Dienstag, 21. März 2006


I love my Bee

Im freien Spiel des Spülens und Putzens
sind Kulturmensch und Homo ludens
wie sonst selten ganz bei sich.

(Walter Nippes-Ebermann.
Kleine Kulturgeschichte der Haushaltsführung:
Vom Wischen, Moppen und Wäschetrocknen
.
Köln, 1998.)

Den ganzen Tag Kunst angucken und ins Tränengefäß weinen kann eine staubige Angelegenheit sein. Von Tierpräparationen wollen wir gar nicht erst reden. Deshalb stellt sich auch im hermetischen Café ab und an (und gerade auch zur Fastenzeit!) die Frage nach der purifizierenden Kraft einer nicht nur mental gründlichen und propertiefen Reinigung.

Nun sind Aufnehmer und Schrubber Handwerkszeuge, die in keinem Haushalt fehlen dürfen, aber mir persönlich geht dieses Gewurschtel aus Wringen, Feudeln und Schrubtuch wieder einfangen manchmal schwer aufs Gemüt. Da kam mir der Bee Mop gerade recht. Ein metallblitzender Zauberstab italienischer Provinienz: Da ahnt man gleich, wenn eine italienische Hausfrau damit klarkommt, reicht es möglicherweise nicht zum Etappensieg bei der Kehrwoche, aber genausowenig gerät man bei der dolce Bodenpflege außer Atem. Man muß ja schließlich bei der Arbeit noch fröhlich singen können, so wie Sophia Loren in Hausboot.

Für den technikbegeisterten Mann sind noch Hebel und Mechaniken angebracht, die es auch hochgewachsenen Menschen ermöglichen, den Putzschwamm wie sonst nur einen Steuerzahler bequem aufs Letzte auszuquetschen. Bei uns daheim nannte man das früher den Kölschen Wisch (schießlich gilt Köln nicht ohne Grund als nördlichste Stadt Italiens): großzügig ein wenig Wasser verteilen und dann lässig elegant mit dem Aufnehmer drüberwedeln (ganz Eilige machen das wie einst Pierre Littbarski mit dem Fuß: Antäuschen, Übersteiger und links vorbei).

Mit meiner Busy Bee macht das alles richtig Spaß: Schwamm schön eintauchen, bis er richtig naß ist, zack-zack mit kühnem Schwung des langen Stabs gewischt - schon kann man sich befriedigt zurücklehnen, glänzen doch Küche und Bad wie geleckt (Reihenfolge beachten!) oder picobello, wie die Bee sagt, die nur Italienisch spricht. Tante grazie! Toll! Das mache ich jetzt jeden Tag. Das habe ich jetzt einmal mit Begeisterung getan. Frühjahr jetzt!

Nächste Folge: Neues vom Haushaltsgerätefriedhof


 


Samstag, 18. März 2006


I Predict A Riot

Cracking noises are ok. Do not correct.
(Liner Notes zu The Who, "Live At Leeds")

Völlig spackige Idee natürlich, am Wochenende auf die Reeperbahn fahren zu wollen. Dann beginnt auch noch der Frühjahrs-Dom, so daß ich eine halbe Stunde in der vollgepackten U-Bahn mit einer vorglühenden, amorphen, dezivilisierten Humanmasse verbringen muß. Touristische Stimmen mit unangenehmem Akzent fabulieren von "Ich mach die Ischen auf der Herbertstraße klar" und ähnlich pubertärem Stuß.

Der anschließenden Schnitzeljagd durch "die" Läden fühle ich mich nicht gewachsen. Der Tag war schon enervierend genug. Manche Dinge weiß man einfach schon vorher, und sich selbst kennt man ja meistens ebenso gut. Besser sogar als manch anderer.

Zurück in meinem Rentnerviertel, dem Schlummerland der Genügsamen, stapfe ich durch die Reste dieses mittlerweile völlig verdreckten Schnees. Eine Ratte kauert im Schein einer Laterne auf dem Bürgersteig. Erst im letzten Moment spritzt sie zur Seite, flüchtet unter einen Wagen, wohin ihr meine grimmigen Blicke nicht folgen können. Wir sind einander jeder nur des anderen Pack.


 


Freitag, 17. März 2006


Apathie

Wie ein Schneeklumpen auf der Tastatur. Aber dreckiger. Hier kann man nicht Spuren hinterlassen. Keine Engel malen. Das Leben als Hundewiese betrachtet.


