Dienstag, 9. März 2004
Oder sollte ich sagen, Püschologen? Ich bin ja nicht der einzige, der den Kopf schüttelt. Ja, genau, Ihr Campagneros für West. "Gleiches Recht für alle", headlined Ihr bundesweit. Egalité! Agit-Advertising. Dazu dann ein Foto, daß unglaublich witzig... sein soll. Eine, der man ansieht, daß sie sagte, "ha, das ist ja witziiiig!" darf sich in den Busch hückeln und dabei eine Zichte halten. Ehrlich: Das ist ja gewagt, ihr Kreativbombenleger!
Ehrlich: Man merkt, daß die Kreativtussen bei Euch so was im Leben noch nicht gemacht haben. Und die Kreativtypen von so was immer nur in ihren feuchten Bettchen träumen.
1. Gibt frau in aller Regel die Zigarette dem (!) Nächststehenden, wenn sie hinter den Busch will. Die ist nämlich einfach nur hinderlich und nicht "cool" oder ein Zeichen für Frauenpower.
2. Hockt sich eine nicht gerade komplett alkoholbedingt weggetretene Frau nicht so in den Busch, daß sie sich unweigerlich in den Rock pinkeln würde. Hallo?
Den zieht man hoooooch. Höschen runter, Rock hoch. So ist gut, braves Mädchen. Und nun entspannen.
Zum Entspannen eignet sich dann wohl dieses Spielzeug aus Vollgummi. Angeblich für den Hund gedacht, keimt in mir der Verdacht, dies ist, was der Rock verbergen soll. Jaja, bei Pedigree spielt da der Hund mit. Bei der West sitzt da jemand drauf. Gleiches Recht für alle eben. Das immerhin leuchtet mir ein.
Wer sich aber notorisch die Oberbekleidung einnäßt, der muß ab und an unter die Dusche. Und sollte aufpassen, ob er nach links oder nach rechts zum Shampoo greift.
Ich muß dazu sagen, daß Foto ist von Luise McKenzie, der schottischen Künstlerin. Von daher kann ich mich im Moment nicht dafür verbürgen, ob diese rechtsgerichtete Flasche echt ist. Wundern würde es mich aber nicht.
Wer weiß, daß in Kreativmeetings eben nicht nur feine Kekse gereicht werden, wundert sich sowieso über nichts mehr. Wer jemals durchgeknallte Art Directorinnen auf Fotosets erlebt hat, auch nicht.
Na, das ist ja gaaaaaaanz neu.
Montag, 8. März 2004
Aufgeräumt. Neue Unordnung geschaffen. Neue Chemie angesetzt. Fünf Filme entwickelt, neun warten noch. (Ans Vergrößern wollen wir nicht denken.) Jetzt hier sitzen, Fixierergeruch an den Fingern. Und ein wenig Musik hören.
Diese Woche war extrem abwechslungsreich und fand rechtzeitig die Kurve zum Guten.
Der Tag schrie: Zelebrier mich! Es traf sich daher gut, daß ich heute nach dem Flohmarkt noch in diese Galerie zur guten Kunst wollte, etwas gute Kunst kaufen. Statt Aktienfondssparen oder ähnlich gelagerter Scherze will ich nämlich lieber einen monatlichen Betrag in gute Kunst investieren. Während man bei sonstigen Rentenmodellen sein Geld für abstraktes Papier ausgibt, von dem man nicht weiß, ob es in 30 Jahren noch etwas wert ist, hat man von guter Kunst sofortigen Spaß. Im Nu. Und mit etwas Glück steigert sich die gute Kunst auch noch gehörig im Wert. Wenn nicht, nun, dann hat man immerhin einen ästhetischen Genuß.
