Montag, 17. April 2006
Ostern hat nicht nur Schokoladenseiten.

Donnerstag, 13. April 2006
The endless seed of mystery,
The thorn, the veil, the face of grace,
The brazen image, the thief of sleep,
The ambassador of dreams, the prince of peace.
I am the sword, the wound, the stain.
Scorned transfigured child of Cain.
(Patti Smith, "Easter")
Nun gehe ich fort. Die Kerze anzünden, den Blick in die Morgenröte halten. Überhaupt: inne halten. Morgen ist Freitag, da werde ich denken: Das Fleisch, die Wunde, das Ende der kargen Zeit. In den letzten Wochen, Monaten war so viel zu denken, noch mehr zu glauben und wenig zu sagen. Zuviel Funktionieren auch und zu wenig Versuchen, Tasten, Probieren. Hier muß es wieder raus aus den flachen Gewässern, mehr ins Licht, noch mehr vielleicht aber in die Dunkelheit.
Die streunenden Hunde, die falschen Rotkäppchen liegen lange am Waldrand schon zur Ruhe. "Wie Schatten hinter schwarzen Büschen stehen" (Trakl). Sangre de Dios, mag es also tropfen im dunklen Gehölz. Kein Kain, kein Abel, kein böserer Bruder.
Danach aber folgt das Osterfest. Der Stadt und dem Erdkreis. Auferstehung, Licht und all überall hoppelnde Kaninchen. Astartentanz auf der Mümmelmannwiese.
Ich ziehe dann weiter. Im Osten, so heißt es, wartet auf mich ein Tanz um ein Martiniglas. Eine Verheißung, der ich mich gerne hingebe. Frohe Ostern.
Seid bis dahin so brav wie ich es bin.
(via The Reverse Cowgirl)

Montag, 10. April 2006
should not attempt it.
(Assassination: A Primer,
via Gedankenträger)

Dem Verfall zu begegnen ist ein moralisch wertvoller Kampf, den die meisten Menschen am Wochenende führen. Feudeln, Wischen, Staubsaugen, manchmal sogar das Bett frisch beziehen, manche erinnern sich dunkel. Geschirrspülen zählt dabei zu den befriedigensten solcher Tätigkeiten, dicht gefolgt nur vom erhebenden Gefühl, die Wanne vom Abtropfständer von den Kalkablagerungen des letzten halben Jahres zu befreien. Ein wenig Zitronensäure (unauffällig beigemischt) führt da schnell und sicher zum Ziel und hinterher kann man sich daran berauschen, wie kalkiger Schlick den Weg in den Ausguß findet.
Sind die Sedimente entfernt, Schicht um Schicht, füllt das Röcheln und Schnaufen des Staubsaugers die frühlingshafte Luft. Mit begeistertem Gurgeln und Rattern schluckt er das, was andere nur spucken würden. So ist's brav, denkt man, und führt das Rohr in die dunkelsten Ecken.
Das stimuliert die empfindlichen Nerven. Au Rebours, bürste ich den finst'ren Abgrund! Tod, Tod dem bösen Staub! Dieser Kampf ist ein heiliger. Einmal soll eitel Glanz und Freude sein! Bevor es wieder hinabgeht, tief unten, là bas, in die abyssmalen Welten, wo tentakelarmige Haushaltsmonster ihre staubige Saat, ihre krustige Brut in den Räumen verteilen. Ich werde sie vernichten, ein moderner Van Helsing, ein Sinclair, ein Staubmonsterjäger. Als Ninja-Krieger im Haushaltskampf töte ich lautlos, presse das Staubtuch mit einer ebenso raschen wie unerbittlichen Bewegung auf den modrigen Schlund des Monstrums, ersticke das feindliche Wesen - und schleiche zurück, alle Spuren verwischend.

