Sonntag, 3. Juni 2007
Damals als ich liebestrunken, täppisch tapsend, ein wandelnder Dummjungenstreich, nur eins suchte: deine Aufmerksamkeit. Ja, damals, das waren diese schweren Jahre, zwischen NICHTS und ALLEM, zwischen Schrei und Schande und dem irrlichternden Gefühl, rettest du mich, bin ich dein Verderben oder sind wir alle längst bekehrt?
Ich habe meine Kunststücke gezeigt, habe Teller gefangen und einen Schmetterling. Und wo, bitte, wo warst du denn? Am morgen gingen wir Bienen suchen. Ich sagte, komm, tanz für mich und machte einen kleinen Zaubertrick. Sibol. Damals, ich erinnere mich, im Jardin du Luxembourg oder nahe der Carnaby Street oder in einem Vorortzug nach Bandol. Geschichten für drei Romane und ebensoviele Verheißungen. Die alte Dame im Zug, die mir Bonbons gab und eine halbe Tüte Pfirsiche, weil wir halb verhungert aussahen und diese Aura hatten, die sie um uns sah. Die Bonbons gab sie nur mir, weil sie in mein Gesicht schaute und das, was die Zukunft war. Visage d'un... Aber wen, bitteschön, wen kümmert das nach all den Teufelsjahren noch?
Im Jardin du Luxembourg blieb ich einfach sitzen, weil die Sonne mich blendete und mein Frühstück, als dieses Mädchen vor mir auftauchte, ein Kopftuch verdeckte ihr Haar, und der Franzose an ihrem Arm verstand nicht, was sie sprach. Wohin, woher, und ob ich nicht... Irgendwann wußte ich, wohin sie mit mir gehen wollte, Gare du Nord oder l'Est oder d'Austerlitz. Heute habe ich es vergessen. Denn ist die Unschuld lang verloren, öffnet sich so bald keine Tür. Damals hätte ich mein Leben ändern können, hätte ich, ja, hätte ich bereits eines gehabt. Aber nein, ich saß, ich staunte, so wie später dann im nächsten Jahr, in London, als... nein, ach, das ist verflogen wie ein Luftballon. Look at the balloon!, rief sie, und ich sah in den Himmel und sehe noch heute ihr Gesicht.
Heute bleibt mir manchmal dasselbe Naive, der direkte Impuls. So einer schöner Heizkörper denke ich, stehe wackelnd auf einem Stuhl und nehme dabei noch ein Glas. Während andere Ringen, werde ich mich selber Wringen. Mal bitter nötig, das Innere nach außen stülpen, den Quatsch abwischen, den schlechten Geruch. Das sind die Kellerjahre, dumpf und muffig röcheln sie noch lange nach. Um mich herum stelle ich Schalen auf von frisch gemahlenem Kaffee.
Um mich herum.
Um mich.
Um.
Donnerstag, 15. März 2007
Seltsam, wie zu Menschen manchmal nach Jahren der Draht abreißt. Plötzlich und unerwartet. Man blickt sich an, sieht ein fremdes Gesicht, liest einen Satz, den man nicht versteht, hört einen Witz, den man nur noch peinlich findet. Was gestern noch nett und sympathisch erschien, ist einem heute öde und fad.
Weil das Rad sich weiterdreht, das Licht die Dinge anders bescheint. Weil Kredit verbraucht ist, die Sprache sich ändert. Weil man Gedankengänge auf einmal nicht mehr nachvollziehen kann. Weil man nichts Persönliches, nur noch die jährlichen Firmenaussendungen erhält. Mit Sinnsprüchen für alle Welt.
Vielleicht nach zehn, zwölf, fünfzehn Jahren. Vielleicht ein halbes Leben lang. Du fährst Auto, ich nehm die Straßenbahn. Und eines Tages werden auch diese Erinnerungen verloren sein. Wie in unserem Lieblingsfilm.
Wie Tränen im Regen.
