Mittwoch, 13. Februar 2008


Arm, aber faltig

Wer bereits Anfang vierzig ist, der kommt auf keinen grünen Zweig mehr.

In einer der letzten Diskussionsrunden der Neigungsgruppe wurde "reich heiraten" als mögliche Lösung in die Debatte eingeführt. Meine romantische Dummheit Verklärtheit steht dem jedoch im Weg - und dazu eine gewisse düster-absinthige Unbeholfenheit den Damen gegenüber. Ich werde mich natürlich mit dem Schreiben meiner Memoiren und von Selbsthilferatgebern über Wasser halten können - oder vielleicht auch eine Burlesque-Show für Ältere leiten. Aber was sollen all die anderen machen. Immerhin: Wir werden viele sein. Verdammt viele.


 


Dienstag, 12. Februar 2008


Immer noch ich

Ich hatte Glück und so viel Pech.
Doch im Aufrechnen war ich immer schlecht.

(Bernadette Hengst, "Immer noch ich". 2002).


Es ist doch so. Dieses schöne Gefühl dann auf einmal wieder, wenn man etwas bastelt, muß nicht spektakulär sein. Wie plötzlich der Boden, der karge, harte, übersät ist mit buntem Papier, Fitzeln und Resten. Wie man Kleber an den Händen hat, die Reste zusammenpfriemelt und von den Fingerspitzen pult.
Wie man nämlich etwas tut.

Wie man baut oder träumt, muß ja nicht spektakulär sein. Gestohlene Tage und gemeinsame Zeit. Ein Lächeln, ein Blick. Keine Langeweile. "Jetzt ist danach, und es fühlt sich an, als klebte ich immer noch daran", singt die Hengst, die ihr Album in verschiedenen Städten aufnahm. Und erst jetzt erkenne ich die Fotos im Booklet. "Mit Gott im Etap Hotel" (Hengst). Doch die Reise geht weiter, immer weiter, weiter lernen, weitermachen.

Ich kann mein Herz spüren, das ist die gute Nachricht.

Wo nichts zurückkommt, geht man nicht hin. Man schafft sich neue Träume. Erkennt die wahren Geschenke und geht auf Reisen. Manchester, zum Beispiel, sieht gut aus. Sich selbst annehmen und immer wieder geben.


 


Montag, 11. Februar 2008


Neigungsgruppe Trümmer und Krank



Ein wenig geht es zu wie im Film "The Great Rock'n'Roll Swindle". Lektion 1: Etabliere den Namen. So hat die Neigungsgruppe Kummer & Trunk mittlerweile nicht nur Resonanz in Blogs gefunden. Ganz neu hat auch die Hamburger Kunstszene Begriff und Vorstellung entwickelt, nachdem eine hochkarätig besetzte Abordnung (beide Mitglieder) am Samstag bei Feinkunst Krüger vorbeischaute, um die Ausstellung von Derek Hess zu würdigen.

Schöne Sache, schöner Abend, die Anwesenden, darunter der Künstler, waren zurecht gut gelaunt, das Ideenbild (Spleen & Idéal) der Neigungsgruppe verbreitete sich zudem wie ein Lauffeuer. Um dem Statutenwerk genüge zu tun, drängte es uns aber bald wieder zu Schnaps und Filmprogramm. Das Ergebnis zeigt, es besteht eine formelhafte Korrelation zwischen der Induzierung höher drehender Spirituosen, der zur Verfügung stehenden Zeit und der daraus resultierenden Wirkung (Koeff. %/t/W). Da der Abend zum Morgengrauen hin nun kürzer war als andere, die Flaschengröße aber dieselbe, ist der im Volksmund sogenannte "Kopffaktor" um x ASS-500 höher als beim gestreckten Konsum ("mäßig aber regelmäßig").

Um es kurz zu fassen: Man kann sich tatsächlich hauseigenen Kummer machen, befolgt man die einstudierten Rituale von Kummer & Trunk allzu schablonenhaft. Man muß eben auch mal spontan festgefügte Strukturen überdenken können. Nächstes Mal dann Filmkunst und Kamillentee.


 


Donnerstag, 31. Januar 2008


Von den schönen Dingen

Sie legt die Handschuhe auf die kleine Kommode in der Diele. Sie sind rot, aus dünnem Leder. Ich nehme sie in die Hand, die zarte Haut, vorsichtig, und denke daran, wie genau, wie geschmeidig, sie über ihre schmalen Hände passen.

Die Eleganz, die in den Dingen wohnt. Die Eleganz der Stille auch. Die Eleganz, die nicht im Krawall der Worte, sondern in der Anwesenheit liegt. Menschen, die nicht reden müssen. Menschen, die einfach da sind. Weil sie wissen, wann man sie braucht.


