Montag, 3. November 2008
Bildnisse & tote Tiere, treffsichere T-Shirts, die Einsamkeit von Landstrichen mit viel Landschaft, dazu ein Test auf Kindersicherheit.
So ist Leben. Kann man mal machen.
Dienstag, 28. Oktober 2008
And the whirlwind is in the thorn tree.
(J. C., "When The Man Comes Around")
Und trotzdem kommt er ungefragt zu mir. Die Dornen, die Blüten auch. Immer ein bißchen Hoffnung, immer die Überraschung, die sich zwischen das Basilikum gräbt. Steißgeburt, sagt meine Mutter. Ich war schon immer ein wenig eigen.
Samstag, 25. Oktober 2008
Früher hat man ja, möglicherweise leicht angetüddelt, sich abends oder später an den Rechner gesetzt, gehofft, daß Blogger.de nicht mittendrin abstürzt und alles ins Nichts reißt und irgendwelchen, womöglich sogar emotional geprägten Unsinn gebloggt. Heute geht das auch ohne Alkohol, aber lange nicht mehr so gut.
Der Spaß, heißt es, sei irgendwie vorbei. It just ain't fun anymore, und wenn ich wüßte, aus welchem Film das wieder war, könnte ich öfter einmal fünf Minuten eher einschlafen. Maulkörbe, Gelangweiltsein vom eigenen Tun & Treiben, falsche Rücksichten und richtige noch dazu, das Schleifendrehen in der immergleichen Sisyphosprojektion - indes am Ende einer harten Arbeitswoche, so die Kollegin, mit der ich heute auf dem Heimweg ging, ist man froh, wenn nicht allzuviel für die Montagskehrbesen übrig bleibt.
Mancher Peinlichkeit wünschte man im Nachhinein die [del]-Taste, aber, so antwortete ich heute meiner Kollegin, wir haben auch ganz schön was weggeschafft. Die Hornhaut auf den Fingerspitzen, die Stahlplatten über dem Herzen, die goldbedampfte Sonnenbrille gegen die Strahlen aus der Zukunft - man ist ja auch gewachsen womöglich.
Der frohe Spott, der unbedachte Witz, die schlecht verborgene Liebeserklärung, der enttäuschte Zorn. Die Menschen, die man traf, die paar, die man besser nicht getroffen hätte. Träume auch und ein paar zu laute Versprechen. Die Biere bei Kehrwieder, die Reisen, das Vorlesen, die falschen Hoffnungen. Zwischendurch das Immerweitermachen, immerhin, die augenrollenden Freunde, die sehr schöne Frau™, die zu klug für all das war, die Rollschuhchampionesse, die ihr eigenes Geschick nicht kennt, die Frau, die das Lied von Moloko mit mir nicht teilen wollte, die Frau, die mir am Ende die Leviten las.
Die Freunde, die fremden Städte, die oft so unverdiente Hilfe, das spontane Picknick auf dem Friedhof, die Kaffeetafeln in verwunschen wunderlichen Gärten, die Schickanedernächte, und all die, die um ihre Gesten wohl gar nicht wissen. Nothing can come close to this familiar feeling.
Früher hat man diese trunkenen, womöglich emotionalen Dinge gebloggt.
Donnerstag, 23. Oktober 2008
Mein kleiner Stadtteil verliert zusehends seinen proletarischen Polyestercharme. Immer häufiger treffe ich junge Menschen mit Umhängetaschen aus Lastkraftwagenplane an. Auch wurden erste Mac-Books in der Umgebung gesichtet, von einem Café ist die Rede, man möchte die funknetzwerkbefeuerten Assoziationen gar nicht zu Ende denken. Günstige Mieten treiben diese Menschen in die im Grunde weißkartographierte Welt östlich der Alster, ein Gebiet, das vom vergewöhnlichen Eimsbütteleppendorfer oder galaoszenigen Pauli-Ottenser meist als unerforscht oder bestenfalls unzureichend zivilisiert bezeichnet wird. Auch beherrschen augenscheinlich Bilder kriegszerbombter Trümmerwüsten die satinierten Fernurteilshirne, denen wohl das Dröhnen der Bomber-Harris-Geschwader an weißen ipod-Hörern vorbei noch in den Ohren klingt.
