Freitag, 28. Dezember 2007


2007, du herzlose Ische



Daraus ließe sich glatt ein Kunstgewerbe gestalten. Die Mantik der eMail-Betreffzeilen erspart nämlich das umständliche Lesen in Vogelgedärm. Das aktuelle Beispiel ist da geradezu sinnbildlich: Viel Arbeit, kein Picknick, immerhin etwas Kunst. Die ganzen wortreichen Spam-Mails mit ihren güldenen Versprechungen nicht eingerechnet.

Man sollte nicht warten, daß Brosamen von der Tafel der anderen fallen. Man sollte sich lieber eine Stulle schmieren. Sich selbst der wichtigste Mensch werden. Ganz genau. Keine lauwarmen Wechsel auf die Zukunft, lieber den Abschlag nehmen und ein kleines bißchen Gegenwart. Also 2008, wenn du Lust hast, was mit mir zu unternehmen, dann schau doch ruhig vorbei.


 


Sonntag, 23. Dezember 2007


Ohne Mütze, ohne Flügel



So, ihr Herzensguten. Bald ist es geschafft, die ein oder andere Geflügelöffnung wird bereits gefüllt, der ein oder andere Weihnachtsgast bereits abgefüllt und der ein oder andere Neugierige die Geschenke bereits vorgefühlt haben - Heiligabend steht vor der Tür. Anlaß also, wie in biblischen Zeiten eine Reise zu unternehmen und um Herberge zu bitten. Mutter, werde ich sagen: Horch, ein Kid ist gekommen!

Die Stippvisite wird kurz, aber mit eiskalten Salaten und Astro-TV in lauter kulinarische und kulturelle Höhepunkte verpackt sein. Soll es allen Lesern Menschen ebenso, ach was, besser sogar ergehen. Fröhlich möchte ich nicht sagen, aber besinnliche, friedliche Weihnachten also, ein Dankfest zum Ende eines für die meisten selten leichten Jahres.

Auch das eine schöne Bescherung: An Heiligabend, das ist kein Zufall, besteht dieses Blog vier Jahre. So hat es damals angefangen, hat diese und jene Wende & Volte geschlagen, knapp 1200 Beiträge und noch ein paar mehr Kommentare ertragen und heute exakt 400.000 Besucher und ich kenne jeden einzelnen. Menschen habe ich kennengelernt, die ich sonst wohl nie getroffen hätte - und darunter sind einige, die ich nicht mehr missen wollte, sei es virtuell oder im ganz realen Leben. Viele waren sehr freundlich zu mir, einige auch nicht so, zu manchen war auch ich nicht sehr freundlich und bei ein oder zwei bedaure ich das sogar. Aber an diesen Tagen wird ja alles wieder gut. Konzern-Manager handeln "wie ehrbare Kaufleute", wie es im Radio hieß, Menschen, die privat von "die doofen Blogger" sprachen, suchen nun das glitzernde Licht großer Blogger-Veranstaltungen und leben richtig auf. Niemand findet das wundersamer als ich, aber Nähe, und das merkt euch, ist nicht nur in der Adventszeit ein Zauberwort. Nicht so viel reden, es heißt die stille Zeit. Da sein.

Also: Macht was draus, seid nett zueinander und wenn ihr wen gefunden habt, haltet ihn oder sie gut fest. Ist glatt draußen.

Frohe Weihnachten.


 


Donnerstag, 20. Dezember 2007


Alle Herzen glitzern wie Gold

Free Graphic by Colleen FryRock'n'Roll war früher... anders. Heute, im Heim von Glaube, Liebe, Hoffnung, ist Rock'n'Roll, wenn einem die Ärztin das Rezept per Post zuschickt, nachdem man seine Wünsche auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hat. Es klang zwar nicht nach einem kehlig gesprochenen He, Babe, ich brauche meinen Stoff, aber irgendetwas anderes in meiner Stimme muß sie berührt haben. So ließ sie mich nicht vor einem schnell hingeschmierten Urlaubsschild an der Praxistür auflaufen, gellte auch nicht telefonisch zurück: Min Jong, beweg' dich gefälligst her, wenn du was von mir willst. Nein, sie gab das größte Geschenk, sie dachte mit! Herrlich, wenn man nicht jede Gefälligkeit einklagen muß. Bei so viel Glück, möchte ich meinen, packen die es mir in der Apotheke noch in Glitzerfolie ein, wenn ich dort anrufe. Vielleicht könnte ich neben der anderen Arbeit noch eine Telefonsexnummer betreiben, angesichts der offensichtlichen Magie derzeit in meiner Stimme. Nun gut, das ist ein altmodischer Gedanke.

