
Freitag, 13. Mai 2005
Mist. Völlig vergessen auf die Tracks-Sendung auf Arte hinzweisen: Freaks!
Interessante Beiträge über Asia Argento, Joe Coleman, Gaspar Noé, John Waters, Jim Rose et. al. Sollte mein Hirn mal aus dem Spiritus holen.

Mittwoch, 11. Mai 2005
Kriminaltechnische Ermittlungspraktiken und Spurensicherung befanden sich in den 30er Jahren noch in den Kinderschuhen. Allzu oft wurden damals noch wichtige Beweismittel am Tatort vernichtet, Indizien übersehen oder nicht richtig gedeutet. 1936 gründete Frances Glessner Lee das Institut für Rechtsmedizin in Harvard. Um angehende Detectives zu schulen, bastelte sie mit einer unerhörten Akribie verschiedene authentische Tatorte als Modelle nach. Anhand dieser Puppenhäuser, in denen jeder Fleck auf der Tapete und jedes Brandloch im Teppich detailgetreu nachgestellt sind und kleine Puppenleichen exakt die Verletzungen aufweisen wie die echten Leichen, konnten die Ermittler den Tatort aus jedem Winkel betrachten.
18 dieser makabren Puppenhäuser sind erhalten geblieben. Die Fotografin Corinne May Botz hat den grausigen Barbie-Tod mit suggestiven Kameraeinstellungen aus vielen Perspektiven fotografiert. Ihre Bilder sind nun in einem bizarren, wunderbar gestalteten Buch zusammengefaßt worden, das nun wirklich zu Entdeckungsreisen einlädt. Jeder Fall ist kurz beschrieben, die wichtigsten Fakten aufgelistet, ein Grundriss des Tatorts beigefügt. Die meisten Fälle sind bis heute ungeklärt, wessen kindlicher Spieltrieb also über das An- und Auskleiden von Püppchen hinausgeht, kann hier vielleicht seine detektivische Spürnase beweisen. Ich jedenfalls bin ziemlich neidisch, daß ich so etwas als Kind nicht hatte. Für andere vielleicht eine Anregung, die alten Puppenstuben vom Dachboden zu retten und ihre Lieblingsdramen nachzustellen.
Corinne May Botz. The Nutshell Studies of Unexplained Death. New York: Monacelli Press, 2004.

Sie sind heute so ausgesucht freundlich zu mir, betonen meinen Namen, wenn man sich die Tageszeit wünscht.
Wissen sie mehr als ich? Werde ich endlich entlastet entlassen?

Mittwoch, 11. Mai 2005
3SAT. Ostrich. Oh, süßer Vogel Jugend. Unser Himmel schwarz wie unsere Zukunft. Die schöne Erinnerung der drei Akkorde.
Danke, Lu!

Während hier Gewitterregen den Himmel verdunkelt, Blitze zucken und den Strom abschalten, fällt mir die gaslichterleuchtete Welt von Joann Sfar ein. Seine freundlich-morbiden Werke erzählen Geschichten einer schauernden Zeit, in der Geister, kleine und große Vampire und rothaarige Frauen das Leben von Forschern, Dichtern und anderer Vampire
schwer machten in Schwung brachten interessant machten.
Als Freund der Wunderkammern und Raritätenkabinette, Jahrmarktsbuden, Side-Show-Artisten und anderer Frivolitäten kommt mir die wahnwitzige Geschichte vom "Mexikaner mit den zwei Köpfen" gerade recht. Das absinthgrüne Cover lädt ein in eine Welt voller Grotesken, schöner Frauen, schwüler Erotik und eben Nachtmahre, Deformierte, Tod, Tanz, Hypnose und Budenzauber aller Art. Eine wunderbare Nachtlektüre und vom Berliner Avant-Verlag liebevoll ediert und auf schwerem Papier gedruckt (das bestimmt vorab in exotischen Kräutern und Wunderpilzen gelagert wurde).

