Ein Tag bei der Shitty Press

Eine ambitionierte Grundschullehrerin dürfte das auch nicht sehen, ohne die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen, aber hier kann ich es ja zeigen. Jedenfalls so halb. Es ist alles nicht spektakulär geworden, macht aber Spaß, das kann ich mir jetzt zehn Mal an die Tafel schreiben. Streng genommen macht es sogar so viel Spaß, daß ich überlege, die Dunkelkammer rauszureißen und in die winzige Ecke eine Druckerpresse zu installieren. Irgendwer wird ja auch - wenn die Revolution beginnt - klandestine Plakate drucken müssen und T-Shirts und Versammlungsaufrufe. Ihr Narren denkt natürlich, ihr könnt die Postscript-Files mal eben per Mail oder USB-Stick zum Copy-Shop transferieren. Hahaha! Sicherheitsorgangesichert geht das nur mit dem fälschungsfreien Linoldruck aus der Shitty Press, läuft - garantiert Adobe-frei - auf jedem Wohnzimmertisch, der eine Glasplatte und eine Gummiwalze tragen kann.

Aber das nur nebenb3i. Irgendwo lief gerade so eine tolle Blog-Aktion mit Herzen und Steht-mit-einer Faust, bei der man Blogs verlinken sollte (ich habe es leider geschwänzt) und ein paar haben dabei auch mich verlinkt und nette Sachen dazu geschrieben - dafür vielen Dank! Ich schneide das ebenso kleinteilig wie unleserlich in Linoleum oder Holz (ist ja jetzt alles möglich, auch Horst Janssen hat mal klein und trunken angefangen!) und drucke es aus. Prima.

Am Ende eines derart leichtwindumwehten Tages darf man getrost mit einem Glas billigen Rotweinfusels am Fenster stehen, Miles Davis spielt dazu was von "There's No You" und "My Funny Valentine", und ich denke großspurig berauscht, kann ich auch, bei eBay gibt es schließlich nicht nur Linolschnittmesser, sondern auch Trompeten, habe ich gesehen! also wartet nur ein Weilchen, dann spiele ich euch "Fahrstuhl zum Hamburger Schafott" in Aquatinta mit Strubbelhaaren im Revoluzzer-T-Shirt (Bürzel dabei aber wie ein guter Donaldist immer bedeckt halten, mahnte mich Frau Gaga einst), während in meiner kleinen Kunstkasinoküche (die 3 K der Hermetischen Akademie) Scampi und Gedöns und Paprika in der Pfanne bruzzeln (Revolutionsküchenessen an Gartentischen und Thonet-Stühlen, anschließend Diskussion mit Käsebrot, Thema: Farbe und Dings nicht so dick auftragen, nur im Pathosgewerbe ist mehr mehr!) und ich auch mal zufrieden bin (aber unrasiert).

Da staunt ihr, aber wartet nur, bis euch alte Männer küssen wollen, denn das passiert dann auch, kunst- und künstlergeplagte Musen wissen das.

Homestory | 14:59h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
sunny5 - Freitag, 24. April 2009, 16:31
ach herlich. herzlichen dank. was für ein grandioser text. der letzte absatz ist, ist so, ja, wie soll ich sagen. hach. toll. ;) sie sind ab jetzt für immer in meinem herzen ...

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kid37 - Samstag, 25. April 2009, 01:17
Ich sehe schon, Sie kennen sich aus. Mit den Musen und den Malern Männern.

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jean stubenzweig - Freitag, 24. April 2009, 16:48
Horst Janssen ist aber nicht «trunken» vom Balkon gerauscht. Da war er ein klein wenig ziemlich übermäßig berauscht von was anderem als seinen Künstlerglück. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte er seine tagwerklichen Pinselschnitzereien bereits bewerkstelligt gehabt; behauptete er, als er noch unter den Lebenden weilte.

Ich sehe das auch so, wir sollten zurückkehren zu den guten alten gepflegten und pflegenden Kommunikationsmethoden. Wie teilte mir ein Freund der Kunst per eMail mal mit: Er versende keine eMils, er verschicke mit dem Kopf gemalte Kunstpostkarten. Alleine deshalb könnte ich ihn knutschen, nein, selbstverständlich küssen, knutschen tun nur Computerdegenerierte, und er ist schließlich schon älter, sogar ein winziges bißchen mehr als ich, und das will was heißen.

Ich könnte Sie küssen, Sie mit Ihrer linolschnittigen poetischen Dichtkunst. Ach ja, die alten Männer.

