Mittwoch, 28. Februar 2018
Während draußen im frostigen Wind dürre Eisfinger an den Regenrinnen klimpern und ganze Bäume umlegen, gründe ich dazu musikbegleitend eine neue Band. Emotional Support Octopus heißt die. (Fans werden sich später wissend "ESO" zuflüstern.) So Drone Rock mit Noise und engagierten Texten über Gefühl und die Endlichkeit allen Seins.
Das erste Album heißt Nebeljahre I & II, der Nachfolger (ich habe das alles präzise durchkonzeptioniert) So brauchste mir jetzt auch nicht kommen, ich dreh jetzt alles auf zehn. (Fans werden später darüber diskutieren,warum es "zehn", nicht aber "acht" heißt, obwohl die Band doch nach einem Oktopoden benannt ist.) In Japan steht so ein Oktopus ja symbolisch für ganz andere Dinge, will ich aber nicht reden drüber. Macht die Band aber auch dort erfolgreich.
Gut, Wecker klingeln, end of dreams, durch den Schnee stapfen wie verlorene Kinder, Maloche anfangen, von Ferne schon Fabriksirenen. Mitarbeitergespräch in Hogwarts war auch, und was soll ich sagen, das Zauberwort wurde laut gesprochen. Das ist sehr beruhigend, denn wann immer ich jetzt ein kleines Zucken im noch kleineren Finger verspüre, muß keiner irgendwas hinschmeißen, das wäre ja albern, sondern nur denken: "Abrakadabra, Sabbatical!" Dann kichere ich in meinen Hexenhut, den ich auf Arbeit der gefährlichen Dämpfe wegen tragen muß, die Kollegen merken auf und ich bin... down under, in einem Operationssaal mit Skalpell und Zange in der Hand, in einer Raketenstation, aber nur, um Kunst zu machen, bei den Fallschirmjägern, um wie eine Drohne alles von oben zu filmen, in einer Großimkerei, um wie eine Drohne alles von oben mit Staub und guten Wünschen zu versehen. Dinge, die man dann halt machen könnte. Oder aber: eine Alien-Verschwörung aus den 90er-Jahren aufdecken.
Ansonsten Kopf unten, Herz offen, immer schön weitermachen.

Samstag, 24. Februar 2018
Licht, Licht, Licht! Erst schnell noch Vorräte aufstocken, Dosensuppen, Hartbrot, Toilettenpapier, denn ab nächster Woche heißt es: GEFÜHLTE MINUS 20 GRAD! Keine unbedeckte Nasen nach draußen halten. Auch sonst nichts. Nach dem Einkauf ein wenig durch den Park, wo junge Eltern ihre wintermüffeligen Kleinstkinder auslüften und als glucksende Pakete in die Sonne halten. Vorbei an der Kirche, und dann noch ein Stück weiter zum Blumenladen. Immer schön Bewegung in die rostzerfressenen Gelenke bringen.
Wollsachen waschen, Wintermäntel durchzählen, die Eislieder zurechtlegen. Dann weiter an Plänen feilen. Ich habe - um mich unter Druck zu setzen - einen neuen Koffer gekauft. Einen Reisepaß beantragt. Habe international über sogenannte "Bedenken" lamentiert und mußte mich verlachen lassen. Ein wechselseitig geäußertes Motto als Zitat aus Viv Albertines wunderbarem Buch. Der muß ich auch noch schreiben.
Sobald es Frühling wird, irgendwann später dann, will ich die Diele von Josef Fenneker ausmalen lassen wie eine Sixtinische Kapelle. Hier muß mal mehr Stimmung rein, grüne Wände hatte ich lange genug.
Woanders vergammeln die. In der FAZ fand ich einen Artikel über Ewald B. M. Denner, der seit Jahren die kleinen Läden und Fassaden in Wien fotografiert. Das Vergängliche (hier auf Instagram), Staubige, Angestoßene. Wäre in Hamburg alles bereits untergemäht worden. So eiskalt ist das hier.

