Mittwoch, 18. April 2012
Müde Gestalten, verrumpelte Schurken und Abgebranntexistenzen. Gauner und Gestrauchelte blicken uns entgegen in merkwürdig durchgestalteten Porträts der australischen Polizei. Kein Vergleich zu den lieblos draufgeknipsten Mug Shots, wie man sie sonst aus Polizeiregistern und Paßämtern kennt. Eindringliche Gesichter zwischen Vorwitz und Trauer erzählen Geschichten. Von krummen Verläufen, falschen Abzweigungen, einer Route namens "Gernegroß". Von den ewig Kleinen, Verlorenen, Vergessenen. Erst jetzt schauen wir sie an, blicken zurück, auf nostalgisch überzogene Fotos, versuchen, die Reste ihrer Geschichten zu erraten.
Mehr hier bei Monoscope.
Sonntag, 1. April 2012
Aus einer gewissen Unruhe heraus schaue ich ja links und rechts nach einem neuen Wohnsitz. Man muß weiträumig denken, denke ich mit aufgeräumter Geste. Horizontaler denken, nicht nur vertikal. Mein Leuchtturm ist in dieser Hinsicht zu eindimensional. Nun scheint es, als hätte ich mein mögliches Haus gefunden. Müßte mal gestrichen werden, oder auch nicht, ich bin da nicht kleinlich oder gehöre zu den ewig unzufriedenen Leuten, die in ihren Wohnungen immer umräumen und werkeln müssen und von links nach rechts schieben. Ich nehme das Erdgeschoß, der Tisch ist dort schon gedeckt. Die fehlenden Gäste denke ich mir aus.
Mittwoch, 22. Februar 2012
Manchmal, beim frei-flottierenden Rumdenken, wenn einem die Gedanken wie vom Leinenzwang befreite junge Hunde durch die Büsche springen, fallen einen querasssoziierte Synapsenfunken an ("Die wollen nur spielen!") und lenken den Blick auf die Vergangenheit. Was macht eigentlich... leitet sich dann oft eine suchende Erinnerung wie die an verflossene Liebschaften ein. Die Mary, die Susi, die Jane, man denkt sich Och oder Hoffentlich ruft die nie mehr an oder denkt ans Rechnungsbuch und erinnert die offenen Posten.
Ähnlich räumt man auch anderen Vergangenen nach. Ich meine, wo wir schon über Verflossene reden, was macht eigentlich der Borkenkäfer? Einst präsent wie sonst nur eine stürmische Liebschaft, hört man vom ihm genau wie von seinem älteren Bruder Das Waldsterben eigentlich nichts mehr. Hinweggewaschen wie ein Grauschleier, von Mutti vielleicht oder vom sauren Regen, auch so ein vergessenes Phänomen, das schlaflose Nächte uns zu bereiten in den 80ern auf jedes Jugendzimmerdach tröpfelte.
Was bleibt, ist meist nur Rost, malerisch verrotteter Rest. Eine Transformation wie sonst nur im Tierreich, die im Verlassen des Raupenstadiums alte Blechbüchsen in bunte Schmetterlinge verwandeln kann. David Maisel fotografiert so was, es sind Metalldosen, in denen die kremierten Überreste verstorbener Patienten einer psychiatrischen Anstalt aufbewahrt werden. Jahre in der feuchten, sogenannten "Bibliothek" haben den Gefäßen zugesetzt. Häßlicher sind sie nicht geworden.
via ICP Library
Donnerstag, 24. Februar 2011
Frost ist es. Kalt stehen sich die Menschen gegenüber. Hamburger Härte über Kopfsteinpflaster gestülpt, ein Mensch ruft, mach noch einen! und denkt darüber nach, sich einen Schnurrbart zu hegen. Auf den Straßen halten sich hartnäckige Eisflatschen, zementharte Wölbungen, die wie grauverschmierte Muttermale metertief in den Asphalt hinunterragen, sich ausdehnen wie ein Wurzelwerk, ausharren für einen ewigen Winter.
Die Hamburger stehen zusammen, Mantelkragen gegen die Mitternachtssonne nach oben gerichtet, man haucht in die Hände, kränkelnder Atem, führt faule Gespräche und denkt an die kommende Radfahrsaison. Ob man sich zum Tweed-Ride an der Elbe verabreden sollte? Was aber, zagen manche, wenn es regnet? Oder schlimmer, ein steter Wind von Südsüdoost mit klammen Fingern in die Speichen drückt?
Während man also noch denkt und wägt, ist man am Nordkap schon vorangeradelt. Die Finnen wischen die Angst vor der Kälte mit einer achtlosen Bewegung fort, knurren unter ihren Schnurrbärten hervor ein Grundlos! und packen die Sorge in die Tiefe einer mit Wodka gefüllten Thermoskanne. Mit Stil und Mut und Unerschrockenheit trotzen sie auf ihren Fahrrädern den schlechten Wirten der Natur.
>>> Fotos via Krista Keltanen
Mittwoch, 9. Februar 2011
Ich achte ja schon auf vieles, überall sind schießlich diese Ziffern. Aber ich schwöre, das 37-Getagge in Hamburg ist nicht von mir (auf zwei Häusern, in denen ich hier wohnte, wurde das schon geschmiert). Und so weit bin ich auch noch nicht: Er hier sieht sogar Multiples of 37.
