Mittwoch, 7. Februar 2007


Kurioser und kurioser

Frau Stella hat mir ein Stöckchen zugeworfen. Nun bin ich kein eifriger Beantworter dieser Aktionen (das zuletzt zugeworfene Koch-Stöckchen habe ich einigermaßen elegant abgewehrt), aber wenn es um Kuriositäten geht, muß ich nicht erst eine Umfrage starten. Gemäß der Frage Bin ich eitel? versteht sich die Antwort von selbst.

Das Kuriose ist nämlich, daß einem starken Verdacht zufolge ich, und nun halten wir alle mal den Atem an, den Begriff Stöckchen eingeführt habe.

Ja, ihr kleinen Schandmäuler. Frau Fragmente in ihrer vorurteilslosen Präzision kann es beweisen (dieses Organigramm ist sicherlich heute noch für die Edelmänner dieser Welt hochinteressant). Zuvor liefen nämlich fast nur englischsprachige Kettenbriefe durchs Blogland. Weblog-Forscher also bitte antreten zur Quellenforschung! Denn das muß jetzt mal rechtsgültig geklärt werden, sonst erleben wir vielleicht gerade einen Fall von urbaner Mythenbildung. Sollte ich jedoch recht haben, dann ist dieser Eintrag in der Wikipedia nicht ganz korrekt. Zumindestens nicht, was die Genese des Wortes "Stöckchen" angeht. An ein Staffelholz habe ich jedenfalls nicht gedacht. Letzten Endes kann ich euch sowieso nicht abmahnen ist es natürlich auch wurscht.

1. Ich gehe sehr gerne zum Zahnarzt.

2. Ich lese heimlich JennyBabe.

Ich war ein Schlüsselkind

3. Bevor ich anfing, nachts zu bloggen, versuchte ich mich in der Forschung und in der Wirtschaft.

4. Meine Freundin hat damit gedroht, mich von ihrer Blogroll zu werfen.

5. Als ich vor 15 Jahren die ersten Produkte sah, rief ich spontan: "Super. Da will ich mal arbeiten". Es ergab sich dann eher zufällig, aber seit fünf Jahren arbeite ich in genau dieser Fabrik.

Schnieke Taste: der Vibrokeyer

6. Ich kann telegrafieren. Das heißt, ich konnte es. Hand und Ohren dürften aber sehr eingerostet sein.

Gern würde ich noch Dinge behaupten wie "Nackt wiege ich mehr als angezogen", "Ich habe sechs Zehen - und das auch noch an jedem Fuß" oder "Ich bin Freizeittätowierer und habe mich beim ersten Mal verschrieben" - aber für so was bin ich einfach - zu normal.


 


Montag, 5. Februar 2007


Blood Tea and Red String

Es gibt einen Ort, der heißt "Im Leben". Das ist keine Kneipe, und ist überhaupt auf keinem Stadtplan verzeichnet, doch begegnen einem dort absonderliche Gestalten und Geschehnisse, die man besser nicht alle als "echt" wahrnimmt, steckt doch nicht hinter jeder Großmutter mit großen Ohren auch ein böser Wolf. Allgemein gilt, je bunter jemand verkleidet ist und je lauter jemand etwas tut, desto mehr heißt es an den seligen Herrn Tur Tur denken! Nicht beeindrucken lassen, denn wenn jemand etwas ernsthaft tut, dann besser leise, fest und schlicht. Denn da normalerweise aufmerksamkeitserregend und von viel Gelärm begleitet, ist das Spektakel seiner Natur nach wenig geeignet, Zähneknirschen zu präsentieren - ein Laut, den man hinter den Kulissen weitaus besser hören kann.

Wie wunderbar verständlich! werden nun manche rufen. Aber wenn merkwürdige Tiere im Wald Ringelstrümpfe tragen, ist garantiert etwas Kurioses im Gange. Mäuse, die sich an Bluttee berauschen, wunderschöne Puppen, die Herzen durcheinanderbringen - es ist wie, siehe oben, im richtigen Leben, würde man morgens jedenfalls das Aufwachen vergessen. Warum sich aber lange wundern, wenn man simpler einfach staunen kann?

