Donnerstag, 24. Februar 2005
Hm. Im Leben bekommt man ja für alles mögliche die Quittung. Was aber, um Himmels willen, fange ich hiermit an. Ist das eine Betriebsausgabe? Werbungskosten? Arbeitsanzug? Was hat der Hase da zu schaffen? Bin ich Donnie Darko?
Ein wenig müde jedenfalls, denn die gestrige Nacht war kurz, weil die dicke gelbe Larve am Himmel als Schwingungsverstärker wirkte. Dabei hatte ich den Abend schon damit verbracht, ein wenig zu brechen und ein wenig zu weinen. Dann wieder ein wenig zu brechen. Vielleicht hätte ich mich besser an einen Busen aus Weichplastik kuscheln sollen.
Heute entschlüpfte mir der Satz, daß auch schon Menschen beim Grübeln gestorben seien. Sehr zum Beifall meines Gegenübers. Manchmal muß man einfach mal was tun und nicht immer nur zögern und zaudern und, ach, ein Wägen und ein Wiegen und ein Messen betreiben. Nachmittags brauchte ich dann meinen lose mitgeführten Deckenhaken. Ich schraubte ihn außen unter meinem Fenster in der Fabrik in die Wand. Für den Fall, daß ich mich schnell dort abseilen muß.
Heeerr Kiiid, wie ist das mit ihren Superkräften?
Ich habe einen Psycholetten-Magneten. Den schalte ich ein, dann kommen die und machen alle fertig.
I hope I lie.
And tell everyone
you were a good wife.
(The Mountain Goats, "No Children")
Am Ende blieb die Erkenntnis, daß die zweifelhaften Anzeichen eines Bedauerns, nie Reue, sondern immer nur dem Augenblick geschuldet waren. Am Ende blieb unverhohlener Stolz auf das Tun, das Treiben, die Abenteuer, die nie "wild" und verdrängend genug sein konnten. Vanitas, oszillierend zwischen unaufgefordert erzählten Details und einem hingehauchten "Verzeihung".
Fragen nach Moral und Loyalität dadurch pariert, daß einem eigene Verfehlungen nachgewiesen wurden. Der billige Triumph, "Heuchler" zu rufen, um sich weiteres Nachdenken sparen zu können. So als sei es ein Fußballspiel, bei dem am Ende die Tore gezählt werden, um einen Sieger zu ermitteln.
Das Mißachten sozialer Beißhemmungen als Freiheit verstehen. Sich über Regeln stellen und doch nur Sklavengedanken denken. Die Idee, Mitmenschen als fühlende Wesen zu begreifen - ein fremder Gedanke. Rustikal in jeder Beziehung blieb nur stete Verachtung für den, der sich zu schwach zeigte für den rigorosen Vitalismus, der als Götze diente. Alleine sein, allerdings, und konsequent absolut und absolut konsequent kam dennoch nicht in Frage. Es blieb ein gelebter Lore-Roman.
Das bacchantische Treiben, bei dem Gewalt nicht mit Leidenschaft und Blut nicht mit Liebe verwechselt wird, erfordert jedoch eine Freiheit, die allent- lassend ist. Etwas Absolutes, ganz wie ein Ideal. Diese Freiheit, immerhin, habe ich als letztes Geschenk geben können. Es fiel leicht, weil die Manipulationen erstmals nicht mich ins Ziel nahmen. So waren sie als das zu erkennen, was sie waren: Plumpe Zerstörungswut, getarnt unter dem armseligen Mantel aus angeblich wohlwollender Aufklärung.
Für gewöhnlich wünscht man sich dann Glück. Und alles Gute.
Das also kann ich tun. Aus freiem Herzen.
Mittwoch, 23. Februar 2005
Auf dem Bahnhof ist es einfach. Eine Lautsprecheransage klärt darüber auf, wann man zurücktreten muß. Die Türen schließen sich selbsttätig, es ertönt ein Pfiff, eine Kelle wird gewunken. Dann setzt sich die Lok in Bewegung, ein letztes Winken, bis man Türen und Fenster und einzelne Waggons nicht mehr voneinander unterscheiden kann.
Dort, wo es nur Worte, Andeutungen und leise Zwischentöne sind, eine Randbemerkung, die über das Ende des Bahnsteigs huscht, dort wird ein Pfiff nicht ertönen. Manchmal ist es die Stille, die gerade nur einen Augenblick zu lange dauert, oder ein Blick, der sein Ziel vermeidet.
Am Ende bleibt es sich gleich. Der Zug ist abgefahren.
Dienstag, 22. Februar 2005
Noch schnell die Frage zum ausklingenden Montag: Gibt es eigentlich etwas innerlich berührenderes als bei nahendem Vollmond das Elster-Programm zu installieren?
Nach heutigen Erfahrungen muß ich sagen: nein.
Sonntag, 20. Februar 2005
It doesn't know much about "welcome" or "joyful", but he has spent
a whole life getting very good at pain and suffering.
(aus: Everything Can Be Beaten)
Sie sagt, ihre Art der Selbstzerstörung bringe wenigstens Spaß. Dem kann ich während der Spaßfastenzeit selbstverständlich nicht folgen. Vielleicht sollte ich mir aber ein Beispiel nehmen an den jungen Leuten und ausnahmsweise dieses Jahr zum Jahr der Orgien ausrufen. Falling Down und Spaß dabei...
