Donnerstag, 26. Februar 2004
Bei der Mad Tea Party wird T. S. Eliot zitiert. Ein schöner Beitrag zum Aschermittwoch. Ich war heute in St. Petri.
Es gab aber keine Aschekreuze.
Gun Club
Dies aber zeigt mir, daß bessere Zeiten anbrechen. Dieses Lied IST meine Jugend. Ich meine, als ich blutjung war und Pogo noch was mit Expression und nicht mit sinnentleerter Brutalität zu tun hatte. Heute kennt das ja sowie keiner mehr. "We can fuck forever, but you will never get my soul". Hört sich vielleicht etwas unromantisch an. War aber ein Statement. Ne me touche pas. Dazu gehört auch Charles de Goal mit "Rock de Jeune". Ich werde demnächst noch Harald Staun zu diesem Thema zitieren, finde nur den Schnipsel nicht. Ganz groß. Danke, Tom Paul. Danke, Gun Club!
Mittwoch, 25. Februar 2004
Vor ein paar Wochen lag für hiesige Verhältnisse viel Schnee und verwandelte auch die norddeutsche Landschaft in eine ungewohnte Szenerie. Selbst nachts gegen 1 Uhr lag über allem ein unwirklicher, gelblich fahler Schein. Zum Glück stand William Turner zufällig an meinem Fenster, um den nachtromantischen Ausblick festzuhalten. Selbst das blaue Licht des Krankenwagens, der sich zu fortgeschrittener Stunde mühsam durch den Schnee kämpfte, entging ihm nicht.
Gerade las ich im Terminal Pub eine kleine, aber empathische Eloge auf Naked Lunch. Die Kärtner Briten, sollten sie noch in London wohnen, waren vor ein paar Jahren mal für kurze Zeit, das "neue, heiße Ding". Ich war verknallt in ihr Album "Superstardom", das ich einem Kollegen erst aus dem Kreuz zu leiern versuchte, ehe er es mir freiwillig abtrat mit den Worten, "na wenn es Dir so gut gefällt". Später trat er mir sozusagen noch seine Geliebte ab, wenn man das so sagen darf, aber das war weder ihm noch mir zu diesem Zeitpunkt überhaupt bewußt. Tatsächlich habe ich es erst vor einem Dreivierteljahr erfahren, und da spielte es keine Rolle mehr. Jedenfalls was Naked Lunch anging.
Ihr anrührendes Sparks von "Superstardom" hat mich nun an eine Zeit erinnert, als vieles noch vor mir lag, was nun hinter mir liegt.
Now listening to Naked Lunch. "Stay".
Dienstag, 24. Februar 2004
... und du gehst als Fremder.
Montag, 23. Februar 2004
für diejenigen, die überhaupt einen Fernseher haben und arte empfangen können. Ab 22.20 Uhr läuft eine interessante Doku über den jüdischen Schriftsteller und Grafiker Bruno Schulz und seine Wandmalereien in der Villa einer SS-Größe.
Zitat (sinngemäß): "Der war doch Masochist, der hatte nichts mit Frauen."
"Aber Masochisten haben doch auch was mit Frauen?"
"Jaa, aber nicht so."
Samstag, 21. Februar 2004
Man soll sich nie von einem Kaffee beeindrucken lassen.
"Ich stieg auf Berge und ging durch Täler, unter Brücken und über Gräber. Ich sah sie kommen, und sie sahen mich gehen. Ich wollte immer nur verstehen, wo geh ich hin, und wo gehst du her, denn dieser Unterschied ist sehr genau. Entweder ist der Sinn das Ziel oder der Weg dorthin."
(Bernadette Hengst, "Immer noch ich")
Erdbeeren aber gibt es zu dieser Zeit nur in Wien .
Vielleicht gibt es dort auch ein Etap-Hotel.
