Freitag, 13. Juli 2007
und man lernt nie aus.
(Pressetext documenta 12)
Kassel wird aus dem Zugereisten nachvollziehbaren Gründen seiner Innenstadtarchitektur wegen weitaus weniger gerühmt, denn der 100 tollen Tage, die alle fünf Jahre die hessische Residenzstadt zum Nabel der Kunstwelt machen. Aus den dort bekanntlich sich ansammelnden Fusseln soll sozusagen Gold gesponnen und bar jeder zwingenden oder bloß störenden Form zur Märchenstunde verwoben werden, bei der allerlei Spezereien und wunderschöne Prinzessinnen, aber auch groteske Monstren und Unglückseligkeiten zu entdecken sind. Scheherazade war dieses Mal Roger M. Buergel, der zusammen mit seiner Lebenspartnerin Ruth Noack die documenta 12 zusammengestellt hat.
Obgleich ausgerüstet mit der Buergelmaschine zum besseren Verständnis (via artblog), befiel mich am Ende eines Ausstellungsmarathons der Schwindel und es ging mir wie Timm Ulrichs: "Ich kann keine Kunst mehr sehen".
Auf der Fahrt ins Kunstfantasialand hatte ich übrigens im ICE eine nette Zufallsbegegnung. Ich grüble erst, was grinst mich diese attraktive junge Dame über die Sitzreihen hinweg an, habe ich was im Gesicht? Und denke noch, die erinnert mich an eine Bloggerin, aber (Elementary, Watson!) kann ja gar nicht sein: Im Zug gibt es ja gar kein Internet! Haha. War aber doch so, und nun will bestimmt einer kommentieren mit: "So klein ist die Welt."
Nachdem ich die letzten Jahrzehnte Tage mit Schulungen, einigen Partien Bullshit-Bingo, Schulungen, Projektarbeit, Schulungen und Dingen verbracht habe, die ungefähr so nötig wären wie Blasen an den Füßen vor einem Ausstellungsbesuch, sehe ich andererseits so etwas wie fluoreszierendes Licht am Ende des Tunnels. Ich könnte dann das ein oder andere aus der schönen Stadt Kassel berichten. Demnächst.
Ich schreibe das jetzt aber erstmal nur heimlich in die Nacht. Dann entdeckt das so leicht keiner.

