Donnerstag, 19. November 2009


Der gefundene Satz #49

"Misery is the thinking man's happiness."

(via irgendwo im Internet)


 


Mittwoch, 18. November 2009


Moi'n'Mirroir

Während ich in der Umkleide vor diesen Spiegeln, in denen man sich in einem die feinsten Falten enthüllenden Licht gleichzeitig von allen Seiten sehen kann, Rockerposen einstudiere, ein beschwingtes Luftgitarrensolo als Begleitung zur kompressorgezähmten Jugendagitationsmusik in den Ladenlautsprechern beisteuere, dann aber in eine Arnold-Pose zurückwechsle, die ich aber doch nicht genau beurteilen kann, weil ich zum Glück und Selbstschutz auch die Brille abgenommen hatte. Mehr gibt es zum Hosenkauf nicht zu sagen.

Auf dem Weg zum Lebensmittelmarkt liegt auf einem kleinen Flecken Grün seit Wochen nun ein totes Kaninchen. Erst hatte ich es fotografiert, frisch von einem Auto erwischt, aber super intakt, nur ein wenig naß vom Regen und der Aufregung. Mittlerweile, man merkt die mangelnde Anteilnahme in diesen vergessenen Stadtteilen - und ich als Chronist darf die Wirklichkeit ja nicht verändern -, ist dem armen Tier ein wenig die Luft ausgegangen. Selbst ich möchte es nicht mehr fotografieren, obwohl sich sicher eine interessante Zeitrafferstudie hätte machen lassen. Ein weiteres 365-Tage-Projekt, von denen es auf Flickr nur so wimmelt. Daily Bunny, eine Studie in De/Komposition. Diesem Hasenartigen erklärt keiner mehr die Kunst, würde ich heute diagnostizieren, aber mal schauen, was in den nächsten Wochen noch so wird. Manches insgeheim schon Aufgegebene hat sich ja auf wundersame Weise zurückviviert, mit zagendem Puls und flackernder Hoffnung.

Muß man aber zeitig aufstehen, den Tag, den Zug, den Schuß nicht verpassen. Early to bed, early to rise, makes a man healthy, wealthy and wise. Ich habe lange genug antizyklisch gelebt, um zu wissen, daß das stimmt. Ich schaue jetzt aber niemanden direkt dabei an.


 


Dienstag, 17. November 2009


Huch, fast hättet ihr es vergessen



Macht nichts, deshalb schreibe ich es hier noch einmal auf. Bis Freitag dann - und hübsch gekämmt, bitte.

Ex Libris | von kid37 um 11:00h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 15. November 2009


Boulevard der Dämmerung



Abends an so einem Tempranillo gerochen (2003), dabei Moon Suk zugehört, wie sie meinte, Berlin sei nicht gut für Ehen, Berlin zerstöre Ehen, da sei zu viel Ablenkung. Kurz Haha gemacht, noch trockener als dieser Tempranillo, der meiner unsensitiven Meinung nach übrigens nicht anders schmeckte als der von 2008, ich nehme da aber alle Schuld auf mich. In Hamburg, Frau Moon Suk, orientierten sich die Ehen früher ja an den Liegezeiten der Schiffe. Und dann wurden die Handelscontainer und das schnelle Rein-raus, ich rede über Ladegeschäfte, erfunden. Wir sind hier nun in der Stadt der Ein-Personen-Kinos. Und damit meine ich nicht die Kabinenbetriebe auf der Reeperbahn.

Erst dachte ich, man müsse den gemeinsam schauen, aber ich hatte ganz vergessen, was für ein bitterer, trauriger Film das ist. Also doch nicht unbedingt das, was man gemeinsam ansehen sollte, es gibt Dinge, die sollte man allein durchstehen. Melodramen über zuviele zerbrochene Träume, das Altern und die Vergeblichkeit, die bewahrten Illusionen und die Schonung, weil jeder dem anderen seine Illusionen nicht nehmen will, und der Verrat durch die Schonung, der Verrat an der Liebe vor allem, an der Aufrichtigkeit (da gibt es dann natürlich das junge, idealistische Mädchen, ein Schriftstellertalent, auch sie hin- und hergerissen in der Liebe, wie sie alle in diesem Film, das dem alten, na gut, also mittelalten Mann vor die Entscheidung stellt, eine Tür öffnet, mit all dem Mut der Jugend, den er irgendwo auf dem Weg verloren hat), der Verrat also an der eigenen verdammten Zukunft. Auf dem Boulevard der Dämmerung werden irgendwann die ersten Blogger sagen, lange nachdem das Tonfilmgezwitscher die Welt weitergeschoben hat: Mr. DeMille, ich bin bereit für die Großaufnahme.

Anschließend den Roman von Nick Cave zu Ende gelesen. Auch so ein Träumer, dieser Bunny Munro. Ein Charmeur alter Schule in einer sehr gewissen Weise, man schämt sich ein wenig, ist gebannt fasziniert, ein schrecklicher Unfall fällt einem ein, kurz, man kann über 300 Seiten gar nicht weggucken, schüttelt den Kopf, leidet aber mit, schließt ihn auch irgendwie ins Herz, diesen Don Quichote auf der Suche nach der... na gut, das sollte man besser selbst lesen, ich trage nicht diesen Schnauzbart wie Nick Cave und kann mir auch keine anzüglichen Scherze über Kylie erlauben, weil wir nicht näher bekannt sind. Bunny Munro jedenfalls, dieses große Arschloch und arme Socke, nicht jeder Leser wird sich über ihn erheben können, die meisten aber wohl schon, gehört jetzt zu den eher simpel Strukturierten, sehr nah orientiert an bestimmten Bahnen des Rückenmarks, vielleicht nicht der Allerreflektierteste unter uns, mehr so Schnellrestaurant, nicht Feinkost, aber dafür mit einem gewissen Händchen für, ich möchte mal sagen, Publikumskontakt, und da träumen hier einige auch von. Wie ich weiß.