Samstag, 24. Februar 2007
Die Dummheit manchmal. Die eigene natürlich vorneweg. Der Typ, der mir eine dreschen wollte, immer nur virtuell natürlich, wir sind ja im windbeuteligen Metaphernland, drischt auf einen anderen ein. In fast exakt denselben Worten und mit den psychologischen Untergriffen, die er bei mir versuchte. Wie ein mühsam einstudierter und nun immer und immer wiederholter Judogriff. Kurz Schwierigkeiten verspürt, die Verblüffung aus dem Mundwinkel zu krümeln. Der meinte es noch nicht mal persönlich! Der macht das immer so! Kurz einen Hauch von Empörung verspürt (wären diese Empörungsblogger nicht so absolutely yesteryear). So wenig bin ich also wert.
Dann wieder Dylan gehört und ein bißchen mitgesungen, hätte man vor Jahren auch nicht gemacht, weil der Mann so yesterJahrhundert war. You say you're lookin' for someone/Who will promise never to part,/Someone to close his eyes for you,/Someone to close his heart,/Someone who will die for you an' more,/But it ain't me, babe... was für ein Glück, aus dieser Nummer raus zu sein. Die meinte das ernst, ich aber auch.
Das langsame Abschiednehmen. Nicht wie Henry Maske mit dem Time to say dingsda und dann doch aber wieder und vielleicht. Ich kündige mir selbst und ziehe in einen Baucontainer. Möglicherweise ist diese Stadt auch einfach "durch". Ich bin sicher eh mehr so ein Typ für die Provinz oder ganz was anderes. Alles verschenken vielleicht, die Bilder, den Plunder, die Geräte, drei, vier Paar schöne Schuhe behalten, den Koffer mit den Manuskripten, ein paar Träume auch, und dann far, far away wie es in der C&A-Reklame bei Slade heißt.
Das Gefühl haben, irgendwann doch eine entscheidende Abzweigung übersehen zu haben. Und nun immer kämpfen, nun immer gezwungen sein, der Stimme aus dem Navigationsgerät zuhören zu müssen, wie sie ruft, Jetzt abbiegen, immer wieder, wie ein Adler, der jeden Abend angeflogen kommt, um ein Stück meiner Leber zu fressen.
Laß uns über Bewegungslosigkeit reden. Natürlich bin ich nicht an Felsen geschmiedet, das wäre ja vermessen. Wer sollte so böse zu mir sein? Niemand außer mir selbst. Dann bliebe der Gedanke, ein paar Dummheiten eben nicht gemacht zu haben. Und das entsprechend zu bedauern. Zu Heiraten, weil die Sonne schien. Kinder in fremden Ländern gezeugt zu haben, weil man die Sprache nicht verstand und das Fuchteln der Väter und Brüder im Rückfenster für fröhliches Winken hielt.
Nicht immer und immer wieder laut wie Dylan Honey, I want you gesungen zu haben, im Morgengrauen nach einer sehr langen Nacht, wenn die ersten Strahlen der Sonne über leere Flaschen und vergessene Unterwäsche streift. Überhaupt, die Nacht so lange vergessen zu haben, weil man immer früher und öfter müde wird. Vor der Zeit.
Vor der Zeit auch den eigenen Tod zu besingen, während andere ihre Bäume pflanzen, ganze Wälder gar, in denen man höchstens als alter Mensch noch wandern kann, ein welker Gast, der staunend das Wachstum begafft, wehmütig natürlich auch. Ergriffen vielleicht von der eigenen Dummheit. Dem Trägen, der ewigen Entschuldigung. Dem Vorschieben von Krankheit, Armut, Nicht-Wissen- und Nicht-Glauben-Wollen.
Und die ach-so-oft zitierten Zeilen, das natürlich wahre Everyone I know goes away/In the end immer viel zu früh gesungen, als vorausgelebtes und nicht ausgelebtes Leben, das das Ende kennt, ohne den Anfang je gewagt zu haben.
