Samstag, 8. Dezember 2007


Ein Glücksfall fürs Marketing

Klar ist die talentiert. Das sagen die Fans von Joe Cocker über den Mann aus Sheffield allerdings auch. Und natürlich liebt jeder "uns Amy". Schon aus Beschützerinstinkt. Sie tut schließlich niemandem weh, höchstens sich selbst. Andererseits wird es in jedem zweiten US-amerikanischen Kirchenchor eine ebenso talentierte geben. Oder hier, in Hamburg. Nur nicht ganz so schwer tätowiert und als "huch, verrucht" vermarktbar.

Ich hatte übrigens zu Weihnachten einen Pet-Shop-Boy-Remix von "Rehab" erwartet. Schon wieder so eine Enttäuschung.

Die können es schließlich. 'Cause they were never being boring. Das Lied, das die 80er beendete und für die Erinnerung öffnete. Auf die allerschönste Weise. Denn eins waren wir nie: langweilig. Und ja, manchmal denke ich, du sitzt hier neben mir. Wie wir es uns ausgemalt hatten.

Damals.

Radau | von kid37 um 00:59h | 18 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 24. November 2007


Kashmir

Heute. Um das Gefühl zu simulieren, irgendwie dazugehörig zu sein, begab ich mich unter Menschen, also Gewühl, Innenstadtfront, Kompaktschallplatten- verkaufsladen, die viele Arbeit muß ja auch lohnen. Die Hausverwaltung, die stoische, schrieb einen Brief und möchte mir etwas Geld zurücküberweisen. Betriebskostenabrechnung. Ha, es wendet sich das Blatt. Jupiter, lange vermißter Kollege, möchte bald wieder ein Bier oder zwei mit mir trinken. (Heimlich eine rauchen.) Habe ich also zwei, drei, vier Tonträger gekauft, lässig natürlich, mit Karte (alles andere ist verdächtig für die Staatsbefolgungs- behörden), zackzack. Vielleicht hätte ich gleich Lotto spielen sollen. Mit einem Jackpot von 26 Millionen nämlich, so stelle ich mir vor, könnte man viel Interessantes tun. Ein großes Haus haben, mit einem Zimmer zum Beispiel nur für Kleidermotten. Die Wände würde ich ganz mit Kaschmir ausschlagen.

So aber, man will nicht übertreiben, blieb es bei ein paar CDs. Für das kommende Frühjahr (das Eis muß ja auch mal wieder schmelzen) schon mal Fabienne Delsol, "Between You And Me", so ein bißchen La la la und Yé Yé Yé, möchte ich sehr empfehlen, mir geht sowas ja näher als all die Drogentanten, die derzeit so gehypt werden, übrigens auch in dem Kompaktschallplattenverkaufsladen, der diese Ausnüchterungsballaden für Feuilletonbeflissene über die Hausanlage wummern ließ. Jene, die auch gerne mal eine Schwertätowierte daheim haben, zwischen J.J. Cale und dem armrudernden Mann aus Sheffield. Ich meine, ich mag die schon, die kann ja auch nichts nicht so viel dafür.



Leichtfüßig dagegen die Ditties von Delsol. Wartet's ab, die ersten lauen Frühlingstage, Versprechen in der Luft, ihr erinnert euch, werden mich bestätigen. Kommentare wird es geben, Herr Kid, und Danke nochmal für den Tip, mein Freund und ich, wir sind ganz hin und weg und hören den ganzen Tag und die halbe Nacht Fabienne Delsol.

Dann habe ich etwas Lustiges unternommen. War ein Sonderangebot, aber das soll kein Grund sein. Ich habe mir erstmals Led Zeppelin gekauft! "Mothership", ganz genau. Streng genommen besitze ich irgendwo noch ein Page/Plant-Album, das ziemlich gut ist. Ich erinnere den Titel gerade nicht, aber die Fotos sind von Anton Corbijn. Jedenfalls hörte ich ein bißchen in das in jeder Hinsicht gewichtige Werk (mit einem richtigen Booklet, he!) und dachte, heilige Scheiße, was hat man, also ich, aber nicht allein, früher gegen dieses langhaarige Gitarrengewixe angekämpft! Und das mit Recht!