In der hermetischen Seemannskneipe saß ich einst in tiefem Gedanken. Mir war so Schiff ahoi zu Mute, wie lange nicht mehr. Wegen Aussatz über Bord geworfen wie ein Eimer voll Bilgewasser, hockte ich nun bei Schäbig & Tochter, malte mit dem Finger obszöne Figuren in die Bierlache auf dem Tresen und gab dem Simpel, der mit Eimer und Wischmop Reste, Gäste und Geziefer zusammenkehrte, fünfzig Pfennige für die Jukebox. "Spiel das Nebellied für mich", rief ich, schon ein wenig angetrunken. Langsam, viel zu langsam schlurfte "He du!", wie er genannt wurde, zum Plattenautomaten und drückte K37. Mit noch ächzenderen Bewegungen als ich meine Zeichungen in die Lachen wischte, setzte sich der Plastikarm in Bewegung, das Plattenkarussell wanderte herum und mit einem leisem Plopp fiel die schwarze Scheibe herab. Es knisterte und knackte, so sehr hatten klebrige Alkoholschwaden und heftiges Gerumpel an der Maschine in Folge des ein oder anderen entgleisten Kneipen-Shimmys oder Wirtshaus-Shakes dem Vinyl zu schaffen gemacht. Eine wehmütig gezupfte Gitarre setzte ein, dann die Stimme von Marina, ein Mädchen wie Zimt und Vanille. Sie beschrieb die Nacht am Kai und behauptete, immer warten zu wollen, auch wenn sie das Schiff im dichten Nebel nicht sehen könne. Ach, wie sehr und wie gerne hatte ich diesen Worten einst geglaubt! In den einsamen Tagen, in den stürmischen Tagen, war der Sirenengesang des Nebellieds oft das einzige, was mich sprichwörtlich über Wasser hielt. All die schönen Worte, die vielen Beschwörungen! Wie Glitzer senkten sie sich auf die Wellen herab, verzauberten die Schaumkronen und hüllten Schiff und Masten ein.

Die dreckigsten Witze und derbsten Späße an Bord verstummten, wenn ich auf meinem Reisegrammophon das Nebellied spielte, und selbst Hein Pöök, unser grober Smutje, der handfest war und kein Träumer, wischte sich in der Kombüse die ein oder andere Träne am Zipfel seiner speckigen Schürze ab. Marina, du Traum von Zimt und Vanille! Damals, in Montevideo, ließ ich mir ein Herz mit deinen Namen darin auf den Oberarm tätowieren. Die Besatzung johlte, schalt mich einen Narren und fortan konnte ich das Nebellied nicht spielen, ohne daß zotige Bemerkungen hin- und herflogen, die an deiner Ehre rührten, Marina. Kurz vor Gibraltar warf ich die Schallplatte und das Grammophon über Bord.

Als wir im Heimathafen einliefen, herrschte schönster Sonnenschein. Wir hatten uns landfein gemacht, die blankpolierten Knöpfe unserer Jacken glänzten im Licht, und heller strahlte nur unser Lachen. Wir wurden alle am Kai erwartet, mit Blumen, Kuchen und glitzernden Herzen. Alle, bis auf Hein Pöök und ich. Gedankenverloren rieb ich meinen Oberarm, meinte ich doch, ein leichtes Ziehen dort zu verspüren, wo das tätowierte Herz war. Dann landete krachend eine Hand in meinem Kreuz. "Hier, min Jong", rief Pöök, feist lachend wie stets. "Ich hab noch einen schönen Rest für dich, das macht satt, da hast du was." Und er reichte mir ein trockenes Stück Käse, das die weite Reise mit uns übers Meer gemacht hatte. Und dazu einen alten Kanten Brot. Etwas Glitzerstaub lag auf der Kruste. Ich blies ihn fort, sehr vorsichtig und biß einfach ab.


 


Dienstag, 11. Dezember 2007


Und sonst?



Ich bin mir nie sicher, wie andere Menschen ihren Sonntagnachmittag verbringen. Ich jedenfalls setze mich dann an meinen schmalen Tisch, hole mir Schere und Kleber und die ganzen famosen Produktinformationen, die mir der freundliche mindestlohnbezahlte Mann von der Post in meinen Briefkasten steckt - und dann schneide ich akribisch die interessanten Angebote der Woche aus, um sie noch akribischer und mit einer gewissen interessierten Zärtlichkeit in mein Wochenplanbuch zu kleben.