Als letzte Lösung natürlich auch die letzte Lösung haben. Vielleicht Gründe vorschieben. Wie Ausschlag, der nicht heilen will. Das Stirnrunzeln der Ärzte, die Ungerechtigkeit auf irgendeinem kleinen Amt. Die Feigheit auch, wenn man liest, was andere buckeln, Tag für Tag. Sich schäbig fühlen, weil man das einfache nicht begreift. Etwas passiert hier gerade, und du weißt nicht, was es ist, nicht wahr, Mr. Jones?
Dann Schuld verteilen. Die Menschen, die nicht folgen wollten, wenn man goldene Tore aufgesperrt, diamantene Versprechen verteilt, sich selbst abgewandt hatte von den plumpen Spielen, dem Blut, den gefühligen Erpressungen. Und sei es nur, weil man einst selbst als ungeschlagener Champion diese Sportart verlassen hat. Einst. Wie alt war ich da? Da muß ich rechnen, aber ich bin sicher, Alexander hatte da schon ganze Völker unterworfen und die halbe Welt erobert.
Meine Mutter sagt, Die Flucht, das schaue ich mir nicht an. Ich war ein kleines Kind und ich habe schlimme Dinge gesehen, aber ich habe den Krieg "in schöner Erinnerung", das lasse ich mir nicht nehmen. Kindliche Abenteuer, Wars that I have seen. Die Brüder, eine dieser Anekdoten, verbummelten die Abfahrt, stahlen ein Ruderboot und ruderten der Fähre hinterher, die längst schon abgelegt hatte, um über die Ostsee zu entkommen. Aufgefischt, mußten sie antreten vor dem Kapitän, zum Rapport. Die sieben Kinder kamen alle an, aber ich viel später, ich habe Mutwilligkeit in der Ostsee gehaßt.
Im Vergleich dazu, was, bitte schön, ist das bißchen Blut, der angerostete Traum, den man, nicht man, also ich, vor sich herschiebt, hochhält, kläglich, wie eine verblichene Fahne, auf der nur noch das Wasserzeichen "Gescheitert" deutlich sichtbar hervorsticht? Wass'n ditte? Nüschte nix. Die eigenen Kriege, ach bitte, mach mir halt den Prozeß, wir schenkten uns doch nichts, und später dann, das wird dich nicht trösten, hat dich eine andere gerächt. Jetzt abbiegen, rief sie, ich blieb aber still, wie festgeschweißt, denn ich kannte den Weg ja schon.
Ihr lest hier alle schon viel zu lange mit. Das ist das Problem. Morgen kaufe ich Zigaretten. Heimlich werde ich Vitriol auskippen und zusehen, wie sich das Blog langsam von hinten auflöst. Stück für Stück. Dann wird endlich eine Ruhe sein.
Leave at your own chosen speed.
Samstag, 13. Januar 2007
und für dreißig Mark Bier
- wegen ihm oder ihr.
(Blumfeld, "Zeittotschläger")
Als sich die Musik nicht noch lauter drehen ließ, und Schmerz und Sehnsucht ins Herz nicht tiefer schneiden konnten, berührten meine Fingerspitzen die kalte Oberfläche des Spiegels, im selben Moment, als die würgenden Geräusche aus einer der Kabinen hinter mir drangen.
Auf die Vorderseite meines verschwitzten T-Shirts hatte sich ein Gesicht abgedrückt, ein Negativ, ein Antlitz, das ich an diesem Abend nah beim Herzen trug. Draußen sangen die ganz jungen Blumfeld, "Ich weiß, daß Liebe wahrwerden kann", hier drinnen kondensierte eine feuchte, schlechte Luft.
Aus einer Notrationtube Pathos drückte ich mir den letzten Rest unter den Gaumen, wartete auf den Flash, den heißen, schneidenden Blitz, der am Herzkranz vorbei zum Magen hinunterrutschte, um sich dort kaltgrau zu verklumpen.