Freitag, 7. April 2006
es mag Euch eine putzige Idee erschienen sein, die Haltestellen in Bussen und U-Bahnen neuerdings von Kinderstimmen vortragen zu lassen. Man ahnt, wie die Gewinner des diesjährigen Vorlesewettbewerbs an Hamburger Schulen in ein kleines Tonstudio gepfercht, mit Limo und Weingummi gefügig gemacht und in kleinen Gruppen um ein Mikrofon plaziert wurden. Zu Gast bei Freunden, mögt Ihr Euch gedacht haben. Und Tiere und Kinder gehen immer gut und wirken supersympathisch.
Aber als jemand, der nun jeden Tag und vor allem jeden Morgen ertragen muß, wie er von diesen hellklingenden Stimmchen angekreischt wird, werde ich mehr und mehr zum Feind.
Ich wünschte mir mehr so was wie das dunkle Timbre von Susi Müller, die mir sanft ins Ohr raunt: "So lieber Fahrgast. Deine nächste Station heißt Dammtor. Aber ob du aussteigen willst oder nicht, das mußt nun du entscheiden."
Herzlichst,
ein Kunde (mißmutig)

Dienstag, 4. April 2006
When you grovel at my feet
Oh sin in my heart
It's short and sweet
(Siouxsie and the Banshees, "Sin In My Heart")
Es gibt diese Art von Geschenken, nach denen man sich lange gesehnt hat. Wieder und wieder drückte man sich die Nase an der Scheibe platt, ausgesperrt, auf der falschen Seite, während das Objekt unerreichbar auf der anderen Seite war. So greifbar nah und auf unmögliche Weise außer Reichweite.
Und gleich einem Dreirad, das man keinem Sechsjährigen mehr anbietet, nur weil er es jahrelang begehrte, haben auch andere Geschenke ihren Zeit und ihren Ort. Eine Frage des Zeitpunktes, nicht zu früh und auch nicht zu spät. (Blutwunder und Mirakel bitte nur zu Ostern oder ähnlichen Feiertagen der hohen Art. )
Als dann letzte Woche das Flehen, das ich immer und wieder geäußert hatte, in allen Tonleitern des Begehrens, Bettelns und Beharrens, erhört wurde, plötzlich und unerwartet, lauschte ich vergeblich auf die Resonanz, das Echo, das hinaufdrängende Juchzen, den zustimmenden Chor. Und auch die anschwellenden Geigen und Posaunen, das ganze Orchester.... es blieb stumm.
Man sagt dann für gewöhnlich, oh. Oh, sagt man, muß man denken und wägen, bedenken und abwägen, stellen Sie es aber ruhig hier ab, das Geschenk, das hl. Objekt, den Gral meinetwegen. Ja, willst du nicht trinken, fragen die Stimmen. (Wispern: Das ewige Leben! Das ewige Leben! Kein Bangen, kein Zagen!) Nein danke, sag ich, ich... ich habe gerade keinen Durst. (Denkend: Dieser leichte Geruch von Mandel...) Nachdem man nun wartete und wartete, hatte man eins nur gelernt: das Warten. Und irgendwann zu lange gewartet.
Bei manchen Geschenken hilft dann kaum noch Betrachtung. Ist es schön? Ist es schöner? Nur eines ist sicher: Es ist spät. Macht man das eine, lieber das andere?
Ist das Nein eine Sünde oder Ja bloß ohne Mut? Wenn das Denken nichts nutzt, hat der Bauch eine Antwort.
Ach, kleiner Vogel im Kakteenwald. Das Klingen, das Stillen des Hungers, das zagende Herz. Ich sagte: Ach. Du sagst auch ach, ein Echo, ein Blick, ein Nicken. Wohin willst du flattern, hier ist kein Zweig, kein Ast, kein Baum.
Muß man halt fliegen, drum vielen Dank, es war wirklich nett gemeint. Hingegen, ich möchte lieber nicht, wie es in Melvilles Bartleby heißt. Am Bahnhof am Morgen fällt mein Blick auf das Plakat gegenüber: A Gun For Hire.
Es heißt nicht, "Ein Festangestellter Fotograf Erzählt".

Montag, 3. April 2006
Ganz genau. I Predict A Riot.

Donnerstag, 30. März 2006
Der November kommt auch immer früher.

