Mittwoch, 16. Februar 2005
Geschähe doch einmal etwas. Würden einmal wieder Barrikaden gebaut.
Ich wäre der erste, der sich darauf stellte, ich wollte noch mit der Kugel im Herzen
den Rausch der Begeisterung spüren. Oder sei es auch nur,
daß man einen Krieg begänne, er kann ungerecht sein.
Dieser Frieden ist so faul und ölig und schmierig wie eine
Leimpolitur auf alten Möbeln.
(Georg Heym, Tagebucheintrag vom 6.7.1910.)
Morgen ist Betriebsversammlung. Einer der Chefs verließ das Haus bereits "auf eigenen Wunsch", *gacker*. Das war der, der immer sagte, er hätte vom "Klassenkampf die Nase voll".
Die festangestellten Kollegen hetzen gegen den Betriebsrat.
Ab morgen werden sie dort nach Sprechstunden fragen. Ich persönlich finde, die zehn muß steh'n.
Zehn Millionen, Herr Clement, wie wär's? Da geht doch noch was.
I can’t see why all these confrontations,
I can’t see why all these dislocations,
No family life, this makes me feel uneasy,
Stood alone here in this colony.
(Joy Division, "Colony")
Nobody suffers and nobody is malicious. This page sweeps old habits.
Sehr interessantes Fotoblog der französischen Künstlerin Dididuc.
Siehe auch hier.
Die schönsten Songs sind solche, die einem im betrunkenem Zustand eine Botschaft zuflüstern, während man den Kopf in einer Lache auf dem Tresen gebettet hat. Ein solches Lied darf dann auch gerne etwas lauter gespielt werden, so wie Aussie Girl von Laakso. (Dortselbst gibt es auch die bewegten Bildern zu den Tönen.)
Skandinavier eben. Ein bißchen schwermütig. Darf ja ab und an auch mal sein.
Heute. Denn heute mache ich Radau.
Alle gegen alle.
gebt fein acht, ich hab' euch etwas mitgebracht. So sieht es nämlich aus, wenn euer Püppi ins Krankenhaus und geröntgt werden muß.
(via Wurzeltod)
Don't touch me
I'm a real live wire
(Talking Heads, "Psycho Killer")
In den letzten Tagen wurde ja wieder vermehrt über Gewalt und Toleranz diskutiert. Ich finde ja, viele Dinge verlieren in fremden Sprachen ihren Schrecken.
Für Blut, Tod und Gewalt hat Deutsch einfach den besten Klang. Als ich mal im Krankenhaus lag, ließ ich mir von meinem türkischen Bettnachbarn ein paar Schimpfwörter auf Türkisch beibringen, weil ich dachte, die könnten einmal nützlich sein. Er kam mir mit Begriffen wie "Du Kuh, du!", was weder semantisch noch phonetisch besonders scharfzüngig klang. Vielleicht hatte der Mann auch nur Humor. Vor ein paar Jahren fuhr ich mit dem Auto durch Marseille. Nun ist Marseille eine schöne Stadt, ich aber ein schlechter Fahrer. Aber anstatt daß ich ein paar "niquetamère" zu hören bekam, gab es nur fröhliches Gehupe, ich hupte zurück, man winkte (oder war es doch eine geschüttelte Faust?), ich winkte zurück, fuhr linksrum, der andere rechtsrum - und schon war alles gut.
Als ich noch jung war und mich für aufmüpfig hielt, überquerte ich zu Fuß die Straße, und irgendsoein Spacken meinte wohl, es einem Jung-Punk Jung-Waver mal so richtig zeigen zu müssen, steuerte auf mich zu und gab Gas. Im letzten Moment konnte ich noch zur Seite springen, reckte reflexartig den Mittelfinger und ging mit "Hallo Wach"-Effekt weiter. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, daß der Wagen wenden und der Fahrer aussteigen würde. Und was für ein Fahrer! Klempner oder Dachdecker, wie das Firmenlogo verriet, mindestens 3,40 m groß und 180 Kilo schwer. Finger wie Wasserpumpenzangen. Er baute sich vor dem Hemdchen, das ich bin, auf, starrte mir in die Augen (ich starrte vorsichtshalber auf einen Punkt außerhalb seines Fokus, irgendwo an der Rückwand seiner Hirnrinde) und bohrte einen dieser Eisenrohrfinger in mein Gesichtsfeld. "Du, du, Traumtänzer!" schäumte es aus ihm hervor.