Ein wenig mit dem Herrn Galeristen geplauscht. Es zeigte sich rasch, daß wir ähnliche Vorstellungen von unserem Rentnerdasein haben. Altherren-WG, exquisite Plattensammlung zusammenwerfen, guten Alkohol trinken, Jazz- und Punkscheiben hören und sich von blutjungen Pflegerinnen versorgen lassen. Meine Luxusversion sind ja diese japanischen Zwillinge, die sich als Krankenschwestern um mich kümmern. Mein Gegenüber träumt von gewissen bewußtseinserweiternden (oder -dämpfenden) Substanzen, die es dann legal auf Krankenschein in die Vene gibt.
Wie bereits erwähnt, übt dieser Laden eine extrem positive Vibration auf mich aus. Man fühlt sich gleich zu Hause. Man machte auch gleich noch Werbung für die "Weltbühne", die ab März mit ausgesuchtem Programm quer durch die Hamburger Schule aufwartet. Geplant ist dort auch eine Bar "für den kulturinteressierten Trinker". Man kann dort bestimmt ab und an gepflegt vor Anker gehen.
Dann bei Sautter & Lackmann reingeschaut, Begehrlichkeiten wecken. Im Westwerk gibt es eine nette, kleine Fotoausstellung. Schließlich bei Von der Höh einen deutlich preisreduzierten Ausstellungskatalog erstanden. Das nenne ich einen netten Hamburger Samstag. Und wenn der dann noch verabredungsgestärkt bis halb vier morgens dauert, kann man nicht meckern.
Soll's halt morgen schneien. Ich bleib im Bett.
Samstag, 6. März 2004
Bei Lady Death tanzen ältere Herren auf dem Tisch und verstecken das Feuer, wo wir es gar nicht so ganz genau wissen wollen. Ich tanze in aller Regel nicht auf Tischen, ich steh' einfach so in der Gegend rum. Hier ein Bild aus der Zeit "when I was semi-cool". Auch schon wieder fünf Jahre her. Heute sehe ich aus, als sei ein graufärbender Sturm über mich hergeweht. Nur, weil ich erst als Ersatzgitarrist mit Marilyn Manson auf Tour gewesen und dann zwei Jahre auf der Titanic mitgefahren bin. Matrosenliebe.
Mit dem Hemd hätte ich noch gut in meine Ex-ex-ex-Küche gepaßt. Oder französische Filme drehen können.
Rock de jeune. Exposition.
Komödie. Komödie. Ich hör' nur Komödie. Das ist keine Komödie. Das ist ein zarter, melancholischer Film über eine ungewöhnliche Männerfreundschaft. Einer der wenigen zarten Filme, in denen gar keine Frauen mitspielen. Doch. Eine bedient den Projektor. Eine andere pißt in den Schnee und steigt wieder betrunken in ein Flugzeug. Was sie dann mit dem Doktor Soundso (mein Namensgedächtnis!), dem Leiter dieser skurillen Forschungstruppe, treibt, können wir nur anhand ihrer gurrenden Lockrufe und ihres derangierten Lachens erahnen. Gezeigt bekommen wir es glücklicherweise nicht.
Also, merken: Frauen arbeiten nur an Illusionsmaschinen oder schweben in silberglänzenden Flugzeugen durch die Lüfte. Anwesend sind jedenfalls nur die Männer.
Eine schwedische Hausarbeitsforschungsgruppe macht sich in den späten 40er-Jahren mit einer Buckelvolvo-Kolonne (für Kenner: Baureihe 444) auf den verschneiten Weg nach Norwegen. Der alleinstehende Norweger soll am lebenden Objekt studiert, beobachtet werden. Dazu setzen sich die Schweden zu ihrem "Gastgeber" in die Küche auf eine Art Hochstuhl und zeichnen akribisch die zurückgelegten Wege und Art der Arbeiten auf. Jeglicher sozialer Kontakt hat zu unterbleiben aus Angst, die Forschungsergebnisse zu verfälschen.
So sitzt man stumm, beäugt sich gegenseitig mißtrauisch. Mahlzeiten nehmen die Schweden in ihren mitgebrachten kleinen Wohnwagen (Stichwort: Ei) zu sich, wo sie auch schlafen.