Andererseits bin ich nun ja entspannt und interessant ist es zudem, wenn man feststellt, wie doch die lieben Kindertage und später dann die ersten "Klassenfeten" von dieser Art Musik geprägt war (abwechselnd Klammerblues und "Whole Lotta Rosie"). Unter dem Kopfhörergerät wird schnell klar, daß man solche Musik nur mit Heroin zerschlissener Jeansjacke, in deren Brusttasche eine Haarbürste steckt, so eine mit Nadeln aus Metall, richtig genießen, was sag ich, verstehen kann. Und langen Haaren natürlich.

Mein Stiefcousin U. nämlich, der auch immer diese Musik hörte, der trug diese schwarzen langen Haare und Schnodderbremse Schnauzbart zu Jeansanzug und Stiefeln. Der war ein großer, dunkler Junge, ein "junger Mann", wie meine Mutter immer betonte, mit einem ganz glatten Gesicht. Oft haben wir uns leider nicht gesehen. Schon Anfang der 70er Jahre fuhr er sich mit seinem Motorrad tot. Als er abhob, auf irgendeiner unbenannten Landstraße im Ostwestfälischen, war ihm diese Cockpitabdeckung aus Plexiglas im Weg. Auch nicht so schön. Man wollte dem Vater die Leiche nicht mehr zeigen.

Ich habe den ja gar nicht richtig gekannt, den U. Ich war sehr klein, aber er freute sich, wenn er mir Led Zeppelin und so was vorspielte und ich dazu mitsang, mit fünf oder sechs, in irgendsoeinem Kauderwelsch, den ich mir ausgedacht hatte. Da hat er gelacht der U. Wohl, weil ich das sehr ernst nahm. Ich war schon immer etwas ernst und vielleicht zu sehr so. Der U. hingegen, der hörte Rockmusik und fuhr Motorrad und hatte eine sehr schöne Freundin.

Ein wenig sah sie aus wie Fabienne Delsol. Hallo U., "Babe I'm Gonna Leave You". Nur für dich.

Radau | von kid37 um 22:13h | 14 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 12. November 2007


Das ist doch ein Kinderspiel

Oh so while your growing old
Under the gun.
And I believe them all.

(Yeah Yeah Yeahs, "Y-Control")

Stille. Galle. Hölle. I worked with the woman. I have never met a more boring, lonely person in my life. She was interesting in the beginning, you have to give her that, but by Boys for Pelee she was redundant. She also picks her ear wax and eats it but that just a filthy habit not a personality fault.* Wir können alle so böse sein. Montags.

Immer gut daher, wenn man das Wispern des Netzes verläßt und wie ein Kind lieber alles selbst anfaßt. Gerade aber habe ich festgestellt, daß Karten für ein Festival wie, nehmen wir mal spaßeshalber Rock am Ring, 2008 bereits 125,- Euro kosten. Plus Anreise und ein Erfrischungstuchgetränk, das ist dann ja schon, rechne, rechne, viel Geld.

Aber dann ist es auf Festivals und Konzerten so, man mag sich dort ein eigenes Bild machen und muß sich nicht die Kommentare irgendwelcher Dreizehnjähriger Idioten auf Youtube verlassen. Falsch, die Art der Belästigung auf Konzerten ist einfach eine andere. Manchmal schöner, manchmal nicht so. Es sind dort Menschen nämlich, die sich aneinanderreiben. Möglicherweise schwitzend. Möglicherweise emotional begründet. Gloria! Wer aber zu spät kommt nicht selbst ausgeht, den bestrafen hinterher Berichte, wie der bei dem großen Online-Nachrichtenmagazin:

Selbst Gedeon Burkhard, der den Aristoteles spricht,
kann sich das Grinsen nicht ganz verkneifen.


