Freitag, 8. Juli 2005


Preisboxen

<aufgeregtindiecnnkameradiktier>Ich war gerade mittenmang am Entgraten in der Gartenzwergfabrik, als ich die Nachricht hörte. Friedensnobelpreis! Ein Preis für das Hermetische Café!

Doch, ich freue mich. Wirklich. Auch wenn ich durch Links in meinen Referrern sehe, daß der ein oder andere bereits mit den Augen rollt und lautstark fragt "Wieso die und nicht die oder die?"

Weil die Jury es so entschieden hat und diese Entscheidung auch anders hätte ausfallen können und genauso zu rechtfertigen wäre und weil es nicht darum geht, ein Blog gegen das andere auszuspielen. Mal abgesehen davon, daß Deutschland möglicherweise das einzige Land ist, in dem man sich für Auszeichnungen rechtfertigen muß.

Jeder Leistungssportler weiß, warum er trainiert: Für den Wettbewerb, die Weltmeisterschaft, Olympia. Darauf arbeitet er hin, um auf den Punkt fit zu sein und besser als die Konkurrenz. Bei Blogs ist das anders: Hier wird täglich vor Publikum trainiert, aber ein Messen gibt es nicht. Beim Bloggen geht es nicht darum, nach 100 Metern als erster vorne zu sein. Keiner muß sich "beweisen". Grad so aber wird offenbar von einigen ein solcher "Wettbewerb" verstanden - und paradoxerweise gerade von einigen Kritikern.

Ich freue mich, daß Texte wie der von Frau Wasweissich gewonnen haben. Das ist genau die Art von Relevanz, die ich mir wünsche. Und in der Tat: Trotz der etwas unglücklichen Begleitumstände während der Nominierungsphase und der Diskussionen im Anschluß, kann ich mich über diesen Preis freuen. Ich nehme es als Anerkennen für das, was hier seit 565 Tagen versucht wird: eine persönliche Auseinandersetzung, ein Experiment, ein subjektiv gefärbter Reisebericht. Mein Merzbau. Das mag manchmal funktionieren, oft auch nicht - aber das sind genau die Freiheiten, die man als Blogger (noch) austesten kann.

Leute: Hier gilt es keinen "Gegner" niederzuringen, keiner muß mehr Tore schießen als der andere, um sich zu beweisen. Jedermann sein eigener Fußball, so versprach und forderte einst ein dadaistisches Magazin.

Warum gibt es Filmfestivals, die Biennale in Venedig, den Grimme-, Turner- oder Bachmann-Preis? Mit der Stoppuhr ist da nichts zu messen. Cui bono?
Nun, unter anderem feiert auch immer eine Branche Szene sich selbst - und das nicht unbedingt zu ihrem Schaden. Und "feiern" heißt (ich erinnere mich dunkel) Spaß haben, nicht alles unnötig ernst nehmen.

Artig deshalb meinen Dank an die Zeit, die Jury und alle Leser.

Und morgen ist ein neuer Tag.</halleberrymodus>


 



Kreuzweis mähen die Schnäbel



Gerade großes Gezänk vor meinem Fenster. Ein Schwirren schwarzer Flügel, dort, wo sich zwei Krähen um die Reste eines Vogels streiten.
Nun bringt man mir die toten Tiere schon vors Haus. Ich muß jetzt los, den Briefkasten inspizieren.


 



Die lieben Kollegen, 3

Wenn einen die Mitarbeiter in der Fabrik morgens mit "Schön dich zu sehen, Gordon Freeman" begrüßen, ist Vorsicht geboten.

Die Aliens haben die eisernen Besen ausgepackt. Ein Drittel unserer Abteilung hat es in der ersten Welle dahingerafft. Rauch steht über dem Gebäude. Problem: Die überfluteten Gänge sind von funkenschlagenden Hochspannungs- synergiekabeln verstellt. Ich versuche den Weg durch den Lüftungsschacht.


 


Dienstag, 5. Juli 2005


Reichlich Schokolade

Hm. Also wenn ich den Trailer so sehe, erwarte ich nicht viel.
Droht nach Big Fish die nächste Enttäuschung?

Super 8 | von kid37 um 02:25h | 14 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 4. Juli 2005


Ein Tag am Heizkraftwerk

Heute mal endlich mein Fahrrad halbwegs flott gemacht und ein bißchen rausgefahren. In zehn Minuten bin ich unten am Billwerder Sperrwerk und am Entenwerder Stieg. Letzten Herbst war ich zuletzt dort hinterm Deich, in einer merkwürdigen Nacht zwischen Wahn, Regen und Kälte.

Hinter dem ehemaligen Sandfilterwerk kann man in Sichtweite des alten Holzhafens durch unwegsames Gelände fahren, außer unbeholfenen Kröten am Tage und Liebespaare in der Nacht kreuzt dort niemand den Weg. In der Nähe des Yachthafens parken Automobile der besonderen Klassen von SEK über SLK bis Mannschaftswagen, aber alle mit Stern. In einem ausrangierten Elbkahn befindet sich nun der Schießstand. "Zutritt verboten - Lebensgefahr", man glaubt es gerne, wenn man die Hunde und geparkten Ludenmobile Nobelkarossen dort sieht. Nur der grün-weiß lackierte irritiert, aber vielleicht ist die Besatzung nur im Restaurant "Zum Skipper", eine Brotzeit holen.