Christiane Cegavkse hat 13 Jahre an ihrem in jeder Hinsicht fantastischen Märchentrickfilm Blood Tea and Red String gearbeitet - nun kann man ihn kaufen oder hier den Trailer sehen. Was ich dringend empfehlen möchte, denn das ist ja fast wie eine Therapie.

>>> Webseite von Christiane Cegavkse

via Substrom

Super 8 | von kid37 um 20:57h | 19 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 3. Februar 2007


Der gefundene Satz, 38

Daß Breton den anvisierten Erfolg dadaistischer Aktivität als Medienerfolg versteht und beschreibt, lenkt unsere Aufmerksamkeit auch auf die Tatsache, daß Dadas Originalbeitrag zur Geschichte der Kunst [...] womöglich in der Inszenierung eines vormals ungekannten Medienhypes besteht.

(Tobia Bezzola. Vorwort zu Andre Bréton - Dossier Dada. Ostfildern-Ruitz, 2005.)


 


Donnerstag, 1. Februar 2007


Schön was auf dem Kasten

We learn in the Retreating
How vast an one
Was recently among us -
A Perished Sun

(Emily Dickinson, ca. 1866.)

© Jason Andrew McHenryManche schauen einmal die Woche die Sportschau, manche kommen einmal die Woche ihren Verpflichtungen nach, andere bringen einmal die Woche den Müll raus. Wiederum andere machen jede Woche eine tolle Sache - und basteln was. Jason Andrew McHenry hat 2002 ein Projekt verfolgt, bei dem er pro Woche einen Schaukasten künstlerisch gestaltet hat. 52 solcher Boxen sind auf seiner Galerieseite zu sehen, gefüllt mit Fundobjekten, Knochen, kleinen Fotos oder Zeichnungen. Zu allen Kästen hat er Buch geführt, nicht nur eine "Zutatenliste", sondern auch die Gedanken und Ideen, die ihn zu der jeweiligen Arbeit inspiriert haben. So wie Box Nummer 8 - die beeinflußt wurde von Tod, Todesstrafe und Chuck Palahniuk, dem Autor von Fight Club. Box Nr. 37 trägt das tibetanische Mantra des Mitfühlens und ist eine kleine Visualisierung von Schmerz und Heilung. Eine Art visuelles Tagebuch nennt McHenry es folgerichtig, wie Reliquienschreine wirken sie. Die Ergebnisse sind jedenfalls ganz wunderbar: Das Gefundene, das Vergessene, das Verlorene und Weggeworfene sind zu neuem Leben erweckt. Drei oder sieben davon muß ich sofort haben. Oder nachbasteln.

>>> Webseite von Jason Andrew McHenry


 


Dienstag, 30. Januar 2007


Fürsorge

Der Mensch ist wohl und würdig bei sich selbst, trägt er frische Leibwäsche. Mütter[1] wissen dies und haben beim Ausflug mit dem unselbständigeren Nachwuchs oftmals Berge von Ersatz dabei: Strampler, Windeln, Sicherheitsnadeln.

Rührend also, was uns Rock'n'Roll-Übermutter Patti Smith ins Gebetbuch 2007 schreibt: Bitte wechselt eure Socken! Nicht nur die Socken, möchte ich ergänzen, denn 2007, das ist neu, trägt man wieder Unterwäsche.

Man ahnt vielleicht meine Unbehaglichkeit, mich im Regionalzug nach Winsen ("Da finden Sie Luhe") im durchgeschwitzten Hemde zu finden! Zitternd und zagend und klamm! Es war natürlich die Hetze und die Aufregung vor solcherlei Premieren: das erste Mal, daß ich in Hamburg einen Regionalzug benutze (Kartenwirrwarr, Bahnsteiglabyrinthe, überforderte Männer, die zwar nach dem Weg fragen können (gelernt!), aber dafür keine Zeit mehr haben (Abfahrt: t minus 2 Minuten!)), das erste Mal, daß mich mein Weg ins schöne Winsen führt. Das erste Mal zudem, daß ich mich mit einer Nicht-mehr-Bloggerin treffe, ein Phänomen, das einem wandelnden Lourdes gleichkömmt. Es gibt Hoffnung! Es gibt welche, die haben es geschafft!

