Mittwoch, 2. Dezember 2009


Wer hat Angst vor Grau, Grau und Grau?



Heute morgen durch den Rauhreif geschlittert. In der doppelverglasten Welt gibt es ja keine Frostblumen mehr an den Fenstern, die man anhauchen könnte und an die Lippen kleben, um sie irgendwann weiterzuschenken. Klare Luft, sich selbst aus dem Nebel zerren, die Zukunft aus Atemwolken lesen, an der Bushaltestelle trippeln, sich an ein Herzklopfen erinnern. Die Hände tief in die Manteltaschen graben, im Sediment zerfriemelte Nachrichten finden. Wir werden alle...


 


Dienstag, 1. Dezember 2009


Otto e mezzo

...und jetzt habe ich
diesen Traum am Hals.

("8 1/2")

Truth is beautiful, without doubt;
but so are lies.

(Ralph Waldo Emerson)



Am Wochenende endlich Fellinis 8 1/2 gesehen. Ein Regisseur auf dem Lost Highway, verwirrt in diesen ganzen Zirkel aus Oberflächlichkeit, den falschen Versprechungen, den Lebens- und den Liebeslügen, den Zirkus der Schmeicheleien, die Eitelkeiten, die Cliquen, die schalen Possenreißer, bei denen man vorsichtig sein muß, äußerte man laut, man hätte zu ihnen nicht die rechte Relation.

8 1/2 ist natürlich das große Vorbild auch für einen meiner Lieblingsfilme, Stardust Memories, diesen zwar nicht ernsthaften, aber an vielen, den brüchigen nämlich, Stellen traurigen Film, den Woody Allen am Ende seiner eher trivial komischen Anfangsphase machte. Ein Übergangsfilm also, ein Moment des Innehaltens, die im Kino zwangsläufig in Bewegung umgesetzt werden muß. "Ich mag ihre Filme", ruft ein Fan in Stardust Memories dem kriselnden Regisseur entgegen. "Vor allem die frühen, komischen!"

Ähnlich also die Glitzerwelterinnerungen, ins Zwischenreich gelagert, dem Debakel zwischen Losgehen und Durchhängen, leichter Tragik und dunkelmütiger Komödie, in 8 1/2. Blockiert, eingekesselt in die irrwitzige Welt von Cinecitta, wo jeder leichte Sommer wie auf Pappwände gemalt scheint und der mondäne, zwischen surreal und hysterisch schwebende Taumel sich im Kummer zugesperrter Hotelzimmer löst, hält sich der Regisseur (Marcello Mastroianni) eines aus dem Ruder laufenden Filmprojekts in blanker Not den Kopf. Überhaupt, losrudern, weg vom sicheren Terrain, neuen Grenzen entgegen: Im Leben, in der Kunst, in der Liebe. Irgendwann fragt der Regisseur dieses Films im Film seine Ehefrau: "Hat dich etwas verletzt? Es ist doch nur Film?" Am schönsten ist die Liebe im Hafen, heißt es, aber das muß er noch lernen.

Ein Film über den Versuch also, das Leben zurückzuwinden, nach vorne zu holen, dieses Was mach ich hier eigentlich? endlich mit Sinn zu füllen oder wenigstens, man will nicht maßlos erscheinen, mit der richtigen Musik zu unterlegen. Irgendwann versammelt Mastroianni all die Frauen, die er kannte, um sich herum, eine schnurrende Männerfantasie, bei der - nachdem die Katzen erwacht - der Dompteur die lächerlichste Figur abgibt. Das anklammernde Sehnen und Zerren, die Ängste: vor dem Verblühen, dem Altern, den Schatten der Vergangenheit, diese wispernden Geister, hoffentlich ist da bald mal Ruhe. Zum Schluß wird alles ganz groß, Raumschiffe für den Aufbruch zu den Sternen, ein Zirkusfinale zwischen Freakshow und Modenschau im wunderbarsten Schwarzweiß. So als wäre Corbijn der Kameramann von David Lynch, um mal so etwas wie eine These in den Raum zu stellen.

Man kann sich auch den Spaß machen und darin die Worte "Film" und "Filmindustrie" gegen "Blog" und "Blogosphäre" tauschen. Mit ein bißchen Fantasie und weitergehender Vorstellungskraft hat man alle Rollen schnell mit bekannten Internettagebuchschreibern besetzt und hört plötzlich Dialoge, die wie aus dem echten Kommentarleben gefallen scheinen. Aber dann hat man diesen Traum am Hals.