Es geht um Vivienne Westwood. "Unerwartet kulturpessimistisch" sei sie. Kinder, Kinder, SpOn, das is ja man ein Ding. Vivienne Westwood, diese Vertreterin der als unerhört konsumaffirmativ bekannten Jugendkultur namens, ach Mist, jetzt hab’ ich den Namen vergessen. Aber gut, daß die Anekdote mit ohne Höschen noch mit eingebracht wurde. Selbst Gedeon Burkhard. Oedipus Kommissar Rex.

Ja dann.

(Nachlesen kann man Westwoods szenisches Manifest übrigens im Guardian: We shall begin with a search for art, show that art gives culture and that culture is the antidote to propaganda.)

Die Hoffnung aber soll man nicht aufgeben. Die Hoffnung sind schließlich unsere Kinder. Und die machen das wahrscheinlich schon richtig, auch wenn das, was sie machen, hoffnungslos anarchisch und montagsböse ist wie in diesem Video von Siouxsie and the Banshees, Quatsch, den Yeah Yeah Yeahs.

Darauf wollte ich aber nicht hinaus. Ich wollte auf etwas Erstaunliches hinaus. Denn jetzt heißt es genau hinschauen, was 1979 in der amerikanischen TV-Sendung "Kids Are People Too" (ein Titel, der bereits jede Satire auf ihn vorwegnimmt) passierte. Blixa Bargeld in der Sesamstraße? Fast. Patti Smith tritt wie aus einem sehr dünnen, sehr hohen Hut gezaubert auf die Bühne und singt - spätestens jetzt holt bitte alle die Taschentücher raus - You Light Up My Life. Hartherzige Menschen müssen jetzt nicht ergriffen sein, das ist schon ok. Die finden das wahrscheinlich kindisch.

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*Benutzerkommentar auf Youtube über eine US-Sängerin. Stichwort: "Cornflake".

Radau | von kid37 um 17:37h | 2 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 29. Oktober 2007


Ich bin eine große Insel

"You look so good
When you're lonely."
(Grand Island, "Us Annexed")

Das hatte ich schon lange nicht mehr gemacht. Das letzte Mal sah ich an genau so einem Tag die amerikanische Gitarrengruppe Interpol in einem kleinen Hamburger Club. Boah, war das langweilig. Vielleicht lag es damals an meiner mitgebrachten Laune, aber diesen konfirmationsanzugtragenden New Yorker Gestalten, die da prätentiös auf der Bühne rumlungerten und ebenso wichtig wie lahmarschig auf "wir sind die neuen Joy Division" machten, hätte ich gerne mal tüchtig in den Hintern getreten. Un-er-träg-liches Düstergeleier, völlig verdrängend, daß Post Punk ja eine echte Abgeh-Schaffe war, als er noch angesagt und frisch war. Aber diese Äffchen, wie welk aus überlagertem Zellophanpapier gewickelt, wirkten so kraftlos pathetic, als könnten sie kein Loch in den Schnee pinkeln. Für mich aber, andere mögen das heimlich anders sehen, ist Musik schwitzige Eisenbiegerei und kein pomadiges Staubansetzen. Beim Tauchen, das wißt ihr alle, heißt die goldene Regel, niemals schneller als seine eigenen Luftblasen aufzusteigen. Aber bei Musik, schreibt das bitte auf, darf man sich durchaus lebhafter bewegen als der Rauch der Fluppe, die lässig im Mundwinkel oder am Gitarrenhals steckt.

An diesem Tag habe ich Interpol hassen geringschätzen gelernt - und die späteren Alben gaben mir recht. Danach unternahm ich an genau solchen Tagen gerne etwas anderes, Menschen einladen, die freundlich taten, oder mich von Menschen, die anders taten verlassen lassen. An genau so einem Tag braucht man halt Freude, Freunde, ein großes Drama - oder eine kleine Reise.

