Donnerstag, 29. Juni 2006


Das Problemeich ist tot



In der unglaublich beliebten Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr steht nun aus traurigem wie aktuellem Anlaß erneut ein Eichhorn auf der Speisekarte dem Programm. Das Probleme-Ich, oder "der rote Bruno", wie es im Volksmund genannt wurde, rollte sich frühlingshaft verspielt auf den Rücken, präsentierte weißen Bauch und zutraulich zudem den Hals - als plötzlich und unerwartet der Tod eintrat. Still und starr wie der See, ein ebenso keckes wie haariges Ex-Problemeich glubscht eher ausdruckslos von dort in den Himmel, wo jüngst noch Augen Träume bargen. Das war der Tag, damals nach dem Regen, da stand ich vor der Tür, einen Frühlingsstrauß in der Hand. Türen, die sich auf mein Klingeln nicht öffneten, das Leben, das mir die Metaphern entgegenschleuderte, weil die Blumen die Köpfe hängen ließen, und ich, der es hinter den Gardinen rascheln sah. Aber vielleicht bildete ich mir das auch ein.

Und so stolperte ich zurück durch den frischgemulchten Vorgarten, halsentblößt, entliebt, mit hängenden Blumen. Und drückte sie dem Mann dort, dem jungen, in die Hand, welke Pracht aus welkeren Händen. Denn es geziemt sich, wenn man zur Liebsten geht, eine Blume zu bringen. Und kein totes Eichhörnchen.

(Schreibt euch das bitte auf!)


 


Freitag, 28. April 2006


Tod ohne Sorge

Plastinator Gunther von Hagens, Schöpfer der Körperwelten™ (Ja, ich war auch mal dort), hat ein wenig mehr TotenRuhe ins Land gebracht. Nachdem er nun im schönen Städtchen Guben das Rathaus gekauft hat (kann man ja mal machen, das Hamburger Rathaus ist auch sehr schön) und zugleich grünes Licht erhielt für den Bau einer Plastinationsfabrik, bereitet auch das Sterben wieder Freude.
Für die Angehörigen.

Einen kostenlosen "Abholservice" für Leichen werde er einrichten, schreibt der Körperbastelfreund. "Dieser Service wird großen Zuspruch finden, denn er ermöglicht Trauer ohne Sorge um Begräbniskosten."

Wundern wir uns also bitte nicht, wenn demnächst diskrete Kombis und Kastenwagen durch die Stadt eilen - mit dem Slogan:

Trauern ohne Sorge dank Gubener Plastinate

Ich mag diese 50er-Jahre-Ästhetik dieses möglicherweise vom Chef selbst gedichteten Spruchs. "Die Welt sehen - als Gubener Plastinat!" gefiele mir auch sehr gut. "Plaste + Elaste - selbstverständlich aus Guben" eignete sich z.B. für Werbematerialien aller Art. Kugelschreiber, Wandkalender, solche Sachen ("sonne Sachen", sagt man in der Gegend, glaube ich).

Da ja die Angehörigen angesprochen werden sollen, könnte man in der U-Bahn die Plakate mit Tschüß Omi - wir ziehen um. Aber für dein Grab ist gesorgt. - Grabpflege ab 50 Ct. pro Tag!, die mich bislang immer ein wenig irritierten, ersetzen durch: "Mal wieder einer tot? Keine Sorge - ab nach Guben!"
Danke, Gubener Plastinate.

Und wer weiß, wie lang es dauert, bis auch der Volksmund sagt: Wer andere nach Guben schickt, fällt selbst hinein.


 


Mittwoch, 1. Februar 2006


Ausgeflogen

Now I lay me down to sleep
Pray the Lord my soul to keep
Kiss to kiss and breath to breath
My soul surrenders
Astonished to death.