"Ta gueule", dachte ich tapfer, blieb aber stille, ich feiger Hund, während der kahlköpfige Klempner (Hm, ist das diskriminierend? Einige meiner besten Freunde sind Klempner!) seinen Körper zurück in den Firmengolf wuchtete.
Seither weiß ich, daß ich meinen Drang, ab und an gewissen Leuten einfach eins aufs Maul zu hauen Kierkegaard vorzulesen, tunlichst unterlassen sollte. Das hinderte mich nicht, einmal in einem Bus der HVV dazwischenzugehen, als ein Typ irgendeinem anderen die Fresse polierte. Während die übrigen Fahrgäste den hochinteressanten Hamburger Regen durch die Scheiben betrachteten, versuchte ich die beiden zu trennen und bemerkte zu spät - da war mein Klempner wieder! Oder jemand, der so ähnlich aussah. Der schob mich nur lässig mit einer Hand zur Seite, während er mit der anderen auf diesen Typen eindrosch und ansonsten nicht weiter auf mein Geschrei reagierte.
Jedenfalls, comment dirais-je, kommt man sich dann ein bißchen alleine vor und ohnmächtig auch. Und schon gar nicht heldenhaft. Und man wünscht sich, man könnte auch ein wenig hinausstarren in den Regen oder ganz woanders sein. Oder wie Mr. Chance die Fernbedienung herausholen und einfach ein anderes Programm einschalten. Oder kluge Sprüche anbringen und hinterher alles besser wissen.
Oder ultra-gefährlich werden. Und die Macht des dödlichen Blicks erlernen.
(File under: Falling Down.)
Montag, 14. Februar 2005
Jose Guadalupe Posada, Calavera de Artistas y Artesanos
Alle halbe Jahr mal telefoniere ich mit meinem Vater. Man könnte sagen, wir haben sporadischen Kontakt, dann aber ausführlich. Unter vier Stunden geht so ein Gespräch selten, denn zuviele Dinge können und wollen besprochen sein. Man fängt bei technischem Gerede an, kommt vom Hölzken aufs Stöcksken, wie es bei uns in der Gegend heißt, streift das Anekdotische, redet dann ein bißchen aneinander vorbei, landet am Ende bei den Frauen und schließt mit den besten Wünschen für die gegenseitige Gesundheit.
Neulich kam ja das bergische Apfelpaket und so war es dann Gelegenheit, kurz telefonischen Dank auszusprechen. Nach Stunde vier und Themen wie "Haltbarkeit von Archivmaterial", "Digitalisierung bei Fachkameras" und "Da ist doch neulich so eine Bude abgebrannt..." (Was für 'ne Bude? - Na, im Osten. - ??? - So ein Buchlager oder was. - Bibliothek? - Na klar, so eine ganz berühmte Bibliothek, mein ich ja. - Anna Amalia??? Das ist doch kein Buchlager!) fragte er mich plötzlich nach meiner Rente. "Du legst doch was zurück?"
"Ich habe kürzlich für 60 Euro CDs gekauft, diesen Monat nicht mehr, haha."
Dann hörte er sich geduldig mein Lamento ("Wie, Studienjahre gelten nicht mehr?" - "Sozusagen unterm Hintern weggezogen." - "Bestimmt von diesem Fischer. Na, seit der keine Turnschuhe mehr trägt...") und meinen dystopischen Ausblick auf die Greisenjahre an - und kam dann mit einer brillanten Idee.
"Weißt du, was ich an Deiner Stelle machen würde?" - "Na, jetzt kommt's..." - "...wenn ich noch mal so jung wär wie du..." - "Wenn ich noch mal jung wäre, ja." - "Dann wüßte ich genau, was ich machen würde."
Und dann legte mir mein Vater seine vitalistische Grundversorgungstheorie dar. Man muß dazu sagen, daß Väterchen Kid, nach allem, was man so hört, in seinen jüngeren Jahren kein Kind der Traurigkeit war (anders als sein Erstgeborener jetzt). Nicht nur, daß er hier und da mit Bata Ilic (Bata Ilic, Leute!) einen trinken war, seine Cabrioausflüge führten in auch Ende der 60er immer wieder nach Südfronkreisch. Und einmal - und das hielt ich immer für Aufschneiderei, bis ich Indizien fand, die diesen Bericht stützen - war er auf einer Party auf der Yacht von Brigitte Bardot. Ich weiß nicht, ob BeBe davon weiß, aber es war die Zeit, als auch die Stones da unten rumlungerten, viel Tee tranken und merkwürdige Platten aufnahmen, die nie erschienen, weil toujours soleil und französische Camperinnen und überhaupt alles recht locker.