Dieses Jahr aber gab es an genau so einem Tag einen neuen musikalischen Versuch, denn die ersehnte Reise, ich mag es kaum zugeben, ist wohl ein seltsames Jahr, sah mich plötzlich von unter Wasser an. Wohl hineingefallen. Ich aber nicht! Ich zupfte mir den Kragen zurecht, marschierte kurzerhand, denn an genau so einem Tag kann man auch mal spontan sein, in mein extendiertes Wohnzimmer und schaute mir, ja, ja, ja, Grand Island an.

WAS FÜR EIN UNTERSCHIED!

Diese ehrlich arbeitenden Menschen aus Oslo (das liegt in Norwegen) legten letztes Jahr ihr Debüt "Say No To Sin" vor. Nun standen sie da, fünf junge Männer, auf der winzigen Bühne und sahen keinen Tag älter als 22 aus, was unter anderem daran liegt, daß sie keinen Tag älter als 22 sind. Der Sänger, das wird jetzt die Damen interessieren, erinnert ein wenig an Vincent Gallo und sieht so aus, als könne er gut noch ein wenig bekocht werden. Grand Island spielten eine Art abgehetztes Schweinerockbrett, das man vielleicht "Artrock-Polka" nennen könnte. Eine Elch-Stampede mit Abitur, sozusagen. Vermutlich unterhalten sie einen winzigen Proberaum auf dem Gelände des Sägewerks, in dem sie tagsüber schuften, und haben sich von dort auch den Strom illegal abgezweigt. Gleich nebenan stürzt, eines dieser norwegischen Naturwunder, ein Wasserfall aus Starkbier donnernd in die Tiefe, die Jungs hacken tagsüber Holz und rocken abends auf ähnliche Weise ihre Instrumente, kümmern sich insbesondere - anders als Interpol - nicht darum, wenn ein Hemd aus der Hose schaut und bringen so jüngere und ältere Jungs mit Ringel-T-Shirts zum Tanzen:
Us Annexed. Ja, richtig gesehen und nur hier wird's verraten: Der in dem Video bin ich.

An diesem Abend von genau so einem Tag also habe ich geschwitzt, gesungen, gelacht und auch ein wenig geweint. All diese verschwendeten Jahre!

>>> Offizielle Webseite von Grand Island

Radau | von kid37 um 00:59h | 18 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 16. Oktober 2007


... Is Gonna Rock You

This is what KLF is about
Also known as the Justified Ancients of MuMu
Furthermore known as The Jams

(KLF, "Last Train To Transcentral")


Mir war, als sei Ende der 80er irgendwie die Luft rausgewesen - vor allem in den mit ekstatischen Sauerdrops gefüllten Ballonköpfen der House- und Rave-Szenenbewohner. Zum Glück tauchte für ein paar kurze Jahre ein Unterseeboot namens The KLF aus dem smileytrunkenen Elektrobeatsumpf und schrieb ein paar ebenso tanzbare wie unvergessliche Botschaften Kornkreisen gleich in empfangsbereite Hirnrinden.

Damals war ich noch sehr vertraut mit dem Werk von Robert Anton Wilson, hatte die Illuminatus!-Trilogie inhaliert, den Hagbard durch discordianische Sozialgefüge tauchen lassen, mein Hirn für Verschwörungstherorien aller Art aufgeweicht, Botschaften aus dem Radio empfangen und war von Herzen entzückt über die subversiven Kracher der Herren Bill Drummond und Jimmy Cauty.

Der Mix aus fetten Beats und brachialen Gitarren(-samples) von KLF war ein wenig die Kunsthochschulvariante der Grebo-Popper von Pop Will Eat Itself (mit ihrem Klassiker There Is No Love Between Us (Anymore)), mindestens so dreckig, aber eben mit Grips. KLF standen mit den Füßen tief im fruchtbaren Schlamm ihrer jeweiligen Punk- und Kunst-Biografien, zeichneten sich durch situationistische Aktionen und Streiche gegen die (Musik-)Industrie aus, die man nicht immer verstand (ich wäre wohl zu spießig, so wie sie eine Million Pfund auf der Isle of Man oder Helgoland zu verbrennen), aber spontan interessant gut finden konnte.