(Patti Smith, "Frederick")

Auch 2006 soll eine gute alte Tradition nicht unterbrochen werden. In der locker-frivolen Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr eröffnen wir den Reigen 2006 mit der Möwe. Das fröhliche Tier (hier möglicherweise ein Exemplar der Larus ridibundus im Winterkleid) gehört neben den Katzen zu den beliebtesten Tieren innovativer Bastler und anderer Exzentriker. Diese hier ist nun tot. So offenbar wie bedauerlich. Ausgepumpt, das kleine zagende Herz. Verweht die gefiederte Seele. Mit tränenfeuchten Augen, eine offene Schale voller Kümmernis schaut man es an: ein Demento mori.

Manche Diskussionen enden so. Auf einmal beugt man sich und sieht zu seinen Füßen den toten Punkt. Und ahnt: diese Sache fliegt nicht mehr. (Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund!) Adé, Nestbau, kein Ei wird hier je gelegt.

Immerhin: eine weitere Metapher zu Tode geritten. Kann man da auch einen Haken dranmachen. Und so begrüßen wir mit einem ungehemmten "Hiaaarrrr" die frische Saison und wälzen neue Pläne. Sturmerprobt wie diese Vogelart drehen wir den gierigen Schnabel in den Wind, lassen freifliegende Ideen im hauseigenen Guano wachsen und sind überhaupt - wie stets - nur guter Dinge.

Dem ein oder anderen rufen wir ein freundliches "Hallo" über den Gartenzaun oder drohen schelmisch mit der Forke. Denn ist der Schnee erst weggetaut, fliegt alles auf.


 


Mittwoch, 14. Dezember 2005


Tierischer Advent



Aus der Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr. Heute: die Ente. Ich nehme jedenfalls an, daß es sich um Enten handelt, aus dem dieses Adventsgesteck besteht. Jedenfalls wurden solche auf der Speisekarte neben dem Fenster erwähnt. Möglicherweise handelt es sich auch um rasierte Katzen mit einer Schnabelmaske. Dann wäre dieser Beitrag die Ente.

Zum Ende des Jahres nimmt die Geflügelsucht bekanntlich zu. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier. Dann schieben brave Hausfrauen und -männer den Tieren ungefragt Obst in knusprige Körperöffnungen und nagen zum Fest wie finstere Heiden an blanken Knochen. Ich möchte davon nicht alles wissen. Nicht so genau.

Das Geschnatter und Gequake haben diese knusprigen Gesellen hinter sich. Die Ruhe, die Ruhe. Die Ruhe, liebe Freunde, ist unbezahlbar. Für den Rest gibt es den Imbiß um die Ecke.

(Noch zehn Tage. Ho ho ho!)


 


Freitag, 8. Juli 2005


Kreuzweis mähen die Schnäbel



Gerade großes Gezänk vor meinem Fenster. Ein Schwirren schwarzer Flügel, dort, wo sich zwei Krähen um die Reste eines Vogels streiten.
Nun bringt man mir die toten Tiere schon vors Haus. Ich muß jetzt los, den Briefkasten inspizieren.


 


Freitag, 4. März 2005


Mit toten Tieren durch das Jahr

In der beliebten Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr (siehe auch hier und hier) kommen wir heute zu der Saatkrähe (Corvus frugileus).

Dieses hübsche, aber blau- und steifgefrorene Exemplar begegnete mir heute in der Mittagspause. Vögel gehören bekanntlich auf den Baum, liegen sie einem zu Füßen, ist meistens was kaputt.
Leider hatte ich keine Tüte oder ein Gefäß dabei und einfach so auf die leichte Schulter wollte ich das arme Tier auch nicht nehmen, denn auf die leichte Schulter kommt bei mir nichts so schnell. Die Kollegen haben mir auch verboten, meine Funde im Kühlschrank der Fabrik zwischenzulagern. (Das waren natürlich die "harten" Gesellen aus der Splatter-Gartenzwergabteilung, mir so rechte Wichte, die immer von Mord und Toschlag hinterm Gartenzaun fantasieren, aber einknicken, sobald das wahre Leben seinen Schnabel zum Fenster hereinhält.)

