
Montag, 19. Dezember 2005
Skrizzel, skrizzel: Der Schweizer Comic-Künstler Thomas Ott macht seit Jahren anrührend morbide kleine Geschichten in Schabkarton-Technik, eine grafisch ähnlich strenge Angelegenheit wie Linol- oder Holzschnitte. Sein letztes Buch, Panoptikum erzählt makabre Tragödien und wundersame Begebenheiten wie die über den Mexican Wrestler, der gegen den Tod kämpft, ihn besiegt und doch verliert.
Streng, wortlos und ungeheuer beredt (Blogs sollten so sein, denkt man) und über allem: ein ungeheures Schwarz. Thomas Ott ist der diesjährige Preisträger des Jahresstipendiats seiner Heimatstadt Zürich und beweist: Mit Titeln wie "t.o.t.t.", "Dead End", "Hellville" und "Tales of Error" irrt man selten.
Wer also noch schnell ein finster-melancholisches Weihnachtsgeschenk sucht für Menschen, die dem Gezickten und Gezackten nahestehen: nur zu.
Die Editon Moderne dankt.

Samstag, 17. Dezember 2005
Cut my heart out,
Eat me whole,
Taunt and bait me, invalidate me.
(Queen Adreena, "Cold Fish")
Oh, wie wir in den 80ern verliebt waren. Mit Haut und Haaren und Firlefanz. Vor allem aber mit den Ohren. Sie machten diese Platte, die war so außerweltlich, ein Sägen und Jaulen, wie eine oder zwei Stecknadeln, die man langsam unter die Fingernägel schiebt. Mit einem Wort: Großartig. Wie die kleine Schwester von The Jesus and Mary Chain auf psychedelischen Pilzen kam sie daher, Katie Jane Garside, von der es hieß, daß sie schon mal nackt durch die Wälder lief und Zwiesprache mit den Bäumen hielt.
Daisy Chainsaw hieß die Band und ihr Album Eleventeen ist heute ein Klassiker. Dann ging Katie Jane, wie gesagt, in die Wälder, es kam wohl kurzzeitig eine andere Sängerin, wenn ich mich recht entsinne, und dann gab es die Band gar nicht mehr.
Jahre später tauchten Katie Jane und Crispin Gray, ihr Gitarrist, wieder auf. Diesmal nannten sie sich Queen Adreena, was ja auf der Hand liegt, irgendwie, wenn man gerne nackt durch die Wälder läuft und dabei an halluzinogenen Pilzen kaut.
Jetzt sehen sie leider aus wie eine schreckliche Wiedergeburt von Transvision Vamp, die ihr, solltet ihr zum ersten Mal davon hören, bitte gleich wieder vergeßt. Aber damals, vor ein paar Jahren, hieß ihr Album Taxidermy. Und da muß man jetzt wirklich mal schauen und unter "Movies" sich ein wenig von dieser Welt gefangen nehmen lassen. "I Adore You" natürlich, aber auch die anderen vier Kurzfilme von Martina Hoogland-Ivanov, die so ein bißchen tschechischen Surrealismus mit einfließen läßt, wenn man eine ganz grobe Richtung anpeilen möchte. Mal so zum Wochenende, bevor ich gleich (ist ja Vollmond) in die Wälder ziehe und die langen Haare auf meinem Handrücken an schrundiger Borke reibe.

Freitag, 16. Dezember 2005
Is beyond words.
(Tuxedomoon, "In A Manner Of Speaking")
Und dann die bange Frage, wird es jemals anders sein. Das sanfte Sehnen, das sich wie eine lange Kanüle langsam in die Vene der Armbeuge bohrt. Der Stoff, aus dem die bösen Träume gewebt und Briefe, die niemals ihren Empfänger finden werden. Draußen die Nacht über dem Kanal, sie spricht nicht zu mir. Nichts. Was war, was sein wird, am Ende die Bilanz. Morgens einfach sagen, Nein. Abends einfach sagen, Nein.
So lange Jahre, eine Bedrohung erst, ein finsterer Schrecken. Nach dem einen Mal. Nach dem zweiten Mal sagte ich bereits hallo, und als er ging, wußte ich, dieser Fremde geht als Freund.
Ein Wächter vielleicht, ein Ticket, das man in der Tasche trägt. Für eine große Reise, eine lange Fahrt. Damals war es jugendlicher Drang, der Überfluß. Heute weiß ich meine Zeit für altkluges Ennui zu schad'. Und doch fehlen die Worte, das eine, das letzte, das ich nicht finden kann. Die Antwort.
Unter dem schwärzeren Schatten, zwischen rostigen Nägeln und dem alten Buch. Verklebte Seiten, was weiß ich denn, was da stand, die Worte fallen mir nicht ein. "Oh, give me the words, that tell me nothing." In die Leerstellen drängen Laute femder Lippen. Mit hohlem Atem, hohle Sätze, die kenne ich genau.
Wohin soll ich die Nadel setzen, sagt der Fremde. Ich finde keinen Platz. Wir müssen die wunde Stelle finden, sage ich. Sie ist irgendwo weit unten, ich weiß doch nicht, wo es am besten ist. Ich hab' das ja nicht gelernt.
Und wir lachen ein wenig, wir beide. Der Fremde, der so lange schon ein Freund ist, und ich. Wills'n Bier? frage ich leutselig und weiß genau, er wird mit mir nichts trinken. Er ist doch immer im Dienst. Immer. Und immer.

