
Freitag, 9. Dezember 2005
Natürlich wäre ich lieber an den Strand. Natürlich aber nicht alleine. Dann lande ich doch nur wieder im Supermarkt. Merkwürdiges Gefühl, daß ausgerechnet ich angesprochen werde. Ein junger Typ wünscht Beratung beim Wein. Er habe beobachtet, daß ich vier Flaschen in den Wagen geladen hätte. Offenbar kenne ich mich aus.
Er will einer Frau "was Hübsches schenken", nicht zu trocken. Ich weise auf meine Flaschen. Ich trinke nur billigen Wein, erkläre ich. Das hält mich aber nicht davon ab, dem jungen Mann eine önologisch umfassende Abhandlung über die Weinregale des Discounterwesens runterzubeten.
"Trocken ist nicht sauer, Mann!" herrsche ich ihn an und im Stillen denke ich, was der will, ist Pflaumenschnaps.
Es sei doch wegen dieser Frau, und er trinke keinen Wein. Ich zeige ihm das Sondersortiment, das es vor Weihnachten gibt. Nein, nein. So viel wolle er nun auch nicht anlegen. Deshalb sei er ja auf mich gekommen. Wir blicken beide stumm auf die Flaschen für 1,49 € in meinem Wagen. Ich seufze und drücke ihm einen Bordeaux für fast drei Euro in die Hand. Da, Junge. Da hast du was Feines. Die Gegend ist schön da, ich habe da schon mal Urlaub gemacht.
Und schau mal auf das hübsche Etikett. Sie wird dich lieben dafür. Er schaut mich an und für einen Moment, bilde ich mir ein, sind wir Freunde.

Donnerstag, 8. Dezember 2005
Das ist auch schon 25 Jahre her. Wie die Zeit... sich selbst dies aneignet.
Ich war ja immer mehr Beatles, nie Rolling Stones.
Vielleicht kommt das auch alles daher.

Mittwoch, 7. Dezember 2005
Vampire, Fledermäuse, Satansweiber.
Ich ahnte immer schon, daß es inspirierende Auswirkungen haben muß, wenn man den ganzen Tag kopfüber von der Decke hängt. Jetzt warte ich auf das erste Bild eines Fledermausweibchens in Ringelstrümpfen.

Montag, 5. Dezember 2005
Wer hätte gedacht, daß es eine direkte, wenngleich überaus kopflastige Verbindungslinie von Ludwig van Beethoven zu Blogger.de gibt?
Ich hätte es jedenfalls nicht gedacht. Bis ich die bislang reichlich unbemerkt gebliebene, von Herrn Sweetmaker auf gewohnt ruhige Art erzählte, ziemlich irre Geschichte gelesen habe.
Die Gralshüter des hermetischen Cafés dünnen ja immer mehr aus.
Vielleicht also hinterlasse ich meine Knochen der Frau Schwadroneuse.
Die könnte eine Installation daraus machen, das würde mir gefallen.

Sonntag, 4. Dezember 2005
An normalen Tagen kann man mir ja viel erzählen. Manche wissen das auch. Aber nun scheint das Bloggen sogar mal zu etwas Nutze sein, denn beim Thema Schokolade lasse ich mich nicht foppen. Ein Blick ins Archiv beweist:
Der Schoko-Schock kehrt jedes Jahr wieder.
Was der Benzinpreis kurz vor den Sommerferien, ist der Schokopreis vorm Lichterfest. Immerhin darauf ist Verlaß.
(Gleichmal die Vorräte auffüllen. Nylonstrümpfe sind auch wieder alle.)

Samstag, 3. Dezember 2005
May seem a waste of time
It's always been just the same
No hearing or breathing
No movement no lyrics
Just nothing.
(New Order, "Your Silent Face")
Am Tag, als der Sommer vorbei war, sagte ich, laß uns noch etwas nach draußen gehen. Es war der erste Tag, an dem ein kälterer Wind an den Häuserfronten der Stadt entlangschlich und eine Ahnung von Herbst hinterließ.
Wir saßen draußen auf zwei Stühlen des Caféhauses, die man vergessen hatte hereinzuholen. Sie drehte sich mit routinierten Griffen eine Zigarette. "Und nun?", fragte sie. Ich betrachtete die Tauben, die langsam nähertrippelten, in der Hoffnung auf etwas Brot.
"Nichts", sagte ich. (Nada y nada, dachte ich.) "Wir werden hier sitzen. Die Sonne wird nicht kommen, deine Zigarette fast ausgeraucht sein. Irgendetwas Kaltes wird an uns vorbeiwehen." Sie blies langsam den Rauch aus.
"Dann wirst Du langsam den Rauch ausblasen. Du wirst etwas sagen wie, daß Du gerne die Katze aus dem Regen retten willst." Sie blickte mich fragend an.
"Ich bin nicht Hemingway", beruhigte ich. "Zum Glück." Ich schlug den Kragen der Jacke hoch. "Und es regnet ja auch nicht. Noch nicht, heißt das." Nachdenklich studierte ich den Himmel, während der Rauch ihrer Zigarette mich einhüllte.
"Du wirst die Kippe zu Boden fallen lassen. Mit einem letzten Glimmen, vielleicht. Dann werden wir aneinander vorbeisehen und aufstehen. Du trittst die Glut aus, und wir werden gehen."
Sie sah mich das erst mal an, das Leuchten der Zigarettenspitze erhellte das Blau ihrer Augen. "Dann ist es eine Frage der Richtung", sagte sie endlich.
"Du hast deine gefunden", sagte ich. "Und ich, ich hatte nie eine."

Mittwoch, 30. November 2005
has made you very lazy
you're anaemic from her sucking
and when you're dead she'll find another
(Siouxsie and the Banshees, "Voodoo Dolly")
Unbedingt vormerken, ihr Schnuffis: Ab dem 2. Dezember verführen in der Strychnin Galerie in Berlin die Puppenspieler Scott Radke, Kerry Kate und andere zum düster-verzückten Augenrollen.
You'll find me in the corner of a room with no windows oder mit beschwörenden Gesten die künstlichen Leiber animieren. Ich hoffe, es gibt dort nicht nur Fotografien zu sehen, sondern echte Objekte. Danach habe dann ich ja vielleicht mal wieder was zu erzählen. Von der alten Frau im Stiegenhaus. Oder dem Mädchen mit der Milchschüssel. Oder die Sache mit dem Auge, von dem man sagte, daß es niemals schlafen wollte. Bei den Puppen weiß man, daß kein Herz unter den Dielenbrettern schlägt. Denn selbst die sind in diesem Haus aus Wachs.
(Silent Companions. Vom 2.12. bis 2.1.2006. Strychnin Galerie, Berlin)
