
Donnerstag, 2. April 2009
Ab und an lohnt der Blick ins Kaufhaus Stilbruch, diese kleine obskure Resterampe, es kann nicht jeder Tag ein Flohmarkt sein. Musik gab es diesmal, alte Radios und noch ältere Klaviere, fast wollte ich es kaufen; ich wüßte dann genau um seine Stimmung, was auch immer mir jemand erzählen will. Es sind die Dinge, die übrig bleiben, die erinnert werden oder verkauft, die man immer wiederfindet, Leuchttürme im Nebel des Dies und des Das. Die Profihändler kommen immer schon früh, rupfen das Verwertbare, die glänzenderen Stücke heraus. Der Rest ist hier nicht Schweigen, aber oft nicht mehr der Rede wert.
Ein wenig enttäuschend war diesmal die Abteilung "Kunst". Kaum was Selbstgemaltes, bloß Poster um Poster blieben zurück. Einzig ein kleiner rosa Elefant bat um Mitnahme, aber wer braucht schon eine Trompete im Haus, wenn es ein Klavier sein kann. Wo sind sie hin, die jüngsten Wilden, die Bauernmaler, die unbeholfenen Akteure?
Vielleicht beim Sport. Bälle werden wohl nicht viel geschlagen in diesen Zeiten. Aber Krücken wie damals gab es auch nicht mehr. Hamburg humpelt, alles perdu.
>>> Kaufhaus Stilbruch

Mittwoch, 1. April 2009
So kann man das auch halten. Sich nach der Arbeit schnell noch in die Stadt stehlen, die kleinen müßigen Momente, die man sich nehmen kann und darf und sollte, Slowdive. Vor ein paar Tagen feierte die Galerie von Robert Morat ihr fünfjähriges Bestehen mit Bildern, Blumen, Catering. Ein Fall also für die Neigungsgruppe Kunst & Trunk: Neben den beiden Serien von Jessica Backhaus "What Still Remains/One Day in November" zeigt dort Bernhard Fuchs "Autos".
Ich muß vielleicht dazu sagen, daß ich kein besonderer Fan des Becher-Stils bin. Fuchs, ein Schüler der beiden, fotografierte Autos in unspektakulären Umgebungen, aber mir war das für eine Typologie nicht sachlich und für alles andere nicht atmosphärisch genug. Ich finde das Thema sogar ziemlich gut, es ließe sich in diesen Zeiten prima aufladen, Krise und unbewegte Zukunft, aber mir scheint in diesem Fall manches ein wenig wahllos. Backhaus hingegen hat mit tollen lakonischen Detail- und Alltagsbeobachtungen den Nebenraum vollgehängt. Grund für meinen einzigen Kritikpunkt: "vollgehängt" - ich glaube, hier wäre weniger mehr gewesen. Die Bilder - oder sind es die Rahmen? - ersticken sich gegenseitig, man merkt an den Wänden, an denen bloß einzelne Großformate hängen, sofort, wie die Motive zu atmen beginnen. Die 1970 in Cuxhaven geborene Fotografin zeigt die Leerstellen, das Verschwinden, die Stille und leise Melancholie trister Wohnstuben, den Resten, Fragmenten, achtlosen Splittern und Spuren eines Lebens, in dem die Menschen merkwürdig abwesend scheinen. Auf ihrer Webseite ist einiges davon zu sehen.
(Jessica Backhaus/Bernhard Fuchs. Robert Morat, Hamburg. Bis 5. Mai 2009.)

Dienstag, 31. März 2009
benefits in marble.
(Benjamin Franklin)

Aufgemerkt. Material war beschafft und Zeit auch endlich gefunden. Tanzt den Pieter Bruegel, mein Tafelbild ist fertig geworden. Endlich kann ich mir im Internet mitgelesene Kochrezepte, Kulturempfehlungen und Geldanlagetips bequem notieren, spontanen Kreativitätseingebungen unkompliziert nachgeben und gesetzgebende Gedanken in Kreide schlagen. Möglicherweise halte ich mal einen Einfall fest, sollte mir einer begegnen, oder skizziere eine unerhörte Begebenheit. So eine Tafel ist übrigens mit beherztem Schwung schnell lackiert, und wenn es ordentlich sein soll, dauert es auch nicht viel länger. Wieviel Freude aber stellt sich ein - und das alles ohne Strom. Mag ich auch Feinde schelten, Freunde loben oder mich der eitlen Selbstanpreisung schuldig zeigen - nun heißt es, Schwamm drüber! Wir haben nichts gesehen. Flüchtig wie das Internet, heute hier, morgen editiert und übermorgen nur noch Staub.

