Mittwoch, 24. Mai 2006


Refractions

Violent, more violent,
His hand cracks the chair,
Moves on reaction, then slumps in despair,
Trapped in a cage and surrendered too soon,
Me in my own world, the one that you knew,
For way too long.

(Joy Division, "I Remember Nothing")

Neben - unvermeidlich fast - Man Ray war meine große fotografische Inspiration (das Wort Vorbild möchte ich meiden) von früher Zeit an der Amerikaner
Ralph Gibson. Fast am selben Tag geboren wie David Lynch, kennzeichnet beide eine obskure Mischung aus strenger Klarheit, eifrigem Ernst und hypnotisch entrücktem Traumfragmenten.

Erst jetzt entdecke ich, daß seine Seite im Netz auch ein umfangreiches Archiv beinhaltet. Serien wie Somnambulist haben mich nun schon seit Jahren begleitet, verwunschene Bilder, verfolgende Albträume, Schimmer, ein Wehen, kurze Momente aus verstörenden Geschichten herausgegriffen. Wer Joy Division noch von Vinyl her kennt, wird sich an das Foto auf dem Innencover der Unknown Pleasures erinnern.


 


Samstag, 29. April 2006


Mal wieder was mit diesen, öh, Strümpfen

Tetsu Tominari lebt in Tokio und bekommt den Finger nicht vom Auslöser. Ich mag ja diesen trashigen, uninszenierten Ansatz, Leben zu dokumentieren, ziellos, probierend wie ein Tagebuch mit einer gewissen Hemmungslosigkeit, die uns Europäern eher charmant denn provokant vorkommt. Andererseits, wenn man weiß, daß schon lautes Benehmen in der Öffentlichkeit für Japaner peinlich ist, bewertet man die Tabubrüche vielleicht noch einmal neu.
So gesehen eben doch eine Inszenierung, und sei es - wie bei Araki - daß hinter der ungebremsten Schaffenslust die Eitelkeit steckt, vielleicht dem Tod doch noch ein wenig Zeit abringen zu können.

Und darum, seien wir ehrlich, geht es am Ende eben immer. Der Ringelstrumpf der Woche geht also nach Japan, dem Land der aufgehenden Sonne und unaufgeräumten Kleinstwohnungen.

Tetsu Tominaris Bildband gibt es hier, über Preise wollen wir nicht reden.

Ich hoffe, am Wochende steht für jeden ein geringelter Maibaum bereit, zum Tanzen und frivolen Locken.


 


Montag, 24. April 2006


Rauhraum

Die Schweizer Fotografin Alexandra Crespi ist so eine, die geht nah ran. Mit einem Punch, wie ein Boxer, hart, ein wenig roh vielleicht. In ihren Porträts holt sie die Menschen und Körper aus dem diffusen Raum, entkernt die Schatten und entblößt die Gesichter, zerbeult, getroffen, schutzlos, all battled und bruised. Genau anders herum ihre Raumerkundungen. Der nackte Körper scheint in den kargen, zerschlagenen Raum zu diffundieren, sich aufzulösen, in Wände, Struktur und Verfall. Technisch recht simpel, unaufwendig. Begrenzte Zonen aus Licht und Schärfen als wiederkehrender Stil. Aber immens beeindruckende Protagonisten.


 


Mittwoch, 8. März 2006


Märzhäschen

Ich bin dein Hitch & du bist mein Hiker
Ich bin dein Easy, du bist mein Biker
Ich bin Passion & du bist die Blume
Du bist das Brot & ich bin die Krume
(Aus: 1000 Gedichte zum Frauentag.)

"Ich bin grad bei der Arbeit, ich habe einen vollen Mund." Ich weiß nicht, mit wem die Kollegin da telefoniert. Ich frage mich auch, was hier eigentlich so vollmundig gearbeitet wird, aber am Frauentag will man nicht so kritisch sein.

Über den amerikanischen Dunkel-Fotografen John Santerineross könnte ich auch eine lustige Geschichte erzählen, vielleicht eher eine traurige sogar. Egal.
Santerineross hat jedenfalls eine neue, mächtig aufgepeppte Webseite, die ich allerdings ein wenig überladen finde. (Ich mag in aller Regel keine flash-basierten Bildergalerien.)