Ja, und die Russen erst! Da immerhin ist etwas dran, denn im Vielvölkergemisch meiner U-Bahn fallen morgens bereits sehr viele sehr junge, sehr schöne Djäwuschkas auf, ins Stadtzentrum unterwegs auf dem Weg zur Sekretärinnenschule oder Supermodelagentur. Ihre Brüder, vom kargen Haar oft und großem Durst, sind meist zu dreist oder viert unterwegs. Aber immer mit sich selbst beschäftigt, Uhrenkollektionen in Plastiktüten mit sich führend oder Schorf abpuhlend. Einmal sah ich einen Burschen gedankenverloren mit seinem Schlagring spielen. Dafür sieht man kaum noch Kampfhunde im Revier zwischen LKW-Strich und Hamburgs tollster Lesebühne.
Die nun zuströmenden Studenten und Medienprostituierten werden mir wohl bald die Aussicht versauen. Die freidichtende Radikal-Bohème vom Rauhen Haus wird die Plakatwände besetzt finden von Edgar-Karten, Demo-Aufrufen und Ausstellungshinweisen. Bei mir im Haus hat nun eine Studentinnen-WG Einzug gehalten. Beim wöchentlichen Versuch, dort eine Tasse Zucker zu leihen, traf ich dort langhaarige junge Damen vor, zum Glück herrenbesuchslos, freundlich, das Leben noch vor sich. Während ich ihnen ein frisch ausgedrucktes Exemplar der Hausordnung überreichte (Keine Jogginghosen im Treppenhaus! Nur amtliche Musik!) und sie was von "schöner Aussicht" murmelten, ermahnte ich sie eindringlich, aber nicht weitersagen!. Sonst heißt es bald UNESCO-Weltkulturerbe, und als nächstes philosophiert Dittsche dann aus der pittoresken Tristesse vom Biller Grill ("Marion's Imbiss - Frühstück schon ab 5.30 Uhr!!!").
Die Welt ist im Wandel also. Eine neue Hölle von Qualen der Angst! (Strindberg). Sie werden hier Galerien einschleppen wie eine unheimliche Virusinfektion. Straßencafés und Bio-Bäckereien werden sich wie Spaltkeile zwischen Autohäuser und Gewerbebrachen zwängen und womöglich eine Krankheit namens Flair einschleppen. Blasser wird die Sonne hinterm Rauhen Haus versinken.
Sonntag, 5. Oktober 2008
Once you get to the new moon in Scorpio on October 28, you'll be feeling your oats. All your plans will take flight and at long last, everything will be right with the world.
So muß das sein.
Samstag, 27. September 2008
Die Fabrik, für die ich bislang noch am häufigsten arbeite, liegt nicht weit von Planten un Blomen. Manchmal stehle ich mich dorthin, um eine Weile am Wasser zu sitzen, den Fischen zuzuschauen oder auf das Geräusch der Enten zu lauschen. Manchmal hat man Glück, und niemand setzt sich auf die Nachbarbank, um dort kakophonisch laut in sein Mobiltelefon zu quaken.
Neulich saß ich dort mit Christian Schad. Mal sachlich werden. Bilanzen ziehen, die Reste einer schweren Operation. Jetzt stehen die Gefäße und Pakete da, verschnürt, aufgereiht, wie ein perverses Erntedank. Der Brief, den ich schon lange in der Tasche herumtrage. Worte, die auch nur noch mich selber interessieren. Am Steg sind die Linien klar markiert, die scharfe Kante am Steg. Man sitzt dort und kann die Kühle spüren, jetzt da sich der Sommer hinausgeschlichen hat. Das ist das Schöne, am schrägen flirrenden Licht des Herbstes. Man entdeckt in den Schatten wieder mehr.