Dienstag, 10. Mai 2005
Selbstverständlich bin ich auch genervt. Vielleicht zu sehr, vielleicht sollte man es lockerer sehen, das Maul halten vor allem, so wie die Diplomatischeren.
Dennoch denke ich, daß einige von denen, die nun meinen, man solle alles nicht so eng sehen, niemals bereit wären, mit Leuten Fußball zu spielen, die den Ball permanent und unbelehrbar ins Aus kicken - und sei es nur für "ein paar Zentimeter". Der Spaß und Lustgewinn erwächst eben auch durch die Regel, die das Spiel umgeben.
Solche Community-Geschichten sind Teamsport, das jedenfalls möchte ich glauben. Mag sein, daß es Spielführer und Wasserträger gibt, aber es gewinnt nur die Mannschaft. Diven sind selten gut gelitten. Gute Spielzüge und Teamplay, nicht herausragende Einzelleistungen, sind dabei der Lustgewinn.
Es ist ein demokratisches Prinzip. Schwierig ist das nicht, einfach sogar. Sehr, sehr einfach. Es zählt nur ein gewisser Grundkonsens.
Diskussionen darüber nennt auch nur "typisch deutsch", der noch nie wütende Bretonen darüber diskutieren hat hören, ob die eine Kugel nun näher am "Schweinchen" liegt als die andere. Bei John McEnroe war der Ball immer "in", und der Schiedsrichter, der auf dem "out" beharrte, konnte im Kontrast nur eine unglücklich-piefige Figur abgeben. Zwar bedingten sich beide, für das Gelingen der Show. Aber es war immer die Show eines Einzelspielers, der sich inszenieren wollte. Und dennoch: Auch hier blieben die weißen Linien auf dem Ascheboden die Grundvoraussetzungen für das Spiel.

Sonntag, 8. Mai 2005
Weil Herr Axel K. mich freundlicherweise in sein Auto gezerrt hatte, schaffte ich es also auch zum BlogMich05. Selbstverständlich fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein in Hamburg los, nur um ebenso selbstverständlich von dräuenden Wetterfronten, Regen und der sprichwörtlichen Kontinentalkälte Berlins empfangen zu werden.
Der Volksmund aber sagt, so etwas mache nichts, wenn nur die Herzen... usw. Meine kleine Pension entpuppte sich noch ganz zauberhaft als Mein kleiner Schmuddelladen, was um so bedauerlicher war, als ich erfuhr, welche Zimmer mir zur Verfügung gestanden hätten, hätte ich, ja, hätte ich nur Piep gesagt. Aber nichts ist bekanntlich schlimmer, als wenn die Gasteltern um zehn Uhr abends schon sagen, du, wir möchten dann jetzt nach Hause, während man selbst sich angeregt im Gespräch befindet. Doch, etwas ist schlimmer: Wenn man selbst um zehn nach Hause möchte und einem die unerschütterlichen Gasteltern fröhlich verkünden, daß sie gedenken, noch bis fünf Uhr morgens auszuharren.
Am Osthafen gab es dafür viel Hallo und mindestens 150 freundliche Gesichter. Ich habe ungefähr 500 Hände geschüttelt und mich über das Erscheinen vieler so sehr gefreut, wie ich das Fernbleiben mancher (Frau Lisa!) bedauerte. Die Kaltmamsell in Uniform und Maz inkognito, die Frau Sonne natürlich, Frau Modeste, ach und viele andere...
Weil sich keine Ringelstrümpfe ins eisigkalte obere Geschoß verirrten (Herr Hendrik vom Irrenhaus Berlin gab sich Mühe, aber es konnte mich nicht komplett überzeugen, dennoch Danke!; Emily und Frau Wortschnittchen hatten wohl ringelstrumpfbestrapste Beine in der U-Bahn gesichtet, aber shanghait und mitgeschleppt hatten sie die leider nicht), mußte ich ganz viel Bier trinken (irgendwem habe ich übrigens eine Flasche Jever entführt, sorry), eiskalte Hände halten und Trost in netten Gesprächen suchen.
Irgendwo im Netz gibt es Fotos von gegen zwei Uhr nachts, auf denen ich leider nicht so gekachelt wie Herr Sebas, sondern einfach nur wie ein derangiertes Wrack aussschaue; ein schäbiger Kneipenrest, der eigentlich nach draußen gefegt gehörte. Ja, das machen Kälte und Alkohol aus einem. Kinder, laßt es Euch eine Warnung sein. Überhaupt sehe ich besonders neben jungen, hübschen Damen ganz schön alt aus. (Notiz an mich selbst: Mich demnächst nur noch neben toten Tieren ablichten lassen, damit ich im Kontrast besser wegkomme.)
Auf der Straße verdächtigten mich junge Herren, nur weil ich statt einer Bloggerin deren Tortenform aus Plastik im Arm trug, sicherlich von einer Tupperparty zu kommen. Irgendwie wäre das auch keine schlechte Idee, für das nächste Mal.
Das Frühstück in der schmuddeligen schnuckeligen kleinen Pension machte mich immerhin schnell wieder munter. Der Kaffee schmeckte zwar eher gestreckt, aber dafür beplärrte mich ein kleiner Fernseher über meinem Kopf mit Dauerjingles, die mich aufforderten, gefälligst "Frosch 44" oder "Frosch 45" oder "Frosch 46" an irgendeine Nummer zu simsen. Das Gequake in meinem zerhämmerten Kopf machte mir klar, daß es sich nur um die Rache einer berüchtigten Berliner Klingeltonfabrik an Bloggern handeln konnte.
Vielen Dank noch mal an Herrn Typ.o und die anderen für die Organisation!

