Montag, 14. Januar 2008


In The Mood For Jägermeister

Die Idee klingt hervorragend. Sumpf the Pain away, lautet das Motto des Samstagabends, der Besuch bringt eine Flasche hochprozentigen Geweihschnaps mit, und ich mische das Zeug mit Rotwein. Nicht nachmachen, Kinder! Wir sehen dazu In The Mood For Love, Wong Kar-Wais letzten großen Film, und zählen die ungefähr 62 verschiedenen Kleider von Hauptdarstellerin Maggie Cheung. Alle toll, alle sexy.

Wie sehr dem Heute doch oft die Eleganz fehlt, die tragische Geschichten wenigstens stilvoller ertragen läßt, denke ich, während ich Wehmut und Verlangen und das große Vermissen nicht auf Ex, sondern in ganz kleinen Schlucken trinke.


 


Freitag, 11. Januar 2008


Bitterer Honig

Eine Art samtene Traurigkeit liegt über den Tagen. Ich lausche der Stimme am Telefon, halte den Hörer noch lange in der Hand, einem fernen Klang folgend, der sich zäh und zögernd verliert, wie Honig, der in einem umgestürzten Glas langsam nach unten fließt.


 



Refererbotschaften

Search request: midlife power statt midlife krise

Danke, das brauche ich jetzt.


 


Mittwoch, 9. Januar 2008


Was bleibt

Der beste Augenblick in deinem Leben -
Ist nicht morgen, sondern grade eben.

(Bernadette La Hengst, "Der beste Augenblick".)

Mein langjährigster Freund ist ein halbes Jahr jünger als ich, und weil unsere Mütter von Anfang an ihre Kinderwagen Seite an Seite um den Ententeich geschoben haben, kennen wir uns nicht nur ein berühmtes halbes Leben lang, sondern tatsächlich ein ganzes. Wir waren gemeinsam im Kindergarten, haben nachmittags die Western vom Sonntag nachgespielt, später auch mal Feuer gelegt und uns die Nasen blutig gehauen, erste Zigarettten gedreht, uns gestritten und wieder vertragen. Wir wohnten in derselben Straße, zwei Häuser auseinander, und verloren uns dann doch ein wenig aus den Augen, weil eine unterschiedliche Schulkarriere unsere Interessen auseinanderführte. Der Kontakt brach dennoch nicht ab, wir trugen erst seinen Vater und später meine Katze zu Grabe, tranken einen Schnaps sowohl auf den einen als auch auf den anderen, und am Ende half er mir, meine 30 Kartons in einem Kleinlaster nach Hamburg zu bringen.

Der Kontakt ist immer noch lose, und oft ist es meine Mutter, die Nachrichten und Grüße von hier nach da trägt und uns gegenseitig auf dem Laufenden hält, bis auf die Dinge, die sie besser nicht weiß. Jetzt telefonierten wir zum neuen Jahr und hielten Bilanz. Was war, was geschah, was uns wirklich bewegt. Irgendwann fiel das Wort Midlife-Krise, wir redeten über Frauen (Kummer), Kinder (keine) und kleine rote Sportwagen (komisch) und das, was das Leben noch bieten wird. Das Heute wird mir wichtiger als das Morgen, sagt er, und ich wußte nicht, wie ich ihm widersprechen sollte. Ich erwähne meinen kleinen Unfall im letzten Jahr und wie ich im Krankenhaus lag und nachdenklich wurde. Und wie das Nachdenken stärker wurde, mehr Raum einnahm und sich ausbreitete, wie eine Wasserlache, die in alle Ritzen und Windungen dringt. Überall dorthin, wo plötzlich Leerräume sind. Was bleibt, ist die Frage. Und wer? "Man will ja nicht alleine sein", sagt er und erzählt mir, wie er fast zur selben Zeit im Sommer einen Unfall mit dem Motorrad hatte. Wie ihn seine gebrochene Schulter zurückwarf, auf ihn selbst natürlich auch und auf die Gedanken, die dann kommen.