Ist auch egal, erzähl ich ein anderes Mal. Das nur als Hintergrund. Der Plan des alten Schwerenöters: "Du kannst dich doch benehmen und hast viele Bücher gelesen - Mensch, da würde ich doch 'ne Kreuzfahrt machen!" - "???" - "Na, nicht da, wo dieser Sascha Hehn kellnert mit seiner komische Frisur da. Da, wo die reichen Frauen alle mitfahren, diese Witwen mit Geld - und dann angelst du dir eine. Ist doch ganz einfach. Oder du fährst in so einen Kurort da bei dir, na wie heißen die, Bad Doberahn oder Heringsdorf oder Bad Oeynhausen, egal..."
- "Als professioneller Kurschatten?" - "Ja, genau. Ein bißchen tanzen..." - "Ich übe gerade den Schnappi-Tanz..." - "Was?" - "Ach, egal. Ist so ein Lied. Erzähl weiter." - "Ja, was meinst du, so einsame Herzen, dick mit Schmuck behangen. Mußt nur darauf achten, daß die Handtaschen keine billigen Kopien aus dem Urlaub sind."
"Hm. Klingt ein bißchen zynisch." - "Ach was, die Frauen haben da doch selbst Spaß dabei. Meinst du, die durchschauen das nicht?" - "Wahrscheinlich schon." - "Siehst du. Eure Generation ist aber echt komisch. Immer dieses Gegrübel. Die wissen doch nicht wohin mit dem Geld. Und amüsieren wollen die sich doch schließlich auch." - "Hm. Ausgerechnet mit mir?" - "Ziehst du dir halt mal ein buntes Hemd an. Und ab und an fragst du nach einem Scheck..."
Herr Sakanachan - kann ich mir wohl mal gelegentlich eine Ihrer berühmten Krawatten leihen?
Samstag, 12. Februar 2005
Etwas zuviel vergorener Traubensaft heute, deshalb sei dieser Ausflug erlaubt: Ich will doch nur schnappen.
Mein Favorit: Na klar, Scooter.
(via R.S. und Frau Julie)
Mein Leben wird ja jetzt verfilmt. Endlich, könnte man meinen. Nachdem ich meine Wohnung bekanntlich einst als Set für einen Videoclip (Achtung: Nur für schnelle Verbindungen) zur Verfügung gestellt hatte, soll es jetzt einen Animationsfilm über das Hermetische Café geben. Ich bin natürlich begeistert.
(Viele kleine Quicktime-Outtakes aus diesem Projekt von Brian Taylor unter "Movies". Sehr sehenswert. Alternativ siehe auch hier.)
Freitag, 11. Februar 2005
Nicht gerade die Königin des Abwechslungsreichen, aber wenn man schon mal einen Stil gefunden hat, ist man besser dran als Leute, die einen solchen vergeblich suchen. Camille Rose Garcia malt Menschen wie du und ich auf die Leinwand oder auch gleich auf die Wand.
Kleine häusliche Szenen sind darunter oder Ausflüge in den Märchenwald. Da flanieren bizarre Kopffüßer mit ihrem Lieblingstäschchen durch radioaktive Sumpflandschaften oder reiten mit Bambi durch absinthgeschwängerte Kinderzimmer. Banaler Alltag also, aber immerhin herzallerliebst in Szene gesetzt.
Donnerstag, 10. Februar 2005
"One time I went to a church that was supposed to do a lot of miracles [...]. I put my hands in the [holy] water and said 'Please, God, give me some breasts' - and He gave me them." (Salma Hayek)
Mittwoch, 9. Februar 2005
Sich den Finger an einer scharfen Dose zu schneiden hatte in jüngeren Jahren einen deutlich anderen Klang.
Montag, 7. Februar 2005
Blogger.de ist auf einen neuen Server gezogen und läuft nun auf antville 1.1. Leider läuft noch nicht alles, wie gewohnt, einige Details im Layout haben sich zudem ins Unschöne verschoben.
Kommentare sieht man wohl erst, wenn man bereits eingeloggt ist gar nicht.
Die nächsten Tage wird hier aber noch geschraubt.
Erstmal Danke an Axel und Dirk, daß wir überhaupt alle anscheinend verlustfrei gelandet sind!