswisenschaften. Maschinenbau bleibt bekanntlich hemdkariert, da läßt sich schwer was ablesen. Nun ja, wir gehen bekanntlich alle unseren Weg. Meine eigenen alten Scheine indes können nur noch medizinhistorisch anerkannt werden. Das macht mir wenig Hoffnung, mein Fernstudium Gehirnchirurgie fortzusetzen. (Alter Witz: Courtney Love trifft auf einer Rock'n'Roll-Party auf Axl Roses Modelfreundin (Name bekannt). "Are you a model, too?" (breiter US-Akzent). "No", so Courtney. "I'm a brain surgeon.") Ich hätte sonst wirklich mal Dinge mit euren Hirnen anstellen können.
So bleibt mir nur mein eigenes. Heute habe ich mich als "Fall der Woche" beworben, das ist wie bei Akte-X und den "Monster of the Week"-Fällen (darüber aber später mehr). Allerdings gleich im Untersuchungszimmer der netten Ärztin geschwächelt. Ich brauche jetzt grad mal Traubenzucker, sage ich. Moment, geht gleich weiter, beachten Sie mich einfach nicht. Da sind Sie jetzt der bessere Arzt, schmeichelt sie mir. Ich denke, wir werden gut zusammenarbeiten. Hui, sagt sie, als sie mich, nun wieder ausbalanciert, diagnostisch betrachtet. Hier sieht man wenigstens was. Sie greift zum Mobiltelefon in ihrer Kitteltasche, ruft begeistert den Kollegen an. Ob er mal gucken kommen wolle, es gebe was zu sehen. Leider watet der Kollege gerade in Blut und entbindet siamesische Drillinge. Es muß, so denke ich, etwas recht Wichtiges sein, jedenfalls hat er keine Zeit. Das kostet mich wieder Casting-Punkte, denke ich. Aber nun gut.
Stimmung gut, es wird gelacht. Wendungen wie "was es nicht alles gibt" oder "die Natur bietet immer wieder Rätsel" und "da warten wir mal ab" machen die Runde, dann wird mir auf dem Lageplan erklärt, wie ich auf dem Gelände das nächste Gebäude finde. Stellen Sie sich doch dort mal vor, mal sehen, was die so sagen. Ich bin, so könnte man sagen, langsam gut verlinkt. Ich stehe jetzt bei einigen Ärzten auf der Blogroll.
Samstag, 17. November 2012
zwischen dem sehr verhaltenen Haiku, der
eine hochgespannte Situation zusammenfaßt, und
einer großen Wagenladung von Banalitäten.
(Roland Barthes, Fragmente einer
Sprache
Natürlich denke ich in der letzten Zeit über viele Dinge nach. So frage ich mich, ob der Erfinder des Pömpels jemals einen Friedensnobelpreis bekommen hat. Man darf vermuten, wie sehr so ein Gummidings in vielen WGs, Familien, aber auch Singlehaushalten die Wellen geglättet hat. Ein Instrument für Flow und Verständigung.
Über solche Dinge und andere also denke ich beispielsweise nach, wenn ich mit einer Tasse guten Kaffees am Fenster stehe, barfuß in einem eng abgezirkelten Fleck Sonnenlichts auf dem Holzfußboden, mein Körper in einer Art Marcus-Schenkenberg-Anmutung, und hinausschaue in den Hof (alles voll gelogen) , wo ein Liv-Tyler-Mädchen im Herbstlicht Flickflacks übt (halb gelogen).
Dergestalt sind meine erhabenen Tage, wenn man so will. Blau-braune Caféhausfetzen, the beautiful and sublime, filmkörnige Luft im Gegenlicht, Gesichter, ein paar Geräusche. Pausenzeiten. An anderen Tagen, wie in einem Rohr stecken, nicht in der Scheiße, aber schon in so einem Rohr, die Arme eng am Körper, auch Schenkenberg brächte die nicht auseinander, kein vor, kein zurück, kein Pömpel brächte hier noch was in Bewegung.
Der Arzt heute, während er den Schnitt von der Biopsie vernähte, fabuliert an einer Theorie. Ich sage, ich glaube das nicht. Sagt ihr Kollege Dr. House auch immer, so hörte ich. Das sei es nicht. Das sei zu kompliziert gedacht. Ich hingegen glaube, man muß nur einen Pömpel erfinden, so etwas ganz einfaches. Für Flow und Verständigung. Der Arzt hat nicht hingehört, er spricht mit der Assistentin. Den Wein für ihren Mann, sagt er, den bringe ich nächste Woche mit. Ein ganz edler Tropfen. Ich hätte gern nur einen Tropfen auf die Stirn. Sage ich.