Freitag, 20. Februar 2004
Heute morgen waren es schon wieder 25°C in meiner Wohnung. Der Fluch der Südseite. Angenehme 20°C hingegen in meiner Dunkelkammer. Nicht nur für mich, sondern auch für die Fotochemie die optimale Arbeitstemperatur. Von der Sonne habe ich folglich wenig mitbekommen. Aber die strahlt ja eh in meinem Herzen am hellsten. Da konnte mich selbst die seltsam danebene eMail eines ehemaligen guten Freundes nicht stören. Der versteht nichts, und ihn versteht auch keiner. Nicht einmal die Dame, um die es dabei auch geht.
So weit ich es bislang beurteilen kann, hat auch der größte Feind des Fotografen - Staub, böser, böser Staub! - nicht übermäßig stark zugeschlagen. Zufriedenheit also. Da Funkenmariechen nicht freiwillig in Dunkelkammern suchen, messe ich dem Umstand, heute ungebützt ins Bett gehen zu müssen, keine persönliche Bedeutung bei. Hamburg ist Diaspora, was gewisse Dinge angeht. Entweder Zurückhaltung oder Hardcore, dazwischen ist es schwer.
Jetzt noch ein wenig in der Plattensammlung stöbern. Die "Creatures" doch bei eBay verkaufen? Der Spaß ist ein wenig vorbei. Andererseits haben die alten Dinge ihren eigenen Wert, egal wie sehr sie durch die Umstände der Zeit besudelt sein mögen. Und schließlich haben sie ihre LP ja damals nicht ausschließlich für mich gemacht. Warum gibt es eigentlich jede Menge Neo-Punk-Mist, nicht aber mein Lieblings-T-Shirt "Where were you in '77?"
Quark waren da wohl die meisten, nicht mal das wahrscheinlich. Meine liebste Neo-Punk-Exfreundin ist Jahrgang 1970. Und ich glaube, sie war damals in der Grundschule schon dabei. Ihr verzeihe ich alles.
Jetzt lasse ich mich von Bernadette La Hengst beduschen. Sie habe ich einmal in einem Interview sehr böse gemacht. Dabei habe ich noch nicht einmal über Gott mit ihr geredet. Sie erwähnt das sehr oft. Zweimal habe ich sie böse gemacht. Einmal während dieses Interviews und einmal, als ich ihr im Hamburger "Logo" aus Versehen im Gedränge ein eiskaltes Bier in den Rückenausschnitt drückte. Das tut mir alles leid.
"Im Aufrechnen war ich immer schon schlecht", singt sie gerade. Das beruhigt mich. "Immer noch ich". Ein sehr großes Lied.
Und sehr wahr.
Sie hat noch eine andere Botschaft, die manche bedrückend finden werden:
"Der beste Augenblick in deinem Leben, ist gerade eben jetzt gewesen."
Macht was draus!
Ich weiß, es gibt viele ernste Themen. Frauen, z.B.
Die regieren ja heute im Rheinland. Der Rheinländer an sich nimmt es philosophisch:
"Ma' hat ma' Glück, Ma' hat ma' Pech, Mahatma Ghandi.
Man weiß ja vorher nie so ganz genau, was kann die?"
Da ich aber in Hamburg lebe, hat mich heut' noch keine gebützt. Das ist ja nun auch nicht schön.
Ach ja: Wer sich zum Ausgleich etwas vorsingen lassen will, der gehe hierhin und folge dem Link zum Schwedischen Radio. Ganz hervorragende Sache!
... so sangen einmal Die Tödliche Doris, gibt es keine wertlosen Mitglieder. Auch die Untermenschen hätten eine wichtige Aufgabe.
So bitter muss man nicht werden. Wer jemals ein Dasein gleich einem Hausdiener gefristet hat, sozusagen zum Personal gehörte, weiß immerhin eins:
Man ist sehr schnell vergessen. Und fällt niemandem zur Last.
Auch dies kann eine wichtige Aufgabe sein.
Dienstag, 17. Februar 2004
Heute mittag bemerkte ich zufällig in der Innenstadt dieser nach einheitlicher Meinung seiner Ureinwohner "schönsten" Stadt einen bekannten Politiker, der bis vor ein paar Monaten noch mit Regierungsmacht versehen war. Dann katapultierte ihn eine für Kenner der hiesigen Politszene nicht komplett überraschende, insgesamt aber absurde Geschichte aus dem Amt. Aus Amt und Würden kann man in diesem Fall beim besten Willen nicht sagen, denn "Würde" hat es in dieser Beziehung von Anfang an nicht gegeben. Jedenfalls wird deshalb am 29. Feburar in dieser schönen Stadt neu gewählt .