Man merkt, sage ich, daß es nicht endlos nur noch vorne geht, egal, was nun kommt. Daß es nicht bloß mehr um Neugierde und Abenteuer und das Neue geht, sondern um Beständigkeit und Verläßlichkeit und um das, was jetzt ist. Um das, was bleibt. Und wer.

Er erzählt von einem Kollegen, dessen alten Arbeitsraum er nun als Lager benutzt. Der Mann galt als aufopferungsvoll, ein Workaholic, immer für die nächsten Projekte und die Firma da. Nicht wegzudenken. Eines Tages war er tot, fiel einfach um, im besten Alter, wie man so sagt. Seine Stelle wurde nicht neu besetzt, sein Arbeitsraum blieb, wie er war. "Ich sollte alles entrümpeln", erzählt mein Freund. Und hielt am Ende zwei Kartons in den Händen, darunter Fotos vom Schreibtisch und geschäftliche Briefe, die der Kollege nicht mehr geöffnet hatte. Die Bilanz von 30 Jahren, zwei verstaubte Kartons, Strandgut eines ganzen Lebens. Tja, sage ich. Meins paßt auf eine CD.


 


Dienstag, 8. Januar 2008


Im Kino gewesen. Nicht geweint

Heute morgen wollte ich meinen inneren Frühaufsteher entdecken und schlich noch schnell in die Pressevorführung des neuen Films von Wong Kar-wai My Blueberry Nights. Schöne Bilder, elegische Musik und tragische, unerfüllte oder besser noch erfüllte Liebe hatte ich erwartet, ein Paket Papiertaschentücher in Griffweite, durchaus bereit, mich von diesem Film rühren zu lassen wie von einem Messer, das sich in der Nähe des Herzens in den Körper bohrt und dann langsam umdreht.

Stilisierte Bilder, oft bereits über der Grenze zum Kitsch (Kamera nicht Christopher Doyle, sondern Dariius Khondij), akzeptabler Soundtrack (u.a. Cat Power, die auch eine kleine Nebenrolle hat), das Versprechen einer großen Liebesgeschichte - nur leider funktionierte es für mich nicht.

Wie es manchmal so ist, begibt sich eine junge Frau (Norah Jones, keine Schauspielerin), nachdem ihre Liebe zerbrochen ist, auf eine lange Selbstfindungsreise. Kenn ich auch, aber eines hat sie mir voraus: Sie schreibt regelmäßig Karten an ihre Zufallsbekanntschaft, einen Barkeeper (Jude Law, muß man mögen). Dazwischen werden "Gespräche" geführt - und das war die Enttäuschung - die aus theaterhaften, gestelzten Dialogen bestanden, die unangenehm an Glückskekssprüche erinnerten.

Türen, so heißt es, solle man nicht für immer zumachen. Ich bin dafür und wünschte hart, meine wäre beizeiten offener gewesen (Charakterfehler, also ich jetzt). "Aber manchmal kann man die Türen nicht mehr aufmachen, auch wenn man die Schlüssel dafür noch hat oder?" fragt eine alte Liebe des Barkeepers. Der den nächsten Glückskeks nachreicht: "Selbst wenn die Tür offen ist, ist der Mensch, den Du suchst, möglicherweise nicht da."

Oh ja. Das ist dem Leben abgeschaut. Denn die alten Philosophen lehrten bekanntlich bereits: "Du schreitest niemals zweimal durch dieselbe Tür." Denn alles ändert sich! Man holt Atem, taucht unter, ist ein Arschloch, zwei Monate, drei Tage und sieben Stunden verschwunden - und will sich noch wundern? Daß Türen geschlossen, Menschen verschwunden, Schlösser ausgetauscht sind? Nein, da gibt es nichts zu wundern. Jude Law jedenfalls hat ein ganzes großes Glas voller verlorener und weggeworfener Schlüssel auf seinem Tresen stehen. Doch, halt, die alten Philosophen gingen weiter. Wer aber den Mut hat, sich selbst zu ändern, sich selbst zum Schlüssel zu machen, darf es wagen, in die veränderten Räume zu treten. Wachsen, neue Türen finden und Mut für die alten haben. Den Mut haben, zu klopfen, die Klinke zu drücken. Und bleibt sie trotz allem geschlossen, dann steht man Ende eines Weges, aber vielleicht nicht aller. (Nur daß es leider genau dann so aussieht und sich, das weiß ich genau, auch so anfühlt.) Dann aber besser nicht so machen, wie ich von Zeit zu Zeit, sondern wie Gregory Peck in Ein Herz und eine Krone (auch ein super Film): Alles mit den Augenbrauen! Haltung, Mann! (ein Lehrauftrag)

