Dienstag, 18. Mai 2004


Touching from a distance


Heute vor 24 Jahren hat sich Ian Curtis, Sänger und Texter der nordenglischen Band Joy Division, an der Garderobe seines Hauses in Macclesfield, Manchester, erhängt.

Er wurde 23 Jahre alt.

I'll observe with a pitiful eye
And humbly ask for forgiveness
A request well beyond you and I
Heart and sould, one will burn.

(Ian Curtis * 15. Juli 1956 † 18. Mai 1980 )

Radau | von kid37 um 22:35h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 17. Mai 2004


Neigungsgruppen

I went to Vienna and all I got was this Perlenbild:



Kaum daheim, lese ich in meinen Referrern: "Paar+sucht+Herrn+in+Wien".
Da hat man mich ja knapp verpasst. Ist das Schild aber nicht groß? Kann ich mir jetzt für das nächste Bloggertreffen um den Hals hängen. Ubercool.

Ich bin noch nicht richtig sortiert, um etwas halbwegs Zusammenhängendes zu berichten. Ich denke, die paar Tage weg von Hamburg haben mir gut getan. Wien hat mir sehr gefallen, der Flug war nach jahrelanger Aeroplan-Abstinenz ein beeindruckendes Erlebnis. Vielen Dank auch noch mal an Frau Sonne, die einen schrecklichen, schwadronierenden, dozierenden und permanent Pseudo-Wienerisch redenden Kid37 durch ihre Stadt geschleift hat. Wir haben es sogar geschafft, uns nicht allzusehr im Gartenlabyrinth von Schloß Schönbrunn zu verirren. Tatsächlich fanden wir uns sehr schnell. Die Sisi wäre stolz gewesen.

Danke auch, daß Frau Sonne mir die Feinheiten von FM 4 nahegebracht hat. Daran könnten sich die Öffentlich-rechtlichen hier in D ein großes Beispiel nehmen. Radio in Hamburg ist ja leider hoffnungslos im Gewässer des Seichten verloren gegangen.
In Wien aber liegt man abends züchtig im Bett und hört Fritz Ostermayer und seine "Neigungsgruppe Sex und Gewalt" mit ganz und gar nicht züchtigen Geschichten und noch schlimmeren Hörergedichten. Oder man hört den Eurosumpf.

Ich sortiere jetzt die Erinnerungen.

In den nächsten Beiträgen alles über: ++ Herr Kid fährt Tram und macht eine erstaunliche Entdeckung + Yvonne Sonne wagt sich an der Hand von The Kid ins Josephinum und ist schwer begeistert + Ein informativer Spaziergang durch den Park der Irrenanstalt + Herr Kid trifft alte Band-Kollegen und erinnert sich wieder einmal an die frühen 80er + Lilien-Geschirr, Flohmärkte und lange Nächte im Terminal Pub ++

Stay tuned.


 


Mittwoch, 12. Mai 2004


Sacher gibt's

Ein kurzer Bericht aus Wien. Frau Sonne brutzelt gerade ein Käsebrot, und ich spiele mit ihrem Hello-Kitty-Powerbook.

Wenn man von Hamburg nach Wien fliegt, schafft man es gerade, das Feuilleton der FAZ und den halben Sportteil zu lesen, dann heißt es schon wieder: Wir sind im Landeanflug. Erhebend, nach langer Zeit mal wieder in den Lüften gewesen zu sein. Grandiose Wolkenformationen. Sieht plötzlich alles ganz nichtig und klein aus, wie es in dem Lied heißt.

Die Wiener machen ja alle schwer in Kunst. Mein Freund H., bei dem ich wohne, dessen Freundin - und Frau Sonne sowieso. Ich habe mittlerweile Schmucksachen von ihr in natura gesehen und kann nur sagen: Kauft das alles!

