
Sonntag, 25. März 2007
(Agent Dale Cooper)

Ich bin Fischen." Jedenfalls in der nächsten Zeit recht beschäftigt. Mal sehen, welche roten Räume ich dabei entdecke. Damals zu der Zeit, als man eine in Plastikfolie gehüllte Leiche am Wasser fand, damals an der Uni also fanden wir immer im Hilfskräftezimmer zusammen, um die neuen Folgen und Ereignisse bei Twin Peaks zu erörtern. Eine war dabei, die konnte wie Audrey Kirschstengel im Mund verknoten. Jedenfalls bildete ich mir das ein, denn damals war ich ein wenig verknallt in Sherilyn Fenn.
Ich identifizierte mich zunächst mit dem Polizisten Andy, der immer so ergriffen war und nah beim Wasser gebaut hatte. Aber natürlich schwenkte ich schnell zu Special Agent Dale Cooper mit seinem schicken Diktiergerät zurück, zumal sein berühmtes blauschwarzes Haar mich an dunklere Gothic-Zeiten erinnerte. (Rudolf Moshammer steigerte diese Frisur dann später zur Perfektion.)
Die Geheimnisse, die in diesem scheinbar so biederen Bergkaff zu Tage traten, waren auch nicht wilder als die in meiner Heimatstadt im Bergischen. Streng genommen behandelte David Lynch all die Dinge, die man selber wußte, ahnte oder von Dritten an der Schule gehört hatte. Man mußte nur einmal unter die Müngstener Brücke gefahren sein, um all die Orte wiederzufinden, wie Lynch sie nahe der kanadischen Grenze beschrieb. Ach ja, eine Ronette Pulaski kannte ich auch. Aber man hört nichts mehr von ihr.

Freitag, 23. März 2007
Wenn mir der Mann eine wichtige Information auf den Anrufbeantworter nuschelt - ja, dann möchte ich schrei'n.
Wenn die Frau im Supermarkt ein Brötchen auf den Boden fallen läßt und zurück ins Regal legt - ja, dann möchte ich schrei'n.
Wenn die Bäckersfrau mir das Brot nicht für die Hälfte läßt, weil es bis zu ihrer "Happy Hour" noch ganze sechs Minuten dauert - ja, dann möchte ich schrei'n.
Wenn die Männer fröhlich plaudernd vergessen, ihren Einkaufsberg an der Kasse endlich mal einzupacken - ja, dann möchte ich schrei'n.
Wenn so'n Blogger, der immer dummes Zeug schwätzt, wieder dummes Zeug schwätzt - ja, dann möchte ich schrei'n.
Ich möchte schrei'n, he, guter Mann mit der dröhnenden Stimme, sprich doch bitte etwas deutlicher auf mein Anrufaufzeichnungsgerät. Damit ich nicht ein Wochenende lang rätseln muß - muß das denn eigentlich sein?
Ich möchte schrei'n, he, gute Frau mit dem adrett gekämmten Haar, wer soll denn das noch essen und was ist das für ne Art, den Wagen voller Biogemüse, aber den anderen Menschen den Dreck ins Regal legen - muß das denn eigentlich sein?
Ich möchte schrei'n, he, gute Bäckersfrau mit der dämlichen lustigen Schirmmütze, was soll denn das jetzt, kurz vor acht - muß das denn eigentlich sein?
Ich möchte schrei'n, he, ihr guten Männer von fröhlicher Natur, packt euren Kram doch mal zügig in den Wagen, hier stehen noch andere - muß das denn eigentlich sein?
Ich möchte schrei'n, he, du Blogger von der jovialen Art, was soll denn das, zu jedem Mist noch eigenen Mist dazuzupacken - muß das denn eigentlich sein?
Das muß nicht sein! Das muß nicht sein!
Nein! Nein! Nein!
Wir könnten alle so glücklich sein!
Ja! Ja! Ja!
Mit Rücksichtnahme glücklich sein!