 


Donnerstag, 24. Januar 2008


Licht aus



Wir gehen jetzt erstmal einen Trinken, schlägt sie vor, verläßlich patent, und wer bin ich, da zu widersprechen. Es gibt so Tage. Und so trinken wir beim Italiener einen Wodka, ein Bier, einen Grappa... Ich versuche, etwas zu essen, muß ja auch mal sein, während sie mir meinen Notizkalender mit Terminen volldiktiert. Tanzen? Tanzen ist super, sage ich und merke, wie ich das die letzten Jahre vermißt habe. Konzerte noch und laut sein und Menschen. Geht doch, denke ich.

Pläne machen. Nicht ganz leicht, wenn man merkt, wie etwas zu Ende geht. Vielleicht seit März letzten Jahres, als sich die Dinge veränderten. Als ich merkte, wie die Nähe schwand und das Bemühen. Wie ich anfing, später, mit dem ganzen Blut im Supermarkt, über Dinge anders zu denken. Der Rückzug, die Wut, die Enttäuschung. Überhaupt, diese Enttäuschung.

Dennoch: Was war, was wir hatten, das war gut.

In deinem Alter würde ich keine Kinder mehr machen, sagt mein Vater, der meinen Bruder zeugte, als er noch mal zwei Jahre älter war, als ich jetzt bin. Das ist das Gefährliche daran, die Eltern zu fragen. Sie projizieren ihr Leben und ihre unerfüllten Träume auf einen, in dem sie die jüngere Kopie ihrer selbst zu erkennen glauben. Wenn ich noch mal so jung wäre wie du, setzt er fort und entwickelt Ideen von weißen Bademänteln und einem Penthouse und gut gekühlten Champagnerflaschen. Im Grunde aber, das weiß ich doch, würde er wieder genau das tun, was er getan hat. Will ich hoffen, denn sonst wäre ich nicht da.

Naughty James, erzähle ich ihr, den seine Freundin und Muse verließ, schrieb in seinem Blog, er wolle jetzt in den Irak. "Dienen". Vielleicht, schlage ich vor, sollte ich auch zur Fremdenlegion. Wir lachen und stoßen noch einmal an, auf meine heroische Zukunft.

Beim Italiener herrscht teilweise Stromausfall. Die Lampe über unserem Tisch ist aus. Durch leichten Regen geht es durch die Nacht. Zu Hause, kurz vor Mitternacht, erreicht mich eine weitere Nachricht. Ein weiterer Abschied, und ich weiß nicht, welcher schlimmer ist.


 


Mittwoch, 23. Januar 2008


Es gibt Licht. Ist aber nur ein trügerischer Mond

Die Computerstimme liest meinem Anrufbeantworter eine Textnachricht vor. Merkwürdig diese Worte zu hören, durch eine Maske, von einer tonlosen Maschine überbracht.

Ein weiteres Telefonat, das mich berührt. Auf eine merkwürdige Weise. Weil ich da irgendwann nicht mehr weiß, was ich sagen kann, als ich merke... ach, was merke ich schon. Ein Erstaunen, ein Verstehen auch, aber auch die sanftere Form von Eifersucht vielleicht, sollte mir die möglich sein. Die Angst, eine weitere Nähe zu verlieren.

Überhaupt. Dieses wiederum andere Telefonat, das so völlig entgleiste, daß man unsicher wird, über Ursache und Wirkung, Provokation und angemessene Reaktion. Vielleicht die falsche Nummer zur falschen Zeit. Vielleicht gibt es eine bessere Zeit.

Vielleicht ist es der Mond, der prall und dick über dem Wasser hängt. Die Enten sind nervös, quäken so kläglich zu mir hoch, daß ich denke, die sind ja schlimmer als ich. Und vielleicht sogar schlimmer dran. Ich winke ihnen also zu, nur noch mit Wasserglas derzeit, soweit ist es ja schon gekommen. Nur Wasser! Wie soll man da klare Gedanken fassen?

Ich lasse das Licht dann mal im Fenster stehen. Denn tatsächlich verhält es sich so: das Neue ist immer spannend. Einen anderen Wert hat aber die Beständigkeit.

(Und morgen nehme ich nochmal dieselbe U-Bahn.)


 


Samstag, 19. Januar 2008


Zwei gute Freunde



Viel zu lange vernachlässigt. Sehr unterschiedlich in Form, Funktion und Fähigkeiten. Zu zweit ein super Team.

(Merkwürdig, wie vieles sich verschiebt, wie alles wandert: Stimmungen, Gefühle, Informationen. Vergessen wird: Die wahre Show findet ohne Publikum statt.)

[Einordnen unter: Ringen um Deutungshoheit; allg. Unsicherheit; Vergewisserungswunsch; soziale Choreografie]


 


Freitag, 18. Januar 2008


Dish of the Day

Sehnsucht sollte immer gleichmäßig verteilt sein.