"Ach, Gott im Himmel", rief ich lauter, um das röchelnde Stöhnen über der Kloschüssel hinter mir zu übertönen und schlug mit der Hand auf den Spiegel. Immer in die Fresse rein, sang diese andere Band, und ich wagte nicht zu widersprechen.
Als ich vier Absätze mit "A" wie Adultery begonnen hatte, waren es auf einmal fünf. Ich wusch mir die Hände und dachte daran, wie wichtig es sei, sich nicht an alle Dinge zu erinneren. Nur an das, was man berichten kann.
Zu Hause dann noch einmal die Kopfhörer, die Lautstärke, die Augen geschlossen, den Bass durch den Kopf sägen lassen: "...Zeittotschläger, laufen um ihr Leben..." Wenn ich es doch nur mit Worten deutlich machen könnte. Wenn ich doch deine Hand halten könnte. Wenn ich doch nur könnte.
Sonntag, 13. August 2006
Müde bin ich längst der Kellnerkerle,
Die uns mit blasierten Fratzen,
Höhnisch, schwarze Biere bringen
Und uns ganz verworren machen,
Daß wir nicht nach Hause finden.
(Alfred Lichtenstein, "Der Traurige". 1919.)
Lieber dem Regen lauschen, denke ich und setze mich ans offene Fenster. Der Sommer, der so groß war, hat sich etwas beruhigt. Die Tage sind kühler jetzt, die Nächte wieder dunkel. Nur ein paar Tage noch, dann will ich den letzten Schluck noch nehmen einer südlicheren Sonne. Heute schon einmal Lektüre herausgesucht, man nimmt sich ja immer so viel vor. Dostojevskis Aufzeichnungen aus einem Totenhaus, für lichterflirrende Stunden am Strand, eine Horst-Janssen-Biografie, um nach mal nachzulesen, wie das alles auch sein könnte. Onettis Leichensammler, für die trägen, heißeren Stunden ("Die Eröffnung eines Bordells in der Kleinstadt Santa María wird zum Skandal: Larsen 'Leichensammler', dem Besitzer des Etablissements, stehen nur drei ältliche Damen zur Verfügung.") Muß man mal sehen. Dazu noch ein Roman von Randy Taguchi, von dem ich jetzt schon weiß, daß ich ihn einfach dort lassen werde. Die Ausgabe hat ein gutes Format, um damit Mücken zu erschlagen.
Ich will von allem nichts mehr wissen. Ich will das Wissen nicht mehr wissen, brennende Flaggen, the days of love and torment/the nights of rock'n'roll, die Gebete voller Gewalt. Beim Aufräumen fielen mir alte Abzüge noch älterer Fotos in die Hände. Als hätte ich damals schon geahnt, daß mir die Negative dereinst gestohlen werden würden. Heute, drei oder vier oder zehn gefühlte Jahre später, voller anderer und eigener Fehler, Sünden und Vergehen, Jahre voller schlimmer und auch schöner Stunden, brauche ich nicht einmal mehr das schwarze Bier, kein dunkles Blut, um zu Vergessen und weniger noch, zum Erinnern.
"Rauch' nicht im Bett", sang Nina Simone zum Abschied und legte ihren Ehering auf die Kommode. Rauch' doch, wo du willst. Ich bin da sehr tolerant.
Donnerstag, 1. Juni 2006
To be on your own
With no direction home
Like a complete unknown
Like a rolling stone?
(Bob Dylan, "Like A Rolling Stone")
Und da war die, die sagte, gut, so machen wir es, und da war die, die ein wenig weinte, und da war die, die mich zum Weinen brachte. Und dann war da die, die mich freundlich grüßte, an der Hand ihres Freundes, von dem ich noch nichts wußte und die, die ich vergaß zu grüßen. Und die, die auszog mit zwei Tüten und ihre Sachen später holte und die, die mir Hilfe anbot beim Auszug. Und da war die, die gar nichts sagte, so wie sie vorher schon nie was gesagt hatte, und die, die sprachlos war und gar nichts sagen konnte, weil die Stille so laut war und der Nachklang des Donnerhalls.
