Donnerstag, 27. Mai 2004
Wie ich gerade in Spiegel Online lese, ist in London die berühmte "BritArt"-Kunstsammlung von Charles Saatchi verbrannt.
Unter den zerstörten Arbeiten sollen auch weltbekannte Werke von Avantgarde-Künstlern wie Tracey Emin, Damien Hirst, Sarah Lucas und den Brüdern Jake und Dinos Chapman sein.
Wahnsinn. Ich habe einige dieser Werke noch in Berlin ("Sensation") und Hamburg sehen können, darunter Damien Hirsts Haifisch und das Zelt von Tracey Emin ("Everyone I have ever slept with"), das für mich zu den eindruckvollsten und emotional berührendsten Kunstwerken der letzten Jahre zählte.
Zum Bericht in der Netzeitung, die den Titel von Tracey Emins Installation allerdings reichlich mißverständlich wiedergeben.
Dienstag, 25. Mai 2004
Look what your love has done to me
Come on baby set me free
You just keep on pushing my love over the borderline
You cause me so much pain, I think I'm going insane
What does it take to make you see?
You just keep on pushing my love over the borderline
(Madonna, "Borderline")
Fast jeder weiß, daß oftmals die genauesten, treffendsten Beobachtungen und Lebensweisheiten nicht bei den tiefsinnigsten Geistern, sondern in den unscheinbaren und unprätentiösen Formen des Volkslieds, der Bauernregel, der Redewendung zu finden ist. Im Schlager erkennen wir die Welt, und sei es nur unsere eigene, kleine innere.
Die Transzendentalisten sagten, verschwende deine Zeit nicht mit Büchern, sei kein Bücherwurm, der an den Gedanken kaut, die andere vor ihm gedacht haben. "Books are for the scholars idle times". (Und diese Zeiten kommen auch.) Geh hinaus in die Natur, erkenne Gott dort, wo er sich offenbart, in der Natur nämlich, in den kleinen Dingen.
Als deutsche Übersetzung einiger der wichtigsten Essays von Ralph Waldo Emerson besitze ich seit einiger Zeit eine Ausgabe von, laut Widmung, ca. 1917.
Ein kleines Signet rät: "Arbeiten und nicht verzweifeln". Das gefällt. "Be of use", heißt es bei diesen sehr pragmatischen, sehr amerikanischen Philosophen. Immer weitermachen.
"Die Sonne segnet die Welt", heißt der Band [sic! Ha! Synchronizität!] und trägt das Motto: "Was wir lieben, haben wir. Aber durch Begehren rauben wir uns selbst der Liebe."
"I don't want to be your prisoner, so baby won't you set me free", heißt es in dem kleinen Schlager der amerikanischen Sängerin Madonna. Borderline.
Das Begehren bleibt. Und das raubt alles. Wie nutzlos.
"... mit der Plötzlichkeit eines unter dem Fuß knackenden Zweiges."
(T. C. Boyle. América. 1995)
Aber heute geht es aufwärts.
(siehe auch hier.)
Sonntag, 23. Mai 2004
Herr AxelK hat sich eine hübsche neue Idee bei Interieur ausgedacht:
Zeig mir deinen, ich zeig dir meinen.
Samstag, 22. Mai 2004
... you shouldn't have fallen in love with? (Buzzcocks)
You spurn my natural emotions
You make me feel like dirt
And I’m hurt
And if I start a commotion
I run the risk of losing you
And that’s worse
(The Buzzcocks, "Ever Fallen in Love". 1978.)
Tagsüber, wenn die Köche keine Zeit haben, weil sie auf dem Markt die Zutaten fürs abendliche Menü besorgen müssen, lustwandeln ihre Geliebten auf den Flohmärkten dieser Stadt. Sie zeigen dann eine sorglose, nonchalante Attitüde, sagen freundlich "Hallo" und demonstrieren, wie normal, ausgeglichen und gleichgültig alles geworden ist.
Doch, malheureusement, ist nichts normal, ausgeglichen und gleichgültig. Ich war schon immer hartnäckig. Zum Beispiel vier Jahre lang. Nach endlosen Demütigungen wurden mir am Ende die Sachen im Morgengrauen vor die Füße geworfen.
Was heißt da nun "Hallo"?
Auf dem Flohmarkt gab es heute vieles. Pardon war nicht dabei.
Und jetzt bitte für Herrn Kid die alten Buzzcocks-Platten rausgekramt, alle Regler auf 10 und wie ein Gummiball durch die Luft hüpfen.
Und alles niederreißen. Danke.
