Mittwoch, 17. März 2004
Ja, Alter: Laß mal dein blaues Bändchen wehen. Du bist's? Ich hab' es gleich erkannt. Andere führen ihr Modern-Martyr T-Shirt aus, ich habe ein wenig im Jesus-Votiv-T-Shirt renoviert und die Sonne mein Zimmer aufheizen lassen. 20° Grad in Hamburg meldeten die Wetternachrichten. Auf dem Weg zum Greißler schaute ich kurz ins Büchercafé. Boris Vian Der Herzausreißer
für 1 €. Kühl. Darin eine Widmung: "Ganz herzlichen Glückwunsch zu Deinem 50. ... PS: Hoffentlich schockiert Dich dies Buch nicht zu sehr". Nein, sicher nicht, lieber P. Mich schockiert, daß C. dieses Buch nun zum Höker gegeben hat. Aber vielleicht hatte sie Gründe oder war doch schockiert. Vielleicht hättest Du ihr auch einfach was Hübsches bei "Blush Berlin" kaufen sollen? Wieviel Geld das gespart hätte!
Berlin ist heiß, das ist bekannt. Aber Blush-Berlin ist heißer. Keinen Faden zuviel für einen richtigen Frühling.
... ist keine Schande.
"Wait they don't love you like i love you
Made off
don't stray
well my kind's your kind i'll stay the same
Pack up
don't stray
oh say say say..."
(Yeah Yeah Yeahs, "Maps")
[Edit] Und wenn man solche Musik Frauen vorspielt, dann sagen die, "was ist denn das für ein Gelusche. Hast Du nicht was härteres?" Hallo? Bei solcherart Sprüchen sind wir Männer aber auch empfindlich. Ich sag ja auch nicht, hm, hm also Deine "Monster Magnet"-Alben oder dieser Herr Manson oder meinetwegen frühe Neubauten, hast Du nicht mal was strafferes?
[Edit-Edit] Meine Gewährsfrau aus Wien hat hier doch was Tolles entdeckt. Scheint als ginge Miss O doch. Yeah, yeah, yeah! Poison-Ivy rocks.
Montag, 15. März 2004
Wenn der Brief einmal im Briefkasten liegt, kann nicht einmal Gott ihn wieder herausbringen. Ähnliches gilt für eMails.
Überhaupt, eine undo- oder wenigstens Savegame-Funktion wird im Leben immer wieder schmerzhaft vermißt.
Wie feige.
Ella hat es aufgebracht, zuerst gesehen habe ich es im Terminal Pub, der heute reichlich derangiert aussah. Alle haben sie tolle Garcia Marquez Bücher. Und ich alter Irland-Degoutierer? Natürlich. war ja klar.
You're Ulysses!
by James Joyce
Most people are convinced that you don't make any sense, but compared
to what else you could say, what you're saying now makes tons of sense. What people do
understand about you is your vulgarity, which has convinced people that you are at once
brilliant and repugnant. Meanwhile you are content to wander around aimlessly, taking in
the sights and sounds of the city. What you see is vast, almost limitless, and brings you
additional fame. When no one is looking, you dream of being a Greek folk hero.
Take the Book Quiz
at the Blue Pyramid.
Und dann könnte die Beschreibung auch noch stimmen!
Bettzeit.
Sonntag, 14. März 2004
Die milde Luft und die angenehm dezente Sonne lockten heute hinaus auf die Deichanlagen. Ein Hauch von Vorfrühling bei der Rothenburgsverortung. Billwerder Bucht, runter zum Holzhafen. Stichwort: Unterwegs morsches Holz und Schrottteile gesammelt. Öbszöne, anthropomorphe Formen wispern schon Frühlingserwachen ins Ohr. Die Erde weich und feucht. Fett. Lange kann es nicht mehr dauern. In der nächsten Vollmondnacht lungern sicher blutdürstige Wicca-Horden im Schilf und praktizieren sexual magick.
Der Wind aber weht alle düsteren Gedanken fort. Der Wind packt einen am Kopf und schüttelt alles Schlechte links und rechts aus den Ohren raus. Noch ist also Mützenwetter.
(Und wäre es nicht bizarr, beim nächsten Vollmond nackten, blut- und matschbeschmierten Hexen im Schilf zu begegnen, die alle noch ihr Strickmützchen tragen?)
