
Montag, 2. Februar 2004
Da es hier in diesem Blog gerade ein wenig religiöser als sonst zugeht, hier gleich mal eine Frage.
Mir flattert ja auch so ein plastikverschweißter Werbe-dingsda allwöchentlich ins Haus. Ab und an schau ich auch mal rein. Und was sehe ich hier? Was soll das sein? Offensichtlich spielen hier Kinder etwas nach. Aber was?
Ach so, bekannte Szenen aus dem Buch der Bücher, ich sehe es auch gerade. Die Speisung der 5000. Petrus der Fischer gehörte ja zum Team. Und hier, das andere? Noch bekannter. Paradiesisch.
Aber wieso zwei Äpfel? Ist das die reklametypische Übertreibung? Nimm zwei? Oder gleich mehr, immerhin sind die ja in einer Tragetasche verpackt. He, Adam! rief Eva aus dem Garten aller Gärten. Hilf mir mal die Äpfel reintragen... Nö, jetzt nicht, ich schnupper noch am Fisch. Ach, was schnuppern. Nö, ich steck grad meinen Finger in 'nen Fisch. Wobei wir bei der anderen Konnotation sind.
Los auf die Couch! Siegmund, Siegmund, was willst du uns sagen? Kleine Jungs angeln sich Fisch? Mädchen zeigen ihre Äpfelchen? Au wei, au wei. Und das in einem Prospekt prüder amerikanischer Lebensmitteldiscounter. Gab es da nicht mal vor ein paar Wochen einen Artikel, nachdem es in den USA bei dieser Kette Ärger gab... wegen irgendwie unmoralisch aufgeladener Dinge? Hm, hm. Nichts gegen diesen Laden. Die haben tolle Angebote. Und bestimmt gute Anwälte. Aber gute Reklamefachleute? Man ist ja nur froh, daß die Shampoo-Flaschenbewerbung nicht in ähnlicher Manier durchgezogen wurde. Vollzogen, meine ich.

Ist nämlich heute angekommen. Ihr wißt jetzt nicht, worum es geht.
Ihr dürft Euch aber trotzdem mit mir freuen.

Stimme am Telefon. Selbst nicht erkannt werden. Wer?
Tant pis, c'est moi..
Vorsichtshalber nenne ich meinen vollen Namen.
Und es stimmt. Egal, wie schlimm es ist, Kinder verbinden.
Wenn man welche hat, heißt das.
Das war selbst bei meinen Eltern so.
Nach mehr als zehn Jahren trafen sie sich auf der Intensivstation. Interessant übrigens. Nie an Geburtstagen.
Update: Ist schon ok. Wer ist nicht verwirrt. Gute Besserung.

Sonntag, 1. Februar 2004
"Was brauchst du dramatischen Unterricht? Den wirst du noch genug im Leben bekommen. Verlaß dich drauf."
(Anna Cordsen auf den Wunsch ihrer Tochter Emmy, Schauspielerin zu werden. Emmy Cordsen, spätere Emmy Ball-Hennings, 1885-1948. Schauspielerin, Modell, Muse, Sängerin, Dadaistin, Mitbegründerin des Cabaret Voltaire in Zürich.)

