Donnerstag, 4. September 2008
Mit Spielzeug gewint man ja bekanntlich mein Herz. Da meine Träume in letzter Zeit nicht mehr so hochfliegen, vermutete ich, so ein kleiner Wohnzimmerhelikopter brächte bestimmt Spaß, Aufregung und Gesumm ins hermetische Café. Ich muß einräumen, ganz so gut wie der Helipilot bei Magnum bin ich noch nicht. Hier fehlen noch Übung und Expertise. Ein Spielzeug für ältere Jungs: Man ist irgendwie froh, das Ding oben zu halten. Wenn das der Kafka bloß gewußt hätte! Denn das kleine motorisierte Insekt ist andererseits ganz wie sein Besitzer aus fast unverwüstlichem Material. Ideal also für den ein oder anderen Absturz. Ansonsten: Es geht auf und ab, aber immer im Kreis.
Dienstag, 19. August 2008
Über sexuelle Treue mag man verhandeln. Über Loyalität nicht.
Montag, 18. August 2008
Lange Nächte, kurze Tage. Man stellt besser um auf Solarbetrieb. Am schönsten sind Flohmärkte, die sich bis in die verwunschenen Durchgänge und Seitengassen erstrecken. Plötzlich steht man mitten in der Nachbarschaft und fast bei fremden Menschen im Schlafzimmer Wohnzimmer. Buchsuchen, Dingestöbern, Wachwerden. Ich hätte gern das Bastelbuch für jeden Tag aus den Fünfzigern gehabt, mit Vorschlägen für eine Kartoffelkanone und weiteren Notwendigkeiten für die kommenden Herbstabende. Aber - der Preis! Oh, du schönes Eppendorf. Du darfst noch träumen.
Zurück in Rentnertown (keinen Neid, bitte) strahlen mich junge Szenemenschen an. Nachher wird hier noch Musik gemacht. Mein Vater ist entzückt, weil man auf Google Maps sehen kann, wie er auf dem Balkon liegt. Ich habe es nachgeprüft, es stimmt. Man sieht nicht, wer es ist, aber man erkennt deutlich eine Person. Bei meinem Haus kann man die Vorhänge vor den Dachfenstern erkennen. Die müßten auch mal wieder gewaschen werden. Nur gut, daß meine Mutter keinen Computer hat.
Hinter den Vorhängen arbeite ich an meinen kleinen Formaten. Sonntagsmurmeln, im Hintergrund klimpert Erik Satie. Ich klebe Erinnerungen ins Sammelalbum und sortiere dabei gleich die doppelten aus. Nr. 417 und 268 fehlen mir, die sollte ich besser nachbestellen. Vielleicht aber gibt es mittlerweile eine Erinnerungstauschbörse im Internet. Ich hätte da ein paar anzubieten, die klingen wie ein verstimmtes Klavier.
Freitag, 15. August 2008
Endlich Gold im Aufmerksamkeitsdefizitsyndromschwimmen. Im Behauptungsweitwerfen, Selbsthochsprung und Fürmichhundertmeterlauf.
Jetzt Daumendrücken für die Leichtfertigkeitsathletik.
Donnerstag, 7. August 2008
Endlich löst sich die Spannung, explodiert die schwüle Hitze in einem munter zuckenden Gewitter und heftigen Regengüssen. Nach zwei, drei Schritten bin ich pitschnass, erreiche das Haus, durchweicht, aber glücklich. Ein herrliches Gefühl, ein warmes Sommergewitter, der Geruch von Elektrizität in der Luft, durchnässt zu sein bis auf die Haut.
Ich hatte einmal eine Freundin, die wurde bei Gewitter sehr... anhänglich. Später standen wir nackt am Fenster, betrachteten die Schauer, die Blitze und rochen die blitzblankgewaschene Luft. Ich muß jetzt die Klamotten wechseln. Und werde mich dann ans Fenster stellen.
