Die Borken der Erinnerung

Manchmal, beim frei-flottierenden Rumdenken, wenn einem die Gedanken wie vom Leinenzwang befreite junge Hunde durch die Büsche springen, fallen einen querasssoziierte Synapsenfunken an ("Die wollen nur spielen!") und lenken den Blick auf die Vergangenheit. Was macht eigentlich... leitet sich dann oft eine suchende Erinnerung wie die an verflossene Liebschaften ein. Die Mary, die Susi, die Jane, man denkt sich Och oder Hoffentlich ruft die nie mehr an oder denkt ans Rechnungsbuch und erinnert die offenen Posten.

Ähnlich räumt man auch anderen Vergangenen nach. Ich meine, wo wir schon über Verflossene reden, was macht eigentlich der Borkenkäfer? Einst präsent wie sonst nur eine stürmische Liebschaft, hört man vom ihm genau wie von seinem älteren Bruder Das Waldsterben eigentlich nichts mehr. Hinweggewaschen wie ein Grauschleier, von Mutti vielleicht oder vom sauren Regen, auch so ein vergessenes Phänomen, das schlaflose Nächte uns zu bereiten in den 80ern auf jedes Jugendzimmerdach tröpfelte.

Was bleibt, ist meist nur Rost, malerisch verrotteter Rest. Eine Transformation wie sonst nur im Tierreich, die im Verlassen des Raupenstadiums alte Blechbüchsen in bunte Schmetterlinge verwandeln kann. David Maisel fotografiert so was, es sind Metalldosen, in denen die kremierten Überreste verstorbener Patienten einer psychiatrischen Anstalt aufbewahrt werden. Jahre in der feuchten, sogenannten "Bibliothek" haben den Gefäßen zugesetzt. Häßlicher sind sie nicht geworden.

via ICP Library

Augenzucker | 23:02h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
ana - Donnerstag, 23. Februar 2012, 00:46
Die sehen tatsächlich so aus wie Schmetterlingsurnen aussehen könnten. Aber das passt zu psychiatrischen Patienten. Die waren in ihrem Leben auch so eine Art Exoten, bunte vielgestaltige Schmetterlinge mit schillernden Diagnosen.

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c17h19no3 - Donnerstag, 23. Februar 2012, 09:25
ans bett gefesselte, mit valium ruhiggestellte und mit elektroschocks behandelte schmetterlinge. ;)

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kid37 - Donnerstag, 23. Februar 2012, 21:04
Aber dann wären das ja Nester für Kuckucke und keine Schmetterlingsurnen.

@Ana: Eigentlich interessant. Die veränderten Metallstrukturen sind schon eigentümliche Hingucker für sich. Aber das Wissen um den Inhalt und die Herkunft steigern doch deutlich die Aura des Ganzen.

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novesia - Donnerstag, 23. Februar 2012, 09:14
Wunderbar!!

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saxana - Donnerstag, 23. Februar 2012, 12:28
Nein, schrecklich. Passt zu dem Film mit Jack Nicholson gestern. Seine Kaffeedose und die seines Freundes wurden auf einen Berg betragen - dort in eine kleine Höhle gelegt mit dem Zettel, den beide abgearbeitet haben. Auf dem Zettel hatten sie notiert, was sie noch alles vor ihrem Tod tun wollten. Die Dosenbeisetzung war gegen das GESETZ. Das war das Beste.

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kid37 - Donnerstag, 23. Februar 2012, 21:05
Ah. Die "Bucket-List". Meine ist noch ganz lang. Aber ich habe ja noch ganz lange Zeit.

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frl.deville - Freitag, 24. Februar 2012, 00:32
Ich verstehe den Zusammenhang zwischen '80ern' und 'Jugendzimmer' nicht.
Also in Ihrem Fall jetzt.

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kid37 - Freitag, 24. Februar 2012, 16:12
Unsere Gesellschaft ist doch ein ewiges Kinderzimmer. Erst heute morgen wieder einen sogenannten erwachsenen Mann gesehen mit baumelndem Plüschgetier (Maus) an der Begleittasche.

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prieditis - Freitag, 24. Februar 2012, 16:36
Wenn das der Neil Postman noch erlebt hätte...

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kid37 - Freitag, 24. Februar 2012, 17:06
Regression 2.0

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stapel - Freitag, 24. Februar 2012, 17:13
wahrscheinlich der einzige grundschullehrer in ganz hamburg.

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au lait - Sonntag, 26. Februar 2012, 17:14
Großartige Entdeckung. Wie sangen die Guillemots vor ein paar Jahren: "There's poetry in an empty coke can"... Dies gilt umso mehr für diese Nichtcolabüchsen. Famos.

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kid37 - Sonntag, 26. Februar 2012, 21:50
Vielleicht mal ein Trend. So Menschen mit buntgerosteten Büchsen am City-Rucksack.

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