Montag, 12. Juli 2004


Das Wohnzimmermuseum



So, der Preisblogger-Kelch ist nun einmal rumgegangen, von den 8000 deutschen Blogs wurden 12000 nominiert, nun geht es ans Wählen. Wir vom hermetischen Café (Ich mach das jetzt ganz angelsächsisch und spreche im pluralis whatever) möchten da keine offizielle Linie empfehlen und sagen einfach nur LYSSA WÄHLEN. (Die derbe Lu will ja gar nicht, ätsch.) Das geht nämlich so: Lyssa gewinnt dann so ein Abo von dieser Ausrichterzeitschrift ( das Buchpaket braucht sie gar nicht). Und dann, so denke ich mir ganz feist, kann sie mir ihre ausgelesenen Zeitschriften einfach weiterreichen! Schlau? Schlau.

Aber das nur nebenbei, damit es nicht heißt, hätt' ich es doch nur gewußt.

Heute war ja, wie schon seit einer Woche eigentlich, keine Sonne da, die blieb ja bekanntlich in Wien. Ein Tag wie gemalt also für's Wohnzimmer. Auf dem 5. Boden mitten in der Speicherstadt erwarten einen in einer kleinen gemütlichen Stube zwanzig Dioramen zur kleinen und größeren Geschichte. Da überquert Hannibal die Alpen oder führt der blutrünstige Montezuma eine böse Schlacht. Aber man sieht auch Thomas Bernhard im Wald oder Gregory Peck oder Fritz Honka, wie er im Beisein seiner gerade noch vergnügten weiblichen Gäste eine Gummipuppe aufbläst. Jürgen Bartsch steht mit seinem Instrumentenkoffer lauernd auf einem schäbigen 60er-Jahre Hinterhof herum. Ganz große Kunst also, und wer hier an Fischli&Weiss denkt, liegt wohl nicht ganz falsch.

(Das Wohnzimmermuseum. Alter Wandrahm 7/5. Boden. 20457 Hamburg. Öffnungszeiten: montags 16-21 Uhr, samstags 11-14 Uhr. Eintritt frei.)


 



Akademierundgang



Kleiner, beschaulicher, schmaler war's als letztes Jahr. Die kulturfördernde Politik des Senats dieser freien Stadt Hamburg trägt ihre Früchte. Bald sollen die Grundkurse der Kunstpädagogik und der Freien Kunst weiter zusammengeschmolzen werden. Das geht Hand in Hand mit der Kahlschlagpolitik in Sachen Filmförderung. Die Damen und Herren im Rathaus sind nämlich schlau: Sie fördern eine Hamburger "Media School" (muß ja immer angelsächsisch benannt werden, damit der Unsinn dahinter wenigstens modern klingt) mit ein paar lockeren Millionen, streichen dafür die Filmförderung (die z.B. zuletzt einen Film wie "Gegen die Wand" ermöglicht hat), damit die Absolventen dieser "School" bloß nicht anfangen, in Hamburg zu arbeiten.

Aber noch kann man sich Jahr für Jahr, den fiesen Dreck , die feinen Spitzen, witzigen Ergüsse und natürlich auch die tastenden Versuche, zittrigen Experimente und durchgeknallten Materialstudien dieser ehemals ruhmvollen Kunstakademie zu Gemüte ziehen. Ein erbaulicher Nachmittag, bei dem man sogar ein wenig kleine Kunst erwerben konnte. Denn Kunst, schreibt Euch das hinter die Ohren, kann man ansehen. Kann man aber auch kaufen. Wissen bloß die wenigsten.

(Ist auch rentabler als irgendwelche Rentenfonds.)

(Ein paar dokumentarische Bilder in den Kommentaren)


 


Freitag, 9. Juli 2004


The Lonely Life

Sieht aus wie mal eben hingekritzelt. Ist es auch. Der amerikanische Künstler Jack Pierson benutzt Fotografie, Poesie, Malerei und Installationen für seine Forschungsreisen in die Alltagswelt. Seine Themen sind Einsamkeit, emotionale Distanz, Verlorensein, das Monumentale und das Banale. Geplatzte Träume, enttäuschte Hoffnungen. Alles wird Kunst, und Kunst wird alles.
Regen auf Fensterscheiben, verblasste Interieurs, reduzierte Farben, sinnentleerte Wortfetzen. Seine Fotografien scheinen nur dokumentarisch, weil sie das Banale streifen. Dabei sind sie Fiktionen, lakonische Kommentare, zerbrochene (amerikanische) Träume. Zersplitterte Oberflächen, abgewetzte Möbel, ein paar Schallplatten, Bücher, eine letzte Zigarette. Atmosphärisches Geplänkel für manche. Rührung für andere.
Das einzig echte eben.