H. lebt in einer formidablen Altbauwohnung im Zentrum, unweit des Museumsquartiers. Es ist übrigens immer wieder schön, in Wohnungen zu kommen, die so eingerichtet sind, daß man denkt, das hätte jetzt auch von mir so gemacht worden sein. Man fühlt sich direkt heimisch. Tolle Küche, ein riesiger Eßtisch, bei dem man einen Sehkraftverstärker braucht, um bis ans Ende sehen zu können, großformatige Kunst an den Wänden, ein Gästezimmer voller Bücher.

Frau Sonne wohnt ja passenderweise in einem alten Kloster, sozusagen. Deshalb, Frau Ella aufgepasst!, trägt sie auch immer einen riesigen Schlüssel mit sich herum. Dicke, hohe Wände, schwere, uralte Holztüren mit monströsen Schlössern, ganz großartig. Ihre Küche hätte bei Interieur einen Sonderpreis verdient. Man kann sich wirklich gepflegt dort einen anhängen. Man braucht quasi das Haus nicht zu verlassen, was aber in Wien schwer fällt, weil es so viel zu sehen gibt.

Selbst das Standard-Touristenprogramm ist exaltierend: Am ersten Tag bereits jagte mich Poison Yvy den Turm zum Stephansdom hoch. 343 Stufen auf dem Weg zum Glück. Man geht im Halbdunkel eine enge, steinerne Wendeltreppe hoch und wird nach 15 Stufen schon ziemlich weich in den Knien. Aber immer weiter geht's, hastend, torkelnd. Anfänglich stolpert man noch ineinander, bis die Körper ihre eigene Harmonie gefunden haben und man sich fortan in einem gemeinsamen Rhythmus immer weiter nach oben arbeitet. Der Blutdruck steigt, der Puls ebenfalls, man wird schwach, legt eine Pause ein - und treibt sich und den anderen wieder an. Weiter! Weiter! Höher! Höher! Es wird immer härter. Anstrengender. Aber irgendwann ist man über einen bestimmten Punkt hinaus. Man kann nicht mehr umkehren. Man will jetzt nach oben, zum höchsten Punkt. Weiter, weiter! Man keucht, man hechelt, man schnappt nach Luft. Immer enger windet sich die Treppe, immer steiler geht es hinauf. Immer wieder denkt man, jetzt ist es so weit. Aber dann geht es noch ein Stückchen und noch ein Stückchen weiter. Weiter, weiter! Dann endlich, wie soll man sagen? stößt man hinaus über eine kleine steile Treppe und hat tatsächlich gemeinsam den höchsten Punkt erreicht! Aaah! Keuchend, taumelnd fällt man sich in die Arme, muß sich stützen. Der Puls schlägt hart im Hals. Das Gesicht ist mit roten Flecken übersät. Der ganze Körper ist mit Schweiß überzogen.

Und doch empfindet man pures Glück: Man kann vom Turm die Fernsicht über Wien genießen, die Gedanken treiben lassen. Sehr schön. Ich schlug vor, dies nun jeden Tag zu machen.

Im nächsten Beitrag: Wie ich mich mit Frau Sonne unter dem Riesenrad im Prater traf und wir gemeinsam den dritten Mann suchten. Wie wir die höchst umstrittene Ausstellung des Wiener Aktionisten Otto Muehl besuchten und beschlossen, eine aktionistische Sex-Kommune zu gründen. Wie wir uns im Sigmund-Freud-Museum Frau Ellas Träume erklären ließen. Wie ich mich an die Landessitten anpasste und fortan nur noch im Wiener Dialekt redete.


 


Montag, 10. Mai 2004


Tu felix Austria



Folgende Überlegung. Wenn es 500 m von meinem Haus schon recht nett ist,
wie angenehm muß es dann erst so ca. 1000 km weit weg sein? Eben.

Also, so geht es nicht weiter. Ich muss mal ein paar Tage hier raus.
Ein wenig Sonne tanken.

Looks like rain, though.

