Donnerstag, 6. Mai 2004


...und jeder sucht sein Kätzchen

Aus der Reihe, zehn Situationen, in denen du merkst, daß deine Beziehung im Arsch am Ende ist:

2. Welcher Mann kennt das nicht? Kommunikationsentzug und Katzenentfremdung bei häuslichen atmosphärischen Störungen.

Manchmal hilft Katzenminze. Schlaue oder ganz miesepetrige Kätzchen aber durchschauen das.


 


Mittwoch, 5. Mai 2004


Der Pianist

Die Geschichte des jüdischen Klaviervirtuosen Wladyslaw Szpilman (Adrien Brody), der nur durch unwahrscheinliches Glück das Warschauer Ghetto überlebt.

Kritiker warfen Regisseur Roman Polanski, selbst Überlebender des Holocaust, vor, den Film merkwürdig distanziert inszeniert zu haben.
Dabei ist gerade dies seine Stärke. Kaum vorzustellen, dies wäre eine Hollywoodproduktion gewesen. So schwebt über den grauenvollen Ereignissen eine gewisse Lakonie, einem chronologischen Bericht näher als eine rührselige Verdichtung.

Die historischen Fakten sind bekannt. Meint man. Und erkennt erst als zur Stille verdammter Beobachter eines Einzelschicksals die wahren Dimensionen der Ereignisse zwischen 1939 und 1945. Die beinahe beiläufige, völlig willkürliche Gewalt der SS, die auch den Zuschauer ganz unvermittelt trifft. Interessant das Sound-Design. Während die Waffen in Hollywoodfilmen in jaulenden Querschlägern pfeifen, in Subwoofer-forderndem Krachen explodieren oder als sanftes, schallgedämpfes Ploppen ejakulieren, bellen die Pistolen der Waffen-SS wie nervöse deutsche Schäferhunde kurz vor dem Kollaps. Ein unangenehmer, beißender Klang, der beunruhigend echt wirkt.

Die Atmosphäre brutaler Abgestumpftheit, der nahezu unbeteiligt wirkenden kaltblütigen Morde, wird selten durchbrochen. Fast wirken die Auspeitschungen des Aufsehers wie ein merkwürdig verschobenes comic-relief Element, so deplaziert mutet die Szene in ihrer Groteskheit an. Thomas Kretschmann als musisch interessierter Wehrmachtsoffizier - ein deus ex machina. Aber die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Möglicherweise auch die irritierende, allegorische St.-Martin-Episode am Ende. Völlig deprimierend aber schleicht sich die Hoffnung ein: Szpilman, nach Jahren im Versteck krank, erschöpft und halb verhungert, bekommt zu hören: "Sie müssen nur noch ein paar Wochen durchhalten."
Keine Minute länger, möchte man rufen. Aber man ist - zum Glück - nur Zuschauer.

Großes Kino.

Der Pianist. (GB/F/D/Pol./NL 2000). R: Roman Polanski.

Super 8 | von kid37 um 22:34h | 4 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 4. Mai 2004


Engel im Schnee

Aus der Reihe, "Zehn Situationen, in denen du merkst, daß deine Beziehung im Arsch am Ende ist":

"Es war richtig von ihm, sich rauszuhalten - sie ist ihre Mutter -, aber jetzt wünschte Brock, er hätte sie davon abgehalten. Er muß Tara nur selten anschreien, wenn sie zusammen sind; sie ist ein braves Kind. Annie sagt, er habe leicht reden, weil er nicht für sie verantwortlich sei, was bedeutet, daß er es nie sein wird, daß er irgendwann gehen muß."

(Stewart O'Nan. Engel im Schnee. 1994.)

Eine im Grunde banale Vorstadtgeschichte, die sich - zumindestens in ihrer deutschen Übersetzung (die an ein, zwei Stellen zudem schwer danebenliegt) - in merkwürdig sperrigen, nicht aber komplizierten, Satzgefügen entfaltet.
Zwei Paare (vielleicht drei, je nachdem wie man die Zählung ansetzt), Trennungen, Scheidungen, Affären, Liebhaber, Betrogene... ein totes Kind. Ein Mord.

Die Zutaten sind alle da, das Menü aber will nicht gelingen. Vielleicht, weil er es ja nicht gelernt hat. Der Mann ist Ingenieur. Dann muß er sich daraus nichts machen.
Als Debütroman nicht wirklich schlecht, keineswegs. Aber die Psychologie der Charaktere, ihre Motivation erscheint seltsam fragmentarisch; abgeschaut, aber nicht erlebt.

Der Hype um O'Nan ist mir nach seinem Debüt jedenfalls nicht erklärlich.


 


Montag, 3. Mai 2004


Derbe Geschichten

Da, wo Deutschland am verschrobensten und die Bewohner die denkwürdigsten sind, hätte sich die Die Lu fast im Wald verlaufen . Das hätte böse enden können, denn in den labyrinthischen, ungezähmten Wäldern des Bergischen sind schon einige verschütt gegangen. Ausreichend Proviant hatten die auch nicht dabei, nicht einmal eine Bergische Kaffeetafel.

Womöglich hat Die Lu nicht einmal die schöne Talsperre gesehen.


 



Das rote Grausen

"Du denkst, Liebe bedeute, eingesperrt zu sein. Und Du willst Dich nicht einsperren lassen. Du suchst die Freiheit, dabei trägst Du den Käfig schon längst um Dich."



