Dienstag, 19. April 2005


Habemus Ratzinger

Da nehmt doch lieber mich.


 



Ein morbid-verzücktes Blümchen

"Like no other girl did before..."

Herr Nase hat da sehr schöne Blumen gefunden. Merci!

(Emilie Simon, "Flowers")


 


Montag, 18. April 2005


Scharfbefreit

Am Wochenende mußte ich meinem opulent sich verbreitenden Basilikum beim Wachsen zuschauen, deshalb kam ich mal wieder zu nichts. Jedenfalls nicht zum Bloggen. Dafür gab es leckere Sachen aus dem Wok, 'chön 'charf auch. (Wenngleich mir Frauen wieder beweisen mußten, daß sie es selbstredend noch schärfer draufhaben. Nun gut, als wohlerzogener Mensch gönnt man anderen gerne die kleinen Triumphe. Die kleinen.)


Die Bucherwerbungen der letzten Zeit verharren jedoch immer noch in devot-bettelnder "Lies mich bitte"-Haltung. Immerhin konnte mich Joachim Lottmanns Die Jugend von heute mit der ein oder anderen scharfzüngigen Beobachtung erfreuen. Jetzt wartet gerade der sehr hübsch aufgemachte Band über Claire Goll, Femme fatale des Expressionismus, mit wilden Gedichten und unzüchtigen Bildern auf mich. Dicht gefolgt in der Warteschleife von Leo Navratils Art Brut und Psychiatrie, über das sich sicher ein eigener Beitrag lohnt. (Ich wollte ja auch immer noch berichten, wie Frau Sonne und ich letztes Jahr durch die Wiener Irrenanstalt flanierten. Ein hochinteressanter Ort.)

Unzüchtige Bilder hatten dann auch die "Mädels vom Immenhof" für mich. Heidi Brühl fand ich als Kind ja richtig toll, aber dies nur nebenbei. Am Immenhof gibt es in Hamburg ab und an einen schönen Flohmarkt, auf dem auch immer wieder hübsche Fundstücke aus den 20er/30er-Jahren auftauchen. Meine Garderobe stammt von dort, und nun auch diese höchst aparten Fotografien unserer Großeltern.
Fast so anregend wie triebhaftem Basilikum beim Wachsen zuzuschauen. Ehrlich wahr.


 


Donnerstag, 14. April 2005


Gutes Bloggen, Schlechtes Bloggen

Als einfacher, aber auch eitler A-Z-Blogger möchte ich heute den Blick auf die Seifenoper von Frau Wortschnittchen lenken, die das ewige Ringen um Gut und Böse in der Blogwelt mit Sex, Intrigen und Serienmord anreichert und - best of all - mit Ringelstrümpfen.


 


Dienstag, 12. April 2005


Zucker für das Auge

Michael Hussar malt morbid-erotische Bilder von gefährlichen Mädchen und Köchen, die wie Dalí aussehen. Eine barock-surreale Welt, in der ich mich gleich zuhause fühle.

Freunde der pronografischen Kunst werden in diesem Röntgenraum weiter schauen können als jemals zuvor. Wim Delvoye setzt Eros und Thanatos in ziemlich aufregende Bilder, die - wie soll man es anders sagen? - unter die Haut gehen. X-Ray-Sex löst uns endlich von der Gefangenheit unserer Haut und den bloßen Äußerlichkeiten der Oberfläche. "Tiefer, tiefer" bekommt eine neue Bedeutung, transgressive Akte, radikal-pronografische Körpereröffnung eben- falls. Doch bislang gilt, don't try this at home!

(Ich hingegen habe mir soeben über eine Zeitungsanzeige so eine Röntgenbrille mit roten Spiralen vorne drauf bestellt. Damit kann man alle nackt sehen, wenn ich den Text richtig verstanden habe!)


 



There are still traces of me in your veins

The beauty spot was borrowed
Now my sweet knife rusts tomorrow
On my confession that is waiting to be heard

(Marilyn Manson, "Spade")

Der dunklere Zwilling lacht sein groteskes Lachen, Zähne frei, beiß gleich rein, hier mein Arm. Ruchlos, reuelos, mit Stolz sogar, von sich berauscht, stumpf.
"Man sucht sich diese Menschen", sagt sie und weiß das besser als ich selbst. Was also lernt man, braucht man, was sind die Nullstellen, die Löcher, die gefüllt werden müssen ausgerechnet durch solche Menschen. Die Intensität, das Drama, die "Reibung", sagt sie. Sie erzählt von sich. Gemessen daran, war ich auf einem Waldspaziergang. Aber Schmerz ist nicht teilbar, nicht vergleichbar. Wir sind hier nicht zum Wettkampf, kein Stierkampf, zum Glück. Wir sitzen hier nur so.


 


Montag, 11. April 2005


Lieber Herr Jauch

ich würde ja gerne mal einen Studenten aus dem Westen bei Ihnen sehen, der ausschließlich Fragen wie "Wer war der Herausgeber des Eulenspiegel?" oder
"Wie heißen die Abrafaxe?" beantworten muß.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr gelegentlicher Zuschauer Herr Kid


 



Haben und nicht haben


Wenn das Volk weg ist, wie wähle ich mir dann ein neues?