Donnerstag, 13. September 2012
ein unglückliches Kind, das Spaß hat."
(Morticia Addams)
"Das war ja ein wilder Ritt für sie", meinte der freundliche Sportexperte aus der Entwicklungsabteilung neulich launig. Der Horizont sei indes noch weit, monierte ich seinen Gebrauch der Vergangenheitsform. In der Gegenwart winkt man mich raus an den Straßenrand. Halten Sie mal an, heißt es. Sie haben da was. Beim Boxenstop - so erzählt man sich in bloggenden Fahrzeugtesterkreisen - kommt es ganz auf das Team an. Menschen, die nicht die Hände in den Taschen halten und ihre unbekümmerten Liedchen in rosa Wolken pfeifen, sondern die öl- und rußverschierte Teile rausgreifen, abwischen, die Bruchstücke begutachten, Ersatzteile holen, dem Fahrer vielleicht mal ein sauberes Taschentuch reichen. Die letzten Rundenergebnisse, um im Bild zu bleiben, waren ernüchternd schlecht, an Materialermüdung möchte ich aber noch nicht glauben.
Jetzt also mal Wechsel der Additive im Treibstoff, das neue Zeug hat zwar eine erhöhte Explosionsgefahr, knallt dafür aber tüchtig rein. Ist jetzt nur ein Bild. Zur Überwachung bekomme ich ein kleines Extrazimmer in der Werkstatt, piepsende Gerätschaften um mich herum, regelmäßig werden die Werte überprüft. Ab und an schaut meine Chefmonteurin rein. Puh, sagt sie, vorne am Empfang ist so viel Trubel, ich ziehe mich mal kurz hierhin zurück. "Machen Sie nur, ich verrate Sie auch nicht", meine ich leutselig. Jemand vom Team hat Geburtstag, ich bekomme Kaffee und Kuchen, soll dann aber besser ein wenig Treppensteigen. Mein Puls hat mittlerweile phänomenale Werte, so als wäre ich ein zenmeditierender Triathlet. Was ich, in einem gewissen Sinne, auch bin. Nach ein paar Stockwerken rauf und runter ist er aber brav wieder da, da stottert nichts, keine Fehlzündungen, kein Klopfen der Ventile.
Man überreicht mir einen Stapel neuer Handbücher, danach folgt die weitere technische Bestandsaufnahme. Irgendwann fällt der Satz, man sei zuversichtlich. Genauer: Man solle abwarten. Und im übrigen nicht im Internet lesen. Pfff, durchflöte ich die rosarote Wolke. Ich sähe da weiterhin einen Trümmerhaufen, und im übrigen fühle es sich auch so an. Ein Liebhaberprojekt vielleicht, es gebe ja Leute, die alten Kram vom Flohmarkt kaufen, um den wieder zum Laufen... oh, schiebe ich hinterher. So einen kenne ich tatsächlich. Das bin ja ich.
So muß man es wohl nehmen. Da haben sich einfach zwei gefunden. Also weiter ans Werk.
>>> Geräusch des Tages: Tara Busch, Motorcrash
Mittwoch, 15. August 2012
Sieh an, kleine Uniklinik. Zwei, dreimal an der Infusionsflasche genuckelt, schon ist mir nach Kurzer-Hosen-Musik, so als läge draußen vor dem Fenster Ibiza und keine Provinzstadteilkleingartenanlage.
Was immer du da reinmischst, mir soll es erstmal recht sein. Muß man nicht an dunklen Ecken fragen. Schön wäre es natürlich, man könnte bereits wieder SchwimmenSchwofenRadfahren. So aber bleibt bei diesem plötzlich Ausbruch von Wetter nur Schwitzen über Nach- und Vorbetrachtungen. In meiner Kellerwerkstatt bastel ich an einer mobilen Sprinkleranlage, denn ich denke nicht, daß es in sieben Jahren Zauberberg jemals so muckelig warm war. Die Kollegen aus der Fabrik versorgen mich mit Hörbüchern, Wiener Literaturgröße, der soll nicht dumm werden im Kopf, denken die, der soll die Stiege wieder hochsteigen.
Langsam alles zusammenschrauben, alles weiter entplundern, den Radius vermessen. Vielleicht mal duschen, ich rieche wie ein Weltkriegslazarett. Vielleicht mal Pläne machen, die Musik lauter drehen, ein paar Antworten schreiben. Vielleicht mal vorsichtig machen, erst einmal die Fragen hören. Vielleicht mal immerhin sagen.