Donnerstag, 15. Dezember 2005

Mittwoch, 14. Dezember 2005
Aus der Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr. Heute: die Ente. Ich nehme jedenfalls an, daß es sich um Enten handelt, aus dem dieses Adventsgesteck besteht. Jedenfalls wurden solche auf der Speisekarte neben dem Fenster erwähnt. Möglicherweise handelt es sich auch um rasierte Katzen mit einer Schnabelmaske. Dann wäre dieser Beitrag die Ente.
Zum Ende des Jahres nimmt die Geflügelsucht bekanntlich zu. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier. Dann schieben brave Hausfrauen und -männer den Tieren ungefragt Obst in knusprige Körperöffnungen und nagen zum Fest wie finstere Heiden an blanken Knochen. Ich möchte davon nicht alles wissen. Nicht so genau.
Das Geschnatter und Gequake haben diese knusprigen Gesellen hinter sich. Die Ruhe, die Ruhe. Die Ruhe, liebe Freunde, ist unbezahlbar. Für den Rest gibt es den Imbiß um die Ecke.
(Noch zehn Tage. Ho ho ho!)

Dienstag, 13. Dezember 2005
nach Bitterem schmeckt die Luft.
Deine Sterne schließen sich zu bösen Zeichen.
(Georg Trakl, "Winternacht")
Dann sitze ich in diesem Zug von Prag nach Hamburg, und im Abteil wälze ich den ein oder anderen kafkaesken Gedanken. Anders als das Pilsener Bier vom ratternden Service-Wägelchen sind die frei, wenngleich nicht immer frisch gezapft (darin wiederum gleichen sie den Pilsenern).
Ich lade Silvester alle zu einer Lambrusco-Party! schießt es mir durch den Kopf. Aber möglicherweise machen solche Vorschläge einsam. Andererseits, und davon bin ich überzeugt, war Silvester sicherlich ein ursprünglich ruhiges Fest. Damals, in den archaischen Weiten zwischen Hedinsau und Eddawinkel. Dann aber, so werden mich die ein oder anderen hochgelehrten Blogkollegen sofort konfirmieren, kamen die Christen, nahmen den Heiden ihr stilles Fest und ließen es ordentlich knallen.
(Notiz für mich: Theorie weiter verfolgen und als Habilschrift einreichen)
Ein paar Tage ohne Blogs und man öffnet die Tür zu einer wilden weiten Welt (www!): Da übertrumpfen sich Bildungsbürger und hochgelehrte Blogkollegen mit dem Knallen von Klavierdeckeln und hauen sich die Lateinzitate über den Kopf, als sei man in der Kneipe Zum goldenen Römer. Alte Helden schwärmen von Damals™ und recken stolz ihre Titel & Trophäen als seien sie beim Schützenfest. Überhaupt, diese Gedanken, aus denen sich Begriffe wie "zäh, Leder, hart & Stahl" exzisieren lassen. Schauder 2.0 und dazu eine Bach-Kantate.
Die eitle Pfauenschau, die Mob-Cliquen... "Übrigens reflektieren immer nur die anderen nicht", entatmet es Mal ums Mal frei nach Duchamp. Und bist du nicht willig, dann entlüfte ich meine Blogroll! Vergiss das Lüften nicht, geistert es durch die Beziehungsblogs. Richtig so. "Wir müssen unsere Schädel/Vom Pilzbewuchs befrei'n", skandierte Blixa B. vor 100 Jahren. Mitten in Berlin.
Ich hab' noch eine Puppe in Berlin: Am Montag war ich nämlich schnell noch in der Strychnin-Galerie im moribunden Friedrichshain. Yasha Young, mit der ich wirklich sehr nett über dies und das aus Arts & Crafts und Musique de Noir plauderte (Low brow and ballyhoo!), stellt da was auf die Beine, das mein Herz pochen läßt. Ab 2006, werden die Räume erweitert - und die Liste der Künstler to come sind wie Viagra für das alte Gothic-Dings. (Mußmannichtkopfüberhängen!). Ich hätte gerne die Puppe von Scott Radke (links), die zwar teuer ist, aber angemessen so.
Bis dahin wieder mal gucken, allemann: Colette Calascione (via the enchanting Miss Wurzeltod), das umfängliche Update vom großartigen Ernesto Timor und aktuell ein Blick ins immer mal wieder mit Perlen blitzende Fotoblog 1095 von "Naughty James" alias Craig Cowling.

Sonntag, 11. Dezember 2005
Lieber Weihnachtsmann,
zum Fest wünsche ich mir dringend einen Gocco. Ich würde ähnliches Glück empfinden wie Glitterpissing und als erstes Neujahrskarten drucken und dann später welche zu Ostern und was für zwischendurch und tolle Sachen und überhaupt sehr kreativ sein.