(sinngemäß nach "Frühstück bei Tiffany". Wie schon vermutet, taucht diese Stelle im Buch wohl nicht auf. Das Ende wurde ja auch grob verdreht. Ist natürlich trotzdem ein toller Film und eine sehr rührende Erzählung. Es geht um die Angst des Zulassen-könnens. Und die Angst vor der Angst, natürlich. Aber ebenso wie in Bonjour Tristesse (großartig verfilmt von Otto Preminger) gibt es eben kein happy end. Das Durchbrechen des endlos geflochtenen Bandes ist ... schwer. Wer den Schmerz nicht erträgt, verdrängt ihn mit Tempo. Go lightly. )

Sie lächelte - dies freudlose neue, gezwungene Lächeln. "Aber was wird aus mir?" sagte sie flüsternd und erschauerte wieder. "Ich fürchte mich so, mein Junge. Ja, endlich. Weil das ewig so weitergehen kann. Nicht wissen, was einem gehört, bis man es weggeworfen hat. Das rote Grausen, das ist gar nichts. Das fette Weib, gar nichts. Dies jedoch - mir ist der Mund so trocken, daß ich nicht spucken könnte und wenn mein Leben davon abhinge."

(Truman Capote. Frühstück bei Tiffany. 1958.)

Super 8 | von kid37 um 02:32h | 6 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 1. Mai 2004


Geh' ich in die Stadt oder geh' ich nicht in die Stadt?



Ist aber offensichtlich für die Tonne. Vielleicht sollte ich heute mal ausgehen, mich betrinken und alle Frauen flachlegen. Oder etwas Sinnloses tun.

Eine Bekannte möchte lieber zum Spargelessen. Das kann sie doch auch bei mir haben. Das wirklich Erschütternde ist, daß mein Fahrrad immer noch betriebsgestört im Keller steht. Ist ja bei diesem Wetter nun wirklich das Fortbewegungsmittel allererster Wahl. Da ich ja direkt am Kanal wohne, wäre auch ein Boot nicht zu verachten. Man könnte bis zur Hafenstraße tuckern und ein wenig bei den Spackonauten abhängen. Fazit: heute = undönig.


 



Erster Mai

"Der zu erwartende Frieden und Wohlstand wurde von den Skribenten und Poeten des siegreichen Volkes so heiter und überschwenglich besungen, daß mehr und mehr wohlhabende Provinzler sich angesammelt hatten, um den Wein der Begeisterung zu trinken, und immer schneller setzten die Kaufleute ihre Schmucksachen und ihre Pantöffelchen um, bis sie schließlich laut nach mehr Schmucksachen und Pantöffelchen verlangten, um sie gegen beliebige andere Waren einzutauschen."

[...]

"Eine halbe Stunde später ging er hinaus und kaufte in einem Sportartikelgeschäft einen Revolver. Dann nahm er ein Taxi zur Siebenundzwanzigsten Straße Ost, wo er gewohnt hatte, und dort in dem Zimmer, über den Tisch mit seinen Zeichensachen gelehnt, schoß er sich eine Kugel in den Kopf, genau hinter der Schläfe."

(F. Scott Fitzgerald, Anfang und Ende von "Erster Mai". 1920.)

Ex Libris | von kid37 um 13:25h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 30. April 2004


Walpurgis

Heute nacht stellen junge Burschen einen glattpolierten, mächtigen Birkenstamm vor die Türe. Junge Mädchen winden dann bunte Bänder herum. Das ist ein ganz unschuldiges Treiben und jedermann hat eine Freude daran.

Nathaniel Hawthorne erzählt in seiner Short Story "The Maypole of Merry Mount", wie im puritanischen Neuengland der Maibaum als verwerflich und lasterhaft verfemt wurde. So lustfeindlich sind wir nicht. In Berlin werden wahrscheinlich nur wieder spiritusgetränkte Bändchen in kurze Flaschenhälse gesteckt. Aber Berlin weiß einen schönen Maibaum eben nicht zu schätzen und war schon immer etwas gewalttätiger.

Ich springe heute im Kilt über das Feuer und schaue, wie am Deich die Wicca durchs Röhricht fliegen.

Homestory | von kid37 um 23:14h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Grillfest

Die Azteken, ein hochstehendes Volk mit no-nonsense-Kultur, übten harsche Bräuche. Bei gewissen religiösen Zeremonien saß man gemütlich exaltiert um ein Feuer herum, sang und lauschte den Beschwörungen der heiligen Männer. Dann, auf ein unauffälliges Zeichen des Oberpriesters hin, wurde das vorher heimlich bestimmte Opfer gepackt und überwältigt. Man schnitt ihm die Haut über den Schlüsselbeinen auf und zwängte im Feuer heißgemachte Steine hinein. Langsam arbeiteten sich die glühenden Steine im Körper des Opfer nach unten, verbrannten dabei die inneren Organe. Das Opfer starb einen langen, qualvollen Tod. Die Gruppe war gestärkt.

Soziale Spielchen sehen heutzutage natürlich ein wenig anders aus.


 


Freitag, 30. April 2004


Bluterotik

Wegküsser stehen hier Schlange. Meditation über Verletzlichkeit, Zartheit und Beschützerinstinktreflex. This should not go unattended.


 



La Gloïre

"Man gibt mir zu essen. Man gibt mir Gold. Viel Gold sogar. Ich habe jedoch nicht das Recht, es auszugeben. Niemand will mir etwas verkaufen. Ich habe ein Haus und einen Haufen Gold, und dafür muß ich die Schande des gesamten Dorfes verdauen. Sie bezahlen mich dafür, daß ich an ihrer Stelle eine schlechtes Gewissen habe. Für alles, was sie Böses oder Gottloses tun. Für all ihre Laster. Für all ihre Verbrechen. Ihren Alteleutemarkt. Die Tierquälerei. Die Lehrlinge. Und den ganzen Abfall."

(Boris Vian. Der Herzausreißer. 1953.)