Schade, daß das Buch nach 300 Seiten bereits aus ist, ich hatte ja noch Hoffnung. Ich meine, der Mann war doch lernwillig, der hat sich doch immer gefragt, was dieses oder jenes zu bedeuten habe, daß ihm doch sicher jemand was sagen möchte, seine Frau zum Beispiel, wenn sie seine Kleidung, zerfetzt & zerschnitten, in der Wohnung verteilt. Ich meine, Bunny war doch ganz nah dran, er stand doch kurz davor! Aber nach 300 Seiten endet das Buch wie im Titel bereits angedeutet mit dem Tod des Protagonisten, der letzte Picaro endet, rüde aus dem Sattel geworfen, in diesem englischen Küstenort, zu dem ich persönlich auch wieder eine Schleife ganz an den Anfang ziehen könnte, allein, da mach ich lieber neckische Bewegungen mit den Zeigefingern hinter den Ohren und rufe: Bunny, du warst uns kein Vorbild, aber irgendwie auch einer von uns!


 


Freitag, 13. November 2009


Magistrates




Gut, daß ich erinnert wurde! Schnell also noch ein Hinweis: Heute abend eröffnet in Berlin die Ausstellung "Magistrates" mit Werken von Ray Caesar, Chet Zar, David Hochbaum, Bruce Mitchell, Steven Daily, Raf Veulemans, Richard Kirk und weiteren Künstlern. Dazu, jipjip, gibt es eine Book-Release-Party und Ausstellung mit Postern von Mark Ryden.

Geht da ruhig mal hin, über 20 Künstler aus dem großen Feld von Low Brow und Pop-Surrealism werden dort präsentiert; die Leute dort sind furchtbar freundlich und unkompliziert und niemand muß schwarze Rollkragenpullover tragen. Leider lebe ich in Distanz, sonst wäre ich ja da.

("Magistrates". Strychnin Gallery, Berlin, Boxhagenerstr. 36. Ab 13.11.2009)


 


Donnerstag, 12. November 2009


Die Stadt & das Meer



Mein Vater hat mir immer gesagt, nichts hat Bedeutung, wenn man es nicht veröffentlichen kann. Aber die Dinge hatten sich geändert. Vince hatte bei unserem ersten Gespräch gesagt, es sei in Mode, sich selbst in die Story mit einzubauen. Allmählich stellte sich die Frage, wie weit ich gehen wollte.

(aus: Wahre Lügen. Regie: Atom Egoyan. Kan./GB 2005.)

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Does she ever feel she exposes too much of herself? "You have to, otherwise the work isn't honest," she says. Die BBC über Tracey Emin.

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This is kind of about you.
This is kind of about me.
We just kind of lost our way.


(PJ Harvey, "We Float")

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An die Diebstähle denken. Die Bücher, die Schallplatten, die Gedanken und Ideen. Was hat man sich nicht alles angeeignet, in dem einen oder anderen brotlosen Jahr. Alkohol von irgendwelchen Partys mitgenommen, grußlos gegangen, raus in eine andere Kälte, irgendetwas albernes getan, einen fremden Namen in den Schnee gepinkelt, ein sorgloses Leben gestohlen, eine adaptierte Biografie. Am Ende sogar mit allen Lügen, die ich übernahm und dabei nicht einmal verstand. Oben auf dem Hang stehen, hinunterschauen auf die Lichter der Stadt, die schmerzenden Beine ausstrecken, weil man so schnell gelaufen war. Die schmerzenden Arme herunterhängen lassen, weil man einander so lange festgehalten hatte.

Diebe wie wir also. Mit gestohlener Zeit und Vorstellungen, die sich aus Büchern nährten, Kinofilmen, banalen Schlagern. Sonnenbrillen, die man unbedingt nachts tragen mußte, halbverdaute Zitate auf den Lippen, seltsame Zigaretten, die man teilte, in der Mitte brach, dabei blind blieb in voller Absicht, eine Witterung aufnahm, aber nicht weiterging. Wie wir eine zeitlang warteten, schweigend, und dann beschlossen weiterzugehen.

Im Dunkeln tasteten wir uns den Abhang wieder hinunter, den Lichtern entgegen und einer Ahnung von der nächsten Straße. Durch Buschwerk hindurch, erst kichernd, dann nervöser, es war ja kein Ende zu sehen, keine Hand mehr zu fühlen. Ich sagte, Amerika liegt dort drüben, zeigte dabei irgendwohin, deine Antwort konnte ich nicht hören oder habe sie nicht verstanden. Vielleicht hast du auch schon nicht mehr mit mir gesprochen.

Wenn man sich irgendwann kein neues Leben mehr stehlen kann, muß man wohl sein eigenes leben. Was fehlt, mieten sich die einen stundenweise, vermieten die, die es übrig haben, manchmal zieht man es sterbend noch an Land, von irgendwelchen Ufern, entkorkt sich und diesen Gestrandeten eine Flasche Wein, singt eines dieser alten Lieder, kippt sich die Neige einer weiteren Zukunft beinahe über den Kragen, einer steht auf, kräht, "immer weitermachen", ich rufe, "Maul halten oder Straßenkampf", alle lachen, man streicht ein paar Sätze prostet sich zu, und ich lausche, inhaliere, merke mir alles - Geduld, Geduld - und schreibe es irgendwann auf.

Aber nicht hier.

>>> Geräusch des Tages: PJ Harvey, We Float.


 


Mittwoch, 11. November 2009


...

Der Lokführer.