Was dachtet ihr denn?

Es liegt darin eine meditative Ruhe, ein inneres harmonisches Schwingen, dem sich das Oszillieren der Preise und die Buntheit der Schweinebäuche unterordnet. Ich atme Angebote könnte man sagen, der Ort Supermarkt wird mir zum Lichtspielhaus, zum Haus der Träume, ein Orgienpalast des Alters. Ab Montag dann warten nicht nur Stangenspargel und Herren-Stringtangas aus Elasthan auf mich, Harzer Wurstwaren (29 Prozent runter) und Fusel ohne Alkohl (20 Cts. gespart), auch der Wahnsinn (gleich 15-teilig) und die "Tafelschokolade" (passend zu Tafelwasser und Tafelwein) sind echte Verlockungen, für die man ruhig auch mal eine Stunde früher beim Geschäft sein sollte. Wer weiß. Jahreszeitlich im Trend, wenn auch historisch irreführend ist vielleicht die "Weihnachtskrippe Villa" (14,99 €). Aber warum soll das Jesuskind dieses Jahr nicht einmal in einem schicken Nobelheim statt in einem kargen Stall liegen? Vielleicht hat der Josef, sonst hatte er ja nicht übermäßig viel zu tun, unterwegs Lotto gespielt und konnte es sich leisten. Oder es wurde ihm eine stattliche Herdprämie gewährt, weil er zunächst zu Hause blieb. Nächstes Jahr heißt es möglicherweise bereits "Weihnachtskrippe Prinzenpalais", wenn das mit dem Aufschwung so ungebremst weitergeht. Dann erhalten auch Zimmermänner den Mindestlohn.


 


Donnerstag, 6. Dezember 2007


Rotmützenalarm

Weder brav noch böse, dieses Jahr bin ich gar nicht gewesen. Deshalb stand kein Jakobiner vor der Tür (alter Studentenbewegungswitz) und noch nicht einmal ein Nikolaus. Den gab es immerhin in der Fabrik. Sehr gerührt gewesen, hätte nur noch gefehlt, daß ein kleiner Posaunenchor unten im Hof "Nun danket alle Gott" gespielt hätte. Derweil möchte meine Mutter wissen, ob ich etwas zu Weihnachten geschenkt haben möchte und verwies auf die tollen Angebote eines großen Kaffeerösters.

Beim Blättern fiel mir ein Hilfsmittel ins Auge, bei dem ich mich sofort fragte, wie ich bislang ohne es auskommen konnte: das elektrische Krawattenkarussell - sogar mit Beleuchtung (aber ebenfalls ohne Musik). Lieber hätte ich deshalb das Karaoke-Einstiegsset mit sogenannter Party-DVD. Wie ich hörte, soll das Menschen Freude machen. Zusammen mit meiner noch zu erwerbenden trübselig wild blinkenden Heimlichtorgel, werde ich 2008 der coolste Typ Hamburgs sein. Ach was, Hamburg. Man muß in größeren Dimensionen denken! Ich jedenfalls lade mich dann ein.


 


Mittwoch, 5. Dezember 2007


Aus den Augen

They come - and they go
It's a passing of time

(Siouxsie and the Banshees, "Monitor". 1981.)

Menschenkino, ein steter Fluß von Reizen mit wechselndem Programm.

Ich glaube, ich muß mich gleich übergeben.


 


Dienstag, 4. Dezember 2007


Toll, toll, toll

Während ich soeben mit zittriger Hand eine weitere steuerschuldnerische Überweisung für das Finanzamt unterschrieben habe, die aus meinem zunehmend wehleidiger werdenden Konto eine wässrige Neige gleich dem Grund einer Packung Speisequark machen wird, lese ich frohe Kunde:

Wie die Sterndeuter orakeln, steht mir neues Geld ins Haus! (Nicht vergessen, gleich unbedingt mit meinen supergeheimen Gewinnzahlen zur Lotteriebude zu gehen!) Und mehr noch: You may start a blog, heißt es da. Klingt das nicht wunderbar? 2008 werde ich auch endlich wieder verreisen (zwei Ziele winkten mir die Tage bereits wie lockende Hula-Tänzerinnen verführerisch zu), was erleben, einen Großbildfernseher kaufen und mein Bruder wird mir vielleicht bei der Badrenovierung helfen. Oder mich einfach mal besuchen. Überhaupt wird mein neues kanariengelbes Sakko mir ein völlig unbekanntes Leben bescheren: If you've ever felt invisible at parties or other gatherings, you certainly won't feel that way now. Toll, toll, toll.

