Donnerstag, 28. Februar 2008
Wie manche wissen, liebe ich Kästen, Truhen - und Dosen. Da braucht mir jetzt keiner mit Freud kommen, diese Dinge sind einfach praktisch und schmuck und geben einem das Gefühl, die Dinge sicher verwahrt zu haben. In jungen Jahren ist man da fahrlässig, weil überall Abenteuer warten, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind neu, und sie glitzern. Irgendwann lernt man aber die Lektion, der eine früher, der andere später, daß Gold nicht hinter jeder Ecke liegt. Dann hält man fest, ich jedenfalls tue das, bewahrt und weiß es zu schätzen. Die Behältnisse müssen nicht immer so kitschig sein wie diese. Die Hauptsache ist ja, daß die wichtigen Dinge in ihnen Platz finden. Nadeln und Nähgarn für Zerrissenes, Schmerztabletten für Pochendes oder Ziehendes. Natürlich paßt auch Flickzeug für Plattes und sogar ein Defibrillator für Hasenherzen hinein. Und Pflaster, ganz viele Pflaster, der Meter nur einen Euro. Andere wiederum packen Zigaretten hinein und Kaffee oder andere Dinge für die schöneren Tage.
Was mir am besten gefällt: Aus Dosen kann man mit einem Stück Schnur auch Telefone basteln. Falls man mal Sprechen will. In meiner ist ein Kompass. Weil es immer darum geht, weiterzustolpern, ungelenk und verirrt vielleicht, aber weiter voran. Eine Karte zeichnet sich später von selbst. Wenn man zurückblickt. Und all das Unausgeschöpfte verschleudert sieht.

Dienstag, 26. Februar 2008

Das ist keine neue Erkenntnis, aber ich sage es noch einmal. Auf rohen Eiern kann man nicht tanzen. Destroy everything you touch. Nicht jeder aber ist so dumm wie ich, nur anders. Sei lieber wie ein Weidenkätzchen. Und ich sage so etwas wie, mit diesem Mantel kommst du überall hin. Hauptsache, das Herz da drin ist gut geschützt. Vor Wind und Wagnis und wechselhaftem Wetter. Und ich denke noch, wenn ich durchgefegt habe, in den finsteren Ecken, gehe ich einfach mit. Überall hin.
Man darf nicht über die durchgezogene Linie treten.
Man darf aber die Hand ausstrecken.


Sonntag, 24. Februar 2008
Heute, erzählt meine Mutter, nur schwer gefaßt, ist ihre Schwester dann gestorben. Eine andere ist ebenfalls schwer erkrankt, die Einschläge, so sagt man, kommen näher. So ein Brimborium aber, Anzeige, Grabstein, beharrt sie, könne man sich später bei ihr gut sparen. Sie wolle jetzt gut leben, sagt sie, und ich verstehe sie sehr gut.

Beim Essen sprechen wir über die vergangene Zeit, unser Städtdreieck, die Träume, die Musik und die schönen Filme. Ich berichte vom Kummer, dem Wünschen und Wollen, dem Reden und Handeln, den Tränen nach all den Versprechungen.
Sein Lachen hingegen ist leicht, er meint es nicht böse. Ich mag es, wie er zurechtrückt, in rechte Dimensionen lenkt, die Luft läßt aus dem aufgeblähten Ballon. Du bist doch Wuppertaler, meint er. Et is wie et is.
Wir reden weiter über Projekte, Urlaube und Lebensziele, in buntgemischter Reihenfolge. Wechseln den Club die Kaschemme, trinken weitere Biere und überlegen, was die jungen Leute alle im Hinterzimmer machen. Dort müssen sich bereits Dutzende stapeln, denn viele gehen hinein, kaum welche kommen heraus. Vielleicht, so überlegen wir in einer morbiden Anwandlung, lauert dort hinten ein Metzger, so wie in Delicatessen. Der Schmerz des Verschwindens.
An der letzten Theke betrachte ich das Licht der bunten Flaschen und die schöne Barfrau, ihr Lächeln und erzähle von den zarten Dingen, den vorsichtigen. Wie das Fragile gleich wieder Angst macht, und daß ich manchmal nicht schlafen kann.
Ganz ohne Schmäh lachen wir dann noch ein bißchen mehr, so daß es fast ein wenig hell wird. Grad hier, am Ende der Nacht, am Himmel über dem Hafen.