(Jack Pierson. The Lonely Life. Zürich, 1997.)


 


Montag, 5. Juli 2004


Geben Sie der Kunst die Hand

Früher wohnte ich noch genau gegenüber. Seit der Zeit habe ich die JAHRESAUSSTELLUNG schätzen gelernt. Skurilles, albernes, interessantes, dämliches, schönes, beeindruckendes, bewegtes, langweiliges und echt inspirierendes Zeug galore. Auch für kleinere Kinder ein visuelles Fest.


(Das Barbiezimmer gab es letztes Jahr)

Jahresausstellung 2004

Präsentation der Semesterarbeiten aus den Studiengängen Kunst, Architektur, Design und Visuelle Kommunikation/Medien.
Außerdem Aktionen, Performances, Cocktail-Bars, Kochsalon sowie andere Spektakel und Party am Eröffnungsabend ab 22 Uhr.

Donnerstag 08.07.2004 - Sonntag 11.07.2004
HfbK, Lerchenfeld 2, Averhoffstr. 38, Wartenau 16
Öffnungszeiten: tägl. 14–20 Uhr


 


Sonntag, 6. Juni 2004


D-Day Feminism

The Only Bush I Trust Is My Own.

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The Last Resort



Die Hamburger Deichtorhallen zeigen als einzige Station in Deutschland die Retrospektive des englischen Fotografen Martin Parr. Der Magnum-Fotograf (und deren derzeitiger Präsident) Parr, Jahrgang 1952, beschäftigt sich seit den 70er Jahren mit sozialdokumentarischer Fotografie. Seine penible Sicht, sein skuriller Humor, der es weitgehend vermeidet, seine Subjects (im Deutschen: "Objekte") bloßzustellen, zeichnen seine Bilder aus.

International bekannt wurde er mit seinen Serien "The Last Resort" und "Cost of Living", in denen er den Verfall der Mittelklasse während der Ära Thatcher z.B. anhand des Niedergangs des Seebads Brighton dokumentierte. Amüsant auch seine Videodokumentation über "Being English", in denen Bewohner der Insel patriotische Statements zum besten geben ("A new Rolls Royce? By gosh why, there'd be a BMW engine in it, wouldn't it?"). Sein Bildband "Boring Postcards" ist ein echter Bestseller. Sehr gefällig auch die Installationen durch Kurator Val Williams: Martin Parrs Diplomarbeit, ein "typisch" nordenglisches Wohnzimmer mit schäbigem Interieur und kitschigen Bilderrahmen und ein Lesezimmer, in dem die Vitrinen des Sammlers Martin Parrs zu besichtigen sind.

( Martin Parr. Die Retrospektive: Photographische Werke 1971 - 2001. Hamburger Deichtorhallen. Internationales Haus der Photographie. 06.05.2004 - 01.08.2004)

Flanieren | von kid37 um 23:02h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



News from the bunker

Nach dem gestrigen, moralisch eher zweifelhaften Abend, war heute dringend Ausgleich für das ethische Equilibrium geboten. Was lag da näher als die Nacht der Kirchen, die heute in Hamburg stattfand.

Die Wichernkirche in meiner Nachbarschaft bot bis 24 Uhr den längsten Büchertisch der Stadt (jedes Buch 50 Cents, das nenne ich mal vorbildlich. Neben Erzählungen von Pitigrilli und Ian McEwan und einem Bildband über das Bergische Land fand ich dort wohl auch die verlustig gegangenen Chandlers und Hammetts von Maz).

Heute konnte man auch gratis Hamburgs einziges Bunkermuseum auf dem Pfarrgelände besichtigen. Dieser Luftschutzbunker für 200 Menschen zeigt bedrückende Fotos, Fundstücke und Dokumente aus den Bombennächten des Zweiten Weltkrieges. Hier im Stadtteil Hamm wurde während der sogenannten "Operation Gomorrha" fast 96 Prozent der bebauten Fläche zerstört. 20.000 Menschen fanden allein in einer Nacht den Tod. Noch im September 1943 wurden zahlreiche Leichen in den Trümmern gefunden.



In ergreifenden Tondokumenten erinnern sich Zeitzeugen an die brutalen, beengten und angsterfüllten Nächte in den Bunkern; grotesk verformte Fundstücke aus Beton, Glas, Keramik und Metall geben Zeugnis über die extremen Hitzegrade, die während des Feuersturms in den Straßen geherrscht haben.

(Öffnungzeiten: Donnerstag von 10 - 12 Uhr und 15 - 18 Uhr. Info Stadtteilarchiv Hamm, Tel. 040-2513927)

Flanieren | von kid37 um 04:13h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 5. Juni 2004


Babes in the Wreckin' Yard



Yo! Wie nur wenige wissen, sind AxelK und ich ja die Semi-hardest working men in Show business. Und so waren wir heute im Komet zum "Rock & Wrestling"!

