Mittwoch, 18. März 2009


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Gestern in der Mittagspause mal die von der Sonne entfesselten Glieder (Ha! Ha! Houdini!) in den japanischen Garten geführt. Dortselbst einen Zen-Gedanken ausgeharkt, einen simplen also. Ein bißchen mehr Schwermut stünde mir gut, sprach ich zur zitternden Wasserfläche, zu einem Fisch namens Blub. Allein die Zeit, die liebe Zeit. Wo soll ich denn dafür jetzt noch welche haben. Schwermut. Lieber mal das Bad neu fliesen. Das große Tafelbild beenden. Schwermut. Meine Güte. Bald ist schon wieder Sommer, wenn man nicht aufpaßt. Und man denkt, auch dafür fehlte Zeit. Nicht weinen, heißt es, arbeiten. Es heißt, emsig sein wie eine Ameise und selbst dabei noch milde Gedanken hegen wie die Luft, die einen streift. Eine duftende Welt aus Büchern besitzen, Dinge aus schmalen Augen betrachten, bis sie ihre Form verlieren. Einfach nur so. Man muß sehen, nicht nur passiv, man kann doch die Bilder nicht im Kopf behalten. Heute im Park strömten Menschen unter die Bäume und beteten Knospen und kleine grüne Blattspitzen herbei. Als wüßten sie nicht, daß schon bald wieder Herbst ist.


 


Donnerstag, 12. März 2009


Schwundstufe

Wann eigentlich genau entschwand das Wort Gegenkultur?


 


Mittwoch, 11. März 2009


Sie wollen Belege



Ich sammle besitze ja olle Bürostempel. Mit kühnem Schwung und steifer Sprache vermag man mit ihnen seinen Schriftwerken eine Art von Nachdruck zu verleihen, für die es sonst umständliche Testate bräuchte. "Certified True Copy" ist so ein Stempel, irgendwo aus dem Rest gezogen. "Ablage, "Vertraulich" - Mitteilungen aus dem Grundbedarf. Weil das Amt für Geldentzug Belege für Betriebsausgaben und Minderüberschuß sehen möchte, habe ich heute eine Sicherheitskopie angelegt und konnte gleich meinen neuesten Stempel ausprobieren, den ich am Wochenende auf dem Flohmarkt für ganz wenig "Barzahlung, Quittung wird nicht erstellt" erstand. Ich möchte, daß alles seine Ordnung behält in einer Zeit, in der alles zerfällt.

Schönen Gruß auch und Danke.


 


Samstag, 7. März 2009


Wieder unter Dampf



Die letzten beiden Abende verbrachte ich mit Radiobasteln. Es gibt in der Hege und Pflege ja immer was zu tun. Die Seilzüge neu justiert, einen dabei noch nicht richtig mit der vorderen Anzeige synchronisiert, entstaubt (innen, außen, die Gefäße), verzückt dem Glimmen der Röhren zugeschaut. Die NF-Seite hat noch Restaurationsbedarf, ein Lautsprecher geht nicht. Aber es ist die TS-Version, da darf einer ruhig fehlen. Zur Jungfernsendung passenderweise ein Bericht über 50 Jahre Kind of Blue. Ein warmer Klang füllt den Raum, so werde ich demnächst wieder die Nachrichten hören können. Beobachtet nur vom magischen Auge.


 


Donnerstag, 26. Februar 2009


Mit Fug und Recht

Wie ich im Bad stehe und das herausgebrochene Stück Fuge neu verfuge (Hiermit wird verfugt, daß...), vor mich hinsumme, dummes Zeug, alles Fug und Trug, denke ich, und was das immer soll auf Fugen und Brechen. Was ich verfugt habe, soll Wasser nicht mehr trennen. Fugen lernen, auch ein schönes Buch. Nachtfug von diesem Schriftsteller, der Postfuger war, so wie ich es als Kind auch gerne geworden wäre. In einem winzigen Doppeldecker, manchmal war es ein Pappkarton, fug ich über Südamerika oder Alaska, landete mit rasanter Fugbahn in halb verlassenen Ortschaften und brachte die Post. Und Medikamente, immer ganz wichtig. Die Medikamente. Für ein fieberndes Kind, ein krankes Schaf oder den schlimmen Husten der Großmutter.