So, ich stelle fest, daß hier in unserer Kuschel-Community zu selten wirklich ernste Themen behandelt werden.
Neulich sah ich Pedro Almodóvars "Sprich mit ihr - Hable con ella". (Zwei Männer freunden sich im Krankenhaus an, als ihre Freundinnen durch einen Unfall ins Koma fallen. Als die eine schwanger wird, gerät deren Freund in große Bedrängnis.) Beim Blättern im Presseheft stieß ich auf eine interessante Geschichte, die Almodóvar zu seinen Quellen für diesen Film zählt.
Ich schalt' schon mal mein Handy aus.
"In Rumänien fühlte sich der junge Nachtwächter eines Leichenschauhauses zu einem toten Mädchen hingezogen. Die Einsamkeit des Todes und die Einsamkeit der Nacht münden in "zu viel Einsamkeit", weshalb der Wächter seiner Sehnsucht nachgibt und mit der attraktiven Leiche schläft. Die folgenden Ereignisse sind eines jener Wunder menschlicher Natur, die der Papst wohl nicht allzu sehr schätzen dürfte. Als Reaktion auf die amouröse Belästigung erwacht das Mädchen wieder zu Leben, da sie an einer Art Katalepsie litt und nur scheintot war. [...] Obwohl die Familie des wiedererweckten Mädchens dem Vergewaltiger dankbar war, konnten sie ihn nicht vor dem Gefängnis bewahren. Sie brachten ihm Lebensmittelpakete und beschafften ihm einen Anwalt. Die ungewöhnliche Situation führte zu einem kuriosen Dilemma: Vor dem Gesetz war der Junge nur ein Vergewaltiger, aber nach Ansicht der Familie, die sich von ihren Gefühlen hinreißen ließ, hat der Junge die Tochter wiederbelebt. Es war von Anfang an eine wunderbare Geschichte, die mich rundum inspiriert hat, einschließlich des "moralischen Dilemmas", das auch in Sprich mit ihr - Hable con ella vorkommt." (P.A.)

Samstag, 31. Januar 2004
Gerade eben sinngemäß im "Wort zum Sonntag":
"Schalten sie ihr Handy aus - nur Gott ist immer erreichbar."

Vor ein paar Tagen musste ich etwas sehr privates hören. Kaum würde ich einen Raum betreten, hieß es, würde sich meine Traurigkeit wie eine radioaktive Wolke über alles legen.
Dabei bin ich ein total witziger Partylöwe, ehrlich.
Es muß daran liegen, daß ich manchmal seltsame Lieder in der Endlosschleife höre. Wie Françoise Hardy und ihr "Tous les Garçons et les Filles".
Oder überhaupt irgendwas von der "frühen" Françoise Hardy.
"If her songs are melancholy at times, it is a melancholy without pretension, for much of her beauty lies in her sadness and her honesty and her innocence."
(Liner notes zu Françoise Hardy "Greatest Recordings")
Dazu lese ich Françoise D'Eaubonne. Die sich selbst betrügen, 1960. Der Roman der Rimbaud-Kennerin ist nach dem Film "Les Tricheurs" (1959) von Marcel Carné mit dem jungen J.P. Belmondo entstanden. Das Buch zum Film. Junge Nihilisten in St. Germain de Près. Auf diese gleichgültige Art düster.
Morbide. Hoffnungslos.
Desparat, heißt das, glaube ich.
Zeit, eine Party zu bewölken. "Je ne suis là pour personne" (Françoise Hardy)...

Freitag, 30. Januar 2004
Ok, was haben die, was ich nicht habe?
Und hier, hier, der auch!

Ja genau. Indianer Nah-am-Wasser-gebaut war gerührt. Die Schnittchen-Affäre geht in eine neue Runde. Dieser Versuch war ja schon sehr herzerwärmend, ging aber zu diesem Zeitpunkt in die falsche Richtung. Andere Frauen hingegen zagen und wägen und wissen nicht, was sie tun sollen.
Das ist nicht gut, sage ich allen da draußen.
Nein, genau SO muss man es machen, meine Damen! Männliches Gegreine und Suppenkaspertum einfach lächelnd beiseite schieben und zur Tat schreiten. Das nenne ich vollendete Gastfreundschaft. Aber etwas anderes würde man von Menschen, die solch schöne Küchen bewohnen, auch nicht erwarten. Danke!

