Dienstag, 22. Januar 2008
Heute morgen dann in der U-Bahn, noch ein wenig schläfrig, weich, viel zu offen. Gegenüber sitzt auf einmal eine junge Frau, ich schaue für einen kurzen Moment, erkenne, korrigiere mich, bleibe gelähmt. Dieses Gesicht, verborgen unter einem Wust blonder Haare, die unter einer Mütze hervorquellen - dazu ein riesiger Kopfhörer, der sie weiter abschottet vor der Welt. Demgegenüber der neugierige Blick, ein waches Blau, das zurückblitzt, wenn das Licht von schräg oben in die Augen fällt. Die Nase. Es ist sie, denke ich, einen kurzen Moment, völlig verschreckt, mit klammen Gefühl und bangem Herzen. Es ist nicht sie. Es ist vielleicht eine jüngere Ausgabe, aber doch genau sie, ebenso schön, schmerzhaft nah, furchtbar, und völlig fremd.
Ich setze mich um, sie registriert es kaum, in ihrer anderen Welt, weit weg. Ich stolpere aus der Bahn, eine Station zu früh. In Hamburg scheint die Sonne. Hier nicht.
Montag, 21. Januar 2008
An diesem Wochenende stand das Treffen der Neigungsgruppe Kummer & Trunk unter dem ebenso literarischen wie selbstironischen Motto "Stumpf & Vorurteil" - dabei natürlich wie stets einwandfrei gekleidet: Ringelhemd (2. Vorsitzender), schicke Strümpfe (Schriftführerin).
Am Bahnhof fiel mir wieder ein, wie schön es doch ist, liebe Menschen vom Zug abzuholen. Wenn man in steigender Erwartung die große Uhr ins Auge fasst, langsam engere Kreise um das richtige Gleis zieht, das Treiben dort beobachtet, zeitig die Treppe heruntergeht und eine günstige Position auf dem Bahnsteig sucht, aus der man einen möglichst guten Überblick behält.
Dann das aufgeregte Absuchen der Menschentrauben, die sich um die Türen der Waggons bilden, der gereckte Hals und scharfe Blick, mit dem man die Gesichter hastender Reisender sucht, bis man gefunden hat. Und nicht verloren. Das Haar, der Blick, das hochgereckte Transparent (imaginiert), "Reisegruppe Sowieso". Und dann die Freude, mit der sich die ganze gespannte Erwartung löst, das Hallo, die Umarmung - na, die meisten wissen, was ich meine. Und vermisse.
Für jemanden ein Käsebrot aufwärmen Kochen macht auch Spaß, so ein bißchen was Gutes tun, oder vortäuschen, man hätte irgendwie Ahnung, Hauptsache es schmeckt - dann aber bitte zum Aufarbeitungsteil. Diesmal gab es die schnapsbedrosselte Vorführung von Ghost World, einem meiner Lieblingsfilme, die Älteren erinnern sich. Steve Buscemi ist darin wie ich: ein unbeholfener Nerd, scheu und ein wenig andersweltig. Tolle Sache, und am Ende möchte man Hand an sich legen, ob solcher Traurigkeit.
Dagegen sprechen die Statuten von Kummer & Trunk, die Neigungsgruppe ist da streng und droht mit Ausschluß. Das Regelwerk – insgesamt komplex und nicht in Steintafeln gemeißelt – dreht sich um den Kernpunkt, auf einer nebelverhangenen Insel bis zum Morgengrauen auszuharren.
Vom Nebelhorn oder Lichtsignal anderer Schiffe, obwohl in der Nähe, nichts zu hören, nichts zu sehen. Sie ziehen vorüber.
Zeit des Zögerns. Wirren. Langsame Fahrt. Am Ende dann eine Geste, ein Kompliment, das wie ein kleines Licht im Fenster steht. Überhaupt: die sorgenden Fragen. Und Wünsche. Danke.
Dienstag, 15. Januar 2008
Etwas verlieren, aus Angst, es zu verlieren.
Montag, 14. Januar 2008
Die Idee klingt hervorragend. Sumpf the Pain away, lautet das Motto des Samstagabends, der Besuch bringt eine Flasche hochprozentigen Geweihschnaps mit, und ich mische das Zeug mit Rotwein. Nicht nachmachen, Kinder! Wir sehen dazu In The Mood For Love, Wong Kar-Wais letzten großen Film, und zählen die ungefähr 62 verschiedenen Kleider von Hauptdarstellerin Maggie Cheung. Alle toll, alle sexy.
