Öchsle und Töxle

Natürlich wäre ich lieber an den Strand. Natürlich aber nicht alleine. Dann lande ich doch nur wieder im Supermarkt. Merkwürdiges Gefühl, daß ausgerechnet ich angesprochen werde. Ein junger Typ wünscht Beratung beim Wein. Er habe beobachtet, daß ich vier Flaschen in den Wagen geladen hätte. Offenbar kenne ich mich aus.

Er will einer Frau "was Hübsches schenken", nicht zu trocken. Ich weise auf meine Flaschen. Ich trinke nur billigen Wein, erkläre ich. Das hält mich aber nicht davon ab, dem jungen Mann eine önologisch umfassende Abhandlung über die Weinregale des Discounterwesens runterzubeten.

"Trocken ist nicht sauer, Mann!" herrsche ich ihn an und im Stillen denke ich, was der will, ist Pflaumenschnaps.

Es sei doch wegen dieser Frau, und er trinke keinen Wein. Ich zeige ihm das Sondersortiment, das es vor Weihnachten gibt. Nein, nein. So viel wolle er nun auch nicht anlegen. Deshalb sei er ja auf mich gekommen. Wir blicken beide stumm auf die Flaschen für 1,49 € in meinem Wagen. Ich seufze und drücke ihm einen Bordeaux für fast drei Euro in die Hand. Da, Junge. Da hast du was Feines. Die Gegend ist schön da, ich habe da schon mal Urlaub gemacht.

Und schau mal auf das hübsche Etikett. Sie wird dich lieben dafür. Er schaut mich an und für einen Moment, bilde ich mir ein, sind wir Freunde.

Homestory | 12:50h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
nicodemus - Freitag, 9. Dezember 2005, 13:24
Prost Herr Kid!
…wie vieles eine Frage der Kultur ist, so verhält es sich auch mit dem Wein. Herr Kid, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen aber eine Flasche Wein unter 2 Euro ist gelinde gesagt nicht Fussel, sondern stark gepantschter Fussel. Wenn es dabei um Alkohol geht ist es besser den billigen Malt Whisky vom Aldi zu trinken als die mit Pestiziden voll gespritzten Reben die ungewaschen gepresst und mittels weiterer Chemikalien turbobeschleunigt zu „Wein“ verarbeitet werden.

Eine gute, nein trinkbare Flasche Wein ohne auf die Dauer gesundheitliche Schäden davon zutragen, kostet um die 8 bis 20 Euro. Guter Wein beginnt bei ca. 15 Euro. Die Preisangaben gelten für das Bundesgebiet.

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kid37 - Freitag, 9. Dezember 2005, 13:55
Gesundheitliche Schäden? As in Leberwerte? Oha. Ich dachte bislang, wenn ich so ein Magnetarmband um die Flasche lege, werden alle Schadstoffe neutralisiert. Aber Sie werden recht haben. Kulinarisch sind bei mir ja Hopfen und auch Malz verloren. Ich denke immer, was Köche können, können nur Köche. Ich mische mich da nicht ein. Zu Winzern hatte ich allerdings noch keinen Kontakt.

Aber sagen Sie, eine Flasche für 20 Euro: Entnimmt man der dann mit der Pipette ein, zwei Tropfen und löst die in einem Glas Wasser auf? Das wären ja im Monat gut und gerne 400 Euro nur für Wein. Wenn dann noch die Edel-Schokolade dazukommt...
Das übersteigt leider meine Möglichkeiten.

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mequito - Freitag, 9. Dezember 2005, 14:02
Bordeaux für 3€ ist ohne Zweifel sexy. Das hätten Sie ihm noch mit auf seinen abenteuerlichen Weg geben können.

Aber guter Wein beginnt ab 15€? Also mein Gaumen orientiert sich ab der 1,50€ Grenze (OK, 1,49 geht da auch noch) bis zu 8€. Die Weine zwischen 8€ und 40€ sind meistens überbewerteter Schrott. Wenn Sie einen wirklich guten Wein wollen, dann stellen sie am besten Ihr Portemonnaie auf den Kopf und schütteln ganz heftig, bis vier Zehnerscheine herausfallen.
Das sag ich jetzt mal so, als versierter Allessäufer.

Mit den Pestiziden haben Sie natürlich recht, aber hey, das braucht seine Liebste doch nicht zu wissen. Vielleicht haben sie da ja irgendein Turboaphrodisiacum mit reingepantscht, der den Wein und die Dame vor dem Gefrieren bewahrt.

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nicodemus - Freitag, 9. Dezember 2005, 14:22
…Sie lassen sich ja richtig gut gehen, Herr Kid. An 20 Tagen jeweils eine Flasche Wein – alle Achtung! Ich trinke ca. 4 Flaschen in einer Monddekade und im Moment mindestens ein Paket „Nürnberger Lebkuchen“ mit dunkler Schokolade umhüllt, pro Abend.

Seit meiner pubertären Phase begleiten mich, neben Anderen marginal auftretend, zwei Leidenschaften im Wesentlichen. Die Zweite Passion ist jedenfalls gutes Essen und guter Wein. Mag sein das es etwas verschroben klingt, aber es geht auch beim Essen um Lebensqualität und man kann auch selbst ein ganz brauchbarer Koch werden – mit Muse und Sinnlichkeit.