Die Fliesenpartie sieht gut aus, ich bessere hier und da noch ein paar schadhafte Stellen aus, ziehe die Fugenlippe immer schön diagonal über die Rillen, streiche die Ränder glatt. Wie neu alles wirkt, ein weiteres unentdecktes Land. Ich sollte kleine Fähnchen in die noch feuchte Masse stecken, das Fugengebiet reklamieren für Gott, für mich, fürs Fugenland. Ein vergnügter Monarch würde mir Orden verleihen, ein berühmter Orgelspieler donnerte Toccata und Fuge zu meinen Ehren und der elfenbeinernen Reinheit der neuen Kolonie. Tierarten würden nach mir benannt und nicht nur im Zorn, Fughunde würden es sein. Aufnehmen würde man mich im Klan der Fugger... gut, es geht jetzt etwas zu weit. Man soll sich nicht selber loben, das Werk muß für sich sprechen.

Morgen beim Duschen, wenn wir Auge in Auge, schutzlos und nackt gegenüberstehen und uns gegenseitig die Fugen zählen können, wird sich zeigen wie dauerhaft, hilfreich und gut sich alles fugte. Morgen dann.


 


Donnerstag, 19. Februar 2009


Born Under A Bad Sign

Während ich es also endlich geschafft habe, mich dem Werk PeterLichts anzunähern, ein Vorgang, der um so leichter fiel, je mehr der gute Mann abließ vom hingetupften Spaßsong, mir also die Lieder vom Ende des Kapitalismus (immerhin bereits drei Jahre nach ihrem Erscheinen) vom Ende des genannten künden und mir zugleich mit zaghaftem Klingeln Bestätigungsmails eines bekannten internationalen Buch- und Kochtopfversenders die Illusion vom Fortbestand des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wahren - wenn es mit dem wahren Geld schon nicht klappt, jedenfalls und erst recht nicht, so lange das Hermetische Café nicht unter aufgespannte Schutzschirme schlüpft und seinem Autor Boni auszuschütten sich in der Lage sieht - während all dieses also geschieht (und wer sich dem Werk des PeterLicht ebenfalls nocht nicht genähert haben sollte, was ich angesichts meiner hochinformierten, urbanen, junggebliebenen und jeden Scheiß mitmachenden gebildeten Leserschaft bezweifeln möchte [Ihr müßt mir das doch sagen!], der erwerbe die Lieder vom Ende Kapitalismus jetzt oder schweige für immerdar), während dies alles sich also vollzieht, denke ich über Erschöpfung nach.

Es ist doch ein Umstand mit der Monotonie des immer wieder aufs Neue geübten Einsatzes. Dem Einsatz für Rendite und Wohlergehen von Kunden (gern), dem philantrophischen Konzernlenker (untertänigst) und - natürlich - meiner selbst (Bitte. Danke.). Am Anfang eines Jahres merkt man auch erst, welche Kraft das zurückliegende mitunter gekostet hat. Wenn man ausgelaugter ist als die Luftballonmenschen, die sowieso immer im Wind fliegen, egal aus welcher Richtung er gerade weht.

Ich bin dünner geworden, ein bißchen. Und nur ein wenig müde. Wie nach einer sehr lauten Party.

>>> PeterLicht, Lied vom Ende des Kapitalismus


 


Montag, 16. Februar 2009


Haus auf dem Hügel

Ein romantischer Tag in Leder, elftausend Ruten aus Weidenkätzchen, ein intensiver Zuckerguß über dem Nachdenken. Die brüchige Fläche des Krakeleelacks, Sprünge im Zarten, feine Risse unter der Haut, im dunklen Keller das schwere Gerät: Hammer, Feile, Stichsäge. An rostigen Eisenketten der Homo faber des Baumarktwesens.

In diesem Haus gibt es ein paar sehr hübsche Details, wie ich sie mir für mein eigenes Zimmer unter den Wolken wünsche. Man kommt ja bald wieder dahin, alte Bahnhöfe renovieren zu wollen. Wenn außer Zeit und vielen Ideen nichts mehr vorhanden ist.

Wenn karierte Holzfällerhemden über den Ringelpulli gezogen werden, um die Hüfte nur der Werkzeuggurt.