Donnerstag, 1. Februar 2018
Es sei der sonnenärmste Winter seit 50 Jahren. Der Guardian meldet weitere Dunkelheitsrekorde für Belgien und Nordfrankreich. Ich erhöhe die Dosis an Vitamin D und suche mein Netzteil für die Tageslichtlampe, die ich mir mal anschaffte, um zu sehen, was dann passiert. Es war aber zu dunkel in meiner Wohnung, das Netzteil bleibt vorerst verschollen. In Norddeutschland sei es zudem der nasseste Winter seit 30 Jahren und der mildeste dazu.
Heller scheint nur der Superblaublutmond, auch ein Wort, das dreimal schnell hintereinander gesprochen, zu Verwicklungen führt. Oder Verfinsterungen, so wie auf der anderen Erdhalbkugel. Gibt es alles erst 2037 wieder, man könnte also gemütlich zu Fuß bis nach, sagen wir, ganz woanders gehen. Mit einem Baumzweig im Schnabel.
Schön, wenn man zeitgleich das gleiche Buch liest und sich daraus zitieren kann. Leider fallen mir als Second-Hand-Typen zu vielen genannten Leuten nicht so viele Anekdoten aus erster Hand ein, da muß ich dann passen. Manchmal sage ich Sachen wie Maite Kelly sei die deutsche Adele, um auch mal etwas über Musik zu sagen. Zum Glück kann Humor international funktionieren. Von Adele wissen wir das ja schon. "The female Phil Collins". Haha.
Bei Adele regnet es auch. So nah kommen wir ihr also doch. Ich selbst singe ja in Autos gerne Lieder von Roland Kaiser. Deswegen werde ich selten mitgenommen. Dabei ist der ganz nett, glaube ich, und hat viel Selbstironie. Verstehen aber wenige.

Sonntag, 14. Januar 2018
Ich habe jetzt auch den Supermarkt gewechselt. Der alte hat einen neuen Besitzer, erst bat man um ein wenig Geduld, nun aber sind es schon Monate mit halbvollen Regalen und halbabgelaufenen Sachen, dem Auslisten meiner Lieblingsprodukte und dem nur zögerlichen Adoptieren neuer. Tomatentreu ging ich dennoch immer wieder hin, weil ja alle in den neuen Supermarkt gehen, der in der Nähe vor einiger Zeit eröffnet hat. Einer muß hier Arbeitsplätze retten, dachte ich. Und dann: Wie schön leer es auf einmal immer war, kaum, daß man mal an der Kasse warten muß.
Aber immer häufiger bekam ich nicht alles, was ich wollte. Zuletzt hatten sie keine Spülbürsten, sodaß ich extra für eine simple Spülbürste ins Spülbürstenfachgeschäft hätte gehen müssen, um eine Spülbürste zu kaufen. Das war mir ein wenig zuviel der Aufmerksamkeit für so ein simples Küchenhilfsgerät. Spülbürste, Spülbürste, Spülbürste. Sagt das mal dreimal schnell hintereinander.
Der neue Supermarkt ist groß und sauber und hat sein Licht mittlerweile so eingestellt, daß man kein Augenflimmern mehr bekommt. Also ich. Mir ist es ein wenig zu groß und zu hell und zu schick, und die Spülbürsten, die sie immerhin haben, sind so schäbige aus buntem Kunststoffklump, die ich eigentlich nicht haben möchte, aber wann geht es im Leben da schon drum? Es gibt aber ganz viele biologisch abbaubare Speisen und Milchsorten und auch Gemüse und dies und das für den besonderen Abend.
Und eine nette Fachkraft mit freundlichen Wesen gibt es dort auch. Wir schauen uns manchmal so zwischen den Regalreihen an, zufällig, und sie lächelt dann. Ich lächle dann nicht, sondern denke, Mist, wieder vergessen, mich zu rasieren. Ich sehe aus wie ein zotteliger alter Mann, der hier seinen Einkaufswagen mit rotem Wein (den haben sie dort auch) durch die Gänge schiebt, andekoriert mit einem Brokkoli, diesem Supergemüse, als durchsichtigen Alibieinkauf. Die junge Kollegin sprach neulich auch schon quer über den Labortisch hinweg etwas von "verlottert", so mit Spaß in der Stimme, aber ich verstehe die Zeichen sehr wohl. Ich bin da ein wenig leger geworden. Unangenehm nun, wie abgelaufene Restware am Ende der Woche der netten Supermarktfachkraft zu begegnen, die so freundlich ist und blaue Augen hat. Mir hingegen fehlt nur noch so ein rotes "30 Prozent"-Rabattetikett auf der Stirn.
Letztens habe ich sie beim Abbiegen in den Gängen mit meinem Einkaufswagen fast umgefahren, konnte aber rechtzeitig bremsen, wie so ein Cabrio vor dem Zebrastreifen. "Danke", meinte sie und lächelte mich an. Ich aber konnte vor Schreck gar nichts sagen. Nicht einmal "Spülbürste" zum Glück, dabei hatte ich das die ganze Zeit im Kopf deklamiert. "Spülbürste, Spülbürste, Spülbürste". Um die nicht zu vergessen.
Habe ich dann aber.