I can’t see much of a future
Unless we find out what’s to blame
What a shame
And we won’t be together much longer
Unless we realize that we are the same
Ever fallen in love with someone
Ever fallen in love
In love with someone ...
You shouldn’t’ve fallen in love with
Samstag, 22. Mai 2004
Vorletzten Sommer kam Lindy, eine dreizehnjährige Freundin von uns, außer Atem zum Haus gelaufen: ein kleines Mädchen war am Ertrinken, draußen, vor dem großen Strand. Lindy wußte, daß wir schwimmen konnten, und außerdem war Yvonne einmal Rettungsschwimmerin gewesen. Also rannten wir hinunter: es war zu spät. Das Ufer war gedrängt voll von Zuschauern, die nonchalant darauf warteten, daß etwas "auftauchte". Im Wasser war ein Mann, der nach dem Körperchen suchte.
"Wer ist es?"
"Some kid."
(Tomi Ungerer. Heute hier, morgen fort. Zürich, 1983.)
Donnerstag, 20. Mai 2004
Eines der wenigen Kunstwerke, die mich auf der documenta 11 beeindruckt haben, war die Installation "Homebound" von Mona Hatoum. Es handelt sich dabei um eine Art elektrisches Zimmer, bei dem ein Ensemble aus Küchenutensilien, Stühlen, Kinderspielzeug, Betten, Lampen und Metallsofas mit Drähten verbunden ist und einen Stromkreis bildet. In Intervallen fließt eine "Stromwelle" durch die Anordnung, erhellt nach und nach die Glühbirnen und verebbt. Begleitet wird dies akustisch durch einen an- und abschwellenden, tiefen Brummton, ähnlich dem Gebrizzel am Transformator eines Weidezauns.
Kurz vor Ende habe ich mir heute mal die Ausstellung von Mona Hatoum in der Hamburger Kunsthalle gegönnt. Erneut blieb das elektrische Zimmer eines der wenigen Werke, die mich beeindrucken konnten. Auch wenn ich für Objekte wie einen Rollstuhl aus Edelstahl und Krücken aus Gummi durchaus ein Herz habe.
Nett war allerdings der überdimensionierte Sandrechen, der sich in einem kreisförmigen Sandbecken unablässig dreht und mit der einen Seite feine Linien produziert, die seine andere Hälfte gleich wieder verwischt. Hier stelle ich mir eine Verwendung als angewandte Kunst vor. So ein kleiner batteriebetriebener Zen-Garten für den Wohnzimmertisch macht doch was her und beruhigt bestimmt ungemein.
Mona Hatoum: Over My Dead Body, 26.3. - 31.5.2004, Hamburger Kunsthalle.
Mittwoch, 19. Mai 2004
Der Wiener Wurstlprater ist weltberühmt. Das Riesenrad gehört sogar zu den Wahrzeichen der Donaumetropole. 1897 gebaut, besitzt das 65 m hohe Rad seit einem Brand im Jahre 1945 nur noch 15 der ehemals 30 Waggons.
Die Wiesen, Gebüsche und Wälder gelten seit jeher als beliebte Verstecke für Liebespaare; die vielen Wege durchs Grün haben daran bis heute nichts geändert.
Mit Frau Sonne verabredete ich mich folglich an einer Bank unter dem Riesenrad. Ich kam etwas spät, geriet ich doch fast in eine Auseinandersetzung der verfeindeten Banden von Messer-Kratowil und dem fiesen Bratic, zwei Gangs, die vor allem des Nachts den Vergnügungspark unsicher machen. Zum Glück wartete Frau Sonne geduldig auf ihrer Parkbank. Zum Glück hatte ich meine Taschenzither dabei und spielte Poison Ivy zur Wiedergutmachung erst einmal das Harry-Lime-Thema vor. Bei dieser Melodie wird bekanntlich jedes Wiener Herzerl schwach, und so wunderte es mich nicht, daß unser nächstes Ziel Sibilla, die Wahrsagerin war.
Für geringe Münze ließen wir uns die Zukunft vorhersagen. Kurz gesagt: Diese sieht strahlend aus.
Normalerweise hätte ich nun einen Strauß voll Rosen an der nächsten Bude geschossen oder zwei, drei Lebkuchenherzen verschenkt. Aber Bratic und Messer-Kratowil wären sicher aufmerksam geworden. An der Seite von Frau Sonne fühlte ich mich sicher. Sie regte sogar an, mich beim Armdrücken besiegen zu wollen. Dabei trug sie noch nicht einmal ihren gelben Trainingsanzug.