Ich erlaubte mir die Freiheit, auf dem Platz vor dem Rathaus dieser so schönen Stadt zu verweilen und den Mann ein wenig zu beobachten. (Da dieser Mann auch lückenlose Videoüberwachung propagierte, wird es ihm nicht unangenehm gewesen sein.)
Der entehrte Ex-Senator versuchte, über sein Mobiltelefon ein Gespräch zu führen, was offenbar technisch problematisch war. Überhaupt konnte man sehen, daß die Politik ein - wie er selber mal sagte - ein schmutziges Geschäft sein muss. Jedenfalls fordert sie Tribut.
Ich bin natürlich nur Laie. Aber der Mann wirkte ein wenig gestresst, böse Zungen würden vielleicht sagen, verwirrt, desorientiert. Er ging immerzu im Kreis. Er umkreiste mich. Er wählte mit wechselndem Erfolg irgendwelche Nummern. Mit angestrengtem Gesicht. Er lief fünfzehn Meter nach hier. Dann lief er fünfzehn Meter nach da. Dann drehte er sich um und rannte wieder auf einer Kreisbahn. Mir wurde ganz schwindelig. Ich schnappte einen Satz auf: "Dann können wir die Wahl vergessen!"
Ich weiß, mich hat niemand gefragt. Warum auch. Dennoch ein wohlmeinender Rat: Vergessen Sie die Wahl! Echt. Nehmen Sie Urlaub. Spannen Sie aus. Gewinnen Sie Abstand.
Danke.
Wo wir gerade dabei sind.
Eine kleine Wählergruppe, die einstmals als "sozialdemokratisch" verfemt wurde (diese Zeiten sind ja - gottlob! - vorbei), nimmt auch wieder an dieser Wahl teil.
Sie hat die Stadt mit Plakaten vollgestellt. Ein Herr M. verspricht dort 180.000.000 neue Kitaplätze. (Es können jetzt auch ein, zwei Nullen mehr oder weniger sein. So genau habe ich das auf die Schnelle nicht gesehen.) Auch verspricht er 40 neue Lehrer (auch hier: Vielleicht war es auch eine Null weniger oder mehr). Mehr Arbeit, mehr Brot und vor allem mehr Polizisten auf der Straße. Angesichts der beschämenden Ausstattung mancher Wache möchte man es den Polizisten nicht verdenken, lieber auf den schicken Straßen dieser schönen Stadt Dienst zu tun. Jedenfalls, dieser Herr M. nimmt die Sache sehr wichtig. Er will sich nun sogar persönlich verbürgen für diese 180 Trillionen neue Kitaplätze. Milliarden Hamburger werden nun Kinder machen und sie dann in drei Jahren zu Herrn M. ins Reihenhaus bringen, damit er sie betreue. Ich hoffe nicht, daß Herr M. seine alte Mutter um eine Bürgschaft für die Bürgschaften gebeten hat. Man weiß ja wie das geht. "Mama, eine todsichere Sache. Aber ich brauche Deine Unterschrift. Keine Sorge, es kann nichts passieren." Und das nächste, was man hört ist, daß das Häuschen von der Mutter von Herrn M. zwangsversteigert und in eine Kita umgewandelt wurde...
Die anderen Parteien wurden übrigens von Spaniern unterwandert. Überall liest man nur "Ole". Har har. Jetzt denken alle, das sei ein dämlicher Kalauer. Nein, es stimmt: Die FDP (Fraktion der Pfallschirmspringer - da war er, der Kalauer!) textet - mangels Inhalt - so: Olé, Olé.
Soll noch einer sagen, die Hanseaten kennten keinen Karneval. Wo war ich eigentlich nochmal am 29.?
Ich kann's nicht mehr hören.
Echt jetzt.
Bald gibt es bestimmt das erste "Das Buch zum Hörbuch".