Samstag, 7. Juli 2007
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Nur kurz, ich habe gar keine Zeit, also ganz wenig. Beim Zappen durch Jugend, Vergangenheit und ausgetretene musikalische Schuhe im Angebot der Firma Youtube, stellte ich mir erneut nur wenig boshaft meinen Hang zur Rührseligkeit unter Beweis, als mir dieser kleine Ausschnitt unterkam von den Brit Awards 2005. 50 Jahre, Freunde, und ein Leben, das ich nicht in allen Punkten im Tausch haben möchte. 1982 sah ich sie das erste Mal live, das sind auch schon 25 Jahre her, man wird ja doch ein wenig wunderlich. Und plötzlich schüttelt man Leuten die Hand, die sind halb so alt wie man selber und man merkt dann, Kinder, wie die Zeit vergeht - und schön, sich zu erinnern. Schön, zu überleben (um die Geschichte zu erzählen), schön auch, wenn der Nachwuchs höflich ist oder etwas Rührendes sagt. Respekt also, und ich meine nicht die Scissor Sisters Liz Taylor.
Zum Schluß, fürs Sentimentale, weil es damals so war, als die 80er zu Ende gingen, und zwar exakt so, mit dem letzten Schlag des Herzens und man irgendwann sowieso nur noch zurückblickt, bis in die schmuddeligen Winkel des allerersten Clubs, in dem alles begann, was für immer bleiben sollte und doch nicht konnte. Aber he, so ist das halt mit der Revolution.
Gestern sah ich bereits das erste Graffiti: Internet's not dead. Sag ich ja, Sid, abgerechnet wird eben erst zum Schluß. Bis dahin: immer weitermachen.
(Geht bald weiter.)
Donnerstag, 28. Juni 2007
Ich möchte einräumen, nie ein besonderer Fan der bei vielen wohl sehr beliebten Musikgruppe The White Stripes gewesen zu sein. Jack und Meg White, über die eine Freundin von mir einst behauptete, die sähen aus als nähmen sie es mit der Geschlechtshygiene nicht allzu genau (was ich weder bestätigen noch dementieren kann), haben in den mittlerweile zehn Jahren ihrer gemeinsamen Bandgeschichte aber, wie sagt man, das ein oder andere Ding schwer und schräg gerockt.
Das erkenne ich neidlos an, ebenso ihren cleveren, sehr cleveren, Schachzug, sich von Beginn an eine ebenso reduzierte wie einprägsame visuelle Uniform geschaffen zu haben, in dem sie das äußere Erscheinungsbild der Band konsequent in Rot, Weiß (und Schwarz) halten. Rot und Weiß, die alten Rosenkreuzer wußten um die archaische Bedeutung, knallen ebenso ins Auge wie die Musik ins Ohr, soweit also alles gut.
Aber wie gesagt, ein Fan bin ich nicht so wirklich, musikalisch ermüdet mich das leicht, wie ein einmal zu oft wiederholter Witz. Andererseits finde ich ihre neueren Videos ziemlich gut. Wo früher das ein oder andere durch Legostein-Ästhetik verdorben wurde, scheinen sie mir jetzt ihre Welt gefunden zu haben, und zu der, muß ich sagen, habe ich ebenfalls einen Schlüssel.
Blue Orchid von Floria Sigismondi war klasse, das neue Icky Thump (Regie: Jack White & The Malloys) ist ebenfalls toll. Es knüpft offenbar dort an, wo Annie Leibovitz mit ihrer Fotosession aufhörte: in der Welt der Zirkusse, Jahrmärkte, Side-Shows und Bordells und Wahrsagebuden. Rothaarige Verderberinnen Frauen, scharfe Messer und noch schärfere Getränke: Jack, Meg, kommt rein. Mit Whiskey kriegt man ja alles desinfiziert.
>>> Videos freundlicherweise von den Firmen Youtube und Spinner
Offizielle Webseite der White Stripes
Dienstag, 22. Mai 2007
Words weren't so clear,
Only echos passing through the night.
(The Greenhornes feat.
Holly Golightly, "There Is An End")
Auf zur Nachtfahrt, Lob dem Spelunkigen. Ich sage natürlich nicht, daß es zum christlichen Liederabend geht. Ein Mann und eine Frau, die so tun als seien sie aus Amerika, brav in Kleid und Anzug, schnallen ihre Gitarren um und singen Lieder wie "Jesus Don't Love Me Anymore". Den mußten wir in Norwegen zensieren, die sind da empfindlich, erzählen sie. Es ist der letzte Tag der Tour, Holly Golightly ist gut gelaunt und hält ein bissiges Schwätzchen mit ihrem Begleiter, der ein wenig aussieht wie Vincent Gallo. Dann müßte er einen Skorpion auf der Fußsohle tätowiert haben, erklärt man mir. Was wiederum zeigt, wie wenig Ahnung ich von echten Grebos Männern habe. Es handelt sich offiziell um Lawyer Dave, der im Vorprogramm ein paar eigene Songs über Gefängnisse und verdorbenes Fleisch mit lässiger Südstaatenschwüle daherjault, daß man sich in The Big Easy wähnt und am liebsten einer Ellen Barkin ein paar Rippchen brutzeln will. Feuerwasser und Klapperschlangen - und fast hätte ich mir eine Zigarette angezündet.
