Samstag, 18. Februar 2012


Bitte legen Sie nicht auf



Beim letzten Mal wurden nicht alle Schnitte gemacht, also mußte ich die Tage noch mal in mein zweites Wohnzimmer. Mittlerweile kenne ich mich ja gut aus, die Assistentin routiniert, sie legt mir eine Decke über, während ich mir fast ebenso routiniert den Lärmschutz zurechtrücke, sie will mich schon reinschieben, ich frage "Kontrastmittel?" - ach ja, stimmt, sie zieht mich zurück und legt mir noch schnell einen Zugang. Ich mag diese Teamarbeit, das efffiziente Hand-in-Hand, ohne große Worte und Erklärungen. Auch innendrin fühle ich mich bald heimisch, eigentlich könnte ich mir kleine Fotos an die Röhrenwände pinnen, ein Poster von Bananananamanamananramanana vielleicht. Während diese Industrial-Rhythmen durch die Kopfhörer schreddern, habe ich Zeit für eine kurze Rückbesinnung:

So traf ja neulich schon Besuch aus Berlin ein, sie kommen vielleicht, um sich satt zu essen oder abends mal auszugehen. Wie gut, daß bei Herrn Krüger noch lange Licht ist. Hold The Line heißt die aktuelle Gruppenausstellung. Am Eröffnungsabend beweist sich, wie vorausschauend es war, größere Räumlichkeiten zu beziehen. Bald nämlich müssen etliche Besucher geduldig vor der Türe warten, sie trotzen der Kälte, denn sie wissen, die Kunst wird ihre Herzen wärmen.

Eine Großskulptur von Ellen Sturm dominiert den Raum, eine gemütlich ausgestreckte Nana, der man verstohlen auf die geheime Stelle zwischen den Augenbrauen schaut, während man sich beschämt erinnert, bei den täglichen physiotherapeutischen Übungen geschludert zu haben. Heiko Müller zeigt bedrohliche Waldszenen, ein Bambi in Gefahr, den Jägern blitzt der Wahn aus den Augen, Klaus Waschk, der verbindende Hochschullehrer, brachte die Künstler zusammen und in seinen Zeichnungen das Figurenensemble eines George Grosz in die Hamburger Kohlhöfe. Beachtung verdient das Gewächshaus von Gesa Lange. Fast hätte ich es nämlich übersehen, weil mich der Shabby Chic des alternden Tomatenschutzraums schon genug begeisterte. Aber meine Begleitung wies auf das Atmen und Beben hin. Der aufgeschüttete Boden im Kulturhaus nämlich bewegt sich, pulst und pumpt gar unheimlich, man wartet auf das verräterische Herz, das sich mit einem Schrei freilegt, zum Glück drängt keine Hand im billigen Effekt ins Freie, spritzt keine Flüssigkeit hinaus. Vielleicht, so mutmaße ich, liegt darunten die Braut, Uma Thurman kämpft sich mit der Fünf-Finger-Technik aus dem Sarg und wird gleich im gelben Trainingsanzug durch die Menge brechen. Nichts von alledem aber geschieht, wir beobachten gebannt, überspielen unsere Angst mit amüsiertem Kunstbildungsbürgerlächeln, beobachten argwöhnisch die Wellen, das Toben unter der Erde, während ich mir in der Hosentasche vorsichtshalber meine Wohnungsschlüssel wie einen Schlagring zwischen die Finger stecke. Ich meine, man weiß ja nie, ist eine große Stadt hier und draußen schon dunkel!

Weiter dann ins Nachtcafé, glitzernde Lichter und kilometerweitführendes Reden, ruckzuck drei Uhr, endlich wieder Abende ohne Sperrstunde, ohne Nachtschwester. Simulierter Normalverlauf, auch wenn so vieles so anders ist.

("Hold The Line". Feinkunst Krüger, Hamburg. Bis 25. Februar 2012.)