Freitag, 10. August 2012
Endlich wieder Krankenhauscontent, es drohte bereits etwas langweilig zu werden. In meinem näheren und weiteren sozialen Umfeld nörgelte es schon, daß dauere aber voll krass lange diesmal mit diesem ganzen Genesungsscheiß. So war ich froh, die ewige Frage "ubi es?" "Wo bis?" mit "Bin isch UKE!" beantworten zu können. Ja, so reden wir unter Bloggern, wenn das Netz alle ist. Jetzt bin ich schon eine große Kapitänslaufbahn in Hamburg und war noch nie im UKE, meist nur in diesem anderen Krankenhaus, wo sich sonst der Herr Altbundeskanzler und auch das englische Rockchamäleon David B. behandeln lassen. Und ich eben.
Diesmal also sozusagen die Charité von Hamburg. Der beachtlich große Aufnahmebereich sieht aus wie die Abflughalle des Flughafens dieser Stadt, es gibt Shops, Cafés, womöglich Duty Free. Am Schalter aber fragt man überraschend zuvorkommend "Herr Kid?" - dabei habe ich noch nicht einmal die Goldene Krankenkassenkarte oder irgendwelche Kaffeepads in der Tasche wie dieser andere Grauhaarige. Man hatte die aber vorgewarnt mich aber angemeldet, sehr aufmerksam. Auf der dann wieder schnuckelig kleinen Station für die UFO-Fälle werde ich von einer jungen Studentin empfangen, die ein paar Tests mit mir machen will, und ich bin gleich sehr entzückt. Denn sie erinnert mich an eine Frau die ich mal gut kannte, die auch was mit Medizin gemacht hatte, und ihr vom landgesunden blonden Typ her so ähnlich schaut, daß ich fragen wollte, sind sie die Schwester? doch sehr lachen muß. Ich meine, das wird immer bizarrer hier. Möglicherweise auch Nebenwirkungen. Sie hat mir dann später sehr elegant einen Zugang gelegt, ich kann das mittlerweile beurteilen, wer das kann und wer sich schwertut. Mein Lob nahm sie indes ganz unbefangen auf, kein Wunder, aus den Tests wußte sie, daß bei mir im Kopf grad nicht so besonders viel talentiertes los ist. [Anmerkung für die Öffentlichkeit: Da könnte sie sich täuschen, denn es war noch vor dem ersten Kaffee!]
Dazwischen Konsultationen mit Hm, hm, hm und mal sehen, mal sehen und dann ab 10:15 Uhr wieder warten auf das langsame drip, drip, drip. Sonst alles super.
Mittwoch, 8. August 2012
Zarte Pflanzen hinterm Schutzwall, auch so eine doofe Metapher aus dem Füllfederhalterköcher.
Dafür hat man doch gar keine Zeit. Da will man nur schnell in die Praxis, um mal nette Menschen zu treffen, da sitzt schon die Ärztin, die gute Frau Sorge, an ihrem Tisch und sagt, na Sie wollte ich auch gerade anrufen. Und runzelt die zarte Haut auf der Stirn und macht und fragt und sagt, kommen Sie mal mit ins dunkle Zimmer, und ich so Oho und Gern!, sie aber will nur mit ihrer Ermittlungs-Taschenlampe in meine Pupillen leuchten und fährt mit Feuerwehrgeläut durch irgendwelche Befunde, die auf ihrem Schreibtisch liegen. Dabei wollte ich nur kurz meine Theorie vortragen, die ich aus meiner Vorkriegsliteratur, dem Verfolgen der US-amerikanischen TV-Krankenhausserie Akte-X und diesem Internet zusammenbuchstabiert habe. Mitfabulierende Laien, die Frau muß viel ertragen. Nun aber mal ernst, sagt sie, und ich schicke Sie jetzt ins hermetische Klinikum. Das ist das Geheimlabor der Regierung, in der im Rahmen einer noch geheimeren Verschwörung supergeheime Experimente an Personen mit paranormalen Phänomenen durchgeführt werden. Jetzt haben sie eben mich. Also bald.
Das darf keiner erfahren, sage ich. Denkt denn niemand an die Kinder? Das beunruhigt die Menschen, vor allem die, die mich nicht so gut kennen und glauben, ich würde von Aliens entführt, aus Jux womöglich, und sei bald hinterm Horizont, von dem angeblich jeder weiß, daß es dahinter weitergeht, verschwunden. Wunden. Wunden sind das, also auch im sozialen Gefüge, weshalb man Pflanzen hinter einem Schutzwall anpflanzt, hnter dem dann Baustellen und Kräne und Drähte und tropfende Abflußrohre, aus denen die Chemie sickert, verborgen sind, sich selbst aber lächelnd davorstellt und ein Schild hochhält, auf dem steht geschrieben: Alles super.
Und das wird es auch.