Freitag, 25. Mai 2007
Roger Ballen, 1950 in New York geboren, lebt seit Jahrzehnten in Südafrika. Er hat Geologie studiert, kam aber vielleicht über seine Mutter in Kontakt zur Fotografie. Die war nämlich Repräsentantin von Magnum in New York, was vielleicht eine bessere Schule war als manche, die sich dafür hält. Als Geologe legt man Schichten frei, schätze ich, und das macht Ballen bei Menschen mit der Kamera. Sein Thema ist die im Ausland wenig bekannte weiße südafrikanische Unterschicht. White Trash, ein verwahrlostes Prekariat, das in den Werken von Fotografen wie Nan Goldin oder Ray Richard Billingham auch in den USA oder Großbritannien zu musealem Repräsentation und Kunstmarktruhm gekommen ist. Das Ende der Apartheid stürzte die ehemals immer noch privilegierte Unterschicht in soziales Elend, das Ballen nicht verklärt, aber auch längst nicht mehr teilnahmslos, quasi-dokumentarisch abbildet.
Da stand er anfangs deutlich in der Tradition von Diane Arbus, der größten und zugleich eine der verkanntesten und umstrittensten Fotografin ihrer Zeit. Arbus hatte selbst schwer einen an der Klatsche, in gewisser Weise, Fischefrau, wen das astrologisch interessiert. Ihre großartige, wenn auch selbstzerfleischende Tat war aber, sowohl den gut situierten sprichwörtlichen New-Yorker-Zahnarztgattinnen als auch den Freizeit- und Wochenend-Beatniks und Blumenkindern eine Wirklichkeit ins Gesicht geklatscht zu haben, wie man sie lieber nicht sehen wollte: Irrenanstalten, Mittelstandshöllen, Falsch-Lächler, die sie - technisch ganz naiv - gnadenlos ausblitzte, überscharf aufs Korn nahm, daß... ach, über die Arbus müßte man mal schreiben! Auch schon tot.
Über Roger Ballen innere Disposition mag ich nicht urteilen. Seine grandios fotografierten Ausflüge ins psychische Lala-Land sind so oder so eindrucksvoll: verkommen, verloren, verlassen, verdreckt und verbrecherisch schön sind die Porträts aus den Anstalten, den heruntergekommenen Hütten und Räumen, in denen jede Hoffnung unter einer Patina aus Rotz, Dreck und Tränen liegt. Mit einem Wort: toll. Toll geworden auch seine neueren Arbeiten, die den Großteil der Austellung in den Deichtorhallen ausmachen. Wer sich die beiden dort gezeigten Dokus anschaut, sieht, wie Ballen seine Szenarien zusammensucht, die Personen, die Gestalten, die Objekte, mit denen sie agieren. Wie er arrangiert, probiert, Kompositionen schafft, die manche vorschnell surreal nennen, weil sie unwirklich meinen. Ich sehe das aber wirklich, es ist die Wahrheit und damit einfach nur real. Mitleidig und grausam zugleich.
Ballen arbeitet simpel, mit Hassi und Stabblitz. Sein Studio ist eine grimme Welt da draußen, wo einen müde Menschen anstarren und nur Tiere und Kinder für Bewegung sorgen. Er zählt sich zur letzten Generation der Schwarzweiß-Analogfotografen, sein Printer berichtet verschmitzt vom Verarbeitungsprozeß in der Doku "Selbstporträt". Von der Qualität der Arbeiten mag man sich gerne selbst überzeugen. Überhaupt: Wer von den Hamburger Ausstellungen mit ihrem Hang zum "gut Abgehangenen" genervt ist, sollte sich einen Ruck geben. Hier gibt es wirklich was zu sehen, verstörend schön oder wie Ballen auf der Eröffnung sagte: "Maybe a nightmare, maybe a nice dream."
>>> Webseite von Roger Ballen / Webseite der Ausstellung / Webseite zu Diane Arbus
(Roger Ballen, "Schattenkabinett". 25.5. bis 26.8.2007 im Haus der Photographie, Deichtorhallen, Hamburg.)

Samstag, 12. Mai 2007
Der Soldat wird älteren Damen wieder über die Straßen helfen.
Ist doch ganz logisch.
Jonathan Meese spricht über Blogs die Kunst, "mickrige Selbstverwirklichungsfanatiker", Demut und Erfolg.
(Ich möchte auch das, was in dieser Flasche ist. Vielleicht hilft das auch gegen die rasenden Schmerzen, die seit gestern Abend durch meine linke Kopfhälfte sägen. Mir steht ein Leben in abgedunkelten Räumen bevor, über der Zimmertüre steht "Zukunft". Bitte keine Blumen.)
via artblog