(Aus meinem Buch: Die Welt als fluffiges Tierbaby vorgestellt.)


 


Mittwoch, 9. Januar 2008


Was bleibt

Der beste Augenblick in deinem Leben -
Ist nicht morgen, sondern grade eben.

(Bernadette La Hengst, "Der beste Augenblick".)

Mein langjährigster Freund ist ein halbes Jahr jünger als ich, und weil unsere Mütter von Anfang an ihre Kinderwagen Seite an Seite um den Ententeich geschoben haben, kennen wir uns nicht nur ein berühmtes halbes Leben lang, sondern tatsächlich ein ganzes. Wir waren gemeinsam im Kindergarten, haben nachmittags die Western vom Sonntag nachgespielt, später auch mal Feuer gelegt und uns die Nasen blutig gehauen, erste Zigarettten gedreht, uns gestritten und wieder vertragen. Wir wohnten in derselben Straße, zwei Häuser auseinander, und verloren uns dann doch ein wenig aus den Augen, weil eine unterschiedliche Schulkarriere unsere Interessen auseinanderführte. Der Kontakt brach dennoch nicht ab, wir trugen erst seinen Vater und später meine Katze zu Grabe, tranken einen Schnaps sowohl auf den einen als auch auf den anderen, und am Ende half er mir, meine 30 Kartons in einem Kleinlaster nach Hamburg zu bringen.

Der Kontakt ist immer noch lose, und oft ist es meine Mutter, die Nachrichten und Grüße von hier nach da trägt und uns gegenseitig auf dem Laufenden hält, bis auf die Dinge, die sie besser nicht weiß. Jetzt telefonierten wir zum neuen Jahr und hielten Bilanz. Was war, was geschah, was uns wirklich bewegt. Irgendwann fiel das Wort Midlife-Krise, wir redeten über Frauen (Kummer), Kinder (keine) und kleine rote Sportwagen (komisch) und das, was das Leben noch bieten wird. Das Heute wird mir wichtiger als das Morgen, sagt er, und ich wußte nicht, wie ich ihm widersprechen sollte. Ich erwähne meinen kleinen Unfall im letzten Jahr und wie ich im Krankenhaus lag und nachdenklich wurde. Und wie das Nachdenken stärker wurde, mehr Raum einnahm und sich ausbreitete, wie eine Wasserlache, die in alle Ritzen und Windungen dringt. Überall dorthin, wo plötzlich Leerräume sind. Was bleibt, ist die Frage. Und wer? "Man will ja nicht alleine sein", sagt er und erzählt mir, wie er fast zur selben Zeit im Sommer einen Unfall mit dem Motorrad hatte. Wie ihn seine gebrochene Schulter zurückwarf, auf ihn selbst natürlich auch und auf die Gedanken, die dann kommen.

Man merkt, sage ich, daß es nicht endlos nur noch vorne geht, egal, was nun kommt. Daß es nicht bloß mehr um Neugierde und Abenteuer und das Neue geht, sondern um Beständigkeit und Verläßlichkeit und um das, was jetzt ist. Um das, was bleibt. Und wer.

Er erzählt von einem Kollegen, dessen alten Arbeitsraum er nun als Lager benutzt. Der Mann galt als aufopferungsvoll, ein Workaholic, immer für die nächsten Projekte und die Firma da. Nicht wegzudenken. Eines Tages war er tot, fiel einfach um, im besten Alter, wie man so sagt. Seine Stelle wurde nicht neu besetzt, sein Arbeitsraum blieb, wie er war. "Ich sollte alles entrümpeln", erzählt mein Freund. Und hielt am Ende zwei Kartons in den Händen, darunter Fotos vom Schreibtisch und geschäftliche Briefe, die der Kollege nicht mehr geöffnet hatte. Die Bilanz von 30 Jahren, zwei verstaubte Kartons, Strandgut eines ganzen Lebens. Tja, sage ich. Meins paßt auf eine CD.


 


Samstag, 5. Januar 2008


Walton's Mountain

Mit einem Freund telefoniert. Du klingst wieder mehr nach dir, sagt er. Nach einer langen Zeit. Ja, so wird es wohl sein. Langsam pendel ich zu mir selbst zurück, zu Plänen, Ideen und ein paar letzten Träumen. Und erst langsam wird mir klar, wie lange ich hart ruderte, in einer See, die zu rauh war für meine Bootsklasse, mit einer Mannschaft, die immer wieder meuterte. Mit einer Wettervorhersage, die immer wieder günstige Winde versprach, die dann doch nie kamen.

"Ich darf mich nicht beklagen", antworte ich. Ich darf nicht böse sein. Auf das lange Rudern nicht, auf die Mannschaft nicht und schon gar nicht auf die schwere See. Ich darf höchstens böse mit mir selber sein. Man muß wissen, wo sein Platz ist und in welche Welt man paßt.