Freitag, 21. Oktober 2005


Endlich Herbst

Endlich wieder angezittert werden. Endlich wieder Zischelwinde über stoppeligen Äckern. Endlich wieder Verfall in den porös geword'nen Knochen und Schauer und Ahnung der Endlichkeit auf der schrundigen Haut. Wer zum Wochen- und Weltende seine grau- und schimmelgrüngefärbten Augen mit den Visualisierungen labyrinthischer Kellergedanken füllen will, ist bei den mittlerweile sieben Ausgaben von Spartan Dog richtig.

Fotografen und Grafiker wie Matt Lombard, J. R. Rossbach, Chad Michael Ward und Robert Gregory Griffeth u. a. öffnen hier ihre staubigen Schatzkästlein und zeigen makaber Lüsterndes, mehr als Totes, Kitschig- und Tandiges und unverzichtbare Haushaltsgeräte.

Morbid? Mitnichten, Madame. Sweet Dreams are made of this...


 


Donnerstag, 20. Oktober 2005


Der gefundene Satz, 24

"Steckt in seiner Seele ein bindungsunfähiger, unehelicher Bastard, der zum Sex-Süchtigen wurde?" (Bild vom 20.10.2005 über Jack Nicholson)

Super 8 | von kid37 um 15:37h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Der gefundene Satz, 23

"Um ein Geheimnis unter drei Menschen zu bewahren, müssen zwei von ihnen tot sein." (Benjamin Franklin)


 


Dienstag, 18. Oktober 2005


Köpfchen haben

Im Mai berichtete ich von Joan Sfars Comic-Erzählung Der Mexikaner mit den zwei Köpfen. Eine phantastische Gruselmär, denkt man, über einen manisch-besessenen Mexikaner, der von einem im Kopf eingewachsenen zwergenhaften zweiten Kopf mittels finsterer Tricks manipuliert wird. Ein Foetus-in-Foetus, ein medizinisches Phänomen, das wohl öfter vorkommt als man gemeinhin denken mag. Zumeist verwächst aber der tote Zwilling unbemerkt irgendwo im Körper und ist - je nach embryonalem Entwicklungszustand - kaum nachweisbar. Selten finden sich voller entwickelte Teile des Zwillings außen am Körper des Überlebenden, denn meist, so die mir bekannte Theorie, findet die Verschmelzung viel früher in der Gebärmutter statt.

Sfars Figur des Mexikaners mit den zwei Köpfen jedenfalls basiert auf einem realen Vorbild, wie ich nun hier entdeckte. Pasqual Pinon, so der Name des Mexiakners, tourte ab 1917 mit dem Sells-Floto-Zirkus und sorgte für beachtliches Aufsehen.

Leider aber ist die Geschichte nicht ganz wahr (hört, hört!). Pasqual Pinon war ein Arbeiter bei der mexikanischen Eisenbahn und litt unter einem riesigen Tumor auf seinem Kopf. Bei einer Operation wurde ihm eine Platte aus Silber, die zu einem menschlichen Gesicht geformt war, unter die Haut des Tumors geschoben - wodurch sich ein echt wirkender zweiter Kopf ausbildete. Eine frühe Form der Body-Modification anders als zu rituellen Zwecken also. Eine Show.

Wer weiterlesen und entdecken möchte, empfehle ich
Sideshow World und eben
Phreeque.


 


Montag, 17. Oktober 2005


Eingelocht

He waved his club but it slipped out of his hand
and sailed into the mud, inches from his ball,
impossibly white and forever out of Harry's reach.

(John Irving. The World According To Garp. 1976)


In der FAZ-SZ-ZEIT las ich neulich eine kleine Abhandlung darüber, daß die Zeiten des frivol-extensiven Freilandgolfens vorbei, die Leute sich wieder in die engen Grenzen abgezirkelter Betonbahnen wünschen. Zurück in die 50er Jahre, mit klaren Grenzen, überschaubaren Hindernissen und gepflegter Putzigkeit.

Am Wochenende nun war die letzte Gelegenheit, in meiner Nachbarschaft den "modernen Ausgleichssport für Jedermann" auszuüben. So jedenfalls verspricht es die Score-Card der örtlichen Minigolfanlage. Leider geht die nun in die Winterpause bis April, dabei bin ich gerade auf den Geschmack gekommen.