Die Sache mit der erforderlichen neuen Frisur gibt mir noch zu denken, aber davon war ja neulich - das kann kein Zufall sein! - schon die Rede. Am 23. steht eine spannende weite Reise ins Blaue ins Haus, da werde ich also gespannt sein, wie sehr sich Wuppertal verändert haben wird. Und es stimmt, rund um die Weihnachtszeit, jetzt bin ich aber verblüfft, werde ich wohl meinen Bruder sehen. Und da ich innerhalb der angesprochenen fünf Tage um den 24. Oktober Geburtstag habe, kann ich ihn offenbar ruhig auf diese Badezimmergeschichte ansprechen.

Danach dann - denn es heißt: If you are a writer, you may learn to be a television personality - bereite ich vielleicht eine eigene TV-Show vor. Gestern hörte ich eine Nachtigall las ich, Matussek sei nicht mehr Kulturchef beim Spiegel. Alles klar.


 


Sonntag, 2. Dezember 2007


Tanzen, bis die Luft weg ist



Bei den interessanten Dingen muß man drängeln, sich balgen, laut aufzeigen, mit den Fingern (beweglich) schnipsen. Es ist ein Kreuz. Vielleicht wäre es besser, ich versuchte etwas aus der Mode geratenes zu ergattern, eine Lichtorgel zum Beispiel, wie sie in den 70ern die Cooleren meiner Klassenkameraden aus der Siebten besaßen. Die konnten die Vorhänge ihrer Kinderzimmer zuziehen und drei trübselige Lichter wie eine irregeleitete Ampel flackern lassen, während aus den kleinen kunststoffverstärkten Lautsprechern ihrer Kompaktanlagen Partyhits wie "Lady Bump" oder "Popcorn" quäkten. Heiße Sache. Ein Freund hatte sowas. Eines nachmittags ließ er mich lange seine Partyhits hören, während er unter dem Vorwand, eine Besorgung machen zu müssen, die Wohnung verließ. Irgendwann kehrte er zurück, und wir diskutierten noch ein wenig über die Qualitäten eines Stücks wie "Popcorn". Als ich ging, zu spät vielleicht, hatte jemand die Luft aus meinem im Hausflur abgestellten Fahrrad gelassen. Er war sehr empört über die Heimtücke der Nachbarn. Ich sah, daß ich meine Luftpumpe vergessen hatte. Helfen konnte er nicht, denn er fuhr ein schickes neues Rennrad mit Blitzventilen*. Seine Pumpe paßte nicht an die schäbigen altmodischen Dinger meines noch viel schäbigeren Rades.

Erst Jahre später, nennt mich ruhig naiv, die Freundschaft war längst erloschen, begriff ich in einer sentimentalen Stunde, als ich alte Erinnerungsfetzen in meinem Kopf sortierte, wer wirklich, großes Drama, die Luft aus meinen Reifen gelassen hatte. Rückblickend fand ich, er hätte mir auch anders mitteilen können, wie blöd er mich fand. Nun gut, er trägt heute Schnäuzer und arbeitet bei der Sparkasse; es sortiert sich im Leben eben alles zurecht.

Jedenfalls, dachte ich, vielleicht sollte ich jetzt die fehlende Coolness von damals nachholen und mir eine Lichtorgel ersteigern. Dann könnte ich die Fenster verdunkeln und in meiner Wohnung für mich ein wenig tanzen, ganz so, als sei alles unbeschwert. Zuerst vielleicht Monster Magnet, "Monolithic", danach dann aber gleich Moloko Familiar Feeling.


 


Samstag, 1. Dezember 2007


Der Grill und die Ameise

Heute habe ich das letzte Grillgut entsorgt. Ich glaube, das wird dieses Jahr nichts mehr. Das halbe Dutzend Gammelwürstchen balgte sich in meinem kleinen ***-Fach nur noch mit dem eingefrorenen Filmmaterial um den Platz und wie so oft im Leben hieß es, einer muß nun gehen. In diesem Fall waren es die armen Würstchen.