 


Donnerstag, 16. März 2006


Crazy 88 auf dem Rathausmarkt

Der Morgen schiebt mich aus der U-Bahn, aus den Eingeweiden, dem Gekröse der Stadt hinaus ans Licht. Auf dem Rathausmarkt tollt eine Gruppe Japaner durch den Schnee. Sie stehen verteilt um Skulpturen, Rücken an Rücken, so decken sie das Gelände, halten ihre Kameras wie Waffen, schauen auf Displays, als wären es Wärmeradare, die die Bewegungen des Feindes, der Anderen, als rote Lichtpunkte anzeigen. Einer kniet, ein anderer zielt von schräg unten, sich so gegenseitig sichernd, eine Frau steht auf Stufen und lacht in das Strahlen der kleinen Blitze, die plötzlich aufflammen wie Mündungsfeuer aus Handfeuerwaffen. In der Mitte steht gebieterisch der Älteste, wie ein Offizier bellt er Befehle. Tippt auf das Zifferblatt seiner Uhr am Handgelenk, scharf, kurz, laut hackt er Worte wie Kommandos hinaus, dirigiert seine Truppe. Einer einstudierten Choreografie folgend, drehen sich die Paare, wie Schwertkämpfer in Zeitlupe, besetzen immer neue strategische Punkte, lauern, schauen, fotografieren.


 


Freitag, 10. März 2006


ReTour/DeTour

I remember you
When you were a kid
It was pretty strange
And things you did
...
You've got to pull yourself together man
You've got to get back on your feet again

(New Order, "Close Range")

Das Gefühl, in Kreisen zu gehen. Zirkeln. In einer großen Schleife ankommen im damals vor all den Jahren. Alte Musik wieder verstehen. Patti Smith, Horses. Tönen lauschen, den bestimmten Klang einer elektrischen Gitarre, den abbrechenden Atem.
Ich wünschte manchmal, du wärst da.
Aber nicht mehr so nah.

Free Money, ich kauf dir ein Flugzeug, Schatz. Von dem gestohlenen Geld. Oder die Geschichte von dem Mädchen, das tot an den Strand von Redondo Beach gespült wurde. "She was victim of sweet suicide". Wir waren Opfer dumpfen Wehleidens. Während ich unten am Ufer nach Steinen suchte, blicktest du plötzlich auf und sagtest, du wollest lieber zurück auf die Party. Ich meinte, die Party sei irgendwo da draußen, gleich bei der Wahrheit und den Außerirdischen, und blieb konzentriert. Wenn man Steine sucht, darf man keine mit scharfen Kanten nehmen. Niemals. Die zerreißen die Taschen, fallen aus der Jacke, und ziehen einen nicht genügend hinab.

Aber nur dann kann man tauchen, zu den feuchteren Steinen, zum nasseren Sand, den tastenden Armen des Tangs. Tief unten in meinem Zimmer bete ich zum Hl. Juda, dem Schutzpatron der hoffnungslosen Fälle.

Dann will ich auf Wolken gehen.
Ich singe nur dein Lied.


 


Montag, 6. März 2006


Der Teufel ist ein Esel

We do all ill things,
They do 'em worst that love 'em,
And dwell there,
Till the Plague comes.

(Ben Jonson, The Devil Is An Ass. 1616.)

Ben Jonson, zu Lebzeiten auf Englands Bühne(n) der größte Rivale Shakespeares, schickt in seiner Elizabethanischen Komödie
The Devil Is An Ass den übermütigen Teufel auf die Erde, sich ein wenig unter den Menschen zu vergnügen.
Teuflisch naiv, denn das verderbte Menschenpack zeigt dem armen Gehörnten rasch, wo der lasterhafte Hammer hängt: Betrug, Verrat, Untreue und Heuchelei sind der wohlgepflegte Kitt der mißratenen oberirdischen Brut. Die Menschen spielen - Pfui Teufel! - dem Schwefelkerl gar so übel mit, daß er sich flugs an den heimischen Herd zurücksehnt und die Hölle dem Erdendasein vorzieht. "The Devil was wont to carry away the Evil; But now the Evil out-carries the Devil." (V., 6.)