Auf dem Deich von einem Spaziergänger gegrüßt werden. Ein Zugezogener, denke ich. Nein, der nächste Jogger schwenkt mir ein freundliches "Moin!" entgegen. Verblüffend. Das kenne ich nur aus meiner Heimat, dieses Grüßen im Gelände. Als ich vor Jahren mal in der Zone spazieren war, grüßten einen nicht einmal Spaziergänger, wenn man sich auf schmalen Kaninchenpfaden begegnete. Schlimmer, man starrte mich seltsam indigniert an, als ich es tat. Gut, dafür kann man dortzulande splitternackt durch den Busch laufen, ohne daß es merkwürdig auffällt.
Grüßen sei dort ungebräuchlich, wurde ich aufgeklärt. Aber ist es nicht merkwürdig, fragte ich. Man stolpert durch einsames Gelände und begegnet in dieser weiten Landschaft plötzlich einem anderen Menschen und geht dann schweigend aneinander vorüber?
Was sollte man sonst tun, wurde geantwortet.
Wie unheimlich. Wo man doch weiß, daß der Mensch des Menschen Wolf ist. Da sind Friedenszeichen doch lebenserhaltend. Aber der Osten ist rauher. Der Westen ist weichlich. Heute wehte der Wind, und ich hatte mein Mützchen vergessen. Aber ich habe "Hallo" gesagt.
Sonntag, 14. März 2004
Man muß sich so sehr hüten, daß man nicht
Ohn jeden Anlaß aufbrüllt wie ein Tier.
Daß man der ganzen Kellnerschaft Gesicht
Nicht kurz und klein haut, übergießt mit Bier.
Daß man sich nicht die ekle Zeit verkürzt,
Indem man sich in einen Rinnstein legt.
Daß man sich nicht von einer Brücke stürzt.
Daß man dem Freund nicht in die Fresse schlägt.
Daß man nicht plötzlich unter Hundswauwau
Die Kleider sich vom feisten Leibe reißt.
Daß man nicht irgendeiner lieben Frau
Den finstern Schädel in die Schenkel schmeißt.
(Alfred Lichtenstein, "Der Angetrunkene". 1919.)
"... but I haven't got a stitch to wear." (The Smiths, "This Charming Man")
Die letzten wahren Herausforderungen werden im Fischlog abgehandelt. Zum Hamburg-Look gehört aber neben Hornbrille [check], Crumpler-Weenie oder LKW-Planen-Kuriertasche [check] unbedingt auch der Cöt aus halblangen, dünnen, halbfettigen Haupthaaren [nope]. So oute ich mich dann doch als zugezogene Quiddje.
Ich könnte noch zu einer gutvibrierenden Vernissage gehen. Aber mir hängt noch eine Freitag-Künstlerparty in den Knochen. Dortselbst gelernt: Polnische Fotografinnen können dangerously oversexed sein. Auf eine subtile Art. Polnische Kameramänner aber auch. Auf eher unsubtile Art. Hamburger Fotografinnen können ein latentes Interesse für deviante Sexualpraktiken offenbaren. Nörgelnde Säuglinge werden in meiner Gegenwart ganz ruhig (weil ich so unglaublich interessant bin, was sonst). Buffets lenken von Bildern an der Wand ab. Nicht jeder Kochlöffel hält jeder Art von Belastung stand (Ich hatte es vermutet). Es gibt Fotos, die so trashig sind, daß sie für eine Menge Gesprächsstoff sorgen. Es gibt Fotos, die so gut sind, daß sich keiner für sie interessiert. Ich kann um halb vier Uhr morgens noch erstaunlich belastbar sein.
Und? Du willst immer noch ausgehen? Denk an die Smiths:
There's a club, if you like to go
you could meet somebody who really loves you
so you go, and you stand on your own
and you leave on your own
and you go home, and you cry
and you want to die
("How Soon is Now?")
Freitag, 12. März 2004
A woman's work is never done, heißt es. Männer aber haben ab und an auch einiges zu tun. Diese Woche war das Eisenbiegen auf der Schiffswerft, auf der ich momentan arbeite, ganz schön schweißtreibend. Und muskelbildend. Feine Sache: Der Anker auf meinem Unterarm ist direkt was größer geworden.
Jedenfalls bin ich jetzt froh, daß es Freitag ist. Und hungrig. Seit langem schon warne ich aber vor richtigen Menüs. Mit Menüs kann man bei anderen Menschen viel erreichen, was hinterher aber häufig nur zu Verletzungen führt. Man kann sich den Umweg übers Essen natürlich auch sparen. But don't try this at home!. Gar nicht lustig, deshalb schalten wir kurz zurück zu dieser anderen Berufsgruppe, die bekanntlich nicht nur sinnlich, sondern auch gefährlich lebt.