Montag, 30. März 2009
All the kids begin to play
(Elvis Costello,
"(I Don't Want To Go To) Chelsea")

Rausströhmen, Regen atmen, vorglühende S-Bahn-Schunkler, langsam raus in die Nacht, tastende Schritte durchs Gewerbegebiet. Als ich eintreffe, drehen sie die Pixies ab, weil eine Band spielen will. Ein Fehler, denke ich, ihr dürft solche Vergleiche nicht suchen. Rotes Bier und blaue Blumen, ich summe in Gedanken "Alison" ("I know this world is killing you"), aber irgendwo hinter meinem Kopf drischt der Schlagzeuger das Nikotin der Luft entzwei. Füße immer so tapptapptapp, wir müssen auch mal jung sein heute Nacht. Lippen zischeln irgendetwas in mein Ohr, ich kann aber die Worte nicht hören, ich bin ein alter Mann, und hinter meinem Kopf hat immer ein Schlagzeug gestanden. Mit bedauerndem Lächeln deute ich auf mein Hörgerät. Im Dreck zu meinen Füßen liegt Geld, aber ich kann jetzt hier doch nicht Münzen aufklauben, auf allen Vieren kriechen, noch vor Mitternacht. Die roten Schuhe wollen nicht tanzen, ein blondes Mädchen fragt mich nach dem Pfand. Wie anders man diese Spiele spielt, ein Euro heißt das jetzt, und ich stecke mein Hemd wieder zurück in den Hosenbund.
Irgendwo wird geknutscht, ich glaube, die mögen sich, aber sicher kann man sich nicht sein. Ich würde gern den Sound einstellen, mir die Gitarre schnappen, also der Typ macht das schon gut, aber ich hätte da was zu sagen. What's so funny 'bout Peace, Love and Understanding, könnte man mal fragen, aber in deutlichen Worten. Der Raum hier ist angenehm angeranzt und abgerockt, man könnte hier schwitzen oder versacken oder jemanden kennenlernen, aber da werde ich schon nach draußen gezogen, bevor ich weiter auf den Mikroständer schiele. Ist doch auch nur Nacht, denke ich. Kenne ich schon, das ist wahlweise eine Tageszeit oder ein Zustand, ich weiß nicht, welches gerade gilt. Die haben soeben an der Uhr gedreht. Ich kann die beiden Freundinnen jetzt besser verstehen, diese Musik war ja doch recht laut. Die eine kommt quasi aus Wien, das verrät sie erst jetzt. Ach, sag ich, istjaeinDing und gehe im Geiste die Bezirke durch, während schon wieder Regen fällt und ich den Weg zum Bahnhof weise, irgendeinen, wasweißichdenn, wo ich gerade bin. Muß man hinfahren oder im Herzen tragen, sage ich unter meiner albernen Mütze hinweg, die den Regen abhalten soll. Die haben an der Donau sogar Rettungsboote.

Freitag, 27. März 2009
Am Anfang, damals, unter den Bäumen als uns die Wölfe heulten, bis das Licht verblasste. Aber nicht du. Am Ende, später, als wir wie Wölfe heulten, das Zerfleischen übten, das Knurren um die letzten Hühnerknochen. Bis kein Licht keine Wälder kein
Man soll in die Wälder nicht gehen. Niemals allein.

Donnerstag, 26. März 2009
Wie sicher kann man sich bei dieser Frage schon sein. Manchmal wird es so gesagt und hält doch nur bis zum nächsten Morgen. Machen wir uns mal bitte nichts vor. Manchmal denkt man, man habe diese Person gefunden, und dann packt sie ihre Tasche aus, entdeckt man die Liste auf ihrem Mp3-Player zeigt die weniger schönen Seiten. Manchmal denkt man, das Telefon sei kaputt. Dabei ist grad nur jemand anderes in der Stadt. Manchmal ist man aufmerksam und bringt jemanden eine Apfelsine mit. Manchmal geht man lieber heimlich mit anderen tanzen. Manchmal weiß man alles nicht so genau. Für jemanden wichtig sein. Ich finde, das klingt nach einer prima Sache.
Das vierteljährlich erscheinende Wolphin-Magazin veröffentlicht auf der beigelegten DVD internationale Kurzfilme. Darunter sehr coole Sachen, nicht alle so bitter, und leider hier nur schwer zu beziehen. Ach, und wenn ihr euch die Frage stellt - ich mag euch schon sehr.
via Dadanoias
>>> Webseite des Wolphin-Magazins (mit Blog)

Mittwoch, 25. März 2009
Gerade mit einem Kollegen über Träume, Zukunft und das Vergangene gesprochen. Was soll nur werden, sagte ich, kann ich doch nicht einmal Obstkuchen backen. Vier, fünf Jahre bleiben noch, sagte er und zeigte auf das Interview im Branchenmagazin. Wo gehen wir hin, fragte ich, wenn es kalt wird nachts? Nach Hause, meinte er, immer nach Hause. Man brauche keine schöne Kneipe, man brauche ein schönes Heim! Doch jetzt wo ich meine Wohnung im Zen-Stil entrümpelt habe, mir der Lack noch an den Fingern klebt, kommt mir diese Ausgestaltungsidee daher. Na toll, das Treppenhaus wurde gerade frisch renoviert. Natürlich derart konventionell, daß eine junge Dame mit singender Säge überhaupt nicht richtig zur Geltung käme. Ich glaube, es wird doch Zeit für ein eigenes Haus, irgendwo vor den Toren der Stadt mit Platz für prunkvolle Tränengefäße und eine eigene kardiologische Praxis. Und jede Menge Wandschränke für die Geister der Vergangenheit. Man könnte dort natürlich auch die Fenster öffnen, Frauen was vorlesen, vier, fünf Kinder zeugen adoptieren und ihnen Unsinn beibringen.
Etwas überladen vielleicht, aber Hauptsache, das Dach hält.
Einige Links via The Steampunk Home, wo es ziemlich viel nerdigen Kitsch, aber auch ein paar nette Ideen zu sehen gibt.