Wie sehr dem Heute doch oft die Eleganz fehlt, die tragische Geschichten wenigstens stilvoller ertragen läßt, denke ich, während ich Wehmut und Verlangen und das große Vermissen nicht auf Ex, sondern in ganz kleinen Schlucken trinke.
Freitag, 11. Januar 2008
Eine Art samtene Traurigkeit liegt über den Tagen. Ich lausche der Stimme am Telefon, halte den Hörer noch lange in der Hand, einem fernen Klang folgend, der sich zäh und zögernd verliert, wie Honig, der in einem umgestürzten Glas langsam nach unten fließt.
Search request: midlife power statt midlife krise
Danke, das brauche ich jetzt.
Montag, 7. Januar 2008
Die Hoffnung aber gilt nicht umsonst als die letzte Plage, die aus Pandoras Büchse wich.
Samstag, 8. Dezember 2007
...bereue ich es, daß ich damals den Kommentar gelöscht habe, wenn es auch gute Gründe dafür gab. Und heute lese ich noch einmal in alten eMails nach und lese, daß er mich wohl gerne kennengelernt hätte. Und heute wissen wir, daß es nicht mehr möglich sein wird. In dieser Welt.
Es steht mir nicht zu. Nur unbekannterweise. Alle Vorwürfe waren damals richtig. Und letzten Endes mag ich es, wenn Leute Rückgrat zeigen. Bussibussi gibt es genug. He, Punkrocker, danke, daß du mir auf die Schnauze gehauen hast. Denn du hattest recht.
Rock on. Woimmer du bist.
Samstag, 28. Juli 2007
(Marilyn Manson, "Para-Noir")
Irgendwann also, drängte es sich heute wie das Restzucken eines abgetrennten Tentakels tief aus der Erinnerungsregistratur, irgendwann schnappte ich zufällig die vollmondige Bemerkung auf, ich sei nur ein Klotz am Bein.
Schnappt man zufällig irgendwann eine solche Bemerkung auf, ist es bekanntlich das beste, sofort zu gehen. Wer will schon Bremser sein. Ich glaube, mir gelang das auch nach einigen Jahren Monaten. Denn irgendwann hat selbst der beste Witz ausgelacht.
Dann, wiederum Jahre später, hat sich alles auch zum Guten gewendet. Ohne weiteres Bleigewicht an den Füßen, zog die klotzbefreite Karrierebahn wie von einem gespannten Gummi beschleunigt in ungeahnte Höhen. Man spricht jetzt international und nicht mehr miteinander.
So ist man immer zu etwas gut. Im Sein und im Nichtsein.
Und man muß sich vorstellen, wie ich nun hier sitze: Mit Fliegermütze, Sturmbrille und entschlossener Miene, eine menschliche Kanonenkugel, Drehung um Drehung ein rotweißes Gummiband aufziehend. Bald muß ich nur noch den Hebel umlegen. Dann aber huuuiiiiiii... bis zum Mond.
Machmamusiklauter. Letmeentertainyou. Lauter.
Sonntag, 17. Juni 2007
Und wie dann alles immer schon Vergangenheit ist. Der Blick hinaus in einen Regen, der sich träge und absichtslos in den Kanal ergießt. Abends dann eine kühle, feuchte Wand vor dem Fenster, in der Ferne die Hunde, dazu, leise nur, die Musik. Andere sind heute V.I.P., sie haben das Komplettpaket. Ich kann nur hören, nicht mehr viel sehen. Ich versuche, mich an diesen Film zu erinnern, an das Gefühl damals, als man zwanzig war.
Man nimmt zur Kenntnis. Das oder dieses auch hätte man bereits gehabt, erlebt, verkostet. Das oder dieses auch sei abgehakt. Sachte schließen wir Schubläden, in der Hoffnung, in der nächsten ebensoviele Geheimnisse und noch mehr Schätze zu entdecken. Der Vorteil an früher war ja, daß es damals noch ein später gab. Der Nachteil am jetzt, daß einem viele Wege schon bekannt erscheinen.
Weil ich nur noch reden kann und nichts mehr sehen, spüre ich, wie meine Worte nicht gehört werden. Ich forme mir einen Kuchen aus Klang, aus dem melancholischen Wimmern der dünnen Gitarre, lausche dem Echo eines Vierteltons, zusammengesunken am Ende der Theke (damals) und sinne über dem Unterschied von bleiben und zurückbleiben.