Freitag, 1. Mai 2009


Der Arbeiter arbeitet

Herrn der Fabriken, ihr Herren der Welt,
endlich wird eure Herrschaft gefällt.

("Arbeiter von Wien", Q)

Im Alten Land wird am Samstag eine Blütenkönigin gekrönt. Miss Krisenblüte wird dann ein Jahr lang bunte Bänder winden, Jünglinge herzen und alternde Honoratioren. Die Ernte segnen und auch das Wirtschaftswachstum.

Die Sprachlosigkeit überwinden, aus dem Schatten treten. Ich habe nun drei Pfund zugelegt und strebe eine neue Gewichtsklasse an. Galeeren sind schließlich wendiger als große Schiffe in ihrer muskeleffizienten Ökonomie. Ein fröhliches Arbeiterlied auf den Lippen, heißt es alles geben fürs abendliche Tingeltangelland. Beim Klamotten-Discounter, hört man, gibt es schwarz-rot-goldene Hemden, made in Bangladesh. Wir immerhin haben uns ein neues Klima geschaffen, auch unsere Generation hat Bleibendes getan. Wir werden unsere Arbeitszimmer aufräumen in der Sonne liegen, Sardinen grillen und nur noch sanfte Lieder singen.


 


Donnerstag, 30. April 2009


Sechs Wörter sind eine Welt

Hemingway machte es einst vor. Eine Kurzgeschichte, die nur aus sechs Wörtern besteht. Das Blogprojekt Six Word Stories greift die Idee auf und sammelt die Kürzestgeschichten bekannter Autoren, Leser und Internetbefüllern.

Wenn man die gelungeren Beiträge liest, die lustigen, traurigen, subversiven, wird einem auch wieder die schreckliche Redundanz bewußt, mit der man selbst tagein, tagaus usw.


 


Mittwoch, 29. April 2009


Moving Day at the Barton's

Alles zusammengepackt, eine ganze Philosophie in Rollcontainer, den Rest in große graue Plastikwannen gekippt. Die Turnschuhe, die Fitnessbälle, das Glamourporträt. Besenrein ausgelacht.

Tentakel | von kid37 um 15:57h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 28. April 2009


Darum geht es doch

Gemeinsam im Regen naß werden, gehörte - neben einigen wunderbaren Käsebroten in der alsternahen Mittagspause - zu meinen schönsten Erlebnissen des Sommers 2008. Dazu muß man nicht mal in die Ferne, so ein Island liegt auch in der unspektakulären Nachbarschaft. Sommerregen, Blues Explosion hören, wir werden alle Frisbee im Gegenlicht spielen. Auf der Straße trifft man Ehemalige, sie berichten vom Gefühl der Freiheit, der Leichte, die sich über Druck und Schwere hebt. Hartz-4-Bräune erklärt man lachend zum Inbegriff eines neuen Lebensgefühls, mit dem man die Balance nach dem professionalisierten Leben in der Lifestyle-Gemeinschaft sucht.

Sich ein Heim schaffen für das Innen und das Außen. Daneben das Essen nicht vergessen und auch nicht das Schauen: Beim Gruner & Jahr Photo Award möchte ich Philipp Dietrich und Matthias Keller loben. Ihre Serie, die man "Mit Energie leben" nennen könnte, zeigt in still inszenierten Bildern Tristesse und Sehnsucht in einer polnischen Grenzstadt, die von ihrem Kraftwerk lebt. Eindrucksvoll und vergnüglich auch die Porträts von Yasmin Janin Obst, die Menschen im Museum fotografierte, wie sie Kunst betrachten. Maren Janning führt mit ihrer Reihe Glücklich altern auf Wolke 9. Es gilt, sich anzufreunden mit der eigenen Zukunft - und so schön darf sie gerne kommen.

Mich haben nicht alle Preisträger überzeugt - aus manchen Gründen und auch anderen. Ich würde der Jury gerne mal über die Schulter schauen, um zu sehen, was der Fotografen-Nachwuchs denn so wirklich präsentiert.

(G & J Photo Award 2009. Gruner & Jahr Pressehaus, Hamburg. Noch bis zum 3. Mai.)


 


Sonntag, 26. April 2009


All of her friends call her Alaska



Es ist eine ausgesprochen milde Nacht im noch so frühen Jahr. In der Luft der Geruch vom kommenden Mai, eine Nacht voll Blütenpollen, würden Allergiker klagen, mir scheint, ich rieche noch etwas anderes; Zeit, Lichter zu gucken, an Touristen vorbei, den Koberern, durch die Nacht kreuzen. In der Hasenschaukel feiert das Komakino-Label, zwei kurze Sets von Eerie und Miss Alaska. Der Winter ist vorbei, denke ich, aber ich bringe ein bißchen Herbst mit.

Miss Alaska ist charmant, das Publikum weniger, viele junge Leute, die sich für ihr Leben nicht entscheiden können, ob sie lieber drinnen oder draußen sein wollen. Türen klappern, an Tischen wird gelacht, ein Mann will Rosen verkaufen. Miss Alaska bleibt tapfer, wechselt zwischen Laptop, Geige, Gitarre, Melodica und Klavier, man muß sich immer wundern, wie so kleine Frauen so viel Musik auf die Bühne bringen können.



Menschen lungern seitwärts in den Straßen. Betrunkene vorm Tingeltangel, Federboas kleben an feuchten Hälsen, Bierschweiß strömt aus dem Störtebeker, die Plätze, Stufen und Winkel sind bis zum Hafen runter eng besetzt. Es ist weit nach Mitternacht, doch ein Thermometer sagt 19 Grad. Man kann die ganze Nacht so am Wasser sitzen, ein Bier trinken, vielleicht zwei, den Sound der fernen Party-Barkassen hören, zwei, drei Gedanken fassen, ins Wasser spucken. An dich denken.


