Besinnung

Meine Ausdrucksimpulse schwanken
zwischen dem sehr verhaltenen Haiku, der
eine hochgespannte Situation zusammenfaßt, und
einer großen Wagenladung von Banalitäten.


(Roland Barthes, Fragmente einer
Sprache des Bloggens der Liebe.
)

Natürlich denke ich in der letzten Zeit über viele Dinge nach. So frage ich mich, ob der Erfinder des Pömpels jemals einen Friedensnobelpreis bekommen hat. Man darf vermuten, wie sehr so ein Gummidings in vielen WGs, Familien, aber auch Singlehaushalten die Wellen geglättet hat. Ein Instrument für Flow und Verständigung.

Über solche Dinge und andere also denke ich beispielsweise nach, wenn ich mit einer Tasse guten Kaffees am Fenster stehe, barfuß in einem eng abgezirkelten Fleck Sonnenlichts auf dem Holzfußboden, mein Körper in einer Art Marcus-Schenkenberg-Anmutung, und hinausschaue in den Hof (alles voll gelogen) , wo ein Liv-Tyler-Mädchen im Herbstlicht Flickflacks übt (halb gelogen).

Dergestalt sind meine erhabenen Tage, wenn man so will. Blau-braune Caféhausfetzen, the beautiful and sublime, filmkörnige Luft im Gegenlicht, Gesichter, ein paar Geräusche. Pausenzeiten. An anderen Tagen, wie in einem Rohr stecken, nicht in der Scheiße, aber schon in so einem Rohr, die Arme eng am Körper, auch Schenkenberg brächte die nicht auseinander, kein vor, kein zurück, kein Pömpel brächte hier noch was in Bewegung.

Der Arzt heute, während er den Schnitt von der Biopsie vernähte, fabuliert an einer Theorie. Ich sage, ich glaube das nicht. Sagt ihr Kollege Dr. House auch immer, so hörte ich. Das sei es nicht. Das sei zu kompliziert gedacht. Ich hingegen glaube, man muß nur einen Pömpel erfinden, so etwas ganz einfaches. Für Flow und Verständigung. Der Arzt hat nicht hingehört, er spricht mit der Assistentin. Den Wein für ihren Mann, sagt er, den bringe ich nächste Woche mit. Ein ganz edler Tropfen. Ich hätte gern nur einen Tropfen auf die Stirn. Sage ich.

The Mercy Seat | 00:49h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
nuss - Samstag, 17. November 2012, 08:15
Lupus! (Ich musste sowohl Pömpel als auch Flickflack googlen und kam mir dementsprechend vor wie eine Nuss.)

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kid37 - Samstag, 17. November 2012, 14:47
Immerhin nicht Schenkenberg! (Ich muß wohl mal Dr. House gucken, ich bin da echt wie eine Nuß.)

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ksarco - Samstag, 17. November 2012, 21:11
Könnten Sie vielleicht mit dem Sandelholzzeichen auf Ihrer Stirn etwas mehr anfangen?

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ana - Sonntag, 18. November 2012, 18:49
Die besinnlichste und poetischste Erfindung, die vom "Time"-Magazin zu den besten des Jahres gekürt wurde, ist wohl die Wolke des Künstlers Berndnaut Smilde.
http://www.mymodernmet.com/profiles/blogs/berndnaut-smilde-clouds
Ob sie aber in die Haushalte Einzug halten wird, bleibt fraglich.

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ksarco - Sonntag, 18. November 2012, 21:00
Ein wenig ( eigentlich : wirklich nur ein wenig - oder gerade als Gegensatz!) passt vielleicht dazu, sehr geehrter Herr ana, das sehr denkwürdige Zitat von Herrn Barthes:

" Am schönsten sind die Keramiken, die einen Fehler aufweisen, die zu lange gebrannt werden und deshalb immer glückliche Farbnuancen zeigen, unerwartete, wollüstige Spuren. In gewisser Weise ist die NUANCE das, was anstrahlt, sich zerstreut, sich in die Länge zieht ( wie eine schöne Wolke am Himmel)."

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ana - Sonntag, 18. November 2012, 21:33
Ich bin übrigens Frau Ana. Und zu Ihrem Zitat passt sicher auch ein wenig das Zitat von Nam June Paik "Wenn zu perfekt, liebe Gott böse." Alle Wolken weisen vielleicht Formfehler auf und doch scheint jede einzelne perfekt zu sein. Ein unendlich schöner Formenkosmos. Unschöne Wolken kenne ich nicht.
Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber ein Künstler hat mir mal erzählt, die Japaner schlagen, wenn sie etwas "Perfektes" geschaffen haben, gerne eine Kerbe darin ein.

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ksarco - Sonntag, 18. November 2012, 23:18
Für die schönen Anregungen, Herr Kid, würde ich Ihnen gern eine kleine Kachel aus meinem Ofen schenken.

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kid37 - Sonntag, 18. November 2012, 23:53
Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber ein Künstler hat mir mal erzählt, die Japaner schlagen, wenn sie etwas "Perfektes" geschaffen haben, gerne eine Kerbe darin ein.

Ein interessanter Gedanke. Möglichereise ist es das, was Gott mit einigen Körpern macht.

@Ksarco: Eine warme Ofenkachel ist natürlich ein hervorragendes Herbstgeschenk.

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montez - Montag, 19. November 2012, 13:39
Das ist eine gute Vorstellung.
Und so eine Wolke hätte ich auch gern.

Aber ist ja noch nicht Weihnachten.

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ksarco - Dienstag, 20. November 2012, 00:43
Nebenbei hätten ganze Heerscharen von Wissenschaftlern - angefangen mit Archimedes über Blaise Pascal bis zu Guericke - frohlockend die Erfindung des von Ihnen so hochgeschätzten Saug-Hektors begrüßt - abgesehen von den vielen musischen Menschen unter uns, denen gerade dieses Werkzeug zu schöpferischen und gedämpften Wohllauten verhilft (allerdings dann leider ohne Stiel).

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ksarco - Dienstag, 20. November 2012, 23:45
Braun-blaue Phantasiesplitter brauchen flowmäßig nur einen sehr geringen Gegenwartsbezug aufzueisen. Das weiß sicherlich auch Ihr Arzt und wird sich weinmäßig entsprechend verhalten. ( Pardon, hab' mal eben die Pause ausgenutzt!)

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