Überhaupt: Holly Golightlys rauchig schwingender Liederzyklus lädt mit Titeln wie "Your Love Is Mine" zu einem grobkörnigen Film ein, in dem sich sinnliche Frauen langsam entkleiden, wenn man Glück oder viel Alkohol zu Hause hat.
Vielleicht lehnen sie sich auch nur leicht, wie unabsichtlich, an der Bar neben einen und versuchen, mich für eine Religionsgemeinschaft zu gewinnen. Morgen lasse ich mir die Füße tätowieren und spiele christliche Seefahrerlieder zum Akkordeon. Morgen ziehe ich dich langsam aus. Nur die Kette mit dem silbernen Kreuz, die darfst du anbehalten.
>>> Holly Golightlys offizielle Webseite. Kauft alle Platten.
Dienstag, 1. Mai 2007
The piano mans found
Another nail for my heart.
(Squeeze, "Another Nail
For My Heart". 1980.)
Ungefähr, na sagen wir, 1980, fand ich einen Sommer lang Squeeze gut. Die hatten eine sehr poppige Mischung aus prototypischem New Wave (XTC), Beatles (was sonst), Rock(abilly) und TwoTone (Selecter et al.) öh, zusammen - öh - gemischt. Ein harmloser Spaß alles in allem - so wie ich.
Die hatten mehrere Sänger (Chorgesang!), mehrere Songschreiber (Jools Holland wurde später mit seinen TV-Sendungen noch recht bekannt) - und Texte, die für einfache Pop-dittys immer einen Tick zu sophisticated waren. "If I didn't love you - I'd hate you" war noch von der plumperen Sorte.
Einer meiner Lieblingssongs von ihnen ging über eine junge Liebe - und wie das so ist mit den Schwiegereltern. "Her father seemed to like me", hieß es dort. "I helped him fix his car". Solcherart Alltagsbeobachtungen wie in "Seperate Beds" lagen einem pubertierendem Herzen natürlich bitternahe. Gerne auch laut gehört: Take Me, I'm Yours. (Hier weht kurz der Geist von Wire durch den Song.)
Aber der Knallersong war definitiv Pullin' Mussels From the Shell, den Subtext darf sich jetzt jeder selbst zusammenreimen. Aber wenigstens einmal im Leben gehört haben sollte man es! Echt jetzt!
Zugegeben, wirklich uber-cool waren Squeeze vielleicht letzten Endes nicht. Sie sind aber im Alter ziemlich lässig geworden: Punks Not Dead und Jimi Hendrix hört man unplugged auch nicht alle Tage (und diese Version von "Voodoo Chile" muß man nun wirklich gesehen haben. Fuckin' cool!).
>>> Webseite von Glenn Tilbrook und Chris Difford bzw. Squeeze. Irgendwann 2007 soll auch der Backkatalog auf CD erscheinen.
Mittwoch, 4. April 2007
All things we love will die.
(Blonde Redhead, "23")
Das muß berichtet werden. Am 23. April erscheint in Europa das langersehnte neue Album von Blonde Redhead, eine der letzten großen 4AD-Bands, die mit einer berückenden Mischung aus Curve, Sonic Youth und Cocteau Twins Musik wie ein Rasierklinge machen, die gerade einen Unterarm streichelt. Jeder muß das kaufen. Denn ich bin gerade auf die Vorabsingle "23" gestoßen und fühle mich völlig hypnotisiert, weil es klingt, als seien die Tränen des wunderschönen Mädchens aus dem Bus zu einem herzförmigen Klumpen Vinyl gefroren - aus dem man nun Klänge entlockt, die selbst rostige Männer zum Schmelzen bringen.
Am besten, jeder kauft gleich zwei Alben und verschenkt ein Exemplar an einen völlig Fremden. Vielleicht heimlich, im Bus, mit einer kleinen Notiz daran:
Nur für dich.
>>> Webseite zum Album 23.
>>> MySpace-Seite von Blonde Redhead mit dem Stream des kompletten Albums, insbesondere der Single "23".
Tourdaten:
23. Juni Heidelberg, Karlstorbahnhof
24. Juni München, Feierwerk
25. Juni Berlin, Postbahnhof (!!!)
28. Juni Köln, Gebäude 9
Donnerstag, 22. März 2007
Vor einer Woche wurde Patti Smith in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommen, was für sich genommen auch nicht sooo weltbewegend ist, zumal mittlerweile fast eher interessant ist, wer nicht dort verewigt wurde.
