Cupidon s'en fout

Vor einigen Jahren erstand ich in einer dieser wunderbaren kleinen französischen Buchhandlungen ein Werk des französischen Comixzeichners Joann Sfar. Hierzulande ist er hauptsächlich durch die "Don Jon"-Serie bekannt, die mir aber nicht so gefällt. Im Grunde ist Sfars Zeichenstil gar nicht der meine. Ich bin ein Freund der ligne claire, Sfar ist mir schon zu krikelig.

Aber der "Petit Vampire" hatte es mir sofort angetan. Die Geschichten um einen kleinen Waisenjungen, der ein Vampirkind kennenlernt und fortan aufregende Abenteuer und tolle Monsterparties erlebt, sind ganz nach meinem Geschmack. Und da ich ja schon ein älteres Kid bin, war ich regelrecht beglückt, als ein Kollege mich auf die Serie "Le Grand Vampire" aufmerksam machte. Der kleine Vampir ist erwachsen geworden und darf jetzt auch mit Gothic-Bräuten flirten, mit ihnen nachts über den Friedhof ziehen, sich über Marilyn Manson und "le gothic punk" unterhalten... Und - ganz wie im richtigen Leben - Sex gibt es natürlich nicht.

Fernand der Vampir hat nämlich Kummer. Seine Freundin, die druidische Baumfrau, hatte ihn schnöde verlassen. Das war ein eher bedrückender Moment im lebenslangen Leben des Vampirs. (Später ist es die Baumfrau, die Fernand eine "zweite Chance" geben will. Vorausgesetzt, er spioniere ihr nicht wieder nach. Als Fernand sich ereifert, er hätte ihr nicht hinterherspioniert, sondern sie bei einem Besuch seines Freundes Michel in dessen Bett vorgefunden, kontert die Baumfrau kühl, mit ihm könne "man ja nicht reden, er sei ja cholerisch". Groß!)

Als später dann die rothaarige Goth-Punkette Aspirine bei ihm einziehen will, die sich sehr rauh und kühl gibt, aber in Wahrheit leicht verletzlich, jähzornig und einsam ist, reagiert der Fernand der Vampir wie es sich für einen Hagestolz gehört: "Tu t'installes pas chez moi. Pas question. Ça fait même pas une nuit que je suis célibataire, alors j'aimerais bien être un peu tranquille." Aspirine ist nämlich eine kleine Drama-Queen. Ihre Freunde, die laut, roh und reichlich stumpf ständig Gothicparties auf Friedhöfen feiern, gehen dem sensiblen Schöngeist Ferdinand rasch gehörig auf den Sender. Ich weiß nicht, woher Sfar mein Leben kannte, aber es ist schön, so etwas schön bebildert zu lesen. Da braucht es kein Tagebuch.



Tranquille. Ruhe. Es gibt nichts schöneres. Gleich mal alle drei Panzerriegel vorlegen, die Zugbrücke zum Kanal hochziehen und - lesen.

Ex Libris | 18:01h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
fragmente - Dienstag, 20. Juli 2004, 19:12
Als Rothaarige mit Grufti-Vergangenheit sympathisiere ich natürlich eher mit Aspirine (der Hoffenden?).
Das Schwarz haben wir abgelegt, der Herr Kid und meine Wenigkeit, ich behaupte das jetzt mal so. Bleibt zu hoffen, daß sich das mit der unerwiderten Liebe und dem kein-Sex-haben auch mal ändert.

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kid37 - Dienstag, 20. Juli 2004, 23:02
"Tu t'appelles Aspirine, hi hi!" - "Rigole pas. Je déteste ce prénom." - "Non, c'est joli, ça fait..." - "Ça fait médicament."

Aber sie hofft in der Tat. "Es wird eine unmögliche Liebe sein. Ich werde viel leiden. Das wird schön. Ich werde seine Gefährtin sein und ihm Ratschläge geben, wie er andere Frauen anbaggern kann ("draguer"), aber ich werde nicht aufhören, ihn heimlich zu lieben." Sehr traurig-schön. Aber sie ist auch ein klein wenig unreif und egoistisch, viel jünger offensichtlich als Fernand oder als ihre Schwester, eine ebenso rothaarige Magieschülerin. Es gibt noch Fortsetzungsbände, ich weiß nicht, ob dort die Geschichte fortgesponnen wird, aber ich halte Sie auf dem Laufenden.

Sie meinen also, ich solle die Panzerriegelschlösser lieber wieder öffnen? Hm. Ich glaube, dieses Jahr besser noch nicht. Ich habe eine Wärmflasche, für die kälteren Tage.

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lyssa - Mittwoch, 21. Juli 2004, 12:28
Ach, ach,
vielen Dank für den großartigen Tip. Genau das, was ich jetzt brauche. Erwarten Sie mich nicht so schnell wieder in der feindlichen Außenwelt.

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kid37 - Mittwoch, 21. Juli 2004, 20:02
Doch. Freitagabend.

(Das ist natürlich kein Befehl. Nur ein Angebot. Oder doch ein Befehl? Hauptsache, Sie verlieren den Schlüssel nicht.)

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