Trau, schau, wem. Die Neigungsgruppe Lockung & Laster schickt ja regelmäßig ihre Einladung, und würde ich mich nicht täglich selbst ans Bettgestell binden, ich legte meine Hände nicht brav über die Decke und schon gar nicht für mich ins Feuer. Tugenden und Laster, Laster und Tugenden - man kann sie und sich kaum noch auseinanderhalten.

Als ich endlich gegen eins das Haus verließ (die Sonne schien schon, aber nicht schön), hatte ich meine frühmorgendlichen Exerzitien am Theraband schon hinter mir. Geschmeidig wollen Körper und Geist erhalten sein. Dann tapfer durch den Schnee, frische Spuren machen. Die unbefleckte Decke betreten (für manches bloß ein Leichentuch) und unzögerlich (kalt lächelnd, bei diesem Wetter) stapfen, markieren, eine Spur ziehen, die sagt, Ich war und Ich war hier. Die kalte, feuchte Luft vertrieb die Leute, frierend hockten Vögel eng zusammen. Man weiß nicht, ist es Friede oder nur die Stille der letzten Stunde.

Eines darf man nicht vergessen: Wer dem Teufel nicht begegnet, hat ihn vielleicht selbst im Handgepäck.


 


Freitag, 3. März 2006


Mach mir eine harte Kopie

Ich stelle nur noch Kopien in dieses Internetz (Tusche, Stempel auf Papier, 2006)














Kein Ton und keine Sirene. Es wurde entdeckt, und wie alles, was man entdeckt, tauchte es plötzlich überall auf. Brot und Not, nicht alles läßt sich in Flaschen füllen. Aber über die Augen von Milla Jovovich sollte mal jemand ein paar empathische Sätze verlieren.

In echt.


 


Mittwoch, 1. März 2006


Ein Mittwoch wie Asche im Mund




Kein Kainsmal, sondern Asche auf der Stirn. Ab heute also 40 Tage keinen Alkohol und keine Schokolade. (Wenigstens manchmal.) Kein Fleisch und nur kräftiges Brot. Nur derbes Kattun und keine seidenen Taschentücher. Nur kirgisische Langzeitdokus im Originalton und kein leichtes Programm. Nur trockene Bloggerlesungen und kein schwitziges Robbie-Williams-Konzert. Die Heizung auf Null und keinen Kamin. Kein Müll auf die Strasse werfen, sondern wieder mit protestantischem Eifer separiert in die jeweiligen Tonnen. Kein Kopfkissen aus Daunen, nur kratzige Rot-Kreuz-Decken.

Viel mehr Schweigen.

An der Medikamentierung sollte bitte dennoch keiner rumschrauben.


 


Dienstag, 28. Februar 2006


Familiäre Heiterherde


Man fragt sich ja in diesen Tagen, diese irrlichternde Exaltiertheit, die muß doch einen Ursprung haben, tief im Herzen vielleicht oder liegt es gar im familiären Wurzelgeflecht? Nun, man könnte sagen, das Feiern liegt Familie Kid im Blut.

Durch Krieg und Vertreibung ins holsteinische und rheinische verschlagen, mischte sich schnell eine heitere Melancholie zurecht, die allzuoft gar wildfremde Menschen in trunkene Freude zu tauchen vermochte. Wie man auf diesem Foto von Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre sieht, waren damals die Feste besonders licht und nicht so nebelverhangen wie heutzutage im hermetischen Café. Meine Mutter, deren Schwestern und meine Großmutter waren es, die jene berühmte ostpreußische Laune in die Bergische Kaffeestube brachten - ausgelassen tanzte man nur wenige Minuten später bereits auf dem wackligen Tisch.


 


Montag, 27. Februar 2006


Vom platonschen Kugelwesen

Wenn et Trömmelsche jeht...
...dann stonn mer all parat!

Mit siebenunddreißigeinhalb beult sich bei Männern bekanntlich der Körper nicht mehr so häufig situationsbedingt aus, sondern neigt bei seinen rundlicheren Ausstülpungen deutlich zu Permanenzcharakter.

Nun zähle ich anerkannntermaßen weniger zu den vollschlanken als zu den voll schlanken Typen, dennoch zeigt meine ehemals stählerne Bauchdecke verstärkt Qualitäten eines konvexen Resonanzraums.

Kein Grund, wie ich finde, bei meinem Anblick den karnevalistischen Schlager vom Trömmelsche anzustimmen. Ich glaube, es ist Zeit für 'ne Rakete.