Also: artiger Applaus, super, weitermachen - dann aber ein Blick auf die wie immer pathetischen und umso berührenderen Begleitworte der Grande Dame selbst. In der New York Times blickt sie zurück, wie Rock'n'Roll sie zu "einem Meer [endloser] Möglichkeiten" führte, und nach vorn, zu denen, die nun folgen, nachdem das CBGBs abgerissen wurde und eine Ära zu Ende ist: "The Internet is their CBGB. Their territory is global."
Neue Ideale, neue Torheiten. Und immer weitermachen. Bravo.
Sonntag, 28. Januar 2007
Nachdem das Monstersturmorkantief Kyrill trotz medialer Großwetterfront vielerorts™ nur als mikroklimatisches Lüftchen wahrgenommen wurde, kommt Interessierten ein grundsätzliches Protokoll des windigen Schreckens vielleicht gerade recht.
Streng nach dem Motto, es ist alles bereits gesagt, greife ich zurück ins Jahr 1984, als die geistig-moralische Wende™, deren affirmative Folgen wir heute pudelnaß ausbaden müssen, einen raffig-rauhen Wertewolkenbruch über das Land brachte. Die Tödliche Doris, eine bunte Kunstmusikantentruppe, die mir als junger Mensch das Hirn neu verdrahtete und deren Nacktauftritt mit der akkordeonspielenden Käthe Kruse mir neue Einsichten in das Leben an sich bescherte, spielte damals auf dem Potsdamer Platz den Kachelmann.
Ich schalte um zum Wetterbericht.
Nur soviel: Im Herzen bin auch ich Doris.
>>> Homepage der Doris | Wolfgang Müller, Gralshüter der Doris
Mittwoch, 24. Januar 2007
So, schiebt mal eben die Heulsusen beiseite. Das ist ja wohl arschgeil: Karl Nagel, Mann von Welt und Chaos und natürlich aus Wuppertal, hat auf seiner Webseite ein tolles Bildarchiv zusammengetragen: Punk in Deutschland. Hier z.B. Wuppertal, 1979-1982, da müßte ich auch noch Dokumente haben, aber wo, aber wo... Auf einem Bild ist Peter Best zu sehen, schräger Plattenhändler, dessen Laden so eine Art Punk-KontakthofInformationszentrum war, das praktischerweise nur einen Steinwurf von meiner Schule entfernt war. Für einen schüchternen Bengel wie mich genau das richtige! Meine erste Punk-LP kaufte ich aber bei Karl vom Kothen, denn der warb damit, "jede Platte" zu haben. Immerhin hatte der "The Scream" von den Banshees - und mehr wollte ich damals nicht.
In die Börse ging man immer ab Donnerstag, um aufzufallen, Energie zu tanken, als "Linker" auf den ebenso akribisch wie heimlich geführten Listen rechtsorganisierter Mitschüler zu landen und Träume zu entwickeln, von dem, was im Leben vielleicht so möglich ist. Wunderbare Zeit, erstes Mal Rimbaud lesen, erster Liebeskummer, Musik von heute, der ganze Mist, großartig. Elektrizität in der Luft, jeder hat eine Band oder zwei und drei Fanzines. Selbermachen.
Samstag traf sich die Stadtjugend in der Elberfelder FußgängerZone gegenüber vom Deutschen Supermarkt am "Brunnen". In den hatten andere dann schon Waschpulver reingekippt - einfach weil sie es konnten, wie es heute so schön heißt. Die Polizei sperrte die Innenstadt ab, das gefiel den Geschäftsleuten nicht, weil die Leute, die extra wegen der Punx nach Wuppertal kamen, nicht einkaufen gehen konnten. Großes Hin und Her, jede Woche dann unbestimmte Erwartungshaltung, Krawall wohl auch und Rangeleien, bei denen man beigegekleidete Zivilfahnder dabei beobachten konnte, wie sie ganz wichtig in ihr Funkgerät in der Jacke wisperten. Haha, die haben bestimmt die besten Fotos aus der Zeit! Irgendwann - davon ist auch ein Foto zu sehen - lud man ein ins Rathaus - "zum Gespräch". Wie man halt so ist im Bergischen. Lange Jahre her, unglaublich, daß damals bereits jemand Farbfotos gemacht hat. Eine spannende Erinnerungsreise in eine noch spannendere Zeit.
Ist aber auch egal. Ihr erlebt ja sicher auch was. (Zu diesem Thema sagt der Kommentar von "Loki" unter den Bildern eigentlich alles, har har.)
Freitag, 5. Januar 2007
Da muß man jetzt nicht lange reden. C'est comme ça.
Das Video stammt übrigens von Mondino, der merkwürdigerweise denselben Vornamen hat wie ein nicht komplett unumstrittener deutscher Fernsehmoderator.
Samstag, 30. Dezember 2006
60 Jahre. Gelebt, überlebt und davon berichtet. Patti Smith. Wunderbar.