Donnerstag, 10. Mai 2007
Dada ist keine Kunstrichtung
(Berlin-Dada)
Hannah! Von hinten wie von vorn... Hannah Höch, Dada-Mama und weitaus mehr als die Betriebsnudel der Berliner Dadaisten, wie Hans Richter leicht herablassend andeutete, hielt den kaspernden Jungs gern den ironischen Spiegel entgegen. Die Höch war eine Scherenschwester - tagsüber öffnete sie die Handarbeitsredaktion des Ullstein-Verlags der Moderne, danach säbelte sie säuberlich durchs selbstgefällige Bürgertum: Schnitt mit dem Küchenmesser Dada durch die letzte Weimarer Bierbauchkulturepoche Deutschlands heißt eines ihrer berühmteren Werke. Die große Schere (in der Ausstellung zu sehen) als Verlängerung ihres scharfen Blicks im Anschlag, trennte und sezierte sie aus Fotos, Zeitungen und Zeitschriften unzählige Fetzen, Stücke, Sätze, Wörter, Buchstaben - dekonstruierte und konstruierte neu.
Mutter der Collage nannte man sie - später - nachdem Heartfield, Hausmann, Grosz des Streitens müde geworden war, wer sie denn nun erfunden hatte, die Montage. Was sie zusammenbrachte, schmerzhaft, mit scharfer Kante und häufig unendlich detailreich nahm die dicke Berliner Plauze, die Zustände, aber auch die Gefährten aufs Korn. In Raoul Hausmann war sie verliebt, der - ganz Dandy - sich aber nicht recht von seiner Frau trennen wollte. Wie so vieles, nahm sie auch dies spöttisch auf die Schippe, für uns ein Segen vielleicht. Ihre Montagen und Collagen zeigen, wie aus dem Remix eigenständige Kunst entstehen kann, die ihre parodierten Vorbilder überlebt. Bloßes Spiel? Ja sicher, aber voller Kraft, Ironie und Witz und einer leichten Handschrift. Höch, selbst von scharfgeschnittenem Profil, studierte Kunstgewerbe in Berlin, traf Hausmann bei Herwarth Walden und nahm 1920 bei der Dada-Messe in Berlin teil - nicht sehr zur Freude von George Grosz und John Heartfield, die sich in ihrer Männerunde gestört fühlten.
Hätten sie mal gewußt, daß ohne Hannah Höchs Sammelleidenschaft viele Erinnerungen verloren gegangen wären. In ihrem Haus in Berlin-Heiligensee (was ich nicht kenne, man zeigt mir ja nix!) verwahrte sie Plakate, Briefe, Fotos, Puppen und andere Werke zu einem einzigen Musée dada. Die Sammlung erwarb nach ihrem Tod 1978 die Berlinische Galerie, die nun eine nicht allzu große, aber informativ gemachte Werkaustellung macht.
Das Lob der kleinen Form: Ich mag das, wie sich aus dem scheinbar Banalen, dem oft verlachten Alltäglichen, dem aus Verbrauchsmaterial Zusammengepusselten etwas herausschält, das eben doch mehr ist als ein herablassend Remix genanntes Verwursten. Lob dem unspektakulären Höhepunkt: Zwei der von Höch aus Resten zusammengeklöppelten Dada-Puppen sind in der Ausstellung auch zu sehen.
Dortselbst auch ein Verweis auf die Dunkle Seite, denn in den 30er Jahren gehörte die Höch zu den verfemten Künstlern im Nazi-Reich und erfuhr erst nach dem Krieg allerlei Ehren. Die "Warenwelt des Wirtschaftswunders", so der Katalog, war vor ihrer Schere auch nicht sicher, sie malte, schnitt und klebte bis ins hohe Alter getreu dem Motto: "Ich habe alles gemacht und mich um Handschrift und Material nie gekümmert".
(Hannah Höch, "Aller Anfang ist Dada!". Noch bis zum 2. Juli 2007 in der Berlinischen Galerie, Berlin.)

Montag, 2. April 2007
Läßt sich nicht beriechen,
Und sie zeigt die Hinterfront
Dem Melangeniechen.
(Klabund, "Ad notam". 1927.)
Jetzt geht es los(t), Kirschbäume bestäuben, denn der Frühling ist da. Wem die Hamburger Sonne nicht schon des Tags das Blaue vom Himmel ins Hirn brennt, der geht nach Sonnenuntergang ins Land der fransigen Latexscham, wie ich das nennen möchte. Ein hinreißender Abend, auch wenn der unverschämt schwarzhaarige Südtiroler monierte, ich redete zuviel und tränke (deshalb) zu wenig Bier. Vielleicht liegt es auch am ganz Umgekehrten: Weil ich so wenig Bier trinke, leidet die Atrilukationsfähigkeit auch nicht (so).
Die Hälfte vom Pils schäumte sowieso beim Hoppek über. Street-art mit obszönen Motiven, bißchen groß, bißchen flächig alles, Keith Haring trifft Paul Frank, wenn man jetzt mal einen großzügigen Bogen malen will. Die Fotos erinnerten ein wenig an Greg Friedlers Serie Mattress (nicht sicher für die Arbeit). Sinnfällig auch der umgebaute Eingang: Um die Galerie betreten zu können, muß man nämlich erst durch ein rundes Loch in eine dunkle Kiste steigen, auf deren anderer Seite ein schmaler Schlitz ins Freie führt. Will man die Galerie wieder verlassen, geht der Weg natürlich umgekehrt. Wir sind halt alle Ausgeschiedene der Kunst. (Hier müßte man noch schnell, handgemalt in Öl, nur 199,- Euro, Courbets Vom Ursprung der Welt reinbasteln, aber, mein Gott, das wißt ihr ja alles selbst.)
(Boris Hoppek, "I won't fuck with you tonight". Bis zum 25.5. im Helium Cowboy Artspace, Hamburg.)