Von alledem erfährt man aber nichts im neuen Film von Wong Kar-wai. Denn das habe ich ja so ausgedacht. Nur eine, dafür sehr wahre Erkenntnis gibt es: "Ich wollte nur, daß er mich losläßt. Und jetzt, wo er es getan hat, verletzt es mich mehr als alles andere auf der Welt."

Da hätte sie losgehen können, die weitere Wahrheit, das Beispiel, das zeigt, wie es von dort aus weitergeht. Doch nichts davon, keine Ratschläge, keine Hilfereichung. Mein Taschentuch blieb trocken, und ich ahnte wieder einmal, daß Kino zwar das Leben, das Leben aber nicht das Kino imitiert. Schade, denn am Ende, dem vom Film, immerhin, - gab es einen Kuß.

Wong Kar-Wai. My Blueberry Nights. (HK, China, F, 2007.)

Super 8 | von kid37 um 16:45h | 10 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 7. Januar 2008


...

Die Hoffnung aber gilt nicht umsonst als die letzte Plage, die aus Pandoras Büchse wich.


 


Samstag, 5. Januar 2008


Walton's Mountain

Mit einem Freund telefoniert. Du klingst wieder mehr nach dir, sagt er. Nach einer langen Zeit. Ja, so wird es wohl sein. Langsam pendel ich zu mir selbst zurück, zu Plänen, Ideen und ein paar letzten Träumen. Und erst langsam wird mir klar, wie lange ich hart ruderte, in einer See, die zu rauh war für meine Bootsklasse, mit einer Mannschaft, die immer wieder meuterte. Mit einer Wettervorhersage, die immer wieder günstige Winde versprach, die dann doch nie kamen.

"Ich darf mich nicht beklagen", antworte ich. Ich darf nicht böse sein. Auf das lange Rudern nicht, auf die Mannschaft nicht und schon gar nicht auf die schwere See. Ich darf höchstens böse mit mir selber sein. Man muß wissen, wo sein Platz ist und in welche Welt man paßt.


 



Es geht so seinen Gang

Nach drei Tagen in der Fabrik kann ich sagen, der alte Trott ist 2008 noch ein bißchen älter geworden.


 


Montag, 31. Dezember 2007


Ready when you are

Mach ich ins Amüsiervergnügen?
Drück ich mich in den Stadtbahnzügen?
Schrei ich in einer schwulen Bar:
"Huch, Schneeballblüte! Prost Neujahr!"
Geh ich zur Firma Sklarz Geschwister -
Bleigießen? Ists ein Fladen klein:
Dies wird wohl Deutschlands Zukunft sein.
Prost Neujahr!
Helft mir armem Mann!
Was fang ich bloß Silvester an?

(Kurt Tucholsky, "Silvester")


So 2008, ich bin so weit. Von mir aus kann es losgehen. Das hermetische Café wirft alle Traurigkeit über Bord und läßt sogar ein wenig Zigarettenrauch vom Nachbarbalkon herein. Aber nur bis Mitternacht! Dann wird ein zünftiges Paket Scheibenkäse (Gouda, Discounter) und die Migonflasche geöffnet ("Raumland", Cuvée Katharina, brut) und aufs neue Jahr angestoßen. Um nicht wieder jemanden mit vorgehaltener Waffe dazu zwingen zu müssen, mache ich das mit mir und gehe dann runter auf die Straße, ein wenig Konfetti verstreuen.

Macht es wie ich, feiert schön, Tanzen ist auch gut, und vergeßt die guten Vorsätze nicht. Raus mit dem alten, rein mit dem neuen, das alte Spiel eben.
Ich wünsche allen ein bezauberndes 2008. Stößchen!