Donnerstag, 29. Januar 2004
Heute habe ich wieder den ganzen Tag in der Gartenzwergfabrik gearbeitet. Wenn ich den kleinen Kerlen so die Zipfelmützen rotpinsel, dann singe ich ihnen gerne alte Kampflieder vor. Hannes Wader oder auch das Lied vom "Kleinen Trompeter". Und dann, gegen Abend, erzähle ich ihnen von der Weltrevolution, während die Farbe auf ihrem Kopf langsam trocknet. Natürlich kann man erst am nächsten Tag sehen, ob man gut gearbeitet hat. Dann, wenn die Farbe völlig durchgetrocknet ist. Gute Arbeit erfüllt und befriedigt. Aber doch erfüllt mich häufig ein Gefühl der Trauer, wenn ich dann abends das Werksgelände verlasse, nicht ohne meiner kleinen Befreiungsarmee aus Rotgartenzwergisten salutiert zu haben.
Ich weiß, daß die Chancen schlecht stehen. Meine Armee wird zersplittert werden. Einzeln oder in zu kleinen Partisanengruppen werden sie hinter triste und für sie unüberwindliche Jägerzäune verbracht werden. Wir werden nie eine Revolution starten. Aber manchmal, in stillen Nächten, hoffe ich, daß sie wenigstens von ihr träumen werden. Und vielleicht ein leises Lied hören. Von Hannes Wader. Oder das vom "Kleinen Trompeter". Denn der hält die Wacht.

Dienstag, 27. Januar 2004
Ist bestimmt auch eine lohnende Rubrik.
Teaser für so eine Gerichtspathologen-Serie, gerade eben:
"Der Uterus einer Stute ist so groß wie ein Fußball. Genug Platz, um darin einen Beutel Diamanten zu transportieren."
(Der zweite Satz ging eventuell ein wenig anders)
Und jetzt stelle ich mir vor, es ist - sagen wir - 1963.
Und dieser Satz läuft im deutschen Fernsehen.

Dienstag, 27. Januar 2004
... der Profi sie daheim hat, würde mir wahrscheinlich die Schulter auskugeln.
"I shot a man in Reno, just to watch him die", kann natürlich auch nur Johnny Cash ungestraft sagen. Und auch erst nur, seit wir selbst auf unserer Seite des Zauns wissen, wieviel Humor der Kerl besaß.
Nein, die edlere Waffe ist doch der Füllfederhalter. Und das Notizbuch. "Beschreib mich, beschreib mich", ruft es, angeregt durch einen Beitrag des verrückten Hutmachers . Los, wir zeigen jetzt alle unsere Wummen.
Meins ist kein ehrfurchtgebietendes Powertool vom Kaliber .357, nein, nicht einmal eine Beretta unter den Notizbüchern, meins ist ein schnörkelloses 9mm-Buch. Eine nur leicht aufgebohrte Chinakladde ohne viel Glamour. Aber diese erfüllt präzise ihren Zweck, leidet nicht unter Ladehemmung wie manch überzüchtetes Exemplar - und hat nur 2,95 nach altem Geld gekostet. Es faßt Fotos und Karten im Format 10x15 cm... und jede Menge Einkaufslisten und Gedanken. Und ein kleines Bild auf dem Frontcover macht sie unverwechselbar.
So, da habt ihr!

Zeit für eine neue Rubrik. Neulich musste ich ja schon den Vergleich hinnehmen, Johnny Cash sei wie Gottfried Benn. Die Postmoderne erlaubt weitere Bögen quer durch die Kunstgeschichte:
"Die Polizeiberichte beschrieben Ed Geins Wohnung als ein Labyrinth aus Knochen, Torsi und ausgestopften Körpern, beinahe ein zur grausamen Realität gewordenes Pendant zu Kurt Schwitters' "Merzbau" in Hannover, der bezeichnenderweise den Untertitel "Kathedrale des erotischen Elends" trug."
(Martin Büsser. Lustmord - Mordlust: Das Sexualverbrechen als ästhetisches Sujet im 20. Jahrhundert . Mainz, 2000 , S. 152.)