Mittwoch, 29. März 2006
Die Elster schreit nach dir.
(John Donne, 1624)
(Edgar A. Poe, "The Elster", 1845)
In diesen Zeiten des Jahres sitzen sie wieder, die Skribenten, Tätigen und Erwerbenden. Den Zehnten zu berechnen, den Obolus. Und während draußen ein schauriger Sturm sich zusammenbraute und Scharen von Raben sich furchtsam am Himmel zusammenduckten, begab auch ich mich unter den Schein einer blakenden Kerze, um zu zählen, was zu zählen war. Das argwöhnisch glänzende Auge der Elster beobachtete mich, als ich mit gespitzter Zunge und noch spitzerem Stifte Kolonne um Kolonne von Zahlen addierte, Prozentsätze bildete und gegenrechnete. Doch je länger ich zählte und fügte, bald hierhin rechnete und auch zurück, um so mehr Ergebnisse schrieb ich gleich nieder in meiner vergilbten Kladde. Ergebnisse, die sich bald widersprachen, bald sich gegenseitig die mathematische Zunge herausstreckten und die Elster, das sicherlich vogelvergrippte Vieh, in höhnisches Gekrächze fallen ließen.
Verzweiflung sank nieder, wie ein blutendes Tier im Heckengebüsch. Oh Himmel, oh Wetter, oh steinerne Brück' ins fiskalische Land! Doch weder Gebete noch vogellahme Versuche, dem wachsamen Blick der Elster zu entgehen, brachten Erlösung ins kummervolle Dasein.
So warf ich mich heute in meinen Kafka-Anzug und begab mich am Türhüter vorbei in die Flure der Verwaltung. Dem Mann in der Stube berichtete ich bald (oh ja, man wartet nicht lange in der Verwaltung, denn die Stunde ist nahe, auch für dich, o Leser!) von meinen kläglichen Versuchen der Addition. Vom Ringen und Schwitzen, Klagen und Zweifeln sprach ich zu ihm, während ich dem Kreischen der Vögel lauschte, das lauter zu hören war als jemals zuvor.
Der Mann beugte sich zu mir und flüsterte vertraulich, damit ihn die Raubbrut des Himmels, nicht hören mochte. "Wir wissen doch auch nicht, " verstand ich sein Wispern. "Wir kommen doch selbst an die Daten nicht ran." Ich möge doch hingehen und in all meiner Demut und zu erwartender Ehrfurcht meine Zahlen so nehmen, wie ich sie denn dächte. Man würde sich schon melden, bald melden würde man sich bei mir.
ich dem Schnabel sich entringen,
ob die Antwort schon nicht eben sinnvoll
und bedeutungsschwer
Nun dachte ich stille, nichts weniger wäre mein Begehr, kaum größer kennte ich eine Fürchtung! Sie werden sich melden! murmelte ich, kaum zurück auf der Straße. Sie werden sich melden!
Jetzt sitze ich hier - brütend über Ungewissem - und höre das Schwirren der Elster. Ihr heiseres Krächzen, den Flügelschlag. Ich füttere sie mit Kolonnen um Kolonnen, Zahlen um Zahlen und bange, ihr ein Wort zu entlocken: "Ah, du prophezeist ohn' Zweifel, Höllenbrut! Ob Tier, ob Teufel - ob dich der Versucher sandte, ob ein Sturm dich ließ hierher".
Wird die Jahresfron nicht einst ein Ende haben? Spricht die Elster: "Nimmermehr!"
Zitate: E. A. Poe, "Der Rabe". Übersetzt von Hans Wollschläger.

Montag, 27. März 2006
We were never being bored
(Pet Shop Boys, "Being Boring")
Mein Leben ist so. Manchmal war es auch so. Aber ganz gleich wie es auch war, es war niemals so so. Ich kenne keine Langeweile, weil ich mich für so vieles interessiere. Das Vergangene, das Zukünftige - und manchmal auch das Gegenwärtige. Ich kenne keine Langeweile, weil ich mich mit interessierten Menschen umgebe. Da wandert man hierhin und auch dorthin, immer neugierig, und wenn nicht so, dann eben so.
Für das Interessante braucht man keinen Zirkus, kein Hochseil und schon gar kein Sicherheitsnetz. Das Interessante liegt oft in den kleinen Dingen. Und ist doch wie die Frau an der Scheibe, das Messer, die Erotik der gefährlichen Artistik.
Das Wagnis im Alltag.
(via W und The Reverse Cowgirl)

Donnerstag, 23. März 2006
Heute habe ich der Ministerin einen Brief eine Mail geschrieben.