Die Gebiete dort unten, wo sich Speditionen an Schrottplätze und Chemiewerke reihen und stillgelegte Metallverarbeitungshütten hinter rostigen Toren liegen, haben ihre eigenen Gesetze. Frühstück ab sechs, verkünden windschiefe Tafeln an den Truckerrastplätzen. Davor und dahinter erfaßt das Auge nur Staub. Staub in der Sonne.


 



Neigungsgruppe Vienna

Einige kennen meine Begeisterung für die Hauptstadt unseres südlichen Nachbarlandes. Mein Freund, der nun schon seit über 15 Jahren in Wien lebt und sowas wie Kunst macht, sagt ja immer, komm' doch noch Wien, ist hier alles völlig überdimensioniert, kannst Du aber gut Kunst machen.

Na ja, ich bin dafür wahrscheinlich schon viel zu verkalkt. Am Wochenende höre ich jedenfalls nach wie vor gerne FM4, den Sumpf, die Neigungsgruppe "Sex & Gewalt", die Euroranch - alles Dinge, auf die mich unsere bewundernswerte und vielvermißte Frau Sonne aufmerksam gemacht hat.

Interessiert lese ich auch immer wieder gerne Wiener Blogs, wie z.B. das von Frau Gingerbox, die nicht nur liquiden Schmu redet, sondern auch austeilen kann, aber vielleicht gerade deshalb unter anderem auch eine "begehrenstechnisch ambivalente Projektionsfläche für ältere Herren" (Selbstaussage) darstellt. Außerdem, und das kann man kaum hoch genug loben, verlinkt sie Bilder eines meiner Lieblingsfotografen, Robert Parkeharrison.

Für uns alternde Fluxus-Situationisten sozusagen echter Sprengstoff!

Tentakel | von kid37 um 03:48h | 6 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 3. Juli 2005


Vom Mund halten

Worüber man nicht reden kann,
darüber muß man schweigen.

(Ludwig Wittgenstein)

Worüber man nicht schweigen kann, darüber soll man singen oder bloggen. Im realen Leben aber ist es ab und an mehr als angebracht, einfach mal die Fresse zu halten. World, shut your mouth! singt man dann. Denn nicht jedes Stammtischthema gehört auch an den heimischen Küchentisch. Klar. Auf dem Flohmarkt gelang es mir, meine Medizinsammlung ein wenig zu erweitern. Eigentlich besaß ich schon eine solche Mundsperre, wegen Schweigegelübde und so. Die war mal recht günstig als B-Ware von einem dieser Medizingerätehändler zu bekommen, die mit ihren Scheren, Pinzetten und Speculi die Flohmärkte der Umgebung bevölkern. Mach ein Schnäppchen, schlag Ulla ein Schnippchen! sage ich dann und bereite mich auf die gesundheitliche Selbstversorung vor.

Das Modell dort oben hingegen stammt aus einem Konvolut Praxiszubehör und war sooo unverschämt günstig, daß ich nun zwei habe. Wenn der Laden erstmal läuft, kommen vielleicht auch mehr Patienten, wer weiß. Oder ich veranstalte einen romantischen Abend, in dessen Verlauf man sich offenen Mundes anschweigt. Words are very unnecessary. Manchmal jedenfalls.


 



You've gone so quiet

Kid what changed your mood
You've gone all sad so I feel sad too
I think I know some things we never outgrow
You think it's wrong
I can tell you do
How can I explain
When you don't want me to

(The Pretenders, "Kid")

[...]

Ich habe gesehen, sagst du, wie dort jemand hockte, ein Schatten, nackt hinter der Tür. Ein surrealer Moment. Ich sage, ich habe nichts mehr gesehen, ich hielt meinen blutenden Arm und wollte nur fort. Wie seit Stunden eigentlich schon. Man hörte nur Atmen, sagst du.
Ich weiß noch, daß ich kurz zögerte, auf der Schwelle, und zurückging in die Wohnung. Da habe ich meine Ordner mit den Negativen gegriffen.

The Mercy Seat | von kid37 um 04:44h | | Link

 


Samstag, 2. Juli 2005


My Generation

Youthquake '65 - die Geburt der Popkultur.

Heute Themenarbeitabend auf arte.
(Im Anschluß: Blow Up. GB 1966. Regie: Michelangelo Antonioni.)

Radau | von kid37 um 00:19h | 17 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 



L'age de la bière

Expressionistisch-surrealistische Bierreklame. So werde ich es heute abend halten. Denn ich hab' gute Laune wie ein andalusischer Hund.


 



Körperkraft und Sonnenbrand

Während frühere Generationen Schwierigkeiten hatten,
über Sexualität zu sprechen, hat man heute ähnliche Probleme mit der Moral.
Die Art und Weise, in der man heute etwas über sexuelle Moral erfährt,
ähnelt in mancher Beziehung der, wie man früher etwas über Sex erfuhr.