Mittwoch, 6. August 2008
Einmal, vor Jahren, saßen mein Vater und ich noch lange in seiner Werkstatt unter dem Dach, er über technisches Gerät gebeugt, ich bereits übermüdet, es war einer dieser durchquatschten Nächte, bei denen nur ich kein Bier trank, als dieses Tier ins Zimmer geflogen kam. Wie ein kleines Gespenst taumelte es umher, segelte mit weißem Gefieder von Werkzeug zu Werkzeug und landete schließlich mit einer eleganten Unbekümmertheit auf dem großen Tisch. Mein Vater fing es in einem alten Glas, und wir beobachteten es, lange Zeit, entzückt, fasziniert, denn keiner von uns hatte so etwas je gesehen, selbst mein Vater nicht, der ja eigentlich vom Land herkam. Und so hockten Vater und Sohn über ihrem Beobachtungsglas, deuteten auf Details, sagten Ah und manchmal einfach Oh, wiesen auf Besonderheiten und wähnten sich am Rande einer ungeheuren Entdeckung. Ein Tier wie von Otto Lilienthal erdacht, ein Drache mit Federn, nur unglaublich klein. Wie schön, sagten wir, immer wieder, und wie aus einem Mund. Ein zarter Moment.
Freitag, 1. August 2008
Beim Augena rzt
Hm, sagt er. Und noch einmal Hm. Wir behalten das im Auge.
Samstag, 26. Juli 2008
Hicks.
(Ich habe Dinge gesehen.)
Montag, 14. Juli 2008
Vor Jahren, ich möchte nicht rückwärts zählen, gab es einen Moment, damals auf einer Hochzeit, die nicht die meine war, aber vielleicht besser hätte sein sollen, als das Glück an Bord eines Schiffes war. Für einen kurzen Moment konnte man es sogar mit geschlossenen Augen sehen.
Wir haben viel gelacht an Bord der Beständigkeit und viel geredet, oft sogar schweigend, manchmal gestritten - weil man jung war, selbst ich, und die Dinge oder man selbst mehr Funken schlagen, wenn sie schwierig scheinen. Aber keine schöneren. Da waren die Hamburger Tage und die Hamburger Nächte und die Widerstände und Stürme und die schönen Entdeckungen. Wir gingen über Flohmärkte, krochen durch stillgelegte Fabriken, sammelten das Skurrile, die Funde von der Straße, weswegen die Menschen uns oft aus schräggestellten Augen betrachteten. Uns seltsam fanden. Weil sie die Schätze nicht erkannten, in dem, was bloß Schrott schien oder banal. Lange Zeit schrieben wir uns Briefe, manchmal täglich, collagiert mit Fotos und Polaroids und Zeichnungen, Funden und Zeitungsschnipseln. Im Laufe der Jahre tauschten wir hunderte. Jeder ein Schatz.
Und weil wir irgendwann Abstand suchten, immer noch jung, uns auseinanderoperierten, das Ende einer gemeinsamen Reise, lange schwiegen, also anders schwiegen, nichts mehr hörten, noch weniger wußten, wog jeder so rare Brief um so schwerer. Zwei Schiffe namens Vorsicht, die nun Flaschenpost finden, seltene Signale, die Flaggen am Horizont.
Die Meere, die sie befährt, sind nun andere. Aber als sie schreibt, sie sei heute ausnahmsweise einmal nicht wunderlich genannt worden, wegen dem, wie sie so ist, wußte ich - wir spielen vielleicht nicht mehr im selben Team. Aber immer noch in derselben Liga.
Dienstag, 8. Juli 2008
when pursued, is always beyond our grasp,
but, if you will sit down quietly, may alight upon you.
(Nathaniel Hawthorne zugeschrieben)
Die Aufgabe ist nicht gering, wenn es heißt: Annehmen können. Das Fremde, das Neue, das Überraschende. Die schönen Momente, die Freunde, die einfach mitkommen, ohne daß es ihnen eine Mühe ist, durch die glitzernde Nacht oder den Regen, der einen im Wald überrascht. Wenn man nicht hetzen muß oder Lärm machen, um sich selber zu hören. Wenn man still stehen kann, lauschen und den Augenblick genießen. Wo es sanft genug ist und geduldig und leise, kommen sie manchmal ganz nah, pheromonberauscht torkelnd wie manche, freundlich und interessiert wie andere. Bleiben sitzen, schauen und zeigen ihre schönen Flügel. Neigungsgruppe Anmut statt Schwermut.