Dienstag, 26. Dezember 2017
Man muß bekanntlich an Wunder glauben, damit sie geschehen. Oder den Notdienst anrufen. In einer Welt, wo keiner verantwortlich ist, muß man mit Profis arbeiten. Pünktlich vor Weihnachten fiel nämlich die Heizung aus, das braucht kein Mensch, wie nach Stunden festzustellen war. Wie ein Weiser aus dem Morgenland aber erschien ein vom hellen Stern seiner Leitzentrale geführter Techniker an meiner Krippe und sang wie ein Engel auf dem Feld frohe Kunde: Mein Heizungsstrang stand unter einem Glücksstern und konnte wieder aufgedreht werden. O du Fröhliche! O du Warme.
Mit Ächzen und Stöhnen bebte das große Tier, dessen metallene Tentakelarme sich durch Decken und Wände des Hauses bohren, es gluckert und schringert, bis das heiße Blut in ihm die Heizkörper erreicht. Siehe da, die Maschine lebt! Den Menschen ein Wohlgefallen.
In Australien wird, man stelle sich das vor, Weihnachten schon einen halben Tag eher gefeiert. Ich nehme an, die haben danach noch viel zu tun oder Tiere zu versorgen. Auch fließt dort das Wasser in den Heizungssystemen andersherum, bei Joghurtkulturen bin ich mir nicht sicher. Ich aß an den Festtagen sehr gesund, denn die zuletzt noch spontan gekaufte Versorgungspackung Kleingebäck schmeckte derart abweisend, daß ich sie nicht einmal den Möwen vorm Haus anbieten wollte. Mir selbst dann auch nicht.
Aus den Ländern dieser Welt aber wunderbare Geschenke. Eine CD-Sammllung von Györgi Ligeti, hauptsächlich der Nachbarn wegen. Barbara Hannigan hat da einen sehr humorvollen Ansatz, falls jemand Neue Musik zu ernst findet. Eine Mahnung zur Briefkultur in einem Paket, das eine wahre Sterndeuter-Odyssee hinter sich hatte. Wenn die Boten die Schrift nicht lesen können, spricht der Gelehrte, sind die Wege wohl vergebens. Drum lerne! Lerne! Damit ein Licht aufgehe.
Dazu ist dieser wunderbare, mit Nut und Schiebedeckel gefertigte Holzkasten. Letztes Jahr brachte mir nämlich eine Freundin ein Demütigungsspiel namens "Quizduell" näher. Also, kurz gesagt, sie zockte mich ab. Diese für Mobilgeräte gedachte Kleinanwendung war für mich wohl einfach zu modern, entschied ich. Und bin nun ausgewichen auf dieses (immerhin bereits elektrifizierte!) Quizspiel mit Fragen und Antworten aus allen Lebensbereichen. Wenn man richtig liegt und die Drähte korrekt verbindet, geht ein Licht auf. Das ist wie Weihnachten.