Donnerstag, 22. März 2007
Vor einer Woche wurde Patti Smith in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommen, was für sich genommen auch nicht sooo weltbewegend ist, zumal mittlerweile fast eher interessant ist, wer nicht dort verewigt wurde.
Also: artiger Applaus, super, weitermachen - dann aber ein Blick auf die wie immer pathetischen und umso berührenderen Begleitworte der Grande Dame selbst. In der New York Times blickt sie zurück, wie Rock'n'Roll sie zu "einem Meer [endloser] Möglichkeiten" führte, und nach vorn, zu denen, die nun folgen, nachdem das CBGBs abgerissen wurde und eine Ära zu Ende ist: "The Internet is their CBGB. Their territory is global."
Neue Ideale, neue Torheiten. Und immer weitermachen. Bravo.

Mittwoch, 21. März 2007
is a real advance in the condition of men,
[...] it must be shown that it has produced
better dwellings without making them more costly [...].
(H.D. Thoreau, Walden, or Life in the Woods. 1854.)
Beim abendlichen Ausflug zur Hamburger Immobiliensafari ließ mich heute ein Nachbar ins Mietobjekt, der mich sp0ntan an Gaston erinnerte. Die Haltung, die Frisur - selten drängte sich die Besetzung einer Rolle stärker auf. Es war zwar sicher eine andere Marke, aber im Sinne der Dramaturgie möchte ich auch behaupten, die in seinen rechten Mundwinkel geklebte Fluppe war eine aus dem Hause Gauloises. He, ihr Franzosen mit eurem Hang zum Comic-Klamauk: Wann kommt die Gaston-Verfilmung?
Gaston jedenfalls besitzt den Schlüssel zur Nachbarwohnung, und ein Blick auf das Matratzenlager im Wohnzimmer hilft einigen wilden Ideen durch den Geburtskanal, was man so machen könnte, verfügte man über solcherart zusätzlichen Wohnraum. Bei meiner grundsätzlich so asketischen Lebensweise bräuchte ich natürlich kein Liebesnest, aber ein Gebetsraum mit Beichtstuhl ließe sich sicher einrichten.
Die Behausungsvisiten in letzter Zeit haben mir ja wieder die Finessen und Haken des menschlichen Miteinanders eindrücklich nähergebracht. Denn wie in jeder sozialen Spielgemeinschaft sind auch im Umfeld von Wohnungsbesichtigungen einige Regeln zu beachten. So sind meiner Meinung nach scherzhaft gemeinte Fragen wie "Ob man denn sein Schild Kolloratursänger an der Haustür anbringen dürfe" im Beisein potentieller Vermieter besser zu unterlassen. Auch allzu kritisches Gebohre und Gepuhle, sei es mit den Fingern, Messwerkzeug oder inquisitorischen Fragen sind sorgsam zu dosieren, den silbernen Anstecker vom Mieterschutzbund nimmt man besser gleich vom Revers.
Der bauliche Zustand Hamburger Wohnungen ist allgemein besser als noch vor zehn Jahren - aber vielleicht schaue ich mir die Löcher diesmal gar nicht erst an. Aber diese altbekannten kreativen Badlösungen, bei denen man über die Kloschüssel steigen muß, um in der Duschtasse zu landen ("Treten Sie nicht zu kurz"), sind mir diesmal noch nicht untergekommen. In Stadtteilen, die seit ein, zwei Tagen die Schlagzeilen des Boulevard beherrschen, soll demnächst viel Wohnraum freiwerden, wenn man den Aussagen der Bewohner des "Hochhaus' des Schreckens" (MOPO) glauben schenken darf. Ich bin da vorsichtig. In zwei Wochen wird die Erinnerung an das, was sich in der Plastiktüte einer Billig-Modekette für junge Leute befand, schon deutlich schwer fallen.
Gestern war ich in einer betulichen Ausstellung, die auch mal gut tat. (Betuliche Taten tun.) Die Erfindung der amerikanischen Malerei dürfte allerdings neben Menschen im Goldenen Zeitalter höchstens noch Amerikanisten wie mich interessieren. Die romantischen Landschaftsschinken der Hudson River School hängen schon ein wenig schwer in noch schwereren Rahmen - zeigen aber unbestritten großartige Vistas (wenn auch gerne weniger realistisch denn komponiert, aber was solls) und vor allem die allmähliche Formung amerikanischer Vorstellungswelten, Ideen, Spleene & Ideale, die heute so oft auf andere Weise schauern machen.
Ich möchte die Stickbilder im Museumsshop empfehlen. Truisms von Emerson und Abraham Lincoln gibt es dort, hübsch gerahmt. "All that I am, or hope to be, I owe to my mother" ist mein Favorit. Das klingt, aus einer Plastiktüte heraus gesprochen, allerdings etwas dumpf und erstickt.
(Die Erfindung der amerikanischen Malerei. Bis zum 28.5.2007 im Bucerius Kunstforum, Hamburg.)