Haus wird gehütet, Enten gefüttert. Melde mich aus dem Terminal Pub.


 



Heute hier, morgen fort

"Außerdem schien der einzige Weg, die Vergangenheit zu exorzieren, darin zu liegen, eine neue zu beginnen."
(Tomi Ungerer. Heute hier, morgen fort . 1983.)

Vielleicht vergesse ich nur langsamer als andere. Vielleicht bilde ich mir auch nur etwas ein, um mir die Schwäche nicht eingestehen zu müssen. Um das Schäbige erhabener zu machen. Wenn einem nichts geblieben ist außer einer drückenden Vergangenheit, ist dies ja immer noch besser als wenn einem überhaupt nichts mehr geblieben ist. Ex negativo.
Auch dieses Pathos bitte ich mir nachzusehen.

De profundis. "From the depths of the ocean..." (Joy Division). Nein. Besser nicht. All systems up and running.

Der Moment, ein paar Tage später, als ich ihre Narben sah. Den kann keiner nachvollziehen und muß es auch nicht. "Ich habe alles im Griff." Sicher doch.
Für ihre Freunde war alles normal.
"Ist das bei euch etwa immer noch ein Thema?" Geil. Plötzlich aufwachen und merken, man ist nicht nur im falschen Film, sondern auch im falschen Kino.

All systems up and running. Komische Einbrüche in letzter Zeit. Phasen offensichtlich. "Was haben Sie denn da auf dem Rücken?"
Oh. Das wußte ich gar nicht. Nein, keine Messerstecherei. Ich verlasse ja kaum das Haus.
"Aha. Gut, Sie können sich wieder anziehen."

Verhüllen. Das ist es wohl. Gut verhüllt. Mehr nicht, aber immerhin. All systems up and running. War nur eine Phase. Denn heute bin ich hier, und morgen bin ich fort.

Fuck you.


 


Sonntag, 9. Mai 2004


Everything else is broken

"Everything else is broken" (Radiohead, "Planet Telex")


Das rote Grausen setzt hier spätestens jeden zweiten Samstag im Monat ein. Da nutzt auch kein süffisantes "He, lass doch die Vergangenheit ruh'n, schau doch nach vorn..." Einfach mal das Maul halten. Es ist nicht jeder stumpf. Und bar jeder Grenze. So.

Heute also noch Vollmond genug und Hafengeburtstag. Auch so eine Spackonautenveranstaltung. Aber als ich frisch nach Hamburg gezogen war und sowieso erstmal in der schönen Talstraße gleich auf der Reeperbahn um die Ecke gastierte, bildeten sich erste Rituale. Rund ums ehemalige "Störtebecker", den "Pudel" und das "Hafenklang". Zum Hafengeburtstag wird an der Hafenstraße ein Soundsystem aufgebaut und ein, zwei Bühnen drumherum. Da kann man dann ungepflegt abhängen, ein Bier oder drei trinken, passiv mitrauchen und sich schäbig fühlen. Kann man jetzt endlich wieder machen.
Auf Bühne 1 war das wohl gerade "Bitchfinga", wenn ich die Ablaufliste richtig interpretiert habe. Straighta Konkret-Punk mit No-Nonsense-Sängerin. Korrekt vorgetragen, viele Arme in der Luft.
Unten rockten bei "SensiSoldier" MCs aus Heidelberg das House. Kompromißloser In-die-Fresse-Drum'n'Bass mit knüppelharten Tieftonattacken. Taugt auch fürs vierte Bier. "I say mo' er - you say fugger!" Fickt euch die Knie, hier tobt die Straße. Kehrwiederspitze? Nicht im Traum.

No more emotional black-mail. "I am crazy for you but not that crazy", Magnetic Fields.