Mittwoch, 20. Februar 2008
Heute morgen trudelte die überraschende Nachricht ein. Ein alter Freund ist in der Stadt. 2008 soll doch ein gutes Jahr werden, sagt er, und ich glaube, er ahnt. Wir kennen uns schon so lange, aus Schulzeiten noch. Dann haben wir ein paar Jahre Musik gemacht, was man halt so tut, wenn man sich jung fühlt und unwiderstehlich. Und was zu sagen hat. Irgendwann zog er weg, wie man es manchmal tun muß.
Und ich erinnere mich, wie ich ihn besuchte, vor zwei Jahren, in Wien, die schöne Stadt. Wie er sofort bereit war, bei der Lesung zu helfen, Unterschlupf zu gewähren, sich Zeit nahm, von Herzen, freundlich, unkompliziert. Ganz ohne Schmäh.
Wir wir lange in einer Bar saßen, ein leichter Abend im blauen Licht einer dieser Neonleuchten, und er mir etwas zuflüsterte, in einem unbeobachteten Augenblick.
Wir gehen einen Trinken, sagt er. Gerade im richtigen Moment.

Sonntag, 17. Februar 2008
"So", sagt die Einzelfallbetreuerin der Neigungsgruppe Kummer & Trunk, "bevor es dann demnächst ins Kurwochenende geht mit Heiltee und Licht aus um neun, müssen wir sehen, wie es im Hysterischen Café um die sozialen Kompetenzen bestellt ist." Das Haar streng zurückgenommen, blickt sie aufmerksam auf ihren ICD-Erfassungsbogen, stellt Fragen und trägt mit dem Bleistift irgendwelche Nummern wie F60.3 oder F80 in vorgegebene Felder, während ich auf ihre schwarzen Stiefel schaue und mir gute ehrliche Antworten ausdenke.
"Gut", sage wiederum ich. Mir mache es ja in der Regel Spaß, auf die Schnelle etwas Einfaches zu Kochen (aus meinem Buch: 37 Arten ein Käsebrot warmzumachen). Jetzt nichts mit Chichi oder Schnick und Schnack, dafür fehlt mir tatsächlich der barock gestimmte Sinn. Schlicht wie ein Ringelstrumpf, simples Muster, maximale Wirkung. Wir essen und bieten uns dabei das Du an.
Der Trunk soll eine Grundlage haben, soviel Sorgfalt ist bei den streng strukturierten Seminaren von Kummer & Trunk eine ehrenvolle Pflicht. Statt Hirschgeweihschnaps gibt es diesmal ein Getränk namens Haide-Küßchen, diese Namen sind ja schon ein Thema für sich. Die Neigungsgruppe informiert: Der mit gemäßigten 20 Umdrehungen (biologisch) ranbützende Trank kommt gut auf Zunge und ist zart zur Speiseröhre - schmeckt aber, und hier haben wir wieder unser Problem, wie ein in Doppelkorn aufgelöstes Hustenbonbon. Vielleicht ein Tipp für die zahlreichen mit Erkältungen und Stimmverlust geplagten Blogger. Oder Gäste.
Muß man mögen, also. Ähnlich wie den Schlaf auf zu kurzen Sofas. Im Morgengrauen, zartneblige Stimmung im Dämmerlicht, die Musik ist lange aus, stelle ich fest, so richtig gut ist das Hermetische Café nicht für Übernachtungsgäste geeignet. Zum Glück gab es nicht allzuviel davon - weder von Schlaf noch von Gästen. Muß man alles nachholen. Ruhig atmen. Puls kontrollieren. Die Intensität der Zukunft schenken.
Ein Wochenende fast ohne Internet, das mir in letzter Zeit viel schlechte Träume und schlechte Laune beschert hat. Die fragilen Verbindungen. Die plötzlichen Wandel, das Nicht(mehr)verstehen. Das ferne und doch merkwürdig betont überlaute Getöse. Wie dunkelrote Vorhänge vor einem großen Fenster, die sachte im Wind wehen und nur geisterhafte Blicke freigeben. Auf staubige Kisten, zerborstene Erinnerungen und einen Traum, den wir irgendwann nicht wagten.