Freitag, 4. Februar 2011
... sangen die Talking Heads einst. Ich habe es ja nicht so mit Autos, ich fahre auch lieber bei - vor allem, wenn Frauen am Steuer sitzen -, anstatt mich diesem verspannten Gehupe und Gedrängel auf bundesdeutschen Straßen auszusetzen. Allenfalls interessante Rostlauben können mich näher berühren, wie ja bekanntlich Narben überhaupt mehr vom vergangenen Glanz erzählen als kratzerloser, heißgewachster Schimmer.
Für dieses Mobil jedoch könnte ich eine Ausnahme machen. Rundum-Stoßstange, viel Übersicht und das (optische) Versprechen einer gewissen Rasanz, die nicht gleich ausgespielt werden muß - und hinten, wenn ich das richtig erkennen kann, ist auch ein Körbchen für die Einkäufe. Man muß sich allerdings anständig kleiden, ehe man in so ein Auto steigt.
Zudem muß ich vermuten, daß für dieses mir im Grunde aus natürlichem Recht zustehende Gefährt eine gewisse Summe Geldes aufgebracht werden müßte, die ich nicht so eine Weiteres zusammengeflattred bekäme. So bliebe es am Ende bei der nur leicht reduzierten Variante - man muß sich als herzender Betrachter den Rest halt dazufantasieren.
>>> Alle Bilder via Steampunk Vehicles
>>> Fascination
Donnerstag, 5. August 2010
Jetzt, da endlich der große Regen eingesetzt hat, jener von dieser Art Landregen, der über Stunden und Tage und Wochen, in manchen Ländern sieben oder sieben mal sieben Jahre anhält, in all diesem Geplästere also mag man den Wunsch empfinden, daheim unter einem schönen Dach sich aufzuhalten. Langeweile gibt es keine, wenn man sich jene alten Damen zum Vorbilde nimmt, die ohne größeren Kunstanspruch und formale Ausbildung dahergehen und über und über ihre Wände bemalen. An diesen Beispielen aus Finnland oder Sardinien kann man schauen, wie es übermorgen auch schon bei euch aussehen könnte. Unbefangenheit und ein innerer Drang nach Ausdruck vorausgesetzt.
Freitag, 26. Februar 2010
Machen wir doch einfach mal weiter mit den Glücksmaschinen. Es gibt ja Dinge, von denen hat man auch als Seemann bekanntlich nie zuviel im Haus. Die schönen, zum Beispiel. Der Brite Keith Newstead verbringt seine Zeit vorbildlich mit höchst nützlichem Tun und baut kleine kinetische Wunderwerke, simple, aber faszinierende Maschinen, deren Bewegungen man endlos verfolgen möchte. Es heißt ja bekanntlich, der Mensch könne nur zwei Dingen endlos zuschauen: den Wellen und wie andere Menschen arbeiten. Diese Maschinen sollten unbedingt dazugezählt werden.
Hier fliegt der elegante Catcopter und dort jagt ein Schmetterlingssammler seiner flüchtigen Beute hinterher durch die Lande. Am besinnlichsten und erbaulichsten aber ist diese kleine lehrreiche historische Inszenierung: Angesichts der wie ein Uhrwerk ablaufenden Exekution der Königin Maria möchte man begeistert rufen: "Noch mal! Noch mal! Noch mal!"
>>> Webseite von Keith Newstead
Donnerstag, 29. Oktober 2009
So, liebe Herbstromantiker, während die einen feiern und Gläser kreisen lassen, holen die anderen Pinsel und Farbe heraus und setzen signalbunte Zeichen. In Philadelphia Im Netz habe ich etwas entdeckt, da schmilzt jeder dahin, der sein Herz nicht im ***-Fach gelagert hat. Der Graffiti-Künstler Steve Powers malt entlang der Hochbahnlinie in Philadelphia 50 Liebesbriefe an die Wand, davon einer herziger als der andere. Die Idee ist so faszinierend, daß ich mich frage, wieso ich nicht selbst darauf gekommen bin.
Andere machen so etwas ja auch, dieser junge Poet allerdings ist offenbar nicht ganz fertig geworden mit dem Dichten. Fast schmerzhaft dieser Bruch, diese elliptische donnerhallaute Stille, bei der man gleich soufflieren möchte. Mhmhmh-ein möchte man summen, flüstern, rufen. Mhmhmh-ein, komm, den Satz, den bringst du noch raus.
Ich bin jetzt erstmal Farbe kaufen.
>>> Webseite A Love Letter For You mit allen Wandgemälden
Sonntag, 25. Oktober 2009
Wenn man so als Internaut ziellos durch die Wellen surft, begegnet man ja den unmöglichsten aller Dinge, den unbekannten auch oder denen der Vorstellung entzogenen. Bekanntlich hüten dabei gerade die japanischen Seiten oft Schätze von selten bizarrer Pikanterie. In meinen jahrelangen Reisen in diesen oft ausgefallen oder auch bloß wenig bekleideten Gestaden möchte ich sagen, ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet. [...] All diese Momente werden verloren sein für die BKA-Server, so wie Tränen im Regen. [Q]
Die Zeit bleibt mir aber noch, das schönste, schmutzigste, berührendste und vollendetste Aktfoto der japanischen Fotografie zu präsentieren. Wenn Erotik das Verborgene ist, das, was man hinter dem Schleier vermutet, also eigentlich in der Absenz und in der Erwartung liegt, dann kann es kaum besser dargestellt werden als es hier gelang. Leider ist mir der Schöpfer dieses Fotos unbekannt. Ein Meister. Laßt uns staunen.