Bild via KLF

Zwei Copyright-Gangster (KLF bedeutete u.a. auch "Kopyright Liberation Front", ihr frech geklautes "Dancing Queen"-Sample hingegen beendete fast ihre Karriere, kaum daß sie begonnen hatte) mit schmutzigen Stiefeln auf dem Weg ins mythische "MuMu"-Land (schon klar, da kommen wir her, da wollen wir hin), ich war gleich hin und weg. Ich habe keine Ahnung, ob einen die kleinen intertextuellen Scherze ansprechen, wenn man nicht wenigsten ein paar hundert Seiten Robert Anton Wilson gelesen hat. Die Musik selbst ist natürlich wie immer Geschmacksache und selbst deren Zitatreichtum bleibt heute vielleicht unverstanden. Mag also sein, daß ich wieder einmal nur sinnfrei von damals™ schwadroniere, aber he, eure Aufgabe ist ja nicht Zuhören. Eure Aufgabe ist, euch eine eigene Vergangenheit zu schaffen. New style, meanwhile, always on a mission while fishing in the rivers of life... (KLF)

Zurück zu KLF. Die sind nun Geschichte ("Ladies and Gentlemen, The KLF have now left the building") und warten auf erste Doktorarbeiten, die über ihr Werk verfaßt werden. Ihr berühmtes "Handbuch" ("How To Have A Number One The Easy Way") jedenfalls ließe sich auch prima auf die Blogger-Szene übertragen. Das karnevaleske Revolutionsgehabe mit all seiner romantischen Ironie allerdings wirkt heute, bald 20 Jahre später, weniger wie postmoderne, selbstverliebte Scharadenspiele (i.e. Masturbation mit Popkulturmythen), sondern eher wie eine burleske Blaupause für post-freiheitliche Überlebensstrategien: Wenn das Innenministerium™ uns bald alle zu staubmanteltragenden Kanalisationsbewohnern gezwungen hat, die sich nur noch flüsternd verständigen, wird die ClockworkOrangeMadMax1984-Welt dringend subversive Winke, Übertragungen von "Radio Freedom", den Traum vom mythischen Mumuland, viel Witz und den Glauben an die Liebe brauchen. Dies alles kann aber auch in anderen Zeiten nicht schaden.

Ach, und Herr Gheist, falls Sie mitlesen: KLF haben auch für unser Opernprojekt wertvollen Inspirationsgrund gepflügt!

>>>
- Videos zu Last Train To Transcentral und 3 am Eternal
- KLF in der Wikipedia
- KLF in der Indiepedia
- Die sehr kompetente deutsche Fan-Seite
- Jimmy Cautys Videosammlung auf Youtube
- Timelords - Doctorin' The Tardis (Video)

Radau | von kid37 um 14:23h | 18 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 13. Oktober 2007


Kurze Unterbrechung: R.I.P. Psychic TV

Psychic TV Tour 2007Diesmal bin ich nicht schuld. Ich war nämlich nicht da. Das ist ja abends viel zu spät. Soeben flattert mir eine Nachricht auf den hermetischen Newsticker, daß die Frau fehlende Hälfte von Genesis P. Orridge - Lady Jaye Breyer P-Orridge - überraschend in New York verstorben ist. Zwar will ich nicht behaupten, einen wirklich großen inneren Bezug zum Bandprojekt gehabt zu haben, sonst wäre ich ja wohl auch auf dieses Konzert gegangen, das vor knapp zwei Wochen in Hamburg war. Und Psychic TV galten nun auch nicht exakt als Vorreiter einer sonderlich lebensbejahenden Musik. Aber Vorreiter wohl in vielerlei Hinsicht. Darf man sich trotzdem oder gerade deshalb ein bißchen wundern, vielleicht sogar traurig sein? Immerhin würden es sicher viele als "romantisch" bezeichnen, in den Armen des Liebsten zu sterben. Vielleicht nicht unbedingt so.