 


Freitag, 13. Februar 2009


Der 13. Freitag



Schön, wenn man morgens überrascht wird. Mit einem freundlichen Gedanken oder Bild oder bloß dem Gefühl einer Schneeflocke, die auf der Nasenspitze zerschmil... So, jetzt aber nicht gleich durchdrehen, denn gegen Ende der Woche werden die Schritte, die da müde durch den Schnee stapfen, schwerer bereits. Mein Freitag, der 13. Bis ich ans Tor der großen Fabrik gelangt bin, sehe ich aus wie ein wandelnder Schneemann, ein schwarzer Schatten, auf den Streifen um Streifen weißer Schnee sich gelegt hat.

Bei Good Winter erinnert man sich an den Valentinstag der 3 Akkorde. Morgen ist wieder Herzchentag. Wer dazu etwas sagen möchte, hier ist die Gelegenheit (via Gedankenträger). Die Hälfte der Notizen habe aber ich bereits befüllt. Ich liebe euch mehr als den Schnee, der endlich das Schreien erstickt.


 


Montag, 9. Februar 2009


Das Ende des Tragbaren

Längst warst du aus dem Futter,
Regnete es durch deine Löcher rein.
Manchmal flickte dich meine Mutter,
Am Ende blieb der Fäden Schein.



Fünfzehn Jahre waren wir uns nah. Fünfzehn Jahre warst du mein Begleiter, beständiger als jede Frau in meinem Leben. "Formtreu" seist du, das hattest du versprochen, und vielleicht ist das die einzige Treue, die es heutzutage gibt. Fünfzehn Jahre warst du mir Geländer, ein Halt, eine Decke, an regnerischen Tagen manchmal auch ein ganzes Zelt. In deine Schultern sickerten Tränen, an deinen Kragen rieb sich Puder, an die Ärmel Bier und Rotz. Das Alter, die Erfahrung verliehen dir einen Glanz, den manche schäbig nannten. Für mich warst du mein schlecht gekämmter Hund: Im Spülsaum unter den zerrissenen Taschen sammelten sich Büroklammern, Kinokarten, Staub und Sediment, eine abgetragene Existenz und schurwollener Fingerabdruck.

Schließlich kam der Tag, wie diese Tage endlich kommen. Wir mußten uns trennen, waren auch die Herzen schwer. Dir alles Gute, Freund, und sorg' dich nicht um mich.


 


Sonntag, 8. Februar 2009


Scherbengesicht

That's cause you don't look back
like I look back .

(The Duke Spirit, "My Sunken Treasure".)

Regnerische Nacht. Der Geist der Jon Spencer Blues Explosion scheint in mich gefahren zu sein, meine schweren Schuhe schieben durch die Pfützen, zersprengen die Spiegelungen der Neonlichter in hundert kleine Funken. Ich betrachte mein Scherbengesicht. Irgendwo hustet ein Hund.



Minni Bar. Dort verbrachte ich einst einen meiner wunderbarsten Abende mit einer ebenso wunderbaren Frau. Ich war nicht wenig in ihre aufregende Sanduhrfigur verliebt, und sie wußte das genau. Während belanglos gewordene Musik meine noch weitaus belangloseren Worte untermalte, genossen wir beide die Situation, denn wir beide wußten, daß wir nur Schauspieler waren. In unserem eigenen Film. Sie mochte das, sie lachte, und ich war bereit zu inszenieren. In der Tasche trug ich den Schlüssel zu einer Wohnung ganz in der Nähe, in der wir den Rest der Nacht verbrachten. Im stillen Gebet, bei dem wir uns gegenseitig unsere Sünden beichteten, lachten und den fremden Geruch atmeten, wie ihn nur unbekannte Räume haben. Am nächsten Morgen fuhr sie nach Hause, ich räumte die Wohnung auf, verschloß die Tür und traf ein paar Leute in einer Galerie, wo man die Reste einer Party zusammenräumte.

Jetzt, Jahre später, bin ich ein verkrachter Drehbuchautor, der für die Degeto interessante Hollywood-Stoffe auf deutsche Verhältnisse überträgt. Gerade arbeite ich an Da wo die schwarze Schlange murmelt (das Wort "stöhnt" ist für die Degeto zu hart), nach einer Vorlage mit Samuel L. Jackson. Darin wird Hansi Hinterseer (angefragt) eine junge gefallene Dorfschöne mit Heimatmusik und Bibelsprüchen von ihren losen Neigungen heilen, während er sie in seiner Almhütte an der Wasserpumpe angekettet hält.

Was für ein Blödsinn alles möglich ist. Nach ein, zwei Bieren in der Nacht.
Never let go.