Mittwoch, 8. November 2017
Als ich heute morgen meine Zimmerdecke fegte, um für meine drei Hausspinnen Myrtle, Käte und Agnes Platz zu schaffen, damit sie neues Halloween-Gelumpe in die Ecken weben können, fiel mir ein, daß ich vielleicht einfach mal wieder etwas hier hineinschreiben sollte. Damit die Leute nicht denken, ich sei tot oder verheiratet, je nachdem, was schlimmer ist.
Im Grunde war ich nur mal eben Zigaretten holen, kurz am Büdchen und dann abgelenkt. Auch hier und da, aber dazu später. Zwischendurch habe ich mich sehr um die internationalen Beziehungen verdient gemacht und mich wie ein in Australien herumhoppelndes weißes Kaninchen quer durch den Erdball gegraben, nur um am anderen Ende erschrocken auf meine Taschenuhr zu schauen und eine Alice ins Loch zu drolligen Abenteuern zu locken. Das aber nur als Metapher, bevor mir wieder irgendwelchen erzürnten Königinnen den Kopf abschlagen wollen. Noch etwas Tee?
Dann hatte ich kurz Geburtstag (am nächsten Tag bereits Ernüchterung!) und stellte fest, daß ich unvermutet in eine herbstlich gelbe Phase eingetreten bin. Jedenfalls für alle anderen. Unabgesprochen synchronisierten sich freimütig Gebende mit ihren gelben Seiten auf eine reduzierte Farbpalette, deren möglicherweise esoterische Bedeutung mir noch nicht ganz aufgegangen ist. Sie sehen mich wie ein Herbstblatt am Baume und raten mir zum Ostfriesennerz.
Gelb macht einen fahlen Teint, dabei sah ich eine kurze Zeit, durch gelbe Sonne bedingt aus wie der alte Jean-Paul Belmondo, mit meiner sprichwörtlichen Fröhlichkeit, der braunen Haut und dem grauen Haar - wie so ein cotton top, wie man recht bildhaft auf der anderen Seite der Erdhalbkugel sagt. Ohne Yacht oder wenigstens einem gelben Unterseeboot (Brüller!) aber macht das Leben als Double von Jean-Paul nur leidlich Spaß, so daß ich mir die Gesichtsfarbe rauswachsen ließ. In Hamburg kein Problem. Sonst war nichts. Guten Tag.
>>> Geräusch des Tages: Christie, Yellow River

Dienstag, 22. August 2017
Kurz vor dem Ende des Sommers flirrt die Stadt noch einmal auf. Verklebte Hipsterjungs sitzen auf Mauern, träumen von einem erotischen Treffen mit einer von Die Heiterkeit, nuckeln an vergorenem Fruchtsaft oder verwässertem Bier, hauen sich die Sonne rein. Bunte Vögel allesamt.
Soll doch jeder tragen, was er will. Neben vielen anderen Schwächen ist die Klamottenlästerei eine der unangenehmsten Verworfenheiten des Charakters. Dieses im Ton einer Waschküchentratscherei geäußerte "Wat hast du denn da an?", wenn es um ein andersartig gefiedertes Federkleid des Trägers oder auch der Trägerin geht, ist ja der soziale Grenzkrieg des kleinen Mannes oder auch der kleinen Frau. Tritt da einfach jemand über die Linie bei Normallnull. Trägste jetzt deine Vorhänge als Mantel oder wat?
Man liegt häufig nicht falsch, wenn man vermutet, daß der vorlaute Vogel selbst eher nur unscheinbare Flügel schwingt. Angerupftes Vorstadthuhn in farbloser Funktionsjacke, furchtbar aufregend. Was erlauben Nachbarin! Als nächstes wird die Unterwäsche auf der Leine inspiziert. Daß die sich das traut! Dabei soll doch jeder nach seiner Fasson usw. Der Sender Arte zeigt aus diesem Anlaß noch einige Tage die tolle Doku über Alexander McQueen. Der hatte Sachen im Portfolio, da wär die ein oder andere hämische Ziege aber hintenübergefallen.
>>> Arte: Das Testament des Alexander McQueen

Montag, 17. Juli 2017
Ab und an bekomme ich Post aus dem schönen Nachbarland. Es fällt auf, daß die Menschen dort offensichtlich ein Auge für illustrative Briefmarken haben, wo man hierzulande profane Freistempler benutzt oder eine lieblos dahergedruckte Marke. Ich finde, so ein Umschlag ist ja zugleich eine Carte de visite, da sagt man schon der Briefträgerin, hallo, ich bin nett, tue niemandem was zuleide, könnte sogar etwas romantisch sein (unbedingt mit französischem Akzent aussprechen), bitte nicht knicken, sondern mitfreuen, hier kommt noch so richtige Post. Es gibt sie noch, die schönen Umschläge, man möchte eine Geschäftsidee darumherum bauen.
Bei Paketen gilt ja das Gegenteil. Das sollte möglichst abgerockt aussehen, billig und nicht der Rede wert. Neulich bekam ich eins, das einfach zu wertig aussah, mit Klebebändern sehr akkurat verschlossen. Das erreichte mich dann einer Seite säuberlich aufgeschnitten, leicht eingerissen und bis zum inneren Karton betrachtet. Das ist insofern praktisch, ich räume das gerne ein, als daß man nicht mehr so viel damit zu tun hat, das Paket umständlich zu öffnen. Wie vorgekochte Tempobohnen geht das daheim gleich ganz zügig. Schön ist diese Maladie aber nicht.