Vor fast zwei Jahren sah ich in Berlin die Ausstellung Education Through Pain - Annual Report , wo sich viele Kreise schlossen. Auf der Karte von Ian Curtis, der sich für den Verteiler des Projekts angemeldet hatte, stand kurz und trocken "Deceased". Vielleicht ist das so. Akte geschlossen.

>>> Webseite von Genesis P. Orridge
Psychic TV in der Wikipedia
- Video zu Godstar (Youtube)

Radau | von kid37 um 01:21h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 30. September 2007


Kiss Me, I'm Dying

Das glaubt mir wahrscheinlich auch kein Mensch: Ich würde Madonnas Ray of Light locker unter eines der besten Alben der letzten zehn Jahre einordnen.

Ist auch egal. Man kann eh nur einmal zwangseingewiesen werden. Und bald ist es ja schon elf Jahre alt.


Es ist unglaublich, wie die Zeit vergeht.

Radau | von kid37 um 02:12h | 27 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 13. September 2007


Begrabt mein Herz in Edinburgh

In a big country
Dreams stay with you
Like a lover´s voice
Fires the mountain side.
Stay alive.

(The Editors Big Country, "In A Big Country")

Ich versuche gerade, ein wenig betrunken zu werden, draußen ist es ja bereits dunkel genug. Fürs Tagebuch festzuhalten gibt es heute nicht viel, Einkaufen, ein paar kleinere Renovierungsarbeiten, noch einmal eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Konzept Muffe & Doppelnippel (mein zweiter Roman wird so heißen), ein kurzes Dankgebet, weil sich das junge Pärchen in der Nachbarschaft nicht wieder so laut und ausdauernd gestritten hat wie gestern, Einkaufen, ganz wichtig, ein Konzept, wie alles besser wird, ein bißchen geschrieben, noch mehr gelöscht, überprüft, ob Arc*r wirklich diese Prono-Seiten sperrt, dabei erstaunliche Dinge entdeckt, weil ich nicht bei Arc*r bin.

Dann über die B-Bands meiner Jugend nachgedacht. Oder vielleicht mehr über bestimmte Lieder, deren man sich nicht entziehen kann - aus nostalgischen Gründen natürlich. Sie sind vielleicht nicht wirklich wirklich gut, aber man, also ich, verbindet halt etwas damit, eine Zeit, eine Stimmung, eine flüchtige Erinnerung. Nehmen wir Big Country, eine Band, deren Vorstellung von Sound heute wie der Geist von Onkel Albert in die Editors gefahren ist. Der Sänger hat sich aufgehängt, viel später, und streng genommen waren die auch immer bloß B-Klasse-Lala, aber doch für ein paar Jahre sehr präsent. Und live gar nicht lahm, wie Youtube beweist. Dort findet sich auch ein recht bewegendes Cover einer anderen B-Band dieser Zeit: The Alarm spielen gemeinsam mit Bruce Watson von Big Country den Song In a Big Country - und fast möchte ich - ganz untypisch für mich - ein wenig rührselig werden.

Weil ja jeder weiß, daß hier nicht Genies gerade eine neue Welt erschaffen, sondern ein paar Freunde an einen verlorenen Kumpel und an eine vielleicht nicht verlorene, aber für die meisten vergessene, Zeit erinnern. Ich glaube, für so was gibt es eh kaum eine bessere Ära als die 80er - verstrubbelte Musiker in zu großen Mänteln, die an britischen Steilküsten standen und Musik hinaus in den Atlantiksturm spielten. Are we not Pathos? No, we are Pathos!

Habe ich das schon mal erzählt? Vor zig Jahren, 1998, o Gott, auch schon wieder bald zehn Jahre her, war ich mal auf einem Nena-Konzert. Nena mit so einer Punkband als Begleitung im Grünspan, sie gab ein kleines Konzert für ihren Fanclub und ein paar andere Leute und spielte Stücke von Blondie, den Ramones - und natürlich ihre alten Hits. Ruppig, rauh, sentimental. Und alle, alle sangen mit - ich auch, und was hab ich früher diese Musik gehaßt! Aber es war ja dunkel, keiner hat mich erkannt und nie wird jemand davon erfahren. Ich habe davor bessere, bedeutendere Konzerte gesehen. Danach nicht mehr.