Erstmal nur als Zuschauer, während Nik Neandertal und Klöten-Klaus, Baster und Heidi H**ler, Hackfleisch-Hase und Batter Betty voll motiviert und extrem enthemmt gegeneinander in den Ring stiegen. Die ganze Show fand auf dem schmierigen Hinterhof vom Komet mitten auf dem Kiez statt. Kulisse: Exaltierte Schaugierige galore, strömender Gerstensaft, billige Quarzstengel... die ganze Chose eben.



Großartige Animation, Slam Dunks, Double Body Checker, Head Crusher, Spine Breaker, Klöten Kraller, das volle Programm. Ausführlicher Bericht vielleicht, wenn ich wieder geradeausgucken kann. Die gute Nachricht: Die Memmen bekamen gehörig eins auf den Sack, die "Nazisau" Heidi H. ordentlich auf die Fresse (wie es sich gehört und unter dem Gejohle der Menge), der smarte Sailor kam nach viel Gedresche zurück und ging siegreich vor Anker, Hackfleisch-Hase war vorgeblich dermaßen gen-manipuliert, daß er nicht als falscher Hase im Topf landete.

Rübe ab, rief das Publikum.

Großartiges Programm, full Mexican Punk Rock Wrestle Mania!. Irgendwelche Nörgler riefen was von "Schiebung" und "alles abgekartet" - aber solche negativ eingestellten unsportlichen Kameraden beachtet man am besten gar nicht weiter. Ich überlege sogar, ob ich nicht als Manager mit auf Tour gehe. Wenn nicht als Aktiver!

Morgen geht es in die zweite Runde. Mit Captain Penis, Lobo del Rio und dem Bengalischen Tiger und vielen, vielen weiteren großartigen, alles-gebenden, sich selbst zerfetzenden Wrestlern mehr!!! (drei Ausrufezeichen!)

Jetzt ausschlafen und Stimmbänder wiederfinden.


 


Donnerstag, 27. Mai 2004


Feurio!

Wie ich gerade in Spiegel Online lese, ist in London die berühmte "BritArt"-Kunstsammlung von Charles Saatchi verbrannt.

Unter den zerstörten Arbeiten sollen auch weltbekannte Werke von Avantgarde-Künstlern wie Tracey Emin, Damien Hirst, Sarah Lucas und den Brüdern Jake und Dinos Chapman sein.

Wahnsinn. Ich habe einige dieser Werke noch in Berlin ("Sensation") und Hamburg sehen können, darunter Damien Hirsts Haifisch und das Zelt von Tracey Emin ("Everyone I have ever slept with"), das für mich zu den eindruckvollsten und emotional berührendsten Kunstwerken der letzten Jahre zählte.

Zum Bericht in der Netzeitung, die den Titel von Tracey Emins Installation allerdings reichlich mißverständlich wiedergeben.


 


Donnerstag, 20. Mai 2004


Das elektrische Zimmer



Eines der wenigen Kunstwerke, die mich auf der documenta 11 beeindruckt haben, war die Installation "Homebound" von Mona Hatoum. Es handelt sich dabei um eine Art elektrisches Zimmer, bei dem ein Ensemble aus Küchenutensilien, Stühlen, Kinderspielzeug, Betten, Lampen und Metallsofas mit Drähten verbunden ist und einen Stromkreis bildet. In Intervallen fließt eine "Stromwelle" durch die Anordnung, erhellt nach und nach die Glühbirnen und verebbt. Begleitet wird dies akustisch durch einen an- und abschwellenden, tiefen Brummton, ähnlich dem Gebrizzel am Transformator eines Weidezauns.

Kurz vor Ende habe ich mir heute mal die Ausstellung von Mona Hatoum in der Hamburger Kunsthalle gegönnt. Erneut blieb das elektrische Zimmer eines der wenigen Werke, die mich beeindrucken konnten. Auch wenn ich für Objekte wie einen Rollstuhl aus Edelstahl und Krücken aus Gummi durchaus ein Herz habe.

Nett war allerdings der überdimensionierte Sandrechen, der sich in einem kreisförmigen Sandbecken unablässig dreht und mit der einen Seite feine Linien produziert, die seine andere Hälfte gleich wieder verwischt. Hier stelle ich mir eine Verwendung als angewandte Kunst vor. So ein kleiner batteriebetriebener Zen-Garten für den Wohnzimmertisch macht doch was her und beruhigt bestimmt ungemein.

Mona Hatoum: Over My Dead Body, 26.3. - 31.5.2004, Hamburger Kunsthalle.

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