Normalerweise nehme ich solche guterhaltenen Exemplare mit nach Haus. Der Gesellschaft wegen, aber auch um zu schauen, ob man noch etwas reparieren kann. Vielleicht fehlt ja nur eine Kleinigkeit, winselten die Kunden nämlich früher, als ich noch im Werkstattbereich eines Rundfunk- und Fernsehgeschäfts aushilfsarbeitete. Mir ist da bislang nicht viel geglückt, auch wenn ich zu den Menschen gehöre, die einfach nicht einsehen wollen, daß eine Sache tot ist, wenn es heißt, "du, ich möchte dich lieber nicht mehr sehen, glaube ich, und außerdem ist da jetzt der Mike (oder Sven oder Piet oder Falk oder Rico)."

Dieser forsche Rabenvogel hätte sich bestimmt auch in meinem Reliquienschrein mit Bloggerzähnen gut gemacht. Nun, dann beim nächsten Mal. Jedenfalls sollten wir auch dieses Memento mori zum Beginn des Wochenendes im Geist und im Herzen bewahren. Seid nett zueinander. Es könnte das letzte Mal sein.


 


Dienstag, 28. Dezember 2004


Winterkälte

In Verfaultem süß und schal
Lautlos ihre Schnäbel mähen.
(Georg Trakl, "Winterdämmerung". 1909.)


Aus der Reihe: "Mit toten Tieren durch das Jahr"

Dort, wo sich im Herbst noch Eichhörnchen niederlegten, begrüßte mich heute morgen eine verendete Ratte. Von weitem schon sah ich den schwarzglänzenden Körper einer Krähe, als diese sich mit blutigem Schnabel gierig über Aas beugte. Nur widerwillig räumte sie mir das Feld und wartete mit böse blitzenden Augen in einem Baum, während ich mein Foto machte. 2005 wird das Jahr des Hahnes, nicht der Ratte.

Heute abend lag Schnee. Als ich zurückkam, war ihr kleiner steifer Leichnam von weißen Flocken überzogen. Der Winter ist da. Bald hat er sein Laken über alles gelegt.


 


Montag, 25. Oktober 2004


Herbstlich tönen die Wälder

Tod im Morgengrauen: Ein Exemplar der Gattung Sciurus vulgaris.
















Man kann es nicht länger leugnen: Der Herbst ist da. Die Eichhörnchen fallen bereits von den Bäumen. Kindergarteneinsatztruppen schwärmen in bunten Gummistiefeln durch das Laub und sammeln in bestickten Brotbeuteln eine reiche Ernte. Zurück in den Basis-Camps ihrer Kindertagesstätten stecken sie mit kreativem Eifer Streichhölzer in die erstarrten Nager und basteln Räuchermännchen oder surrealistische Giraffen, um sie den erstaunten Erziehungsberechtigten und stolzgeschwellten Patchwork-Eltern zu präsentieren.

Im Rheinland war es am Wochenende ungefähr 23° C warm - und ich habe ohne Übertreibung drei fette Mücken erschlagen (zwei davon mit Graham Greene, Erzählungen). In Notwehr, denn ich zähle - ebenfalls ohne Übertreibung - ungefähr fünf Stiche an verschiedenen, hier aus Schicklichkeit nicht näher zu bezeichnenden Körperstellen.

Kurz gesagt, die Welt ist aus den Fugen.
Dennoch: Vergesst das Zähneputzen nicht.


 


Samstag, 10. April 2004


Death Certificate



Heute haben mich meine investigativen Recherchen auf eine Spur gebracht, die leider einen traurigen Verdacht auf den Verbleib des vermissten Rosettenbocks begründen. (Wir berichteten.)

Auf dem Flohmarkt konnte ich für 2 Euro die Beweise sichern. Das jagdrechtlich einwandfreie Zertifikat besagt klar und deutlich: "Bock, 1 Jahr, zum Abschuß frei". Zwar sieht mir als waidmännischem Laien der dentale sterbliche Überrest nach einem beeindruckend großem Meerschweinchen aus. Aber wir alle können doch wohl zwei und zwei zusammenzählen.

Ich bedaure, keine vergnüglicheren Mitteilungen machen zu können.