Donnerstag, 14. Februar 2008
Ach. Und wo gehen sie hin, heute, die Herzen? Die freudigen und klopfenden, die zagenden und traurigen? Muß man sie erst flicken und zusammenlöten? Ich schenk euch einfach das da oben, soll es jeden Stein erweichen.
Heute aber haben auch zwei besondere Menschen Geburtstag. Die grandiose und bezaubernde Miss Wurzeltod mit ihrem wundervollen Blog, das mich bereits so viele Jahre begleitet. Dort sind heute auch viele tolle, liebenswert-morbide Links zum Valentinstag zu entdecken. Und dann noch jemand. Jemand, der mir wunderbar erscheint und reizvoll und faszinierend. (Das sind drei sachliche Adjektive.)
Denen wünsche ich ganz besonders große und aufgeregt klopfende Herzen.
Denen wünsche ich ganz viel.

Mittwoch, 13. Februar 2008
Wer bereits Anfang vierzig ist, der kommt auf keinen grünen Zweig mehr.
In einer der letzten Diskussionsrunden der Neigungsgruppe wurde "reich heiraten" als mögliche Lösung in die Debatte eingeführt. Meine romantische Dummheit Verklärtheit steht dem jedoch im Weg - und dazu eine gewisse düster-absinthige Unbeholfenheit den Damen gegenüber. Ich werde mich natürlich mit dem Schreiben meiner Memoiren und von Selbsthilferatgebern über Wasser halten können - oder vielleicht auch eine Burlesque-Show für Ältere leiten. Aber was sollen all die anderen machen. Immerhin: Wir werden viele sein. Verdammt viele.

Dienstag, 12. Februar 2008
Doch im Aufrechnen war ich immer schlecht.
(Bernadette Hengst, "Immer noch ich". 2002).
Es ist doch so. Dieses schöne Gefühl dann auf einmal wieder, wenn man etwas bastelt, muß nicht spektakulär sein. Wie plötzlich der Boden, der karge, harte, übersät ist mit buntem Papier, Fitzeln und Resten. Wie man Kleber an den Händen hat, die Reste zusammenpfriemelt und von den Fingerspitzen pult.
Wie man nämlich etwas tut.
Wie man baut oder träumt, muß ja nicht spektakulär sein. Gestohlene Tage und gemeinsame Zeit. Ein Lächeln, ein Blick. Keine Langeweile. "Jetzt ist danach, und es fühlt sich an, als klebte ich immer noch daran", singt die Hengst, die ihr Album in verschiedenen Städten aufnahm. Und erst jetzt erkenne ich die Fotos im Booklet. "Mit Gott im Etap Hotel" (Hengst). Doch die Reise geht weiter, immer weiter, weiter lernen, weitermachen.
Ich kann mein Herz spüren, das ist die gute Nachricht.
Wo nichts zurückkommt, geht man nicht hin. Man schafft sich neue Träume. Erkennt die wahren Geschenke und geht auf Reisen. Manchester, zum Beispiel, sieht gut aus. Sich selbst annehmen und immer wieder geben.

Montag, 11. Februar 2008
Ein wenig geht es zu wie im Film "The Great Rock'n'Roll Swindle". Lektion 1: Etabliere den Namen. So hat die Neigungsgruppe Kummer & Trunk mittlerweile nicht nur Resonanz in Blogs gefunden. Ganz neu hat auch die Hamburger Kunstszene Begriff und Vorstellung entwickelt, nachdem eine hochkarätig besetzte Abordnung (beide Mitglieder) am Samstag bei Feinkunst Krüger vorbeischaute, um die Ausstellung von Derek Hess zu würdigen.
Schöne Sache, schöner Abend, die Anwesenden, darunter der Künstler, waren zurecht gut gelaunt, das Ideenbild (Spleen & Idéal) der Neigungsgruppe verbreitete sich zudem wie ein Lauffeuer. Um dem Statutenwerk genüge zu tun, drängte es uns aber bald wieder zu Schnaps und Filmprogramm. Das Ergebnis zeigt, es besteht eine formelhafte Korrelation zwischen der Induzierung höher drehender Spirituosen, der zur Verfügung stehenden Zeit und der daraus resultierenden Wirkung (Koeff. %/t/W). Da der Abend zum Morgengrauen hin nun kürzer war als andere, die Flaschengröße aber dieselbe, ist der im Volksmund sogenannte "Kopffaktor" um x ASS-500 höher als beim gestreckten Konsum ("mäßig aber regelmäßig").
Um es kurz zu fassen: Man kann sich tatsächlich hauseigenen Kummer machen, befolgt man die einstudierten Rituale von Kummer & Trunk allzu schablonenhaft. Man muß eben auch mal spontan festgefügte Strukturen überdenken können. Nächstes Mal dann Filmkunst und Kamillentee.