Mit jungen Frauen sollte ich es allerdings nicht noch mal probieren. Mag sein, daß die Damen für das Spiel mit Schläger, Ball und Loch ein besseres Händchen haben. Tatsache ist, daß ich zwar die grobschlächtigen Hindernisse in einem Schlag überwand, dann vor dem Einlochen aber kläglich versagte. Mit schwitzigen Händen stand ich etwas ratlos vor dem Ziel allen Strebens, dachte an Jack Nicklaus' weise Worte Make the putt oder miss the cut, ließ dann aber vor lauter Aufregung und Versagensängsten alles danebengehen. Drei, vier Schläge brauchte ich in der Regel zum Beenden der Bahn, während meine Begleitung, hämisch grinsend, bereits mit Interesse und Bedacht die richtigen Bälle für die nächste Herausforderung auswählte.

Schwarz, Rot, Gelb oder Weiß - jede Bahn verlangt nach seinem speziellen Spielgerät. Looping, Netze, Rampen: Nicht alles war so schwierig, wie es schien. Das Herzlabyrinth schaffte ich Hole in one.


 


Sonntag, 16. Oktober 2005


Liebe Werbepsychologen, 6

Diesmal habt Ihr alles richtig gemacht. Danke und einen schönen Sonntag.

Der Katalog Nr. 9 von Agent Provocateur ist online.


 



Lektion I

Für Wortgeklingel kann man sich nichts kaufen.


 


Donnerstag, 13. Oktober 2005


Frau K.tastrophe - This Note Is For You!

Ten silver saxes,
a bass with a bow
The drummer relaxes
and waits between shows
For his cinnamon girl

(Neil Young, "Cinnamon Girl")

Punkrockgitarre (Holz und Baumfrüchte, 2005.)

Leider bin ich faule Socke mit dem Korpus nicht fertig geworden*. Aber, he, die Geste zählt! Sechs Saiten und ein Lied, viel mehr braucht man nicht. Mir hat mal Peter Green gesagt: "Techno hin, Techno her, am Ende des Tages wollen die Leute im Pub sitzen und dem Mann zuhören, der ein Lied auf der Gitarre spielt."

Und nun Kinn hoch und Punkrock.

(* Aber Sie hätten mich mal sehen sollen, wie ich heute mittag mutig im Park gierigen kleinen Kindergartenbataillonen mit einer teuflisch-hämischen Lache die letzten Kastanien vor der Nase weggeschnappt habe. Nur, um sogleich von erbosten erziehungsbeauftragten Hütefrauen durch das Gebüsch gejagt zu werden. Regenschirme wurden gehoben! Stimmen auch!)


 


Mittwoch, 12. Oktober 2005


Etwas mit Gewissen. Strümpfen

And I'd like to say to those who accuse me
Could you do it while you looked in my eye[...]
It's been winter for a whole year
But you couldn't hurt me if you tried.

(New Order, "Primitive Notion")

"Whenever feeling blue - get a new tattoo". Dann war mir so, ich muß mir jetzt eine Rasierklinge kaufen. Oder alle New Order-DVDs. Denn heute lag ein neuer Ton in der Abendluft. Eine schwerere Note. Der Herbst, der bislang sich als Spätsommer tarnte, ist vorüber. Nun kommt der Herbst, wie ihn die Vögel fürchten, die den Flug nach Süden versäumt haben. Bald schon werden die Kinder ihre Kapuzen fester zurren und nur noch modrige Kastanien im halbzersetzten Laub finden.

Am Ende wurde es die DVD der Dresden Dolls. Denn mir fiel ein, daß sich leichte Anflüge von Schwermut am besten mit guter Musik, fiesem Alkohol und dem Versprechen halbverrutschter Ringelstrümpfe behandeln läßt. Auf der DVD gibt es einen Liveaufritt der Dresden Dolls vom Juli dieses Jahres und die Hits "Girl Anachronism" sowie "Coin Operated Boy" als Mitschnitte vom Roskilde Festival und in den jeweiligen Promo-Videoversionen. Gespannt bin ich auf die Liveversion des Bowie-Songs "Life On Mars". Und überhaupt.

Ich hänge jetzt ein paar Spinnweben auf und drehe die Musik lauter, bis ich das Raunen und Tuscheln nicht mehr hören kann. Wenn ihr einen Schuß hört und euch morgen auf dem Mond wiederfindet, wißt ihr Bescheid.

Radau | von kid37 um 23:32h | 13 mal Zuspruch | Kondolieren | Link