Ich empfehle deshalb gerne das Käsebrot. Nach wie vor.
Donnerstag, 11. März 2004
Wer Belladonna nicht braucht, betreibt vielleicht nur Nabelschau. Das wußte jedenfalls Ilmaja zu berichten. Die schönste Nabelschau aber findet hier statt.
Vielleicht sollten Donnabella-Jäger und Brotspinnen einfach ein wenig gemeinsam Fussel suchen und sich vertragen?
So, grad komme ich angenehm verhopft vom Hamburger Bloggertreffen aus der Marktstube.
Man weiß ja vorher nie, was einen da so erwartet. Junge Nerds oder nerdige Jungs, von Brotspinnen nicht zu reden.
Nun, am Ende, denke ich, haben sich die richtigen Grüppchen gefunden. Danke nochmal an die Initiatoren. Die Wahl der Location hatte mich im Vorfeld ja schon ermutigt. (Musik war übrigens super: New Order, Elvis Costello. Hätte auch ich bestellen können)
Das Thema war natürlich auch die sogenannte "Belle de Jour"-Affäre. Ach ja. Mindestens dreimal hörte ich den Witz, "Hi, ich bin Don." "Ach ja, und ich bin Belle de Jour." Allein dafür war das doch gut. Gut gemacht ist es auch. Aber dazu ist ja alles schon gesagt. Möglicherweise gab es ja heute bloggerbewegend neues, aber ich denke mal nicht.
Ein anderes Thema war "mitlesende Exfreundinnen" (was es alles gibt). Andere Blogger haben damit offensichtlich Erfahrung, so daß sich das Thema "Selbstzensur" unmittelbar aufdrängte. Mir lag da ein bissiger Kommentar auf der Zunge, aber während der U-Bahnfahrt habe ich den glatt vergessen. Ich selbst habe glücklicherweise nur wohlwollende Mitleser. Ich wünschte, ich könnte sagen, ich habe nur wohlwolende Exfreundinnen. Haha. Das war aber nicht der bissige Kommentar. Vielleicht fällt er mir noch ein.
Ein paar Hamburger Interna waren auch nett. Und überhaupt: Ich fand die, die jetzt wissen, wen ich meine, sehr sympathisch. Und danke auch für das Bier und die neuen Links.
Edit: Ich werde mal wieder steckbrieflich gesucht. Der Mann will aber keine Kommentarfunktion. Deshalb muß er nun dumm ins Bett gehen. Oder er findet einen referrer, wenn sich jemand erbarmt und den Link klickt.
Mittwoch, 10. März 2004
Sie leben harte Leben,
sie können viel verstehn.
Sie haben viel zu geben,
haben viel gesehn.
Sie müssen nicht mehr streben,
sie sind auch noch nicht bequem.
Doch ists wie ein Erdbeben,
wenn sie mit dir gehn.
(Fehlfarben, "Club der schönen Mütter")
"Juni 1980
Thomas Schwebel hört in seinem neuen Auto, daß er sich für die gesammelten Auftrittsgagen des Frühjahrs für 150 Mark gekauft hat, die Buzzcocks: I Hate Fast Cars. Riesenunfall in Wuppertal ist die Folge. Am Abend erste Aufnahme in den EMI-Studios: Paul ist tot."
Früher [tm] koordinierten sich DAF, Mittagspause, Fehlfarben, Der Plan eine zeitlang im Dunstkreis der Wuppertaler "Börse". Da saß ich auch oft und war jung und beeindruckbar. Da gab es diese Künstlerkneipen, Abhängbars und komischen Schuppen. Man kannte sich. Und es gab immer tolle Barfrauen. Zwei, drei kannte ich auch. Das ist, was mir in Hamburg fehlt.
I cannot relate anymore.
"Ab September 1983
Die Band baut sich ihr eigenes Studio in Wuppertal. "
"Wechsle die Liebe oder die Stadt
Oder mach einfach dein Konto platt.
Du musst nur wollen, dann geht's schon glatt
Das Leben bietet doch Chancen satt."
(ebd., "Sieh nie nach vorn")
Andererseits, wenn ich das alles so lese, bleibe ich morgen lieber daheim.
Vielleicht Frühjahrsputz machen und die Brotspinnen aus der Ecke fegen.
Die Liebe will immer zu weit gehen und über die Freiheit des anderen verfügen.
(Undine Gruenter)
Aha. Das steckte also dahinter.