Montag, 19. März 2007
... und nun zu etwas ganz anderem
Nach dem etwas in Vergessenheit geratenen Motto, Blogger lesen Blogger, habe ich meine knisternde Soundkarte bemüht: Der erste Text "Niemals, aber" stammt von Ole aus Absurdistan, der zweite "Chili-Mandel-Ginseng" von Miriam von K. von Marmelade auf der Schulter. Die abgehackte Intonierung stammt von mir.
Niemals, aber [mp3, 1.5 MB]
Chili-Mandel-Ginseng [mp3, 2.7 MB]

Freitag, 16. März 2007
Ich rauch jetzt keine Zigarette,
denn sonst schimpft die Klimarette
und läßt mich ohne Auto steh'n.
Dabei möchte ich sagen: Ich bin da völlig d'accord. Autos raus aus der Innenstadt, Tempolimit, generelles Rauchverbot - letzteres klappt ja selbst in Ländern wie Irland und Italien. Nur über die funzeligen Energiesparlampen möchte ich noch reden.
Wenn mir dann noch die unter Rot/Grün gestohlenen Rentenjahre zurückgegeben werden, wäre es ja fast schon eine glückliche Welt.

Donnerstag, 15. März 2007
Seltsam, wie zu Menschen manchmal nach Jahren der Draht abreißt. Plötzlich und unerwartet. Man blickt sich an, sieht ein fremdes Gesicht, liest einen Satz, den man nicht versteht, hört einen Witz, den man nur noch peinlich findet. Was gestern noch nett und sympathisch erschien, ist einem heute öde und fad.
Weil das Rad sich weiterdreht, das Licht die Dinge anders bescheint. Weil Kredit verbraucht ist, die Sprache sich ändert. Weil man Gedankengänge auf einmal nicht mehr nachvollziehen kann. Weil man nichts Persönliches, nur noch die jährlichen Firmenaussendungen erhält. Mit Sinnsprüchen für alle Welt.
Vielleicht nach zehn, zwölf, fünfzehn Jahren. Vielleicht ein halbes Leben lang. Du fährst Auto, ich nehm die Straßenbahn. Und eines Tages werden auch diese Erinnerungen verloren sein. Wie in unserem Lieblingsfilm.
Wie Tränen im Regen.

Zeit, mal wieder beinahe zusammenhangslos Blondie zu zitieren, denn ich möchte einen kleinen Film vorstellen, der vielleicht nicht dem Atomzeitalter geschuldet ist, aber dafür auf zum Nukleus komprimierten Raum Action, Schauwerte und Rawumm vereint: Kaboom ist ein Kleinod aus der wunderbaren Sammlung von PES - ein schräges Minimalfilmkombinat mit beschwipsten tollen Ideen und Spaß nach Ladenschluß. Natürlich machen die auch Werbung, aber das ist ihr Job. Kunst allein macht nur wenige satt.
