
Donnerstag, 22. Mai 2008
Ich glaube zwar, daß Menschen sich lieber mit Energiebolzen identifizieren, aber ich finde auch Traurigkeit sehr unterhaltend.
(Karin Duve in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 10.5.2008.)

Mittwoch, 21. Mai 2008
Den Vollmond auf der Fußspitze tänzeln lassen, dann mit einem Kick hinaus. Atmen bis zum Herzstillstand. Genug gegretelt: Wie von kecken Ameisen gesammelt, entdeckt man mehr wunderbare Schätze als in einen Picknickkorb passen. Aus manchen dunklen Wäldern will man eben gar nicht mehr heraus. A collection of Things Wonderous, Curious and Beautiful: Darkened Forest
Alles wird wundervoll.

Dienstag, 20. Mai 2008
Wie das mit dem Auto war und das mit dem Telefon. Drei Tage, eins, zwei, drei, wie angezählt. Vielleicht eine Störung. Irgendwo in der Stadt war eine Party, irgendwo in der Stadt war etwas... wortreiches. Ein Schauspiel vielleicht, ein ausgefallener Vorname. Die Packen Eis aus dem Kühlschrank, wollen wir kühl sein, lockeres Humpeln von Teppich zu Teppich. Es hat damals nicht mal Knacks gemacht. Der Rest, gewiß, gewiß, verweht mit Leichtigkeit.
Shhhh. Ganz ruhig sein.

Montag, 19. Mai 2008
(P. J. Harvey)
Das Leben kann nicht immer Picknick sein. Manchmal ist die Sonne fern, wettern fahle Wechsellaunen, trübt ein kühlerer Regen die Tage, ein bitterer Mond die Nacht. Dann vielleicht lieber Lesen und Schauen und auf sachte Weise nahe sein: den
wunderlichen Dingen Wunderkammern, den obskuren Schätzen, dem Unbekannten. Einem schick bestrumpften Bein, einem spannenden Buch, vielleicht einem Fensterblick ins Weite. Nein, es kann nicht immer Sommer sein, und dieses Jahr lüpfte er früh den Hut, grüßte heiter mit Strandvergnügen, Badespaß und dem angenehm leichten Gefühl luftiger Kleidung und Fülle versprechenden Salzen auf der Haut.
Um der frühen Ahnung von Herbst einen Lichtblick entgegenzusetzen, habe ich am Sonntag Blumen gekauft. Sie klagen nicht. Sie versprechen nicht. Sie sind schöner Schein und Gast auch nur für eine Zeit. Perfectly useless, perfectly useless. Als ich sie anschnitt, verletzte ich mich gleichwohl am Finger. Ein roter Tropfen sank langsam in die Vase, o sieh, ein Faden von Blut, hinab in das Wasser, löste sich auf. Die Blumen nähren sich von mir, kurze Zeit, bilden längere Sätze, bildhaftere Worte, treiben vielleicht neue Blüten, sind ja auch wieder nur ein Buch, eine Wunde, ein amputierter Frühlingstag. Das Leben als Bild gemalt, ein arrangierter Traum. Das Leben als ewiger Vollmond betrachtet. Long Snake Moan, Kuchen, Peitsche, Kruzifix. Die Milch, die fromme, die gute, aber ja, aber ja, muß man trinken, ehe sie sauer wird.

Freitag, 16. Mai 2008
Dass Webseiten wie MySpace, MyCoke und auch MySpass ihre Angebote im Netz mit dem Zusatz "My" verkaufen, verrät, was man in einer auf das Ich konzentrierten Gesellschaft als attraktiv und wichtig wahrnimmt: vor allem und erst einmal sich selbst. (Dirk von Gehlen in der Süddeutschen Zeitung, 10.5.)
Darüber kann man lamentieren, vielleicht Gegenbeispiele finden, auf Früher™ verweisen, auf andere Gesellschaftsformen, auf Utopien - und doch war es vielleicht seit den 70ern nie anders. Es wird nur alles immer lauter. MyGier wäre auch eine schöne, sogenannte "soziale" Plattform, MyGeiz ist wahrscheinlich schon vergeben. Gleich Urlaubern eines Südstranddomizils wirft man sein "Ich zuerst"-besticktes Handtuch auf alles, was sich nicht bewegt, will Habe, will iEgo im transparenten Design. Die Welt als MyLiegestuhl betrachtet. Von selbigem aus.
Vielleicht bleibt deshalb vieles so unberührt. Eine monotone Mühle, begleitet von einer Kirmesorgel, in die einst zuviel Bier geriet. Das Leben, ein Achselzucken. Wer zuerst weint, verliert. Klage? Nein, keine Klage. Wir sind ja alle dabei. Wie sagen Die Sterne? Du darfst nicht vergessen zu Essen.

Donnerstag, 15. Mai 2008
[...]

Mittwoch, 14. Mai 2008
Der Filmemacher Harald Bergmann, ehemaliger Student an der Hamburger HfBK, hat einen Schatz gehoben: Endlose Rollen Super-8-Filme und Tonbänder des früh verstorbenen Underground-Literaten Rolf Dieter Brinkmann hat er zu einem wilden Filmexperiment verdichtet. Schauspieler Eckhard Rhode wuchtet sich darin lippensynchron durch nachinszenierte Szenen, agiert zum Soundtrack eines exaltierten Misantrophen - deklamiert wilde Flüche in den Kölner Himmel hinein, seziert und dokumentiert sein privates und künstlerisches Leben, als sei er ein sich-selbst-entfugter Blogger, dem das Internet zu klein wurde. Brinkmanns Zorn ist - genau - zornig, zärtlich, ein kakophones Aufbegehren. Ist toll.
Am 12.6.2008 im WDR.