Ach, und dann die, die dann weg war und ihre Sachen nie holte, was mich wunderte, aber nur ein wenig, neben den drei Kreuzen, die ich schlug, und den Tränen, die ich vergoß. Da war die mit den Messern und die, bei der ich die Klinge noch umdrehte.
Und so oder ähnlich, mit Schleife, Blut und Stacheldraht, Abschiedswinken, -essen, -küssen und einmal nur noch, du weißt, für die Reise, klappt man ihn auf, immer wieder, den großen Koffer (und manchmal nur das Bordgepäck).
Erst später dann betrachten wir, was überhaupt noch drinnen liegt: Die Reste unserer beschädigten Leben und die Reste der Leben, die wir beschädigt haben. Die Stummel und losen Fäden, die herunterhängen wie lästige Fibrome. Nichts Schlimmes, nichts, für das es sich lohnte, großes Aufheben zu machen. Selbstverständlich nicht. Der Arzt nimmt eine Elektroschlinge oder ein Skalpell und darf nur eines nicht vergesssen: Immer im Gesunden schneiden. Mit ordentlich Rand und sicherem Abstand, damit es nicht durchschlägt oder streut, weiterwächst womöglich, ein Rest, ein Zellbestand, der alles von vorne beginnen läßt. Und so schwindet das Gesunde mit dem kranken, dem nekrotischen Restgewebe, bis wir nur eines werden: immer kleiner.
Sonntag, 7. Mai 2006
I helped to fix his car.
(Squeeze, "Separate Beds")
Die traurigsten Dinge, die wir besitzen. Manchmal nur Erinnerungen. Manchmal nur die Erkenntnis. Wir gehen nach Hause. Oder irgendwohin.
Und immer allein.
(File under: I can simply not relate.)
Dienstag, 25. April 2006
And you should know I suffer the same
If I lose you
My heart will be broken
(Madonna, "Frozen")
Als ich dich suchte, als ich Lichter sah und Klänge und die Schrittfolgen auf den glänzenden Böden. Diese Tage, als ich nicht wußte, war es der Hunger. Oder nur Durst. Diese Tage als ich Augenpaare sah und weitere Augenpaare. Auge um Auge, sehend suchen, Sehnsucht, aber nie mehr das, was ich in dir suchte.
Ich traf dich in den dunkleren Straßen der Stadt. Ich traf dich auf dem Boden des Ozeans. Ich traf dich in den Tiefen schwarzer Bunker und am Ende von irgendwas. In Lärmgewittern, dort wo die Wogen an den Strand schlagen und Herzen sich öffnen. Auf der anderen Seite der Stahltür sah ich dich, getragen von verwehten Bassdrums und Tinitusfiepen, zwischen langen Haaren und den Trümmern der letzten Party.
Auf den Lippen der Geschmack schaler Getränke, auf der Haut keine Küsse, nur Schweiß der Tänzer, die klebrige Schicht verstreuter Tränen. Süßes Parfüm, gehauchte Erinnerung, gehauchtere Worte, ein Flüstern, kurz bevor die Woge herabbricht - der lautere Klang, die tieferen Bässe, die giftigeren Gitarren, das härtere Schlagzeug. Alles verschluckend, in Echos wandernd von tief unten nach noch tiefer unten. Zur Herzschlagfrequenz.
Im Dunkeln, einst, faßtest du meine Hand. Wir suchten, getrieben, getragen vom pulsierenden Rhythmus, ein enger Tunnel durch Trockeneis, zuckendem Licht. Ich wußte, ich kannte dich von irgendwo.
Wenn das Ohr nicht mehr hört, nur noch die Haut, wenn die dummen Worte, meine, nur noch Klang sind und keine Klage. Und immer richtig.
Wie alt sind wir geworden? Was wird uns heute noch wichtig sein? Ich schreibe deinen Namen, fein addiert. Mal um Mal, hundert mal. Haben, nicht halten.