Deshalb sperrt schön die Ohren auf, hört Musik, geht auf Konzerte. Dann wird es in zwanzig Jahren sehr schön, wenn ihr, die warme Decke auf den Knien, auf Youtube oder das, was Arc*r davon zu euch durchläßt, die alten Kamellen hört. Prost, einen noch.

Radau | von kid37 um 01:54h | 20 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 19. August 2007


Für immer Pink



Während ich die Uhr beobachte, bis der kleine Zeiger auf die sieben vorrückt, damit ich den Korken aus der Weinflasche ziehen kann, fällt mir eine beachtliche Sache ein: Gestern abend zerbrach auf der Reeperbahn eine Bierflasche mitten auf dem Gehsteig! Dieses Ereignis ist möglicherweise nicht nur die Nachricht des Wochenendes, sondern auch eine unglaublich bildhafte Überleitung zu einer kleinen, aber wichtigen Fernsehsendung, auf die ich hinweisen möchte.

Morgen, 20.8., zeigt das ZDF, der Sender für die älteren unter uns, Musik von anno dunnemals: House of the Rising Punk ist eine wirklich sehenswerte, liebvevoll zusammengeschnittene und um interessante Zeitzeugen bereicherte Dokumentation über das legendäre CBGB und den Beginn der Drei-Akkorde-Musik in New York Mitte der 70er. Auf den Spuren von Television, Richard Hell, Patti Smith und dem Rest der Blank Generation gibt's alte Filmmitschnitte, Interviews und ein paar Takte Musik. Also, weiße Hemden und schwarze Jackets anziehen, Haare nicht kämmen, ein wenig französische Dichtung im Raum verteilen und den Fernseher um 0.20 Uhr einschalten. Warum das ZDF meint, die Sendung unter das Motto "Für immer Pink" stellen zu müssen, ist entweder einem Tippfehler oder dem Gedanken geschuldet, pinke statt graue Panther ließen das Stammpublikum dieses Senders irgendwie jugendlicher aussehen.

Radau | von kid37 um 20:50h | 19 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 19. Juli 2007


Ultra Ground

Ich weiß nicht, wer sich zuerst so benannt hat, die Band oder das Spülmittel, jedenfalls hege ich seit ein paar Jahren eine gewisse Sympathie für dieses französische Art-Röckpöp-Düo Ultra Orange. Mit ihrem Song "Cette Fille Seule" vom Album "Seven Lonely Girls" gelang ihnen einer diesen fiesen kleinen zuckrig-sentimentalen Melodiewürmer, die man sich gerne mal ins Ohr steckt. An trüben Tagen.

Nun haben die beiden sich mit Emmanuelle zusammengetan, genau, das ist die Schauspielerin Emmanuelle Seigner, und ein Album aufgenommen, von dem man sich am ehesten auf dieser Dingspace-Seite ein Bild und ein paar Töne machen kann.

Toll gekleidet, das ist schließlich wichtig beim faire la musique, pas de Schlabberlook, machen die drei hier und da ein wenig bemüht auf Velvet Underground, aber da es nunmal Franzosen sind, scheint immer genug Lässischkeit durch, um nicht, genau, angestrengt zu wirken. Die Musik ist im Grunde ebenfalls eher La und La. Aber wie! Willkommen im mittelmeersonnendurchfluteten Schnulli-Land! Wie dieses La und auch jenes La zusammenklingen, da möchte man tous le jours im Straßencafé sitzen und mit den Händen in langen Haaren spielen. Wobei ich nicht genau sagen könnte, ob die von Mlle Seigner oder von Gil Lesage. Aber wozu hat man zwei?

>> Das Ding erscheint Ende Juli in Deutschland, bis dahin gibt es ein vis-vis auf Youtube: Sing Sing - die mehrteilige Dokumentation zum Album gibt es dort auch zu sehen.

Radau | von kid37 um 17:55h | 19 mal Zuspruch | Kondolieren | Link