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kid37 - Freitag, 9. Dezember 2005, 15:44
Nein, nein. Ich wollte nur ein wenig angeben. Ich trinke nur Vodka und Absinth, und davon auch nur ganz wenig. Aber ein Paket Lebkuchen pro Abend ist ja ordentlich. Ich habe es leider nicht so mit Sinnlichkeit, ich bin mehr ein asketischer Typ. Käsebrote, Salat, schmale Pritsche als Bett... Sie ahnen, warum ich mit leidenschaftlichen Köchen nicht mithalten kann.
Mir ist das alles sehr fremd. Herr Mequito hat mir aber neulich einen vorzüglichen Schinken geschenkt. Seither durchweht selbst meine Wohnung ein Hauch von carnaler Lustbarkeit.

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brittbee - Freitag, 9. Dezember 2005, 15:47
Ich habe es leider nicht so mit Sinnlichkeit

Pah, wer´s glaubt...
Sie mögen schöne Strümpfe und fotografieren nackerte Mädels.

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modeste - Freitag, 9. Dezember 2005, 14:23
Herr Kid, da haben Sie dem armen Kerl ja schön was eingebrockt. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie seine Angebetete reagiert haben mag. Die muss ihn aber schon vorher ganz großartig gefunden haben, um ihm das, was eine Flasche Bordeaux für 3 € enthalten mag, zu verzeihen. 8 - 15 € muss man aber, da stimme ich Ihnen zu, auch nicht zwingend ausgeben. In den meisten Weinhandlungen gibt es um die 5 € vernünftige Grüne Veltliner, Riesling oder Blaufränkisch, die haben selten pompöse Etikette, das geht aber meistens. Warnen kann man ja nur vor Übersee, und für einen Öko-Wein bringt einen die Bio-Company auch nicht um.

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kid37 - Freitag, 9. Dezember 2005, 15:56
Er jedenfalls war sehr zufrieden. Und darum geht es doch, andere glücklich machen. Selbst wenn es am Ende nur... nun, ich arbeite im Scheingeschäft. Seine Alternative war was australisches für zwei Euro und den Sonderposten für acht wollte er ja nicht.

Das stört mich übrigens am meisten an meinem Lieblingsdiscounter, da haben Sie recht. Diese Flut an Weinen aus Chile, Südafrika und Ozeanien. Die kosten dann zwei Euro; da bekomme selbst ich Bedenken. Von der Umweltbelastung durch die Transporte ganz abgesehen.

Im Stern war ein Artikel über Auswanderer aus Deutschland, die sich in Frankreich einen Weinberg gekauft haben. Wenn es dort DSL gibt, bin ich dabei.

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bossanova - Freitag, 9. Dezember 2005, 16:27
Was wollen Sie denn in Frankreich? Wein hat man vor Urzeiten auch am Elbhang angebaut. Geschmeckt hat er nicht, aber geknallt - wenigstens. Und bei einem Einstandspreis von 2 Euro im Discounter erwarten Sie doch nicht wirklich etwas anderes, oder?

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kid37 - Freitag, 9. Dezember 2005, 16:38
So langsam glaube ich, hier haben einige noch keinen Wein vom Discounter probiert. Wie die ehemalige Kollegin, die immer rief "Aber keinen Aldi-Kaffee!", dafür aber ausgerechnet Jacobs trank. Hahahahahahahahahahaha.

Und jetzt lesen alle die Geschichte oben noch einmal und hängen einfach an alle Preise hinten eine Null dran. Menno. Ich brauch jetzt erstmal einen Segafredo.

(Apropos: Wurde die letzte Lese vom St. Pauli Südhang nicht komplett geklaut? Waren Sie das, Herr Bossanova? ;-))

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Lu - Samstag, 10. Dezember 2005, 19:35
( nein, ich. ich sass dort vor zwei monaten auf dem mäuerchen mit phantastischen blick auf die landungsbrücken, frühstückte, und brauchte die kompletten drei trauben für meinen joghurt. hamburg, es tut mir leid. )

herr kid, der verzweifelte junge mann hat sie sicher mit matt skinner verwechselt, sehen sie es ihm nach. sie wirkten sicherlich sehr hip und unkonventionell, wie sie da so sicher nach den weinen griffen.

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ad - Sonntag, 11. Dezember 2005, 11:35
das thema "wein" hat schon immer zum endlosen geschwaffel verleitet, sei es durch weinliebhaber, oder so genannte weinkenner.
leider bilden sich aber viele nur ein, "weinkenner" zu sein.
darauf verzichte ich gerne, denn ich mag wein trinken und schmecken und nicht in den mund nehmen und anschließend ausspucken, das ist mir suspekt.
ich habe schon weine getrunken, die mehrere hundert euro pro flasche gekostet haben und sie haben mir meist kaum so gut geschmeckt wie der riesling aus der pfalz für 2 euro vom discounter. was bleibt ist der sinn und zweck und wenn man einen schönen abend mit einem wein, der einem geschmeckt hat, erlebt hat, dann ist es wohl vollkommen egal, wieviel er gekostet hat.
solange er nicht aus dem tetrapack kommt... ;-)

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kid37 - Sonntag, 11. Dezember 2005, 17:45
Ich sehe hier einen Kenner (jedenfalls scheint mir die URL darauf hinzudeuten). Gut auch, daß Sie mich vor dem Witz bewahrt haben, hier die Behauptung aufzustellen, ich kaufe in Wahrheit den Tetrapackwein für 79 Cent und fülle den dann wichtigtuerisch in die Flaschen für 1,49 € um.