>>> Webseite von Komakino

Radau | von kid37 um 21:37h | 6 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 25. April 2009


Die Runde ins Wochenende





Der Marathon ist zwar erst morgen, aber ich kann sagen, ich war heute bereits im Ziel. Auch ein Umstand, den man zur Metapher umschmieden und anschließend zu Tode reiten könnte. Frühstart, frühvollendet, vor der Zeit oder right time, right place wie unsere Freunde aus der anglistischen Fraktion mit ihren Benjamin-Franklin-Truisms sagen würden. Sicherlich bin ich nicht schneller als andere, soviel ist schon mal sicher. Ein gutes Gefühl aber, mit leichtem, federnden Schritt auf der noch jungfräulichen Ziellinie zu stehen, ein wenig den Moment zu kosten und das Gefühl angekommen zu sein. Schließlich ist das Leben nicht nur Wettbewerb, der Schmerz nicht und auch die Liebe nicht, und so gilt es, die kleinen Augenblicke zu würdigen, sich an ihnen zu erfreuen, sie als Geschenk sehen, nicht als allzu leicht errungenen Sieg. Natürlich wäre es schön gewesen, hätte dort jemand gestanden, der mir Essig Wasser gereicht hätte, ich meine, 42, 195 stand dort, die "magische Zahl", wie eine Langstreckenkollegin andächtig flüsterte, die gleich mir auf dem Gelände umherschlich. Aber zäh wie ich dann doch bin, auch eine Form von Belastbarkeit, schaffe ich es auch im Ziel eines Marathons, mir noch selbst die silberne Aluflasche aus der Tasche zu holen, den Verschluß aufzudrehen und einen kräftigen Schluck zu nehmen. Im letzten Augenblick hielt ich mich aber selbst zurück und vermied es, mir im jubelnden Überschwang den Rest über den Kopf zu gießen. Es hätte ja auch keiner gesehen.



Ein anderes Geschenk stammte heute vom Flohmarkt. Ein schönes Wörterbuch, für das ich nicht einmal etwas zahlen mußte. Es ist von 1956, dem Jahr, in dem Alain Mimoun den olympischen Marathon in Melbourne gewann. Der Weg zum Hirnchirurgen ist dennoch weiter als 42,195 Km. Und abkürzen gilt nicht.


 


Freitag, 24. April 2009


Ein Tag bei der Shitty Press

Eine ambitionierte Grundschullehrerin dürfte das auch nicht sehen, ohne die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen, aber hier kann ich es ja zeigen. Jedenfalls so halb. Es ist alles nicht spektakulär geworden, macht aber Spaß, das kann ich mir jetzt zehn Mal an die Tafel schreiben. Streng genommen macht es sogar so viel Spaß, daß ich überlege, die Dunkelkammer rauszureißen und in die winzige Ecke eine Druckerpresse zu installieren. Irgendwer wird ja auch - wenn die Revolution beginnt - klandestine Plakate drucken müssen und T-Shirts und Versammlungsaufrufe. Ihr Narren denkt natürlich, ihr könnt die Postscript-Files mal eben per Mail oder USB-Stick zum Copy-Shop transferieren. Hahaha! Sicherheitsorgangesichert geht das nur mit dem fälschungsfreien Linoldruck aus der Shitty Press, läuft - garantiert Adobe-frei - auf jedem Wohnzimmertisch, der eine Glasplatte und eine Gummiwalze tragen kann.

Aber das nur nebenb3i. Irgendwo lief gerade so eine tolle Blog-Aktion mit Herzen und Steht-mit-einer Faust, bei der man Blogs verlinken sollte (ich habe es leider geschwänzt) und ein paar haben dabei auch mich verlinkt und nette Sachen dazu geschrieben - dafür vielen Dank! Ich schneide das ebenso kleinteilig wie unleserlich in Linoleum oder Holz (ist ja jetzt alles möglich, auch Horst Janssen hat mal klein und trunken angefangen!) und drucke es aus. Prima.

Am Ende eines derart leichtwindumwehten Tages darf man getrost mit einem Glas billigen Rotweinfusels am Fenster stehen, Miles Davis spielt dazu was von "There's No You" und "My Funny Valentine", und ich denke großspurig berauscht, kann ich auch, bei eBay gibt es schließlich nicht nur Linolschnittmesser, sondern auch Trompeten, habe ich gesehen! also wartet nur ein Weilchen, dann spiele ich euch "Fahrstuhl zum Hamburger Schafott" in Aquatinta mit Strubbelhaaren im Revoluzzer-T-Shirt (Bürzel dabei aber wie ein guter Donaldist immer bedeckt halten, mahnte mich Frau Gaga einst), während in meiner kleinen Kunstkasinoküche (die 3 K der Hermetischen Akademie) Scampi und Gedöns und Paprika in der Pfanne bruzzeln (Revolutionsküchenessen an Gartentischen und Thonet-Stühlen, anschließend Diskussion mit Käsebrot, Thema: Farbe und Dings nicht so dick auftragen, nur im Pathosgewerbe ist mehr mehr!) und ich auch mal zufrieden bin (aber unrasiert).

Da staunt ihr, aber wartet nur, bis euch alte Männer küssen wollen, denn das passiert dann auch, kunst- und künstlergeplagte Musen wissen das.