Schwarzgeteerte Fässer, gefüllt mit Erinnerungen, die zum Teil noch nicht einmal die eigenen sind. Dich halten, dich verletzen, eine Hand reichen, ein Messer verstecken. Wenn du weg bist, wohin wende ich mich dann? Abends stehe ich oft am Bahnhof, ein kalter Wind weht über den Bahnsteig, zerschneidet die Stimme aus dem Lautsprecher, trägt die Stümmelwörter fort über die Gleise. Ich gebe vor, auf jemanden zu warten.

Jemand, der doch nicht aus dem Fernzug steigt. Die Blume in meiner Hand, ich gebe sie weg, ich schenke sie dem jungen Mann, der um den Wagenstandsanzeiger kreist, aufgeregt, wie ein Hund vor der Jagd. Immer wieder schaut er auf die Uhr, vergleicht sie mit der Anzeige auf Gleis 11. Ich weiß, er hat die Blumen vergessen, und ich brauche sie sowieso nicht mehr.

Wir sitzen zusammen hinten im Bus und ich denke an The Sun Also Rises, den Kriegsverletzten und der Hungrigen und den Stierkämpfer. "Kriege, die ich gesehen habe", zitiere ich und spüre zwischen den Blumen deine Hand auf meinem Bein. Wir fahren zur Beerdigung, und ich versuche mich an die alten Bilder zu erinnern. Es war das letzte, was uns verband. Sie schickte mir regel- mäßig Bilder, immer neue Varianten, immer neue Versprechen. Sehe ich sie heute, das bedingungslose Kaspertheater, meine ich sie zu spüren, ein Geist, ein verschollenes Bataillon, das sich dem Feind ergeben hat.

Manche Dinge erlebt man nur einmal. Bei manchen Dingen ist dies auch genug. Was aber, wenn man merkt, daß man nichts anderes gelernt hat? Geht man dann zum Veteranentreff? Zeigt man seine Narben, flucht man auf die Monarchisten oder die Republikaner? Was, wenn man am Ende gar nicht mehr weiß, wer auf welcher Seite stand? War man Gegner, Alliierter oder wenigstens Komplize? Oder wie so oft doch nur Kanonenfutter?

Am Ende geht es nicht mehr um Sieger und Besiegte, denn der Sieger geht immer leer aus. Am Ende, dann nämlich, wenn die Party vorbei ist, das Fest fürs Leben, legt man die Stierhoden achtlos beiseite. Diese Trophäen auf dem Teller, wem bedeuten sie noch etwas. Längst ist man in einem anderen Land.


 


Freitag, 8. April 2005


Yes

I won't desert you
I don't know what to say
I really hurt you
I nearly gave it all the way

(New Order, "Waiting For The Sirens' Call")



Nachdem ich seit Tagen den Stream des Albums gehört habe, mußte ich heute mal die musikalische Wochenendgrund- versorgung sicherstellen. "Get Ready" gefiel damals besser, denn es enthielt großartige Zeilen wie "You've got to pull yourself together man" und ließ mich einige Male über- leben, wenn ich einge- schlossen in meinem Zimmer in Verzweiflung und Selbstmitleid zu zerfließen drohte.
Es gibt Menschen, die sagen, durch New Order geriete man überhaupt erst in solche Zustände, aber ich versichere, die Herrschaft, der ich damals ausgesetzt war, kam nicht mit solch freundlich-melancholischen Baß-, sondern eher enthemmten Amokläufen daher. Aber was plappere ich aus dem Keller.

That was then, and this is now. Heute heißt es, ein helles, bestimmtes "NO" in freundlichem Orange zu genießen. "We all want some kind of love/But sometimes it's not enough" - kommt es uns lakonisch. New Order muß man immer sehr laut hören, weil man sonst diese großartigen Baßlinien nur im Ohr und nicht im Herzen spürt. Die vibrierenden Baßsaiten schlingen sich nämlich immer enger ums Herz, bis sie es langsam zerschneiden, und zwei blutige Klumpen hervorpressen. Und geweint wird stets am Ende, durch die Nacht dann gejagt, wenn es zu spät ist. Schon deshalb kennen sich New Order gut aus in meiner Welt. "I need a second chance/This time I'm gonna make it right" - You think!, rufen einige. Aber das sind auch die, die "I'll never let you go" als Bedrohung empfinden. Ja, nein, kein Zurück. Es kann immer nur ein Neuanfang sein.
"Guilt Is A Useless Emotion." Reue aber die Basis für Vertrauen.

Radau | von kid37 um 22:21h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 7. April 2005


Ruf mich an

In Londoner Telefon- zellen tapezieren sie die Wände: Visitenkarten freundlicher Damen, die für Geld und gute Worte verschiedene Dienste anbieten. Dieses, jenes und auch das andere.
Ähnlich mannigfaltig wie die offerierten Gefälligkeiten ist die Gestaltung der pikanten Aufmerksamkeits- heischer: Von simplen, fotokopierten Blättchen bis zu aufwendigen Hochglanzkarten im 4-Farb-Druck ist alles dabei. Auf einem Flohmarkt kaufte ich vor ein paar Jahren einem Sammler einige seiner verlockenden Karten ab - er hatte Kartons davon. Ich selbst kann nun nicht anfangen alles zu sammeln. Aber eine Auswahl dieser Flyer sind wirklich so liebreizend nett, die sollten in einem gut sortierten Haushalt nicht fehlen. Ob Mary, Jane oder die Bilder von Lily - sie sind niemals herablassend. Nein, sie sind freundlich, kommunikativ und lassen mich nachts gut schlafen.