Ich kann das aber bestätigen. Sehr teure Weine müssen nicht unbedingt sehr viel besser schmecken. Aber ein guter Chablis schemckt selbst mir besser als das Essigwasser aus mancher grünen Billigflasche. (Außer, man hängt grad am Kreuz und will sich selbst kasteien.)

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toffy - Sonntag, 11. Dezember 2005, 12:00
guten wein erkennt man..
daran dass nichts deutsches auf dem etikett steht! der preis ist danach nebensache. gilt für das bundesgebiet.
__toffy

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nicodemus - Sonntag, 11. Dezember 2005, 15:46
...das muss ich strikt verneinen. Es gibt Rieslinge von der Mosel die weltweit prämiert werden. (z.B. Weingut Loersch-Eifel die Flasche für nur € 8,--) Französische oder italienische Weine sind nicht a priori durch die Herkunft besser, auch hier gilt welche Aufmerksamkeit dem Reifen der Reben, der Menge am Stock und der zeitaufwendigen Ausarbeitung des Mostes gewidmet wird. Ich merke nach dem durchlesen der Kommentare wie wenig die Menschen über den Wein wissen. Wobei zum Teil nicht fehlendes Interesse der Grund ist - man trinkt ja auch den Wein - vielmehr die einseitige Wahrnehmung durch Werbung und (wein) lausig verfasste Bücher in welchen die Großbildaufnahmen mehr zählen als Anbaubeschreibungen.

Vor drei Jahren wurde in Kanada der beste Rotwein weltweit durch eine brillante Kennerschaft und zur gleichen Anzahl mit Leihen ermittelt. Die Weine waren ohne Etikett und nur mit Nummern versehen. Und siehe da, der beste Rotwein - einstimmig - war kein Franzose oder Italiener, es war ein Wein aus dem Land das für seine Panscherei bekannt ist -ein Grieche!

Wie bereits erwähnt hat sich auch hier der Winzer dadurch von der Masse abgestützt, indem er sorgfältig eine Rebe angebaut hat die für die griechisch-klimatischen Bedingungen bestens geeignet war. Eine Rebe die auf dem Festland und den Inseln seit einigen hundert Jahren angebaut wird, allerdings nur als Zusatz zur Vermischung mit anderen Sorten gesehen wurde.

Zum Schluss. Sorten wie der Riesling, Pinot, Merlot usw. sind gezüchtet und führten in der Vergangenheit ein Schattendasein. Weinreben sind wie vieles andere auch einer Geschmacksmode unterworfen. Vor 10 Jahren galt Riesling noch als gesellschaftsunfähiger Wein, obwohl er nicht anders schmecke als Heute. Das, was Herr Kid beim Discounter kauft ist ebenfalls ein Resultat der Weinmode. Würde auf der Flasche „Vino di Clinton“ stehen wäre der Erfolg niederschmetternd. Diese Rebe ist zum Bespiel 2000! Jahre alt und wird als Schattenspender an den Häusern in Italien angebaut. Der Wein daraus ist einsame Spitze und mit den gängigen Sorten nicht vergleichbar. Getrunken wird er von den Weinbauern die das Zeug das aus ihrer Genossenschaft kommt nicht anrühren.

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burnster - Sonntag, 11. Dezember 2005, 17:01
Äh, ich fand die Begebenheit an sich gut. Die Schlusspointe auch. Aber vermutlich findet dieser Kommentar seinen Weg ins Netz eh nicht, weil er am er nicht durch den Fachsimpel Filter kommt.

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kid37 - Sonntag, 11. Dezember 2005, 17:51
Herr Burnster, an mein Herz!

@Nicodemus: "Clinton" wäre ein Hit, das assoziiert ja Weine à la Venusberger Liebfrauenmilch oder Feuriges Tröpfle der hl. Monica. (Auch wenn es mir in dem neongelbgrünen Internetcafé, in dem ich gerade sitze, etwas schwer fällt, kulinarische Edelgenüsse zu fantasieren.)

Neulich geisterte ja diese Meldung durch die Presse, daß ein empörter Winzer Discounterweine in seine Flaschen gefüllt habe und von der Testkommission verkosten ließ. Mit durchweg positiven Ergebnis. Der Lidl-Mozzarella hat ja kürzlich in der Blindverkostung auch alle Konkurrenten aus dem Feld geschlagen, am schlechtesten schnitt wohl (leider) die Bio-Variante ab. Aber nun denn. Chacun à son gout. Ich trinke gleich bestimmt noch was gutes Rotes, weil ich eingeladen bin ;-)

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