Der Film zeigt, wie sich schweigsame Männer in der nordischen Einöde doch annähern. Aus Beobachteten werden Beobachter, aus stummen Teilnehmern eines wissenschaftlichen Experiments beredte Komplizen, die sich heimlich Tabak und Alkohol teilen.
Ja, man darf viel Lachen in dieser kleinen, großartig fotografierten Geschichte. Darf staunen über die Ressentiments der Nordländer (die Enttäuschung der Norweger über die zaudernde, ewige Neutralität der Schweden im 2. Weltkrieg). Sarkastische Bemerkungen sind fällig, wenn diese uber-neutralen Schweden nun als uniformierte Invasionstruppe unter der Flagge der Wissenschaft ins Nachbarland einfallen.
Man darf aber auch ergriffen sein, wie sich diese skurrilen, ungleichen Männer, die vom Leben beide nicht belohnt wurden, langsam näher kommen. Wie ihre Freundschaft wächst, Eifersucht und Mißtrauen weckt. Und wie sich schließlich - wie in allen großen Geschichten - noch der Tod dazugesellt.
"Schöner Film über eine Männerfreundschaft", meinte meine Bekannte. "Den solltest du dir vielleicht mal mit Herrn maz anschauen." - "Nee, lieber nicht", antwortete ich. "Der will ja nur fummeln." Nein, zum Fummeln ist "Kitchen Stories" zu poetisch. Und schön. Monochrome Farbflächen in sehr skandinavischen Blau- und Grüntönen dominieren in den kargen Räumen. Innen und Außen. Und habe ich die Buckelvolvos schon erwähnt?
wird ein schöner Tag. Ehrlich.
Donnerstag, 4. März 2004
Der Blade Runner
"You are talking to me?"
Es reicht, Freunde. Noch so einen Tag brauchen wir alle nicht. Heute kam ich, um mich zu beschweren. Totally fed up. Do something with your middle-finger. Shove your fist into your... mouth. Wenn ich Pisse trinken will, frage ich nicht dich.
Ok, fuckhead?
Passenderweise war heute jemand von "friedhof-hamburg.de" auf dieser Seite. Das empfinde ich als sehr fürsorglich.
Nur Geduld, ich beeile mich ja schon.
Zur Zeit nur ein Bedürfnis. Morgen Betriebsschluß machen und ein schönes Wochenende verbringen mit meinem neuen Spielzeug. Vielleicht in einem rostigen Bett mit nassen Laken schlafen. "Stand up and admit, tomorrow's never coming." (Marilyn Manson, "This is the New Shit")
"Übrigens, ich habe neulich den Song Anarchy in the UK gehört. Der ist ja ziemlich gut, was?"
(Vivienne Westwood in einem Gespräch Mitte der 80er-Jahre. Zit. n. Jane Mulvagh. Vivienne Westwood: Die Lady ist ein Punk. 1999.)
An mir geht auch das ein oder andere vorüber. Heute war so ein Tag, der die Flexibilität prüft. Bis zum Mittag hatte ich schon Magenschmerzen. Dann wurde es langsam besser. Im Supermarkt schenkte mir meine Lieblingskassiererin ein Lächeln. Nachmittags eine bessere Nachricht als der Vormittag vermuten ließ. Dennoch.
Dann auf St. Pauli fast auf die Fresse gelegt. Dann aber eine interessante Geschichte in einem kleinen, schmuddeligen Laden gehört. Davon später sicher mehr.
Freude an den kleinen Dingen. Zu-Behör. Ältere Menschen wie ich haben so etwas früher gebraucht. Bei meinem Umzug sind ein paar Sachen verschwunden. Möglicherweise sogar gestohlen worden. Darunter auch meine beiden Pucks. Nun bekam ich einen solchen zum Ersatz geschenkt und dazu einen Stern.
Nun kann ich wieder hören. Sogar "Anarchy in the UK".
Dienstag, 2. März 2004
Ach, sparen wollt' ich! Zeit hab' ich eh nicht! Wer wird das beim nächsten Umzug tragen, sprich?