Super 8 | von kid37 um 11:02h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 27. November 2009


Klatsch, aber auch Tratsch

Marcus Schenkenberg (41), las ich heute, moduliert seine unterwäschegeprägten Tage mit einer jungen Sissi (18). Ein wenig jung, möchte man unken, aber man muß die Worte des Herrn Assauer (65) bedenken, der seiner Ex (44) den jungen neuen Freund (25) nicht neidet. Ich selbst (37) bin ja noch nicht so alt wie mein Gitarrenkollege Ron Wood (102), der mit irgendeiner Ekaterina (20) neue Saiten aufzog. Nicole Kidman (36C) hingegen hat einen gleichaltrigen Kindskopf geheiratet, was wiederum Wispersängerin Madonna (85) nicht passierte, weil ihr Liebhaber 112 jahre jünger ist und die Beine ganz weit nach oben werfen kann. Wundergeiger David Garret (21) liebt nur seine Geige (272), aber das ist ok, liebe ich doch nur mein Blog (fast 6). Lothar M. (48) wiederum ist mit 150 Länderspielen und einer Dings, na, Öh (21) verheiratet. Glücklich, was sonst.


 


Mittwoch, 25. November 2009


Eye-Mote

Laut "Hallo" rufen (Betonung auf der zweiten Silbe, "It's really good to be here."), Türe aufreißen und sich verwirrt im falschen Zimmer finden. Bemerken (Übersprungshandlung), daß man einen Splitter im Auge hat. Türe langsam wieder schließen, leise, leise.



I can't stand to reason at your door in this time (Sonic Youth, "Mote")


 


Dienstag, 24. November 2009


Die Wetterklage, nachrichten



Reduktion. Die Welt, sagen wir mal, in immer knapperen, dichteren Sätzen nachbauen. Den Satzbau zertrümmern, erst die Girlanden über Bord werfen, dann die Rinde wegschneiden, am Ende das Entkernen. Am Ende Gerüstwerk lassen interpunktionlos Stümmelsprache am Ende

Guten Tag sagen blicklos berührungslos [also eben nicht: ein Touchscreen sein]. Ich denk doch was ihr wollt

7:37


 


Dienstag, 24. November 2009


Ringelstrümpfe der Woche, #37

Look who's come back home again
Loser looking for his lucky break
This time he says he just needs a friend
Ain't on the run he ain't on the take

(Sonic Youth, "Unmade Bed")



Die Zirkusnummer ohne Kuppel, leicht ratlos. Man wird das ja irgendwann auch nicht mehr los, wie ein alter, längst rausgewachsener Haarschnitt, der immer noch durchscheint. Man stolpert durch die Sägespäne. Bei der Lesung dann viele vertraute, noch mehr unbekannte Gesichter, freundliche Gesten, der kleine Knuff, das Wiedersehen und bei Merlix ein paar Links zum Nachhören. Langes Auspendeln in die Nacht, irgendwie halbnackt auf dem Trapez, verschwitzt, dann, leicht anästhesiert fünf Minuten Trackbacks setzen, dabei mich selbst irritierend stutzen, am Kopf kratzen und die wesentlichen Dinge unbenannt lassen. Aber die volle Hand ist leer, denn jetzt geht es ans Winterfeste. Seit ein paar Wochen schon liegt mir dieser leicht hysterische Unterton in Stimme und Handeln, der Umschlag ins Alberne, also bitte, da nahm man früher gerne eine längere Seefahrt als Ausweg, aber wer nimmt mich da noch? Sag einfach Nein oder fordere es ein, sagt die Freundin am Telefon. Diese Pragmatiker haben mir gerade noch gefehlt. Ich erzähle, ein bißchen, und ernte lautes Gekicher. "Lachst du etwa?" hake ich nach, irritiert. Nein, nein, hustet es. Ich benenne die drei heiligen Aber, Aber & Aber, wieder höre ich was, ganz leise nur. Man hfätte die Han übrm Mun nuschelt es durch den Hörer, ich höre wieder so ein Gegluckse, etwas stark Unterdrücktes. Ich möchte mein Mißtrauen überwinden und rede erst einmal weiter, diese um-Kopf-und-Kragen-Geschichten, ich meine, irgendwo wird schon eine Wand sein, vor die man knallen kann.

[...]

Tentakel | von kid37 um 00:00h | 2 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 20. November 2009


...



Langsam die Türen schließen, das Laub kehren. Die Kleiderlagen verdoppeln, die Schicht. Sich selber etwas erzählen, die Pointe niemals erfahren wollen. Das letzte Obst verschenken, und ich sage noch, iß mal was, so blaß. Alles in einen Nebel packen.