Donnerstag, 6. Juli 2017
Manchmal, wenn ich meinen Teppich im Bad aus der Waschmaschine gezerrt habe und in der Wanne über dem Wasserhahn zum Trocknen aufhänge, verwandelt sich der Vorleger in ein klitschnasses Zottelmonster aus einem japanischen Horrorfilm. Vielleicht eine alte, verwahrloste Wasserhexe, die in meinen Teppich wiedergeboren wurde und nun mein Badezimmer verflucht hält. Irgendwoher muß der regelmäßig wiederkehrende Staub ja kommen.
Meine einzige Waffe gegen Angriffe in der Dusche ist meine Rückenbürste vom Budni, wie man die örtliche Drogeriemarktkette hier kumpelhaft nennt. Da stehe ich dann da, halte triefend dieses Ding in Schach und memoriere in milder Panik die wichtigen Leitsätze. Don't be afraid, murmele ich zu meinem klopfenden Herz hinunter. Das ist jetzt nicht das Ende, denn das Ende ist immer richtig fürchterlich. Solche Sachen sage ich, von denen ich nicht weiß, wie eine japanische Teppichhexe dazu steht.
Immerhin, frisch geduscht wird es enden, könnte man denken. Wieviele Menschen trifft man morgens in der U-Bahn, die den Kampf mit dem Teppichmonster frühzeitig verloren haben und fluchtartig und ungewaschen das Bad verließen? Dabei muß man dem Duschwahn der Leute auch nicht nach dem Munde reden. Für die Haut ist das gar nicht gut. Und Max Goldt hat gesagt, beim Menschen gibt es nur sechs Stellen, die täglich gewaschen werden müssen. Linker Fuß, rechter Fuß, linke Achsel, rechte Achsel. Und dazwischen noch zwei. Hat er bei einer Lesung erzählt.
Jedenfalls lasse ich mich von so einer Vermummenschanze nicht einschüchtern. Da könnte ich glatt ein Hamburger Polizist sein. Wasserwerfer aus dem Brauseschlauch Marsch, und dann wollen wir mal sehen, wer hier Herr der Fliesen in meinem Bad ist.

Samstag, 1. Juli 2017
A big black cloud come!
(Nick Cave, "Tupelo")
Das Unwetter, das letzte Woche bereits über Hamburg hereinbrach, das eine dicke schwarze Wolke die Elbe hochschob, die Luft über dem Hafen anhielt, eine Nacht über die Stadt stülpte, den Zugverkehr lahmlegte, hat sich nun nach kurzem sommerlichem Schwenk in eine dunkellaunige Wand aus endlosem Regen verwandelt. Sieben Wochen geht das jetzt so, murmeln die Bauern über ihrem Kalender. Sieben Monate geht das jetzt so, unken die Sterndeuter und schauen in die großen Konstellationen beider Hemisphären. Sieben Jahre geht das jetzt so, raunen Belesene und Deuter von Handlinien und schütteln traurig die Köpfe.
Das ist Mahnung, ruft der Priester, die Stimmung nicht so hoch fliegen zu lassen! Ketzterei! stöhnt die Gemeinde. Geht in eure Kammern und hört sentimentale Lieder! geifert der Priester mit schriller Stimme. Greift zu Landkarten und Zentimetermaß, versteht das Ausmaß eures Unglücks! Draußen eine alles niederdrückende Wolke, nasses Grau und von Fröschen und Nacktschnecken gesäumte Wege. Nur der eine unterwegs, der ausgerechnet am Wochenende zum Weiterbildungskurs muß.
O God, what have I done?
>>> Geräusch des Tages: Nick Cave and The Bad Seeds, Tupelo