Samstag, 7. Mai 2005
Ich wollte nie mehr schreiben und nur noch eines: weg! Weg von Berlin. Alles andere war egal. Ich erzählte das natürlich ein bißchen herum, und so kamen ein paar Getreue, die mir das ausreden wollten. Sie verstanden nicht, daß es mir nicht um die Stadt, sondern um die Jugend ging. Die Jugend mochte micht nicht. Die Jugend war Berlin. Noch nie war ich so permanent gnadenlos nicht geliebt worden wie da, dreieinhalb Jahre lang.
So beginnt Joachim Lottmanns Die Jugend von heute (Köln: KiWi, 2004), mir dereinst von Don Dahlmann ans Herz gelegt, und nun endlich gelesen. Der Roman beschreibt eine Odyssee des Ich-Erzählers, einem echten Zögerer und Zauderer wie einst Bogus Trumper im Water-Method Man von Irving, durch die Partyzonen der neuen alten Hauptstadt. Verzweifelt bemüht, bei der Jugend nicht den Anschluß zu verlieren, streift Lottmanns Held durch die Nacht, sucht sein Glück in Berlin, das doch längst im Rheinland auf ihn wartet, in Köln nämlich.
In mancherlei, eher persönlicher Hinsicht könnte man sagen, ein wahrerer Roman ward kaum geschrieben. Aber da kann ich nur für mich reden. Schön auch die Passagen, in denen der Ostdeutsche FO Wartburg mit seinem Oberseminarwissen den "Kapitalismus" erklärt (was wurde eigentlich aus dem Begriff "Soziale Marktwirtschaft"? Wann ging das verloren?) oder der Münchner Harem des Althippiegockels Rainer Langhans genüßlich auf die Schippe genommen wird. Zu Althippies in weißen Socken in Birkenstocksandalen habe ich auch noch eine Menge zu sagen, spätestens dann, wenn ich mal über Antonin Artaud, die Anti-Psychatrie-Bewegung und die späten 70er Jahre schreibe. Die Jugend von heute hat da ja einen postmodern oberflächlichen, spielerischen Zugriff, der mir leider - u. a. wegen Rainer Langhans, den Getty-Zwillingen und all deren Folgen - versagt bleibt. Tant pis.
Jedenfalls, comment dirais-je? ist das mit Berlin, ob Ost oder West, von jeher nicht einfach gewesen. Denn so "gnadenlos nicht geliebt" zu werden, hinterläßt natürlich das bittere Aufstoßen einer Überdosis Fencheltee.
Meine Anläufe sind ohne Zahl. Aber Morgen gehe ich davon aus, daß sich nur freundliche Menschen um mich versammeln, ich mich nirgends dazwischenwerfen muß, mein Kuchen gut durchgebacken sein, und mir ansonsten niemand irgendwann gegenüber irgendwem gefallene Sticheleien übel nehmen wird. Das wird nämlich alles sehr, sehr nett. Beschlossen.
Und nun bitte: Ghost World auf 3SAT.

Mittwoch, 4. Mai 2005
Ask me no questions,
I'll tell you no lies.
The past is your present,
The future is mine.
(New Order, "Confusion")
Wollen Sie den hellen oder den dunklen?
Was ist der Unterschied?
Der eine ist hell, und der andere ist dunkel.
Ich liebe fachliche Beratung.