Freitag, 26. September 2008
Heute war vor der Fabrik alles zugeklebt mit kleinen Plakaten. Wie rührend.
Ich würde die Frage mit Ja beantworten.
Aber nur Arme, die hinterm Rücken keine geheimen Zeichen machen.
Montag, 22. September 2008
Die Montagmorgenbesteigung ohne Sauerstoffgerät.
Sonntag, 14. September 2008
for we are ignorant of many things.
(The Log Lady, Twin Peaks.)
Für die meisten Dinge im Leben gibt es - so verspricht uns die Werbung - die Bankkarte der eigenen Wahl, vieles andere aber bleibt eben unbezahlbar. Dieses Stück Holz beispielsweise, das ich heute eigenhändig und den besten Anzug vergessend aus einem Baucontainer in St. Pauli zog.
Als ich routinemäßig in den Wir entsorgen alles - dich, mich und richtigen Dreck - und das auch noch diskret-Behälter spähte, sah ich gleich: dieser rostige Haken, der ebenso rostige Nagel, diese Patina... das gibt es nur ein einziges verdammtes Mal - und zwar hier und jetzt und greifbar nah vor meinen Augen im schönsten Stadtteil der Welt. Glücklicherweise ist St. Pauli ein Viertel, in dem keinen wirklich interessiert, wenn man am hellichten Tag in Stapeln voller Bauschutt wühlt. Mißtrauischer Aufmerksamer wird man eher, wenn ein staubiger Mann mit einem nagelgespickten Stück Holz durch die Straßen zieht. Ich kann es aber niemanden verdenken, sieht dieses Artefakt doch in meinen Händen aus wie eine Waffe. Dabei sollte jedermann auf Anhieb und -stich klar sein, daß es sich um ein extramuseales Kunstwerk bloß handeln kann, wenn eine verschluffte Gestalt mit schwarzer Feuilleton-Hornbrille damit durch die Straßen ueckert.
Schlimmer wäre es nur, handelte es sich um meinen einzigen Freund. In der nachbarschaftlichen Enge des wochenbeendenden U-Bahn-Ersatzverkehrs argwöhnte ich nämlich für kurze bange Minuten, mein mir bereits stark ans Herz gewachsenes Holzstück könnte ehemals die Reviermarkierung eines von Leichtbier und Dönerresten sich ernährenden Straßenköters gewesen sein. Ein Odeur lag in der Luft, dessen leicht urinale Kopfnote mich weniger holzig denn geriatrisch enthemmt anwehte. Doch nach dem Aussteigen stand mein tapferer staubiger Scheit glücklicherweise in sozusagen blütenfrischer Unschuld da - und jeglicher Verdacht muß leider auf meinen angegrauten Sitznachbarn zurückfallen, laut Auszeichnung seines Käppis zudem ein Fan des Hamburger Sportvereins. Ein Fall doppelter Stigmatisierung also, weshalb man pietätvoll schweigen muß.
Unter den Anwohnern meines von manchen gutgelaunt und mit leichten Schmunzlern onduliert als avantgardistisch bezeichneten Rentnerviertels gab es immerhin großes Hallo. Wenn hier sonst schon nichts passiert, kann man wenigstens diesen auch nicht mehr so richtig jungen Mann beobachten, wie er sich wieder anschickt, arbiträren Schrott in die pastorale Idylle seiner hermetisch abgeschotteten Dachwohnung zu schleppen. Wenigstens das.
>>> Behind all things are reasons.
Dienstag, 9. September 2008
Das waren jetzt ein, zwei Tage, die sich wie Urlaub anfühlten. Sonne war dabei und Wasser auch. Erstaunlich bleibt: Wie lange es immer braucht, bis eine tiefere Entspannung einsetzt. Wie der Schorf, wie schmutzige Erinnerungskrusten von der Haut abfallen, vom Denken. Wie man Schubladen sachter schließt, ihnen unaufgeregte Namen gibt.