Freitag, 30. März 2007

So, morgen abend dann große Gala im Helium Cowboy Art Space. Seit vier Jahren zeigen die da im Alu-Toaster an der alten Rinderschlachthalle zumeist grafische Kunst zwischen Pop und Comic, Street-Art und Graffitti. Das macht fast immer Spaß, auch wenn es meist zu heiß ist.
Heiß wird es auf jeden Fall, wenn Boris Hoppek seine Ausstellung "I won't fuck with you tonight" präsentiert. Stark sexuell geprägte erotische Kunst zwischen sexuellen Anspielungen und anspielungsreichem Sex, es geht offenbar irgendwie um Sex jedenfalls und das neue spezielle Magazin Lavagina, was schon allein Grund fürs Erscheinen ist (bitte passend zahlen).
Kurz: Wer immer schon wissen wollte, ab wann eine Latexpussy Kunst ist, der schaut sich das an. Ich werde mir morgen notfalls mit meinen Krücken Platz und freie Sicht verschaffen.
>>> Webseite von Boris Hoppek
(Boris Hoppek, "I won't fuck with you tonight". Bis zum 25.5. im Helium Cowboy Artspace, Hamburg.)

Mittwoch, 21. März 2007
is a real advance in the condition of men,
[...] it must be shown that it has produced
better dwellings without making them more costly [...].
(H.D. Thoreau, Walden, or Life in the Woods. 1854.)
Beim abendlichen Ausflug zur Hamburger Immobiliensafari ließ mich heute ein Nachbar ins Mietobjekt, der mich sp0ntan an Gaston erinnerte. Die Haltung, die Frisur - selten drängte sich die Besetzung einer Rolle stärker auf. Es war zwar sicher eine andere Marke, aber im Sinne der Dramaturgie möchte ich auch behaupten, die in seinen rechten Mundwinkel geklebte Fluppe war eine aus dem Hause Gauloises. He, ihr Franzosen mit eurem Hang zum Comic-Klamauk: Wann kommt die Gaston-Verfilmung?
Gaston jedenfalls besitzt den Schlüssel zur Nachbarwohnung, und ein Blick auf das Matratzenlager im Wohnzimmer hilft einigen wilden Ideen durch den Geburtskanal, was man so machen könnte, verfügte man über solcherart zusätzlichen Wohnraum. Bei meiner grundsätzlich so asketischen Lebensweise bräuchte ich natürlich kein Liebesnest, aber ein Gebetsraum mit Beichtstuhl ließe sich sicher einrichten.
Die Behausungsvisiten in letzter Zeit haben mir ja wieder die Finessen und Haken des menschlichen Miteinanders eindrücklich nähergebracht. Denn wie in jeder sozialen Spielgemeinschaft sind auch im Umfeld von Wohnungsbesichtigungen einige Regeln zu beachten. So sind meiner Meinung nach scherzhaft gemeinte Fragen wie "Ob man denn sein Schild Kolloratursänger an der Haustür anbringen dürfe" im Beisein potentieller Vermieter besser zu unterlassen. Auch allzu kritisches Gebohre und Gepuhle, sei es mit den Fingern, Messwerkzeug oder inquisitorischen Fragen sind sorgsam zu dosieren, den silbernen Anstecker vom Mieterschutzbund nimmt man besser gleich vom Revers.