(Ruth Westheimer/ Louis Liebermann. Sex und Moral. Basel, 1990.)

Die "Spaßgesellschaft", so Regina Ammicht-Quinn*, habe sich heute "den Leitspruch der Filterzigarettenindustrie zu Eigen gemacht: Genuß ohne Reue." Sexualität ist Tausch- und Nutzobjekt. "Repressive Kontrolle" sei zwar zurückgewichen, habe sich aber verlagert - auf den Körper. "Nicht mehr der bürgerliche Akt der Heirat, sondern vielmehr ein bestimmtes Verhältnis und ein bestimmter Zustand des Körpers wird zur Voraussetzung 'richtiger' Sexualität."

Houellebecq hat ja aus dem Topos "Warencharakter der Sexualität" eine ganze literarische Karriere geschmiedet. Letzten Endes greift er aber nur genau diesen Aspekt auf: die Übertragung des Foucault'schen Begriffs vom Repressions-Faschismus auf den Körper-Faschismus der Vitalisten. Schöner, härter, stärker, fester, runder, größer. Niemand kann heute mit dem Pokal einer "Miss Besenreiser 2005" einen Blumentopf auf dem Sexualmarkt gewinnen.

An jedem Kneipenstammtisch ist es zudem leichter, sich über exotische Sexualpraktiken zu ergehen, als über Fragen der Moral. Es mit Gemüse zu treiben, bringt einen nicht in Verruf, wohingegen jeder Gelächter erntet, der das Wort "Moral" nur in den Mund nimmt. Sexualität macht uns keine Angst, brennmichbeißmichpeitschmichfickmich, aber der komplexe Begriff "Moral" (was immer das dann ist) provoziert und belustigt wie sonst nur der zweite große Tabubegriff - "Glaube".

Der Film Dreizehn (USA 2003) zeigt das am Beispiel der Mechanismen einer Teenagerclique. Was früher die rigide Moral einer Kirche, eines Staates war, ist heute häufig durch den "Freundeskreis" ersetzt. Die Frage, welche Jeans man trägt, welche Musik man hört und welchen Film man gut findet, ist lange keine individuelle Entscheidung, sondern ein Ergebnis der Geschmackspolizei des Gruppenzwangs. Selbst die Lebensgefährten unterliegen in solchen proto-faschistoiden Vereinigungen einer strengen Selektion: "Also, wenn der kommt, kommen wir nicht" , heißt dann die Form des Erpressens und Zurechtformens. Nicht jeder hat da Rückgrat genug, dem zu widersprechen.

Wer aber solche Freunde hat, braucht wahrlich keine Kirche. Die gewonnene "Freiheit" ist dann nur ein anderes Wort für den Zwang "mithalten" zu müssen.

(* Regina Ammicht-Quinn. "können, sollen, wollen, dürfen, müssen".
In: Sex: Vom Wissen und Wünschen. München, 2002.)


 


Mittwoch, 29. Juni 2005


Pudelshows und Menschenpyramiden

Das Circusmuseum öffnet seine buntgestreiften Koffer und präsentiert hunderte alte Plakate aus der Welt des Varietés, der Manegen und Freakshows. Ein schöner, nostalgischer Blick zurück für alle Zampanos und Eisenbieger, Hochseilartisten und Messerwerfer. Die Harry Houdinis unter uns möchten andererseits vielleicht einen hypnotisierenden Blick auf eine ähnlich retrospektive Sammlung von Magiern werfen.

Vor ein paar Jahren sah ich eine der letzten Vorstellung im ehrwürdigen Hansa-Theater in St. Georg. Dort tanzten Marionetten im Schwarzlicht, aufgeregte Pudel auf silberglänzenden Podesten, boten russische Artisten eine "erotische" Show am Trapez und ein leicht pointenlahmer Conférencier frischgeföntes Kabarett. Besonders eindrücklich blieb mir die Speisekarte mit echt 70er-Jahre Gurkenscheibenschnittchen und der livrierte Kellner in Erinnerung, der sich nicht einfach ansprechen, sondern nur über ein Bestellknöpfchen am Tisch heranlotsen ließ. Nach 107 Jahren war dann Schluß mit dem Varieté. Das Finanzamt, die Kultursenatorin, die schwierige Lage auf St. Georg wurden verantwortlich gemacht. Ehrlicherweise muß man aber auch anmerken, daß das Programm aus tanzenden Pudeln und oftgesehenen Jongliernummern schon etwas, öh, speziell war. Jedenfalls neigte sich auch das Durchschnittsalter des Publikums verdächtig den 107. Von den Gurkenschnittchen auf der Speisekarte mal ganz abgesehen.

Dennoch schade. Die Tradition des Vaudeville - wie in England - und des klassischen Varietés hat nicht überlebt. Was bleibt, sind schrille Sex-Shows, überdrehtes Komödiantentreiben und Travestiekaraoke.
Häufig auch nett, aber eben nicht dasselbe.


 


Montag, 27. Juni 2005


Lalelu

casakidmoosgrundsaftim
grün
fließDUwollenSEXzunge imXschrundigHELLe freude
pferdpühgrind grindgrind

amen

AUGenlid

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