"With friends like these, who needs enemies?" (Powderfinger, "DAF")


Genau. Braucht kein Mensch. Von der oberen Bühne trollten derweil nämlich irgendwelche finsteren finnischen Langhaarträger wirklich lustiges Death-Metal-Zeug herunter. Name war nicht zu erkennen, endete irgendwie auf "...goth", kann aber auch ganz anders gelautet haben. Schwer frontal headbanging und natürlich ein cooler Gegensatz. Enthemmte Weiber rockten am Bühnenrand. Die haben heute Nacht bestimmt noch was vor. Wohl mit finnischen Death-Metal-Trollen. "I'm so evil" grunzten die Jungs in ihre Mikros. Dann wieder elektrisch verstärktes Brutal-Kopfnicken. Hätte eine Betonmauer vor ihnen gestanden, man hätte es auch für ein Gruppentreffen der örtlichen Anonymen Borderliner halten können.

"A smack on the head is what you'll get for asking" (The Smiths).

Dann mit vollgekotzten öffentlichen Nahverkehrsmitteln nach Hause.
"Hamm und Horn schuf Gott im Zorn", heißt es in Hamburg. Tja, irgendwo muß die B-Ware ja wohnen. Die zweite Wahl. Hier bin ich richtig, hier bin ich zu Haus. Geiler Abend also. Schade, habe Herrn AxelK nicht getroffen. Von dem hätte ich mich heute gern zum Volltanken überreden lassen. Next time.

Jetzt zehn Aspirin und ausschlafen. Voll aggro.


 


Samstag, 8. Mai 2004


Selbst in die Ecke gemalt

Jetzt kommt sie nicht mehr raus.

Sehr geehrtes Fräulein Alice: Es ist schon mal vorgekommen, daß man beim Versuch, das Lebenswerk eines anderen zu zerstören, das eigene gleich mit aufs Spiel gesetzt hat. (Edit: Frau auch.)

Mit geneigten Grüßen


 



Abgepfiffen

Weißes Ballett 1 - Bremen 3

Yep. Ich hätte noch Lotto spielen sollen. Pech in der Dings, Glück im Spiel.
Zur Feier des Tages läuft jetzt: Die Mimmies: "Deutscher Meister ist der SVW".

Homestory | von kid37 um 19:46h | ein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Der gefundene Satz, III

Heute mal als Wort zur Nacht. Morgen bitte nicht wecken.

"A man should always keep two things in mind:
one is that he is a fool; the other is that he is going to die."

(Gurdijew)


 


Freitag, 7. Mai 2004


Letzte Ausfahrt morgen



So, Kinners. Letzte Chance morgen. Sonst müßt ihr Sonntag früher aufstehen und noch ein Gedicht reimen oder ein Bildchen malen.
Denkt dran, ihr habt nur die eine!


 



Kann man machen

Magdalena Diercks zeigt ab 8. Mai um 20.oo Uhr ihre Bilder wie gemalt unter dem Motto "Approximately Unreal" beim Heliumcowboy. Um gesittetes Verhalten auch unter Alkoholeinfluß wird gebeten.

Mal sehen, ob Hafengeburtstag und dieses und jenes einen Besuch zulassen.

(Ausstellung bis zum 29. Mai 2004 im Heliumcowboy Artspace)

Flanieren | von kid37 um 21:14h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Jede Liebe hinterläßt eine Narbe

"Aus den Tagen waren Wochen geworden, und ich begann einzusehen, daß ich abreisen müsse. Nicht, daß mich irgendeine Pflicht rief, aber Lolitas übergroße, gefährliche Liebe flößte mir Furcht ein. Als ich ihr diese Eröffnung machte, sah sie mich mit einem unbeschreiblichen Blick an und nickte stumm. Dann griff sie schnell nach meiner Hand und biß mit der ganzen Kraft ihres kleinen Mundes hinein. Diese Narben der Liebe haben selbst fünfundzwanzig Jahre nicht auszulöschen vermocht."

(Heinz von Lichberg (= Heinz von Eschwege). "Lolita". 1916.)

Ex Libris | von kid37 um 02:09h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link