Perdu, alles hinweg weht der Wind. Die guten Vorsätze zuerst. Bald ist die Vorratstasche gefüllt mit neuen Büchern (so als hätte ich nicht gerade erst am Wochenende auf dem Flohmarkt... aber da waren es ja nur Reiseführer!). Man kann die Schätze ja nicht einfach so sich selbst überlassen... wenn sie nur einen Euro kosten.
Bücher sind im übrigen nicht pfändbar, sofern es sich nicht um echte bibliophile Kostbarkeiten handelt. Ein Grund mehr also, die knappen Taler lieber in Literatur und Kunst anzulegen. Wer weiß. Wenn meine Ämtersache nicht mal bald entschieden wird, gehen hier eh schnell die Lichter aus.
Meine Sachbearbeiterin ist aber sehr nett. Nur eben auch sehr genau. Aber wenn sie alles geprüft hat und noch einmal geprüft hat, wird sie zu dem Schluß kommen, den ich selbst ihr schon nahe gelegt habe.
Und meinem Antrag stattgeben.
Bis dahin heißt es, immer weiterarbeiten. Und Geduld haben. Und dazwischen ein wenig lesen. William Carlos Williams zum Beispiel.
Sonntag, 29. Februar 2004
blabla. So ruft ein bekannter ehemaliger Senator kurz vor der Wahl wahllos Personen in dieser "schönen Stadt" [tm] per Telefon an. Blablabla, deshalb wählen Sie mich. Blablabla. Und diese Telefon-Spam-Bandansage ist dabei richtig gut gemacht. Die Intonation hervorragend, der Text präzise, suggestiv und stringent, die Tonality sehr genau ausgependelt zwischen höflicher Demut und überzeugender Bestimmtheit.
Wieso eigentlich hat immer der politische Gegner die besseren Kampagnen? Selbst zum "Aufräumen" will er kommen. Kann in meinem Keller anfangen. Der Herr M.? Fährt Bobby-Car wegen der Kitaplätze. Soll die Firma nicht verkauft werden? Schon wieder auf den falschen Sitz gesetzt?
Also, heute ist Wahltag.
Abschiedsräume, Toiletten - ist das nicht alles irgendwie dasselbe?
"I'm crazy for you, but not that crazy", singen die Magnetic Fields auf persönliche Empfehlung meiner Wiener Lieblings-Korrespondentin, die - hätte ich Rentenansprüche oder eine Lebensversicherung - sofort heiraten würde. Aber erst einmal gehe ich ins Wahllokal und schaue, was da zu machen ist.
Samstag, 28. Februar 2004
Einer schönen Tradition von Lady Death folgend, möchte ich mal darauf hinweisen, daß dieses blog nunmehr 69 Tage besteht.
Macht was draus.
Und bitte kein Gerede. Atmen macht auch krank.
Oder wie Ellen DeGeneres schon zu berichten wußte:
"Beunruhigende Studie enthüllt: Studien sind beunruhigend."
Für manche ja schon ausgeträumt.
Manchmal frage ich mich aber, was sind das eigentlich für Redakteure, die diese ostalgischen Rückblicke betreuen. Eben bei arte gab es alte 8mm-Filme aus der DDR zu sehen. Säugling Rainer, geboren am 28.10.1965 (schönes Datum ;-)), wird gebadet. Kommentar: "Stoffwindeln. Ein ganzes Land ist ihnen groß geworden." Richtig. Ein ganzes Land. Nicht nur die eine Hälfte. Im Westen gab es nämlich zu dieser Zeit in der Regel auch nichts anderes.
Überhaupt wird gerne vergessen, daß zehn, zwanzig Jahre nach dem Krieg die Alltagswirklichkeit Ost/West sooo unterschiedlich noch gar nicht war. Im Westen gab es auch nur Kohleöfen und Klos auf dem Flur. Man besaß einen Stuhl und einen Anzug. Und kein Buch.
Vermutlich sind diese Redakteure nicht älter als 30.