Wer nicht Meister seines Glücks sein kann, ist vielleicht besser Herr seines Unglücks. (Besser ein Herr über etwas, als König über nichts.) Mit den Konsequenzen leben, schließlich das Haus aufräumen oder aufräumen lassen.
Unter Bloggern sitzen, südtiroler Schinken zerlegen, Jägerlatein hören und tschechischen Becherovka kippen. "Der ist nur für Männer", heißt es - und so bekommt der Kid erst einmal nichts. Ich will daraus nichts weiter für das Leben ableiten. Dies aber völlig entgegen meiner Art.
Samstag, 19. Februar 2005
Bei "Dummy" weiß ich ja, was ich gekauft habe. Was aber soll "Meine Putzfrau" bedeuten? Ist das ein Special Interest-Magazin? So was wie Mein Garten für Leute mit viel Dreck daheim? Steckt dieses Buch dahinter? A Cleaning Woman?
Ich bin jetzt zu müde, durch die Quittungen, die ich bekommen habe, durchzusteigen.
Freitag, 18. Februar 2005
He fills his head with culture
He gives himself an ulcer
(Gang of Four, "At Home He's A Tourist")
Passend zur Lage der Nation gleich mal den richtigen Soundtrack nachgekauft. Wieder ein altes Ferroxidtape, das nach 20 Jahren den Weg alles Irdischen antreten darf. Gerade überlege ich, wie ich mich damals gefühlt habe, zu Zeiten von "Paralysed", "Damaged Goods", "At Home He's A Tourist" und, natürlich, - Wahnsinn, dünne hellhäutige Männer schwitzen ihren Weg durch funky Bierlachen- Feeeeeedback to "To Hell With Poverty" (drei Ausrufezeichen)! Marxismus-Punk hieß das damals in diesem Sommer der zukunftslosen Liebe.
Wahrscheinlich schon ganz genau wie jetzt.
Haare etwas steiler, Schuhe etwas spitzer. Immer einen losen Deckenhaken in der Tasche, falls man mal einen braucht. Man guckte dann so... diagonal.
Irgendwie mußte alles diagonal sein. Neonröhren an der Wand, asymmetrische Haarschnitte, der Ausblick auf die Zukunft. Geile Musik, sagte man. So schräg! Heute ist die windschiefverwehte Körperhaltung das einzige, was davon gelieben ist. Und der lose mitgeführte Deckenhaken natürlich.
Donnerstag, 17. Februar 2005
Gewappnet mit den rücken- stärkenden Worten der Kaltmamsell ("Denken Sie daran, daß Vogelfreie nur so weit fallen können, wo sie eh schon stehen - ins Nichts", jetzt mal aus dem Kopf zitiert) ging ich heute zu einer Betriebsversammlung einem Familientreffen. Mit einem herzlichen Willkommen stellten sich drei der neuen Herren ("Lock, Stock & Barrel") der gespannten Belegschaft. Alles ist gut, lautete die Botschaft, offen, transparent, kommunikativ sei man. Sorget euch nicht, arbeitet, schwebte kurz der Geist von Dale Carnegie über den Köpfen der Zuhörer. Worte wie "Synergie" und "Harmonie" huschten durch den Raum wie ein Mantra, und bald füllte ein Om Mani Lull Lull die stickige Luft und verklebte die Hirnzellen. Fast hätte sich das Dach des Saales gehoben auf einer Woge der Begeisterung und wäre davongesegelt - nach Süden, Richtung München womöglich. So jedenfalls hätte es Peter Rüchel beschrieben, Pate der legendären Rockpalastnächte, der jedes Jahr vom Davonschweben des Daches der Essener Grugahalle faselte.
Hier dämpften die nur flüchtig mit einer Plane zugedeckten Reisekoffer der Herren, aus denen Messer und und blutige Sägen herausragten, die Stimmung. Schlank werden durch Essen, so die Devise der nächsten Monate. Stellenzuwachs durch Stellenabbau, raunte ein mächtiger Odem. Frieden ist Krieg, Leid ist Freude, und wir alle lieben den großen Bruda!
(Man muß aber auch nicht alles schlechtreden, nur weil es neu ist. Wer weiß, was ich lerne. Tabulos will man sein - und das stünde mir vielleicht mal ganz gut zu Gesicht, ehe ich noch als verklemmter Hagestolz ende. Ja, ich freue mich, dabeizusein, ein Teil der Sache, auf neuen Wind und neue Herausforderungen und weitere Monate der Ungewißheit. Denn Ungewißheit ist Sicherheit, und Damokles der Gott all derer, die den süßen Kitzel klassischer Arbeitsplätze schätzen.)
Apropos süßer Kitzel. Ich beginne, mich auf meine alten Kernkompetenzen zu besinnen, ehe man mir als Abfindung die Vaseline für meinen neuen Job hinterm Hauptbahnhof reichen will. Da war doch noch was. Müssen es immer Gartenzwerge sein? Heute kaufte ich mir ein Buch, das mich an glorreiche Zeiten im balinesischen Staatszirkus erinnerte. Wenn ich bloß ein wenig übe, wird es bestimmt noch mal was mit der Messernummer. Bei mir fange ich an.
Mein Stern soll nicht sinken. Ich habe ein buntes Jahr im Fokus.
Herr Kid, was geht, mal glücklich sein?
Dafür habe ich jetzt keine Zeit.
Herr Kid hat sein Coming-out.
(Via Herr LeTeil)