Seltsam und ungewöhnlich (Herr Kid, Sie sind so ungewöhnlich!) genug für mich, solche Dinge überhaupt zu besitzen, fand ich. Letztes Jahr war ich allerdings während der Fußball-WM irgendwo zum Spiel-schauen-und-Grillen eingeladen ("Kommste einfach nach der Arbeit vorbei"), stellte aber, sozial unbeholfen wie ich bin, erst vor Ort fest, daß für mich gar keine Wurst vorgesehen war. Das Bier mußte man sich eh im Büdchen nebenan holen, das war ok, aber zu Essen gab es nichts. Die Einladende bot mir an, kurz mal bei ihr (also bei ihrem Würstchen) abzubeißen, bzw. ihren Brötchenrest zu essen, was zwar lecker, aber auch irgendwie demütigend war und zudem den Hunger nicht stillte. Normalerweise wäre dies ein Zeitpunkt gewesen, mit überraschtem Blick aufs nackte Handgelenk zu starren und zu rufen "Oh, so spät haben wir schon! Na, da muß ich aber!", um sich dann, ohne einen allzugroßen sozialen Scherbenhaufen zu hinterlassen, heimlich zum nächsten Dönergeschäft zu begeben.

Aber nun wollte ich ja das Spiel sehen, das die deutsche Märchenmannschaft, wenn wundert das jetzt noch, als einziges verlor. Immerhin waren die anderen satt, und ich schwor, das alte Pfadfinderwort "Be prepared!" nicht noch einmal zu mißachten. Seitdem trage ich immer ein Würstchen in der Tasche mit mir herum, man weiß ja nie.

Es kam aber nie dazu, es auch irgendwo auf ein gut vorgeglühtes, zu allem bereites, hitziges Rost zu werfen, weshalb ich dann dieses Jahr (wir schreiten in der Erzählung voran) beschloß, Achtung, selbst einen Grill anzuschaffen. Denn ich dachte, das klingt doch lustig, da kann man in den Park gehen wie so viele und vielleicht kommt ja jemand mit, wenn Zeit ist oder so, dann muß ich das nicht alleine tun. Das war eine super Idee, denn kaum hatte ich Gerät und Holzkohle (Buche, extra) eingelagert, war es vorbei mit dem Sommer, also Ende Mai oder so. Falls sich jemand gefragt hat, ja, ich war's. Ich habe ihn auf dem Gewissen, den Sommer dieses Jahr.

Man soll eben bei seinen Leisten bleiben und nicht im vorgerückten Alter plötzlich wunderlich werden und Dinge tun, die man nicht beherrscht. Wieviele ältere Herrschaften brechen sich die Knochen, weil sie unbedingt noch Motorrad fahren oder einen Hengst reiten oder im Gebirge herumkraxeln wollen, während sie ihr Leben zuvor auf dem Bürostuhl verbracht haben. Wer weiß, welch häßlicher Grillunfall mir erspart blieb. Und den Würstchen erst.


 


Mittwoch, 28. November 2007


Glück zu Stroh spinnen

Derzeit geht es mir wie der rothaarigen Tochter von Klaus Dunst. Während ich hin- und hergeschleudert werde, derweil mir ein dicker Kerl Sand ins Getriebe streuen will und böse Spinnen ihre intriganten klebrigen Netze um mich stricken, hagelt es zu allem Überfluß schlechte Kritiken. Heute morgen erst mal den Chef rundgemacht, der eine Gußform, an der ich gestern abend noch lange rumgeschmirgelt habe, einfach in den Mülleimer geworfen hat. Nachher brauchte man sie natürlich doch noch, aber ich bin dafür nicht in die Tonne gekrochen. Ich nicht. Ich bin etwas laut geworden, denn in Zeiten wie diesen muß man gleich Grenzen setzen. Jetzt sitzt er hinter geschlossenen Türen. In seinem Büro. Vielleicht stellt er gerade meine Entlassungspapiere zusammen.

Aber sollte mir solches Glück zufallen, möchte ich es lieber heute an der Lotteriebude gezogen haben. In der dichtgedrängten Menschentraube, die sich rund um den kleinen Tisch mit den Scheinen gebildet hatte, riefen sich einige Tippwillige die Zahlen nur so zu. "Dreizehn", rief eine. "Nimm die Dreizehn! Und 27!" So laut, daß ich mich kaum auf meine ausgetüftelten eigenen Zahlen konzentrieren konnte. 37 - 37 - 37 - 37 - 37 - 37, hier kann ich sie ja verraten. Solltet ihr nichts mehr von mir hören, fragt in der Karibik nach. Deckname: "Mary Jane".