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kid37 - Samstag, 25. April 2009, 01:16
Stimmt schon, ich habe es verkehrtherum aufgezogen. Und fiele ich vom Balkon von der Fensterbank, es wäre keine Wanne mit Säure, die auf mich wartete. Übrigens habe ich die Biografie über Bill Brandt, die da ebenfalls auf dem Tisch liegt, von dem Buchhändler gekauft, der, wenn ich die Janssen-Biografie richtig im Kopf habe, den Meister damals nicht verlegen wollte. Ungefähr vergleichbar mit dem A&R-Mann bei Decca, der später dieses Buch schrieb: The Man who let the Beatles go. So schließt sich der kleine Kreis.

Ich brauche ein zweites Standbein. Beim Deutschen Filmpreis ging ich wieder leer aus.

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nnier - Samstag, 25. April 2009, 01:41
Let go, give away!
Verzeihen Sie die späte Störung; ich war nämlich Dorfpunks gucken und bin noch ganz erschüttert, dass ich mich nicht auf Anhieb erinnern konnte, von wem Wishing (If I had a photograph of you) war. Ich habe den Abspann deshalb sehr genau studiert - die Schrift war ja sehr klein. Die Augen. Alte Männer.

The man who gave the Beatles away, Allan Williams - es sei ihm ja gegönnt, ich aber bin überzeugt: Das musste schon alles so sein mit Brian Epstein und NEMS und A Cellarful of Boys. (Andere hingegen schlagen ihre große Chance ganz bewusst aus: "You don't want to support that guy." - ab 0:58)

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kid37 - Samstag, 25. April 2009, 01:51
Ah, ...gave them away. Na, für einen alten Mann gar nicht so schlecht aus dem Kopf zitiert, behaupte ich mal. Allan Williams. Man kann nicht immer Treffer landen. The Cure standen mal, ich erinnere mich wieder aus dem Kopf heraus, für fünf Minuten bei Telefunken unter Vertrag.

Ansonsten können Sie mich ruhig fragen, ich lese das dann vom Cover vor:


Ist aber nur Zufall, und reingehört habe ich noch nicht. WIe war denn der Film?

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nnier - Samstag, 25. April 2009, 10:45
Aus dem Kopf kann ich auch ganz gut, z.B. die Zehn Gebote, "Bring keinen um", "Fass die Alte von deinem Nachbarn nicht an" und so.

Der Film? Nun. Ganz nett. Die Szenen mit der Band sind schön, ein Auftritt geht so lebensecht peinlich in die Hose, dass man sich sehr gut damit identifizieren kann. Aber meist bleibt es äußerlich, nett anzusehen, aber (wie das Buch) für mich in erster Linie eine Aneinanderreihung von Schoten. Mir hat das Theaterstück um einiges bessser gefallen, das sich an der Vorlage nur lose orientiert hat.

Werden Sie etwa bemustert?

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saxanasnotizen.blogspot.com - Samstag, 25. April 2009, 14:54
Schließe mich den Bewunderungsrufen der Verehrerinnen an mit vielen Ausrufezeichen!!!!

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kid37 - Samstag, 25. April 2009, 21:28
Frau Saxana, danke, Sie bekommen auch einen Abzug! ;-)

Ich hörte, der Film sei nicht schlecht angesichts der vielen Möglichkeiten, mit so einem Projekt zu scheitern. Mal sehen.

(Der Kollege läßt mich manchmal in seine Kiste greifen. Die goldenen Zeiten sind lange vorbei.)

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monolog - Samstag, 25. April 2009, 23:52
Als ich mich neulich mal an einem Ex Libris in Linol versuchte, stellte ich fest, dass Spiegelschrift keine so ganz dumme Angelegenheit ist. Sie haben das natürlich klug gelöst und erst keinen Text eingebaut. Wahrscheinlich hätten Sie daran aber eh schon vor dem Vorzeichnen gedacht.

(Meine Farbe war natürlich rot. Und so sehr schlimm sieht mein Name verkehrt herum gar nicht aus; fast besser als richtig herum.)

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kid37 - Sonntag, 26. April 2009, 06:07
Rot ist nie falsch
Ich seh die Welt ja eh immer verkehrt, deshalb kann mir das nicht so leicht passieren. Man muß ja auch die Anordnung der Motive... nun ja. Sirbil, auch nicht schlecht. Man muß des Lobis voll sein für solche Mühen.

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