Jedenfalls möchte ich Beruhigendes verkünden: Es gibt vor allem einen Leibwäschebedarfsladen im beschaulichen Winsen, in dem man sich Ersatz beschaffen kann. Zweitens: An mit Plastikblumen geschmückten Resopaltischen kann man - in der richtigen Begleitung - wunderbaren Kaffee trinken. Meine Befürchtung, ein Sprühsahnehäubchen aufgesetzt zu bekommen, war unbegründet. Drittens: Mitbringsel, die Mitdenken und Fürsorge ausstrahlen, sind die schönsten. Für zarter gewandetete Leser, die nicht mit Toten Tieren durch das Jahr™ wandern oder in ihrer Wohnung Mäuse jagen, habe ich die Reliquie hinter einen Link gepackt.

Man könnte folglich auf den Geschmack kommen, dem urbanen Pennen entsagen, Ersatzleibwäsche packen und raus in die kleinen beschaulichen Orte. Dem Land der letzten Abenteuer. Vergesst den Schal nicht. Ist kalt draußen.

[1] Belehrung nach dem Gleichstellungsgesetz: Fürsorgliche Väter sind natürlich mitgemeint.


 


Sonntag, 28. Januar 2007


Naturkatastrophenballet (sic!)

Nachdem das Monstersturmorkantief Kyrill trotz medialer Großwetterfront vielerorts™ nur als mikroklimatisches Lüftchen wahrgenommen wurde, kommt Interessierten ein grundsätzliches Protokoll des windigen Schreckens vielleicht gerade recht.

Streng nach dem Motto, es ist alles bereits gesagt, greife ich zurück ins Jahr 1984, als die geistig-moralische Wende™, deren affirmative Folgen wir heute pudelnaß ausbaden müssen, einen raffig-rauhen Wertewolkenbruch über das Land brachte. Die Tödliche Doris, eine bunte Kunstmusikantentruppe, die mir als junger Mensch das Hirn neu verdrahtete und deren Nacktauftritt mit der akkordeonspielenden Käthe Kruse mir neue Einsichten in das Leben an sich bescherte, spielte damals auf dem Potsdamer Platz den Kachelmann.

Ich schalte um zum Wetterbericht.

Nur soviel: Im Herzen bin auch ich Doris.

>>> Homepage der Doris | Wolfgang Müller, Gralshüter der Doris

Radau | von kid37 um 12:57h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 27. Januar 2007


Vor der Zeit

Dann wälzt ein müderer Gedanke sich durch den schmutzigen Schnee heran. Langsam lenken sich wie von alleine die Arbeitsschritte, die Nicht-mehr-Arbeitsschritte, die verschlurften Prekärverhältnis-Schritte aus dem U-Bahnhof hinaus. Das Abschütteln, die Purifikation, die Dekontamination schluckt immer mehr vom Wörtchen "frei". Früher half ein Schulterzucken. Früher half ein Fingerknacken. Früher half oft noch ein Nachtgebet.

Hartung nicht vorüber, haben sie sich tiefer in die Knochen gebohrt: die Mühle, der Staub, das schrille Geräusch der sprühenden Funken. Horcht, horcht, der Eisenmann kehrt heim. Zagt und fürchtet, der schwere Schritt, die klobigen Stiefel, das dunklere Husten, wenn er eine Weile noch unter der schwarzen Türe harrt. Das Auge lahm, die Ohren taub, im Kopf dräut lange vor dem Schlafe schon der Weckruf. Das Plärren der Fabriksirene, weit, weit vor der Zeit.


 



Zitiert werden ist das neue Schwarz

Kaum paßt man kurz nicht auf, fallen die Augen zu, sieht man kurz schwarz - stellt die Süddeutsche eine kleine Analyse an, welches was das neue welches ist.

Und so wanderte augenscheinlich auch meine Behauptung, Moskau sei das neue Schwarz in ein wunderbares erschütterndes Poem über die Wende zum Trend.

via Gedankenträger

Tentakel | von kid37 um 09:41h | 6 mal Zuspruch | Kondolieren | Link