Dienstag, 14. Februar 2006
Wir verlieren durch sie oft Gutes,
das wir gewinnen könnten,
wenn sie uns nicht Angst machten,
den Versuch zu wagen.
(William Shakespeare)
Zweifel scheinen eine Saat, die langsam aufgeht und alles Jäten übersteht. Der fall from grace, der Verlust der Unschuld, lehrt (dem einen früher, anderen halt später): Ich bin nicht perfekt. Oder: Geduld ist endlich. Unbegrenzt fließen nur Gedanken und die Kunst. Hoffentlich. Mancher Morgen aber zeigt (im spiegelnden Bild des ersten Kaffees) am weißen Hemde plötzlich Blut. Ach, die frühe Milch des schwarzen Tages. Die Locke deines Haars... Ich kehre aus, und so nie wieder. Den Rücken gefüllt mit Zweifel, der Tag um Tag sich schwerer frißt.
Zaun um Zaun. Eingeschnürt zur Weide bis in die Eingeweide. Ich habe dir nie einen Rosenquarz versprochen, heißt es. Alle sieben Jahre, so sagt man, öffnet sich die Tür. Mit geschlossenen Augen oder offenen. Danach gilt das Geschenk nicht mehr, danach nur noch Bedingungen. Danach folgt nichts mehr.
Heute, ein Tag, an dem Postkarten und Blumensträuße regnen, aus Briefkästen quellen, bis sie wie eine eruptive zähe Masse die Bürgersteige überschwemmen, soll alles sein voll Glück und Dings. Ich geh' mit meinem Hammer raus auf den Kanal und zertrümmere das Eis. Denn das ist so meine Art.
Und dann pack ich diesen fetten Mond. Zerre ihn am Schopf, drücke sein käsiges Haupt unter das schwarze Wasser, dort, wo letzte Woche die Kinder spielten. Eine Ruhe ist!, schrei ich ihn an in meinem nachgeäfften Dorfakzent. Was wolltest du, du vollgefress'ner Sack voll Zweifel? Ich lass' ihn gurgeln und seine Grübelmasse spei'n. Bis er ermattet wie ein schrumpelnder Ballon zum brackigen Grunde treibt.
Violently happy. Ach. Und ach. 'Cos I love you. Ach. Und ach. But you're not here.
Sonntag, 29. Januar 2006
The sound from broken homes,
We used to always meet here.
As he lays asleep, she takes him in her arms,
Some things I have to do, but I don’t mean you harm.
(Joy Division, "Colony")
Ein kalter Wind bläst durch unsere zerbrochenen Heime. Am Morgen, als die Vögel nicht mehr schrien, suchte ich deine Hand. Wir fanden kein Brot, nirgends war Brot. Ich hörte die Stimme, aber der Hunger, der Hunger. Abends stolperten wir über Schleichwege zur Bornstraße. Memphis on your mind, eine neblige Insel. Ein zaghaftes Gespräch, grausige Geschichten. Das Früher, was war, die Wege zum Jetzt. Nein, danke, ich mag jetzt kein Bier.
When you sent your messages whispered loud and clear
I am always touched by your presence, dear
(Blondie, "Touched By Your Presence, Dear")
Bela Lugosi's Dead oder 12 XU oder A Forest. "It's always the same". Ärmel in Lederjacken teilen das Trockeneis, schwere Stiefel schieben sich über die metallenen Kacheln, parallel zu meinen Schritten, immer synchron. Draußen, später, auf dem Parkplatz Gelächter, eine Bierflasche zerschellt auf dem Asphalt. Wir stehen dort, unter dem Schein einer Laterne. Ich fasse dein Haar, die Spitzen, das schwarze Gespenst.
Und? fragst du. Geht es noch wo hin?
Weiß nicht, sag ich.
T. schiebt die Kassette rein. Always touched by your presence, dear. Er läßt den Motor an und wir fahren los, weiter in die Nacht, den LKWs entgegen, über die dunkle Autobahn.