Der bauliche Zustand Hamburger Wohnungen ist allgemein besser als noch vor zehn Jahren - aber vielleicht schaue ich mir die Löcher diesmal gar nicht erst an. Aber diese altbekannten kreativen Badlösungen, bei denen man über die Kloschüssel steigen muß, um in der Duschtasse zu landen ("Treten Sie nicht zu kurz"), sind mir diesmal noch nicht untergekommen. In Stadtteilen, die seit ein, zwei Tagen die Schlagzeilen des Boulevard beherrschen, soll demnächst viel Wohnraum freiwerden, wenn man den Aussagen der Bewohner des "Hochhaus' des Schreckens" (MOPO) glauben schenken darf. Ich bin da vorsichtig. In zwei Wochen wird die Erinnerung an das, was sich in der Plastiktüte einer Billig-Modekette für junge Leute befand, schon deutlich schwer fallen.
Gestern war ich in einer betulichen Ausstellung, die auch mal gut tat. (Betuliche Taten tun.) Die Erfindung der amerikanischen Malerei dürfte allerdings neben Menschen im Goldenen Zeitalter höchstens noch Amerikanisten wie mich interessieren. Die romantischen Landschaftsschinken der Hudson River School hängen schon ein wenig schwer in noch schwereren Rahmen - zeigen aber unbestritten großartige Vistas (wenn auch gerne weniger realistisch denn komponiert, aber was solls) und vor allem die allmähliche Formung amerikanischer Vorstellungswelten, Ideen, Spleene & Ideale, die heute so oft auf andere Weise schauern machen.
Ich möchte die Stickbilder im Museumsshop empfehlen. Truisms von Emerson und Abraham Lincoln gibt es dort, hübsch gerahmt. "All that I am, or hope to be, I owe to my mother" ist mein Favorit. Das klingt, aus einer Plastiktüte heraus gesprochen, allerdings etwas dumpf und erstickt.
(Die Erfindung der amerikanischen Malerei. Bis zum 28.5.2007 im Bucerius Kunstforum, Hamburg.)

Montag, 12. März 2007

So einen Samstagabend kann man auf verschiedenste Art und Weise begehen. Man wünscht sich hin, man wünscht sich fort und ist doch stets an welchem Ort? In Gedanken jedenfalls oft da, wo man gerade nicht ist. Einen dieser Gedanken hat Thorsten Passfeld bei Feinkunst Krüger ausgestellt.


Es macht sich in solcher Umgebung gleich ein Hauch von Ahnung breit, hier richtig und unter Gleichgesinnten zu sein, während anderswo nur Gleichgesinnte völlig falsch liegen. (Kann mir noch jemand folgen?) Obwohl vom Hafen mit seinen derzeiten elektrischen Attraktionen nicht weit, war es zwischen hölzerner Kunst und schönen Menschen, unter denen ich die minderjährigen berückenden Gefährtinnen verkrachter Kunststudenten besonders hervorheben möchte, deutlich attraktiver, schon allein, weil einem ab und an der selbstredend völlig unschuldige Gedanke, mit einer dieser berückenden, völlig normalen Frauen in Ruhe nach Hause zu gehen, um dort auf eine ebenso gelassene wie einvernehmliche Art miteinander zu schlafen, von einer Herzkammer in die andere rollte (dortselbst wird nämlich immer noch gedacht). Aber das ist natürlich ebenso virtuell wie ein, nehmen wir ein willkürliches Beispiel, Autorennen auf einer Spielkonsole.
Zurück aber zur Kunst. Ich bin ja gerne bei Herrn Krüger, der immer wieder mit kleinen skurrilen Dingen überrascht, aber diesmal war es nun wirklich fantastique. Wo andere mit der Laubsäge nur Fleißarbeit bezeugen, hat Multitalent Passfeld, den ich hier ruhig loben kann, weil wir persönlich nicht miteinander bekannt sind (sonst wären wir wahrscheinlich verstritten), dem Betrachter eins in Kopf und Herz assembliert, daß man zwischen Ach ja und Hach ja schwer herausfindet. Ob aus Holzeinzelteilen nachgebildete allerweltliche Fertigungsmaschinen (Nähmaschine, Tonbandgerät), Signalträgerraketen namens "Doofheit" oder angesprochene Wort-Bilder - kurzundknapp: toll!
Leider reichte der Etat zum Ankauf nicht, diese Prekariatsbloggerei hat also auch Nachteile. Doch immerhin, der Arsch bleibt selbstgerettet. Und gelacht haben wir auch. Sich in neugeschaffenen Räumen einen neuen Raum verschafft.
("Kommt jetzt alle rein, bitte!" bis zum 7.4.2007 bei Feinkunst Krüger, Hamburg.)