Dennoch, das Stöbern ist schon deshalb interessant, weil es unter dem Menüpunkt "Studio Tour" meine nächste Wohnung zeigt, nur in größer.


 


Donnerstag, 16. Februar 2006


{Das Wunder in der Petrischale}

Bakterien, Bakterien - die mag ich nicht entbehrien! So geht ein altes Medizinerlied.
In Zeiten wie diesen{tm} scheut mancher den Kontakt zu Keim & Co. Der Fotograf Edgar Lissel jedoch hat tobende Mikroben gebändigt und 2001 eine Vanitas-Serie mit lichtsensiblen Bakterien angefertigt. Vergängliches wie Obst und Tier bildete er so organisch nach. Das Raunen im Mikrokosmos, die Poesie des Szientismus.


 


Dienstag, 31. Januar 2006


Meta & Morphose

Die Lage ist nicht bedrückend. Wir wüßten von ihr. So aber malt mir das Nachrichtenmagazin Der Spiegel auf seinem Titel, wie ich mich durch die heilende Kraft der Bewegung in eine straffe, blonde junge Frau verwandeln kann. Ich korrigiere: in eine nackte, straffe, blonde junge Frau.

Derart ver- und entpuppt zu einen bedrückungsfreien Schmetterling greife ich zum neuen Buch einer Meisterin der dunklen Verwandlung: Immune heißt der neue Fotoband von Floria Sigismondi. Der Vorgänger Redemption ist eines der lichteren Werke in meiner kleinen Bibliothek und immer wieder Anlaß für betrachende Freude, wenn ich das einmal so umständlich wie galant ausdrücken darf.
Nebenbei: Die Webseite der Fotografin und Regisseurin ist ebenfalls frisch tapeziert.

Augenzucker | von kid37 um 17:12h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 28. November 2005



Nachts fanden wir einen schwarzen Mond im Wald
(Georg Trakl, "Ein Blasses..." ca. 1914.)


Schattenspiele von Michel Gagné.

Unter verwesenden Bäumen; schweigend umfängt
Des Weihers Kühle den Schläfer, gleitet
Der verfallene Mond über seine schwärzlichen Augen.


 


Freitag, 25. November 2005


Dumpf und dunkel

Als Kind, also damals, mochte ich die Filme mit Doris Day sehr. Das waren Sonntagnachmittagsmomente, turbulentes Boulevard mit domestizierten Problemen, angekreischten Kostümen, überschnappenden Empörungsstimmen ("Oh! Oh! Ooooh!") und augenrollendem Ham-acting.

Filme ihrer Zeit, mit all dem Mief und Muff, der damals die frisch-deodorierte Vorstadtwelt zusammenhielt.

Aber wenn mir jetzt eine Schmonzette wie Bridget Jones 2 dasselbe Frauenbild als "witzig" und "modern" verkaufen will, dann sage ich jetzt, 13:46 Uhr, schon mal gute Nacht. Dieser reaktionäre, dumme und unglaublich erfolgreiche Aschenputtelkäse erklärt wiederum, wie sie ist. Unsere Zeit.

Deshalb zum Ausklang der Hartbrandwoche lieber weiche Blicke auf die Arbeiten von Marco Wiegers und Arnoud Bakker werfen. Und sich zart berühren lassen.


 


Freitag, 11. November 2005


Zum Glück ist es Freitag

Passend dazu: die Fotos von Desirée Dolron.

Und für das verregnete, morbide Novemberwochenende mit ein bißchen Sex, Tod und Rührung empfehle ich die makabre Schönheit von Humandress.

Nachtrag: Vor einiger Zeit berichtete ich von meinen Schwächen bei Operationen am offenen Herzen. Hier kann ich (und jeder, der ein pulsierendes Interesse mitbringt) mich ein wenig als Herzchirurg üben. Schöne Sache.

Vergeßt heute abend nicht Eure Gebete.


 



Hopp'ditz

Seit 11.11 Uhr weht hier ein anderer Wind. Heute abend schnitze ich einen Kasper in Linol und mache Allotria. Wir sehen uns Aschermittwoch.

Nachtrag - die Ringelstrümpfe der Woche: The Buttersprites,
eine New-Wave-Band mit, huch, japanischem und, doppelhuch, krankenschwesterlichem Einschlag:



Ich bin dann mal ein paar Tage nicht ansprechbar.