Dienstag, 27. Februar 2007

Wenn man so ein Wochenende damit verbracht hat, auf rutschigen Gummistiefeln über lehmverschmierte Holzbohlen zu wanken ("Der Boden wird noch gemacht, das sieht später ganz toll aus!") und mit der Helmlampe dunkle Wohnlöcher zu erhellen ("Morgens haben Sie hier ganz zauberhaftes Licht!"), steht einem der Sinn mit Recht nach dem Guten, Schönen und Erhabenen.
Die Diplomausstellung an der HfbK ist für diese Vermittlungsinhalte ein lohnendes Ziel und bietet zudem die Gelegenheit, mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen. Allgemein fand ich die Malklassen dieses Jahr ein wenig nun ja, teilweise machten die Fotografien, traditionell in Hamburg immer eher schwach besetzt, mehr her. Moki hatte einen schönen Raum, die zahlreichen Videoinstallateure in der Nachbarschaft hingegen habe ich allerdings nur aus dem Augenwinkel zur Kenntnis genommen. Dafür fehlt mir die Geduld.

Neben vielen tollen Waschbeckeninstallationen, oft ja der Höhepunkt solcher Akademierundgänge, habe ich aber das Werk von Dorothea Ottermann für mich entdeckt.
Wie ein zum Ausstellungsleben erwachtes Found Magazine präsentiert die Künstlerin unter dem Titel "Überwachung und Identität" eine fantastische Sammlung von gefundenen Notizen, Listen, Fotos, "Ich kaufe ihr Auto"-Karten und anderen Mitteilungszeugnissen als wohl- und neugeordnetes Zettellabyrinth. Ein beachtliches Konvulut und bloß innerhalb eines Jahres gesammelt, wie die Künstlerin mir erzählte. Säuberlich nach Kategorien in Ordnern sortiert und als eine Art Bibliothek schriftlicher Selbstvergewisserung (Notizen an mich selbst, Einkaufslisten) und Fremdmitteilung ("Kümmer dich um DSL!"/"Kann jemand meine Tüten mit nach unten nehmen?") geordnet, entstand eine soziografische Studie, eine Landkarte aus "Ich war hier!"-Kommunikation, die auch viel mit Blogs gemeinsam hat. Oder den manischen Zeitungsschnippsel-Zimmerauskleidungen und Textsammlungen von Serienmördern im Film. Ganz wie man will. Für mich eine sehr witzige, sehr spannende und irgendwo auch traurige Re-Organisation und Re-Dekoration von banalem Alltag, die mir gut gefallen hat.

Freitag, 23. Februar 2007
Für ganz Kurzentschlossene schnell noch ein Hinweis. Die extrem talentierte junge Hamburger Künstlerin Moki hat ihr Studium beendet und lädt zur:
diplomausstellung der hfbk
hochschule für bildende künste/
academy of fine arts
lerchenfeld 2, hamburg
eröffnung/opening: mittwoch 21.2 ab 19h
donnerstag 22.2 - sonntag 25.2
täglich/daily 14 - 20h
"to disappear completely"
raum 120/room 120
bilder sind am 22.2 online/pictures online on 22.2
>>> SPIEGEL | Das hermetische Café
